So kann auch keine solche verloren gehen. Für den Kreis Groß-Gerau galt zumindest damals Ähnliches. Zwischenzeitlich mag es ein bisschen anders aussehen.
Eine so tolle Lösung wie die Nordwestvariante ließ sich aus der Sicht der Interessen von Koch und der CDU nicht ein zweites Mal finden.Die Sozialdemokraten,die vor Ort Verantwortung haben, müssen sich wehren, und die CDU-Reihen bleiben geschlossen. Derart von politischen Vorzügen geblendet, wurde Nordwest ausgerufen, und seitdem durfte niemand mehr daran zweifeln, dass dies die einzig richtige Lösung wäre.
Meine Damen und Herren, schon bald wurde klar, dass Koch bei seiner Festlegung auf Nordwest fast alles an Fakten missachtet hatte, was überhaupt zu ignorieren war. Der Kurs blieb natürlich trotzdem unverändert, da konnten noch so viele Argumente vorgetragen und Tatsachen beschrieben werden.Alles wurde ignoriert und auf später verschoben.
Meine Damen und Herren, dass man einen Flughafen tunlichst nicht unmittelbar benachbart von Oberflächengewässern mit verstärktem Vogelflug ansiedelt oder auf Störfallbetriebe im Anflugbereich achtet und dass dies bei der Wahl des Standortes auch berücksichtigt werden sollte, war eigentlich schon zum Zeitpunkt der kochschen Entscheidung keine unbekannte Erkenntnis mehr, vor allem auch nicht die Tatsache, dass seit 1962 in Kelsterbach eine Chemiefabrik ansässig ist und erfolgreich arbeitet und seit ihrer Gründung ortsfest geblieben ist, während der Flughafen durch Erweiterungen und Verschiebungen immer näher heranrückte. Auch dieser Fakt blieb leider unbeachtet. Kein Ärger innerhalb der CDU beim Herzensthema Flughafenausbau, das war für Koch das Wichtigste.
Die landesplanerische Beurteilung am Ende des Raumordnungsverfahrens hat nicht nur für die Nordwestbahn die Vereinbarkeit mit den Zielen der Raumordnung als
herstellbar bezeichnet, sondern natürlich musste die kochsche Fehlentscheidung mithilfe von Rechenkünsten und Beurteilungsakrobatik auch dort erneut bestätigt werden.
Meine Damen und Herren,die Aufmerksamkeit,die Koch und seine Mitstreiter im Kampf für wachsende Verlärmung der Region dem Problem schenkten, äußerte sich darin, dass immer wieder betont wurde, man werde das Problem lösen. Aber nie konnte auch nur andeutungsweise angegeben werden, auf welche Weise dies geschehen sollte.
Immer wieder wurden entweder Gutachten und Warnungen ignoriert oder die Autoren madig gemacht und mit Schmähkritik überzogen. Nie gab es eine Antwort auf sehr nahe liegende Fragen, z. B.:Wie kann ein Chemiebetrieb mit immissionsrechtlicher Genehmigung weiterarbeiten, wenn die Anlagen in einen nicht mehr genehmigungskonformen Zustand versetzt werden müssen, damit Flugzeuge bei der Landung darüberdonnern können? Keine Antwort auf die Frage, nur die stupide Wiederholung, dass man das Problem lösen werde, aber reichlich Angriffe auf die Störfallkommission, auf die EU-Kommission und auf diverse Gutachter, nur weil diese alle logische Begründungen und Fakten statt Beteuerungen hören wollten.
Meine Damen und Herren, im Beschluss der Landesregierung zum Landesentwicklungsplan, der uns vorliegt, ist auch ein deutlicher Hinweis darauf zu finden, dass die Regierung mit ihrem Latein am Ende ist.
Es wird nämlich betont, dass sich alles, was an Problemen im Zusammenhang mit der geplanten Nordwestbahn existieren möge,lösen lasse.Dieser Betonung folgt die unverblümte Drohung mit dem Ordnungsrecht, das eine Schließung des Werkes verlangen könnte. Ich kann es gerne zitieren:
In diesem Fall ließe sich durch hoheitliche Maßnahmen, die von Betriebsbeschränkungen bis zur Stilllegung oder Verlegung der Anlagen reichen könnten, ein ordnungsgemäßer Zustand herstellen.
Nur, was heißt denn das? Das heißt, dass das Problem nicht gelöst wurde. Natürlich heißt dies – Sie können es auch nachlesen –: Wir stellen fest, die CDU-Landesregierung und mit ihr ihre Fraktion an erster Stelle verheißen neue Arbeitsplätze als Zukunftshoffnung, planen aber zugleich als Einstieg eiskalt zunächst einmal die Vernichtung von rund 1.000 direkt real existierender Arbeitsplätze, überwiegend in der Produktion, und darüber hinaus wollen sie eine technisch moderne,effektiv arbeitende Produktionsanlage einfach abreißen.
Meine Damen und Herren, bei dem Dringlichen Antrag der CDU zu diesem Thema können wir auch noch feststellen, dass dies der Landtag ausdrücklich begrüßen soll, also die Arbeitsplatzvernichtung, die dort betrieben wird.
Da Koch seinen Riesenfehler vom August 2000 zwischenzeitlich vielleicht erkannt hat, aber niemals als Fehler zugeben würde, wurde bei so viel Ignoranz jetzt guter Rat immer teurer. Eine Lösung der Koexistenz von geplanter Landebahn und Chemiebetrieb kann es nicht geben. Das musste Koch einsehen, wenn er es auch nicht eingesteht. Also wurde eine neue Argumentation aufgelegt, nämlich dass das zwar alles zulasten der Chemiefabrik, die weichen müsse, gelöst werde und notfalls vor Gericht auch durchgesetzt werden könne – das habe ich gerade aus dem LEP zitiert –, dass dies aber – das ist jetzt das Neue – viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde.
Meine Damen und Herren, das Interessante ist: Wenn man Punkt 4 des CDU-Antrags, der heute vorgelegt wird, nachliest, stellt man fest, dass man mittlerweile in der Erkenntnis sogar ein Stückchen weiter ist. Man ist nämlich inzwischen ehrlich und spricht von juristischen Risiken in dieser Angelegenheit.
Wir erzählen Ihnen seit Jahren, dass das nicht durchsetzbar ist. Sie wollten es nur nicht wahrhaben.
dass rund um den Flughafen Siedlungen in den Achsen möglicher Flugrouten liegen und dass am Ende – so hat es Koch uns hier neulich bei der Haushaltsdebatte 2007 erzählt; das ist noch nicht so lange her – deshalb nur die Route über die Chemiefabrik übrig bleibe. – Meine Damen und Herren, bei dieser Darstellung bleibt völlig außer Acht, dass die Siedlungen schon sehr viel länger vorhanden sind, als der Flughafen überhaupt existiert. Sie wissen, Raunheim ist über 1.200 Jahre alt. Wem dies jetzt zu lange zurückliegt, der schaue sich wieder einmal einen Text an,den die Landesregierung höchstselbst verfasst hat – ich zitiere –:
In der Richtung einer dritten Parallelbahn mit dem notwendigen Abstand würden in der unmittelbaren Nähe des Flughafens dicht besiedelte Gebiete liegen. Die Bevölkerung dieser Gebiete wäre erheblichen Lärmbelästigungen durch an- und abfliegende Flugzeuge ausgesetzt.
Meine Damen und Herren, so weit die Erkenntnis. Sie steht auf Seite 10 des Planfeststellungsbeschlusses, der den Bau der Startbahn 18 West genehmigt.Das ist,wie wir wissen, rund 35 Jahre her. Es kann also überhaupt nicht richtig sein, was uns der Ministerpräsident erzählen will. Schon lange, bevor es die GRÜNEN überhaupt gab, war die Region rund um den Flughafen so dicht besiedelt,dass eine weitere Parallelbahn aus Sicht der Landesregierung nicht genehmigungsfähig war – im Jahre 1971.
Ich darf mir zusätzlich noch den Hinweis erlauben, dass in den Achtziger- und zu Beginn der Neunzigerjahre rund um den Flughafen überall Bannwald ausgewiesen wurde,
weil man einmütig der Meinung war, dass der Schutz durch den Wald rund um den Flughafen im Interesse der Menschen wie der Natur auf Dauer erhalten werden müsse. Meine Damen und Herren, insbesondere in Richtung CDU gesagt: Diese Beschlüsse ergingen in allen Parlamenten stets einstimmig, also auch mit den Stimmen der CDU.
Ja, in jener Genehmigung wurde dem Flughafen damals sogar die Auflage gemacht, Waldflächen, die an ihn angrenzen, zu kaufen und dauerhaft als Wald auf seine Kosten zu erhalten, eben genau als Stück von dem, was wir heute Ausgleichsmaßnahmen nennen.
Meine Damen und Herren, nachdem sich also die kochsche Legende, dass Rot-Grün an allem schuld sei, als total falsch erwiesen hat, sollten wir einmal zu den Kosten des kochschen Fehlers kommen. Es wird die Zahl von 650 Millionen c genannt, die die Vernichtung der Produktionsstätte und der Arbeitsplätze kostet,
(Michael Boddenberg (CDU):Sprechen Sie als Abgeordneter oder als Aktionär, Herr Kaufmann? Sind Sie immer noch Aktionär, Herr Kaufmann?)
um sie an anderer Stelle wieder aufzubauen. Was die Arbeitsplätze angeht, so werden sie sicher nur in geringerer Zahl wieder entstehen. Herr Kollege Boddenberg, diese 650 Millionen c hätte man sparen können, und man hätte die Arbeitsplätze bei Ticona nicht gefährden müssen, wenn man nicht so falsch entschieden hätte und sich anschließend so stur verhalten hätte.
Der Ministerpräsident trägt vor, dass ihm der Schutz der Menschen besonders wichtig sei. Doch wie sieht es konkret aus, wenn Sie z. B. die Nordwest- und die Nordostvariante vergleichen? Im Raumordnungsverfahren wurden beide als machbar bewertet. Die Nordostbahn wäre 650 Millionen c billiger,
weil keine Chemiefabrik im Wege steht. Die Anzahl der betroffenen Wohnbevölkerung im Bereich starker Auswirkung wäre bei der Nordwestbahn 432 Personen weniger als bei der Nordwestbahn. Dies alles sind nur einige Fakten aus der landesplanerischen Beurteilung, dem Abschluss des Raumordnungsverfahrens. Schauen Sie es nach, wenn Sie es mir nicht glauben.
Meine Damen und Herren,wenn man die Zahlen alle umrechnet und sämtliche Betroffenen der unterschiedlichen Kategorien zusammenfasst, dann stellt man Erkenntnisse über die Dimension der kochschen Geldverbrennung fest, die man hier schon noch einmal anmerken muss. Im Fall der Bahnvariante Nordost – das ist ein Gedankenexperiment – könnte man für den Betrag von 650 Millionen c jedem, egal ob Stufe A, B oder C, was die Betroffenheit angeht, jedem, egal wie alt er ist, 11.000 c auszahlen, um die Summe zu erreichen.
(Michael Boddenberg (CDU):Wollen Sie Nordost, Herr Kaufmann? – Gegenruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Im Vergleich zu den äußerst dürftigen Lärmschutzprogrammen, mit denen Fraport den Anwohnern ihre Klagerechte abkaufen möchte, ist das schon eine bemerkens
werte Zahl.– Herr Kollege Boddenberg,diese Frage brauchen Sie nicht zu stellen. Wir halten jede Variante für falsch.
Wir reden im Augenblick über den Fehler, den der Ministerpräsident gemacht hat und der uns 650 Millionen c kostet.
Meine Damen und Herren, es gibt einige Schlaumeier, die nun erklären, das Ganze sei ein Geschäft innerhalb der Privatwirtschaft. Da sage ich nur: welch ein Hohn. Wenn Fraport 650 Millionen c zusätzlich für die Beseitigung einer Chemiefabrik und gegebenenfalls noch zusätzliches Geld für eine Beschäftigungsgesellschaft bezahlen muss, dann müssen diese Mittel erwirtschaftet werden und schmälern auf jeden Fall den Gewinn vor Steuern. Also sind der Fiskus und auch das Land als Anteilseigner der Fraport-Aktien mit dabei, die diese Belastungen tragen müssen.