Abschließend zum Haushalt: Viel mehr als die Rahmendaten kann man diesem Haushalt tatsächlich nicht entnehmen.
Ich komme zu der wichtigen Frage: Wie sieht es mit der Konsolidierungspolitik aus, die der Finanzminister für sich in Anspruch nimmt? Da stelle ich fest, dass wir im Jahre 2007 nach Plan 700 Millionen c mehr an bereinigten Einnahmen haben als nach dem Iststand 2005 und dass nach der bislang von allen anerkannten Verfassungsgrenze die zulässige Nettoneuverschuldung bei 900 Millionen c liegt. Das heißt, wir sind 400 Millionen c über der Verfassungsgrenze,der sogenannten alten Definition.Der Finanzminister spricht heute ja von einer „freiwilligen Selbstbindung“.
Selbst wenn der Finanzminister die Steuermehreinnahmen – in seiner Pressemeldung war die Rede von 300 Millionen c – zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung aufwenden will, sind wir bei rund 1 Milliarde c neuer Schulden.
Die nach der Verfassung zulässige Grenze der Neuverschuldung liegt bei 900 Millionen c. Wir werden über 10 % Steuermehreinnahmen haben. Trotzdem schafft es diese Landesregierung nicht einmal, die nach der Verfassung zulässige Grenze der Neuverschuldung einzuhalten. Nicht konsolidieren,sondern im Haushaltsjahr konsumieren, ist der Grundsatz dieser Landesregierung.
(Beifall bei der SPD,bei Abgeordneten des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Roland von Hunnius und Florian Rentsch (FDP))
Mit diesem Haushaltsentwurf kann man nicht viel anfangen. Herr Ministerpräsident, deshalb müssen wir uns mit Ihrer Politik beschäftigen. Ich sagte es Ihnen bereits eingangs: Wir beklagen die Ergebnisse Ihrer Politik. Wir beklagen, dass unser Bundesland Hessen im Vergleich zu den anderen Bundesländern immer schwächer wird.
Jahrzehntelang war Hessen vorne. Das war das Markenzeichen unseres Landes Hessen in Deutschland. Es waren die Landesregierungen unter sozialdemokratischen Ministerpräsidenten, die Hessen nach 1946 an die Spitze der deutschen Bundesländer geführt haben.
Unter dem jetzt amtierenden Ministerpräsidenten Koch ist unser Land schwächer geworden. Hessen hat an Kraft verloren.Andere Länder haben uns überholt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am deutlichsten kann man dies an der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt erkennen. Seit dem Jahr 2004 liegt unser Bundesland Hes
sen hinsichtlich der Arbeitslosigkeit ständig über dem Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer. Wir liegen seither ständig über dem westdeutschen Durchschnitt. Das Nachbarland Rheinland-Pfalz hat uns mittlerweile hinsichtlich der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt nicht nur überholt. Vielmehr vergrößert sich die Spanne sogar noch weiter. Die Differenz wird immer größer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter sozialdemokratischen Ministerpräsidenten lag Hessen immer an der Spitze hinsichtlich der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Herr Ministerpräsident Koch, unter Ihrer Regierung sind wir an der Spitze hinsichtlich der Schaffung von Arbeitslosigkeit. Auch aus ökonomischen Gründen können wir uns Sie nicht mehr leisten.
Ich will Ihnen die Zahlen, die von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht wurden, noch einmal nennen. Es sind ganz aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Sie betreffen den Oktober 2006. Da betrug die Arbeitslosenquote in Hessen 8,4 %. Im Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer betrug sie 8,2 %. In Rheinland-Pfalz lag sie bei 7,2 %.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, früher war das anders. „Hessen vorn“ stand für diese guten Zeiten.In Wiesbaden regierten Sozialdemokraten unser Land, und in Mainz Christdemokraten. Das Ergebnis war: Hier ging es uns besser, denen drüben ging es schlechter.
Eines davon will ich gar nicht grundlegend ändern. Denn ich gönne unseren Nachbarn aus Rheinland-Pfalz die positive Entwicklung, zu der es unter einer sozialdemokratisch geführten Regierung mit Ministerpräsidenten Kurt Beck gekommen ist. Ich akzeptiere aber nicht, dass unser Bundesland Hessen immer schwächer wird.Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen Hessen wieder an die Spitze der deutschen Bundesländer führen.
Der Herr Wirtschaftsminister wendet jetzt gerade mit einer Frage Folgendes ein: Wer hat denn 1998 in Berlin regiert? – Dieser Einwand kam in fast jeder Haushaltsdebatte und in fast jeder anderen Debatte an dieser Stelle in den letzten Jahren. Da wurde immer eingewandt: Ja, es stimmt, wir haben in Hessen große Probleme. Ja, es stimmt, wir können nicht mit dem Geld umgehen. Ja, es stimmt, der Arbeitsmarkt ist nicht in Ordnung. Aber wir sind nicht daran schuld, denn in Berlin regieren die Roten und die GRÜNEN. – Herr Rhiel, das war die immer wieder angeführte Argumentation.
Diese Argumentation ist sehr gefahrgeneigt. Denn mittlerweile sind in Berlin andere mit zugange. Sie haben jetzt das Problem, dass Sie endlich werden erklären müssen, was Sie hier in Hessen tun.
Sie können nicht mehr auf andere deuten, wenn Sie darüber reden, dass es uns hier in Hessen so schlecht geht.
Herr Kollege Rhiel, Sie wissen, dass Ihre Argumentation von Anfang an nicht richtig war. Wir vergleichen die Ergebnisse Ihrer Politik in Hessen immer mit den Ergebnissen anderer Bundesländer Deutschlands, wie z. B. mit Rheinland-Pfalz. In Rheinland-Pfalz gelten die gleichen bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen wie hier in Hessen; denn Rheinland-Pfalz ist kein Freistaat. Da gelten genau die gleichen Regelungen hinsichtlich der Steuern und der Wirtschaft, wie sie in unserem Land Hessen gelten. Herr Minister Rhiel, Sie konnten aber niemals erklären, warum die sich dort unter den gleichen Bedingungen so deutlich besser entwickeln als wir, was objektiv unbestritten ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe meine persönliche Vermutung, warum die sich unter den gleichen Bedingungen so deutlich besser entwickeln als wir hier in Hessen. Es könnte daran liegen, dass sie in RheinlandPfalz erstens einen besseren Ministerpräsidenten, zweitens eine bessere Landesregierung und drittens eine bessere, weil sozialdemokratische Politik haben.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten geben uns nicht damit zufrieden, dass unser Bundesland Hessen im Vergleich der deutschen Bundesländer so weit abgerutscht ist. Wir wollen, dass „Hessen vorn“ wieder zum Slogan unseres Landes in ganz Deutschland wird.Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, dass Hessen wieder zum Vorbild in Deutschland wird.
(Michael Boddenberg (CDU): Sie wollen das hinsichtlich der Vermögensteuer und der Steuererhöhungen, prima!)
Ich werde auf all diese Punkte zu sprechen kommen. Herr Kollege Boddenberg, es sollte aber eigentlich unser gemeinsames Ziel sein, Hessen wieder nach vorn zu führen.
Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Wir würden uns wünschen, dass, wenn über Hessen berichtet wird, wieder über die in unserem Bundesland erzielten Erfolge und nicht mehr ausschließlich über Skandale in diesem Bundesland berichtet wird.
(Zurufe des Abg. Michael Boddenberg (CDU) – Norbert Schmitt (SPD): Geben Sie doch dem Kollegen einmal ein paar Tropfen!)
Ich habe angesprochen, dass wir in unserem Bundesland früher besser waren. Ich habe „Hessen vorn“ angesprochen.
Herr Boddenberg, obwohl ich in das Mikrofon spreche, versuche ich gar nicht, lauter als Sie zu schreien. Denn ich habe Probleme mit meinem Hals.
Früher galt also: „Hessen vorn“. Was war das Grundrezept der erfolgreichen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten? Worin bestand das Grundrezept unserer Vorgänger? Ich glaube, wir werden jetzt nicht mehr bestimmen können, wie das Erfolgsrezept aussah. Bei den vorhergehenden Regierungen gab es aber einen grundlegenden Unterschied zu der Regierung dieses Ministerpräsidenten, des Herrn Koch. Die Mitglieder der vorhergehenden Regierungen wussten, dass die soziale Balance in unserem Bundesland Hessen die Voraussetzung für wirtschaftlichen Aufschwung ist. Herr Ministerpräsident Koch, in Diskussionen wird bei Ihnen die soziale Balance – wir können das auch soziale Gerechtigkeit nennen – immer dem wirtschaftlichen Aufschwung entgegengesetzt. Für Sie ist die soziale Balance in diesem Lande, wenn sie denn überhaupt vorkommt, immer nur der Bremsklotz für den wirtschaftlichen Aufschwung.Wir sagen:Wenn wir dieses Land wieder nach vorn bringen wollen, dann müssen wir soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Balance wieder in Einklang bringen.
Da will ich die Maßstäbe nennen. Es geht erstens darum, dass wir die Menschen stark machen,dass wir sie autonom machen,damit sie später nicht von Alimentation abhängig sind. Das betrifft also die Bildungspolitik. Darauf werde ich eingehen.
Zweitens.Wir brauchen eine leistungsfähige Infrastruktur hinsichtlich der Mobilität, der Daseinsvorsorge, der Justiz und der inneren Sicherheit.
Die entsprechenden Instrumente gehören nun einmal mit dazu, wenn man eine soziale Balance haben will. Ich habe vorhin vorwurfsvoll gesagt, diese Landesregierung würde soziale Gerechtigkeit allenfalls als Bremsklotz für den wirtschaftlichen Aufschwung ansehen. Das wurde von Ihrer Seite nicht wirklich bestätigt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Koch, wenn es anders wäre und Sie mit Ihrem Einwand: „Das stimmt doch nicht“ recht hätten, dann hätten Sie nicht mit Ihrer „Operation sichere Zukunft“, die wir „Operation düstere Zukunft“ nennen, das soziale Netz und die soziale Infrastruktur unseres Landes so brutalstmöglich zerstören dürfen, wie Sie es getan haben.
Die Menschen stark machen und die Menschen unabhängig machen, das ist die Aufgabe der Bildungspolitik. Die Frau Kultusministerin redet davon, Hessen sei das Bildungsland Nummer eins.