Protocol of the Session on November 22, 2006

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nehmen wir das Beispiel Förderpläne. Natürlich ist es gut und richtig, dass Lehrerinnen und Lehrer bei Schülern, die Schwierigkeiten in einzelnen Fächern haben, Förderpläne schreiben. Nur, die Arbeit, die sich die Lehrerinnen und Lehrer damit machen, darf dann nicht ins Leere laufen. Frau Kultusministerin, was ist gewonnen, wenn Lehrerinnen und Lehrer mit viel Mühe Förderpläne schreiben, aber dann an der Schule keine Ressourcen zur Verfügung stehen, um das, was in den Förderplänen steht,

auch tatsächlich umzusetzen? Dann haben Sie damit ein hohles Instrument auf den Weg gebracht, weil Sie den Schulen die notwendigen Mittel verweigern, um es umsetzen zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kultusministerin, über die Verkürzung der Schulzeit kann man trefflich streiten. Sie verkürzen die Schulzeit in der Mittelstufe. Aber wenn man das so macht, wie Sie es machen, wenn man die Gymnasien damit faktisch zu Ganztagsschulen macht, so wie Sie den Unterricht in die Mittelstufe hineinpressen, dann muss man die Schulen auch baulich zu Ganztagsschulen machen. Frau Kultusministerin, das muss man machen, bevor man G 8 einführt, und darf nicht im laufenden Betrieb versuchen, jetzt die größten Fehler zu korrigieren.Was Sie hier machen,ist ein Feldversuch an einer ganzen Generation von Schülerinnen und Schülern. Es wird mit Sicherheit die Bildungschancen von vielen Kindern verschlechtern, so wie Sie G 8 in unserem Land durchführen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder die Unterrichtsgarantie plus.Meine Fraktion hat immer gesagt,wir haben nichts gegen die verlässliche Schule, aber es müsste etwas mit Qualität zu tun haben. So, wie Sie die Unterrichtsgarantie plus machen, hat es eben nichts mit Qualität zu tun. Was Sie dort auf den Weg gebracht haben, ist ein bürokratisches Monster.

(Dr.Walter Lübcke CDU) :Beleidigte Leberwurst!)

Sie haben den Schulen zusätzliche Aufgaben aufgebürdet – zu dem, was die Schulen ohnehin schon machen müssen. Das Ergebnis ist einmal mehr riesig viel Bürokratie an den Schulen. Für die eigentliche pädagogische Arbeit, für die Förderung der Schülerinnen und Schüler, bleibt noch weniger Zeit. Das haben Sie mit der Unterrichtsgarantie plus auf den Weg gebracht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Walter Lübcke (CDU): Was habt ihr denn gemacht?)

Meine Damen und Herren, angesichts einer solchen Politik kann es nicht wundern, dass die Ergebnisse schlecht sind. Schauen wir uns die Ergebnisse von bald acht Jahren Politik dieser Kultusministerin an. Ein Fünftel aller Studierenden bricht sein Studium ab.Ein Viertel aller 15-Jährigen hat Probleme damit, einfachste Texte zu verstehen. Diese 15-Jährigen sind jahrelang in die Schulen von Frau Wolff gegangen, und mit 15 Jahren können sie trotzdem einfachste Texte nicht verstehen. Ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler – Ergebnis Ihrer Politik. Sogar ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler durchläuft unser Schulsystem nicht in der dafür vorgesehenen Zeit, weil sie entweder einmal sitzen bleiben oder zu Beginn ihrer Schulzeit vom Schulbesuch zurückgestellt werden. Frau Kultusministerin, das sind katastrophale Ergebnisse.Vom Bildungsland Nummer eins, von dem Sie gern erzählen, kann da wirklich keine Rede sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es liegt nicht an den Schulen. Die Schulen würden sich gern auf den Weg machen. Die Schulen würden gern die Schülerinnen und Schüler individuell fördern. Aber es fehlt ihnen an den notwendigen Rahmenbedingungen aus Wiesbaden. Diese Rahmenbedingungen verantworten Sie mit dem Haushalt, den Sie hier vorgelegt haben.

Es kann nicht wundern,dass in keiner einzigen nationalen Vergleichsstudie – vom internationalen Vergleich ganz zu schweigen – unsere Schulen auch nur im oberen Drittel wären.Es gibt keine einzige Vergleichsstudie.Überall sind die Schulen, so wie Sie sie in Hessen organisieren, Frau Ministerin, bestenfalls im Mittelfeld, meistens sogar im unteren Drittel. Sie kennen all die Untersuchungen, ich muss sie nicht noch einmal erwähnen. Es gibt keinen einzigen Beleg dafür, dass Ihr Gerede vom Bildungsland Nummer eins auch nur im Entferntesten an unseren Schulen realisiert wäre, und das ist sehr bedauerlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich frage Sie: Wo wollen Sie mit Ihrer Bildungspolitik eigentlich hin? Es ist nicht zu erkennen, wo das hinführen soll, was Ihr Ziel ist. Welches Maß die Verwirrtheit mittlerweile erreicht hat, kann man im Haushaltsplan sehr schön sehen bei der Beschaffung von Lernmitteln.Da legt diese Landesregierung einen Haushalt vor, der die Finanzmittel für Lernmittel um 1 Million c kürzt. Die Frau Ministerin erklärt uns bei der kursorischen Lesung dieses Einzelplans wortreich, dass das alles schon seinen Sinn habe, dass das so sein müsse und dass man nicht mehr so viel Geld für Lernmittel brauche. Wir haben das in der kursorischen Lesung schon für falsch gehalten. Jetzt kommt die CDU-Fraktion und erhöht diese Mittel. Was denn jetzt? Es ist eine völlige Verwirrung. Sie wissen doch überhaupt nicht mehr, wo Sie mit Ihrer Bildungspolitik in diesem Land hin wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Dr. Walter Lüb- cke (CDU): Das zeigt, wie gut wir zusammenarbeiten!)

Liebe Kollegen von der CDU, sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben vor lauter Messen der Qualität an unseren Schulen vergessen, die Qualität an unseren Schulen zu verbessern. Das ist Ihr Problem. Sie sind nur noch mit Messen beschäftigt. Die Schulen müssen ständig neue Berichte geben. Aber Sie haben das Entscheidende vergessen, nämlich dass es an unseren Schulen besser wird, nicht dass wir besser messen,was an unseren Schulen geschieht, sondern dass wir es besser machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die grüne Fraktion in diesem Hause wird Ihnen sehr konkrete Verbesserungen zu Ihrem Haushaltsentwurf vorlegen, und sie wird mit diesen Anträgen dafür sorgen, dass Bildung tatsächlich wieder Priorität in unserem Land bekommt. Wir wollen ein Sofortprogramm Schule, mit dem zumindest die dringendsten Notstände an unseren Schulen behoben werden. Wir wollen, dass die 1.000 Lehrerstellen, die Sie im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ gestrichen haben, wieder eingestellt werden. Und wir wollen den Schulen ein wirklich eigenes Budget geben, also nicht irgendwie umgewidmete Mittel, sondern tatsächlich ein eigenständiges Budget von 50 c pro Schüler zur freien Verfügung für die Qualitätsverbesserung an Schulen.

Das würde die Schulen endlich in die Lage versetzen, tatsächlich Probleme anzugehen, individuell zu entscheiden: Was ist die Problemlage unserer Schule,wofür können wir dieses Geld am sinnvollsten verwenden? – Das wäre ein Vorschlag, um wirklich etwas für die Qualität unserer Schulen zu tun. An einer Schule mit 800 Schülern hieße das 40.000 c pro Jahr zur freien Verfügung, um Probleme

angehen zu können. Das ist Qualitätsverbesserung. Was Sie machen, ist wirklich Bildungsabbau.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen in Ganztagsschulen investieren, und zwar in Ganztagsschulen, wo auch wirklich Ganztagsschule drin ist, und nicht nur in pädagogische Mittagsbetreuung, wie Sie das machen, Frau Ministerin. Nichts gegen pädagogische Mittagsbetreuung – das ist besser als nichts.Aber mit dem pädagogischen Konzept einer Ganztagsschule hat es schlicht und ergreifend null und nichts zu tun, und es hat nichts zu tun mit dem Wunsch vieler Schulen,ihren Unterricht flexibler über den Tag zu verteilen und damit Kinder individueller fördern zu können. Deshalb wollen wir das ändern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Wagner, auch für Sie der Hinweis, dass die angemeldete Redezeit gerade abgelaufen ist.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich komme nach einigen Sätzen zum Schluss.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir wollen die Schulen unterstützen, die sich auf den Weg machen wollen, Schülerinnen und Schüler besser zu fördern, die auf das Sitzenbleiben verzichten wollen, die auf die Querversetzung verzichten wollen, und wir wollen diese Schulen in ihrer Entwicklung nicht blockieren. Das schlagen wir vor, solche Ansätze wollen wir im Haushalt fördern. Bei Ihnen gibt es keinerlei Ansätze in diese Richtung.

Zur flexiblen Eingangsstufe hat die Kollegin Habermann schon etwas gesagt.Das sehen wir auch so.Auch da finden wir, das muss man auf den Weg bringen. Frau Ministerin, da darf man nicht nur sagen, das ist eine hübsche Idee, sondern da muss man etwas dafür tun,dass aus dieser Idee auch Wirklichkeit wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden Ihnen das alles zur dritten Lesung sehr detailliert in Antragsform präsentieren, wie Sie das von uns gewohnt sind, natürlich seriös gegenfinanziert.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU – Dr. Walter Lübcke (CDU): Straßenbau oder was?)

Man kann einen Schwerpunkt auf Bildung in diesem Land setzen, aus unserer Sicht muss man es sogar, und darf es nicht so machen wie Sie, dass Bildung keine Priorität mehr hat. Bildung ist unsere wichtigste Zukunftsaufgabe, darin müssen wir investieren. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch die Kollegen der Sozialdemokratie wollen das tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wagner. – Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Irmer für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin,meine Damen und Herren! An ihren Taten sollt ihr sie erkennen und messen. Lieber Kollege Wagner,Frau Kollegin Habermann,Sie müssen sich schon fragen lassen, warum Sie heute etwas fordern, was Sie unter Ihrer eigenen Regierungsverantwortung alles hätten machen können, aber nicht gemacht haben.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das Argument für die nächsten 20 Jahre!)

Sie reden heute davon, die Schulen brauchten ein eigenes Budget. Wir haben heute in der Tat 30 Millionen c, die den Schulen als Budget zur Verfügung stehen. Wir haben heute die Tatsache,dass Schulen ein eigenes Fortbildungsbudget haben. Natürlich kann man darüber streiten, ob das genug ist oder ob man es möglicherweise noch hätte ausbauen können. Einverstanden. Aber sie haben heute ein eigenes Fortbildungsbudget,wir haben damit angefangen. Das war doch bei Ihnen ein Fremdwort, das gab es noch nicht einmal als Gedanke, was wir in die Tat umgesetzt haben.

Oder nehmen Sie das Thema Ganztagsschule. Ich halte es schon für heftig – um es einmal so freundlich zu formulieren –, wenn Sie heute von uns das fordern, was Sie selbst nicht geleistet haben. Sie fordern die gebundene Ganztagsschule möglichst flächendeckend. Sie waren noch nicht einmal in der Lage, im Laufe einer Legislaturperiode ein einziges Angebot zusätzlich zu genehmigen. Sie haben von 1995 bis 1999 alles abgelehnt. Das war die Realität Ihrer Regierungspolitik.

Meine Damen und Herren, ich bedauere schon ein klein wenig die Schüler, wenn ich mir vorstelle, dass sie einen ganzen Tag Unterricht bei Lehrern wie Ihnen haben sollten, Frau Kollegin Habermann. Die gehen doch anschließend traumatisiert aus der Schule heraus. Das muss man doch einmal deutlich sagen. Fragen Sie doch gelegentlich einmal die Schüler, ob sie das denn wollen.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Dann machen Sie es doch einmal! Das ist doch eine Lachnummer!)

Deshalb sagen wir, wir wollen auf freiwilliger Basis einen weiteren Ausbau von Ganztagsangeboten da, wo gewünscht. Wir machen genau das konsequent, kontinuierlich jedes Jahr, in den letzten Jahren, in diesem Jahr und im nächsten Jahr.Die Menschen können sich auf die CDU verlassen.

Ein letzter Satz zu dem Thema Unterrichtsgarantie plus. Frau Kollegin Habermann,ich weiß nicht,ob Sie heute die SPD-nahe „Frankfurter Rundschau“ gelesen haben. Ich zitiere nur einen Satz aus einem Interview mit Herrn Hans Rolf Eifert. Das ist der zuständige Schulamtsdirektor. Ich glaube, er gehört Ihrer Partei an. Er sagte zum Thema Unterrichtsgarantie plus:

Nach meinem Eindruck gibt es bei den Schulleitungen und Eltern eine hohe Akzeptanz für das Programm. Die Verwaltung hat inzwischen die Probleme auch im Griff.Von daher glaube ich, dass negative Einzelfälle nicht ablenken dürfen von der

Tatsache, dass das Konzept Akzeptanz gefunden hat.

Ich finde, wo er recht hat, hat er recht.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Ruth Wag- ner (Darmstadt) (FDP))

Ich halte es auch für mutig, wenn Sie, Frau Kollegin Habermann, hier erklären, es gebe keine Verbesserung im Landeshaushalt. Ich will an dieser Stelle erneut deutlich machen,dass wir heute rund 550 Millionen c mehr im Bildungsetat haben als zum letzten vergleichbaren Haushalt von Rot-Grün im Jahre 1998. Wenn man das auf die gesamte Regierungsverantwortung von CDU und von CDU und FDP kumuliert, haben wir heute festzustellen, dass es eine Mehrausgabe in der Größenordnung von über 3 Milliarden c gegeben hat.Damit wird deutlich,dass Bildung Priorität hatte, hat und auch in Zukunft haben wird.

(Beifall bei der CDU)

Wir machen das dadurch deutlich, dass auch in diesem und im nächsten Jahr erneut 130 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen werden, unter anderem für Ganztagsangebote und SchuB-Klassen. Wir wandeln 200 BAT-Stellen in Planstellen um. Wir haben als CDU in einem Antrag 2 Millionen c für Zentren für lebensbegleitendes Lernen an acht Standorten vorgesehen. Frau Kollegin Habermann, es erstaunt schon, dass Sie als Vorstand des VHSVerbandes zum Thema Erwachsenenbildung überhaupt kein Wort verloren haben. Auch hier sind wir im Sinne von lebensbegleitendem Lernen bereit, zusätzliche Akzente zu setzen. Dafür haben wir Herrn Dr. Lübcke, der sich in besonderer, bewährter Form dieses Themas annimmt.