Protocol of the Session on October 6, 2006

(Beifall bei der CDU – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil für nicht wenige Naturschutzbeamte das tote Holz als Lebensraum des Steinkauzes wichtiger als ein gesunder tragender Streuobstbestand ist. Frühere Rodungsprämien, überzogenes Verwaltungshandeln, hoher Aufwand für Pflege und Ernte der Streuobstbestände bei gleichzeitig nur ungenügender gezielter Nachfrage der Verbraucher nach hochwertigen Produkten aus hessischen Streuobstbeständen haben dazu geführt, dass von ehemals 8 Millionen Apfelbäumen Ende der Fünfzigerjahre in Hessen gerade einmal noch 3 Millionen vorhanden sind, hiervon nur noch 750.000 Bäume tatsächlich tragend.

Mehr als 2 Millionen Apfelbäume in Hessen müssten dringend ersetzt werden, was durch die in Hessen geltende Regelung momentan aber verhindert wird.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Unsinn!)

Wir, die CDU-Fraktion, werden, indem wir ein Wiederherstellungsgebot in das Naturschutzgesetz aufnehmen, also deutlich machen, dass wir die hessischen Streuobstbestände gezielt erhalten wollen.

(Beifall bei der CDU)

Künftig wird es nicht mehr notwendig sein, für Selbstverständlichkeiten, wie das Nachpflanzen eines jungen Baumes für einen vergreisten alten Baum, die Genehmigung einer Naturschutzbehörde zu beantragen.

Wenn ein kompletter Streuobstbestand, aus welchen Gründen auch immer, entfernt werden muss, wird dies ohne Genehmigung einer Naturschutzbehörde möglich sein, wenn ein Bestand von mindestens der gleichen Größe an anderer Stelle neu angepflanzt wird.Wir wollen

den Schutz unserer Streuobstbestände durch Nutzung, nicht aber durch Vorschriften.

Wir werden in den Änderungsanträgen zur dritten Lesung – die ich hiermit beantrage – Möglichkeiten der Verschlankung und Vereinfachung des Naturschutzrechts nutzen, durch die Streichung überzogener und unnötiger Vorschriften eine höhere Akzeptanz des notwendigen Naturschutzrechts in der Öffentlichkeit herbeiführen und aus dem europäischen Naturschutzrecht stammende Pflichten korrekt erfüllen, ohne an dem von uns verfolgten Ansatz eines kooperativen Naturschutzes Abstriche machen zu müssen.

(Beifall bei der CDU)

Schon jetzt bedanke ich mich bei all denen, die uns durch konstruktive Anregungen wichtige Hinweise für unsere Entscheidungsfindung gegeben haben. Beispielhaft möchte ich neben den Kommunalen Spitzenverbänden und den Wirtschaftsverbänden auch ganz besonders die Naturschutzverbände, die großen und die kleinen Keltereien sowie viele Einzelpersonen nennen, die uns durch engagierte Beiträge wertvolle Anregungen gegeben haben.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Das ist ja klasse! – Martin Häusling (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN):Aber Sie haben nichts verstanden! Das ist das Problem!)

In den zur zweiten Lesung vorliegenden Gesetzentwurf ist auch ein Änderungsantrag eingearbeitet worden, der die Zuständigkeiten – laut HAKA – hinsichtlich des Elektroschrotts klar definiert. Das ist das, was wir in der letzten Sitzung des Ausschusses für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz – leider Gottes ohne die rechtzeitige Unterrichtung der anderen Fraktionen – eingereicht haben. Dafür habe ich mich schon entschuldigt.

Wir werden Ihnen die Änderungsanträge zum Naturschutzgesetz rechtzeitig zuleiten. Ich hoffe, dass wir in der dritten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum Naturschutzgesetz einige Änderungen vornehmen werden, die klarmachen, dass wir einerseits eine Verschlankung des Naturschutzgesetzes wollen, andererseits die Erhaltung z.B.der Streuobstbestände ganz klar regeln werden. Vor allen Dingen werden wir Doppel- und Dreifachregulierungen abbauen und auch eine Lösung für das Problem finden, dass wir durch das europäische Naturschutzgesetz neue Regelungen hinzubekommen.Wir wollen das lösen,ohne die Verwaltung mit neuen Aufgaben zu überfrachten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Hammann für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Apel,vorhin hatte ich noch die Hoffnung,dass das,was die Landesregierung in ihrem Gesetzentwurf regeln wollte, durch einen Änderungsantrag der CDU vielleicht doch verbessert werden wird. Aber was ich jetzt von Ihrer Seite gehört habe, lässt mich Schlimmes befürchten. Ich glaube nämlich nicht, dass Sie

an diesem Gesetzentwurf wirklich gravierende Änderungen vornehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am 6. September fand eine Anhörung zu dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf für ein Hessisches Naturschutzgesetz statt. Diese Anhörung dauerte über sieben Stunden. Es war eine sehr lange fachliche Darstellung dessen, was passieren könnte, wenn dieser Gesetzentwurf Wirklichkeit würde. Man kann ganz deutlich feststellen, dass der Landesregierung eine schallende Ohrfeige verpasst wurde. Das ist kein Naturschutzgesetz, wurde festgestellt. Das sei ein „Naturnutzgesetz“. Es geht komplett in die falsche Richtung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die überwiegende Zahl der Sachverständigen und der Vertreter der Fachverbände lehnten diesen Gesetzentwurf sowohl in ihren schriftlichen als auch in ihren mündlichen Stellungnahmen ab.Sie begründeten dies mit handwerklichen Fehlern und fachlichen Gesichtspunkten. Wir sehen uns in all unseren Kritikpunkten bestätigt. Diese Anhörung hat gezeigt, dass das, was wir an Kritikpunkten gesehen haben, von einer breiten Mehrheit der Anzuhörenden getragen wurde.

Ich möchte dies an einigen Beispielen deutlich machen. Auch wir haben kritisiert, dass die Landesregierung 15 große Landschaftsschutzgebiete einfach wegnehmen will. 15 Verordnungen sollen nun fallen.Sie haben eben gesagt, es gebe Überlagerungen, und den Bürgerinnen und Bürgern sei nicht mehr verständlich darzustellen, welche einzelnen Schutzziele existierten.

Frau Kollegin Apel, liebe Kollegen von der CDU und der FDP,all diese Schutzgebietskategorien stehen im Bundesnaturschutzgesetz. Sie haben bestimmte Zielrichtungen. Dann können Sie doch das Ganze nicht einfach negieren und sagen: Wir dampfen das ein. – Das wird keiner mehr verstehen. Das wird ein Problem für den Naturschutz sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen nicht nur die großen LSGs wegnehmen – darauf komme ich später im Detail zurück –, sondern in dem Gesetzentwurf der Landesregierung heißt es auch, dass Sie die unteren Naturschutzbehörden in ihren Möglichkeiten einschränken wollen. Bei rechtswidrigen Eingriffen in Natur und Landschaft wollen Sie eine Ermessenslage einführen. Sie wollen die Naturschutzbeiräte auf der Regierungspräsidiumsebene abschaffen.

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Die sind schon weg!)

Ja, aber das wollen Sie in Ihrem neuen Gesetz festigen. – Das ist eine Fehlentwicklung, die wir feststellen mussten, seit Sie gerade in den letzten vier Jahren zahlreiche Änderungen vorgenommen haben. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Seit dem Jahr 2002 haben Sie sechs sich auf den Naturschutz negativ auswirkende Änderungen eingeführt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Anzuhörenden sagten – darin stimmen wir mit ihnen überein –, dass unter Roland Koch das Rad im Naturschutz massiv zurückgedreht wurde. Wir haben erstmals einen Gesetzentwurf vorliegen, in dem man unverhüllt darauf hinweist, dass in einem Naturschutzgesetz künftig auch wirtschaftliche Interessen beachtet werden sollen.

Aber das ist kein Wirtschaftsgesetz, sondern ein Naturschutzgesetz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich sage Ihnen: Mit diesen gesetzlichen Regelungen verletzen Sie auch das Verfassungsziel. Wir haben dort nämlich den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen festgehalten. Da Sie vorhin den Rechtsanwalt Giesen in Ihrem Sinne – so positiv – zitiert haben, möchte ich nun ein Zitat von Herrn Giesen anbringen, das in die andere Richtung weist. Herr Giesen sagt nämlich:

Punktuell allerdings unterläuft der Gesetzentwurf, teils sogar in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise, wirkliche Reformbestrebungen.

Das ist die Aussage von Herrn Giesen, Ihrem Kronzeugen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder ich nehme die Stellungnahme der Umweltamtsleiter des Hessischen Städtetags zur Bedeutung des Naturschutzes. Sie sagen ganz eindeutig – auch hier wörtliche Rede –: „Seine eigenständige Bedeutung wird aufgegeben.“ Man könnte das schlagwortartig so zusammenfassen: Eigennutz geht vor Gemeinnutz.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Projektion!)

Aber auch der Ihnen immer sehr wohlgesonnene Grundbesitzerverband hat das Ganze nicht so gewürdigt, wie Sie es gerne gehabt hätten. Er sieht den Zeitpunkt der Novellierung als besonders kritisch an.

Sie haben schon zahlreiche Änderungen am Hessischen Naturschutzgesetz vorgenommen. Jetzt legen Sie eine komplette Novellierung vor. Dabei wissen Sie genau, dass es in wenigen Jahren ein neues Bundesnaturschutz geben wird, und es wird ein Umweltgesetzbuch erarbeitet werden – alles aufgrund der Föderalismusreform. Das hat der Grundbesitzerverband beanstandet, und sein Vertreter hat erklärt, sie könnten, gerade auch im Hinblick auf die Rechtssicherheit, nicht verstehen, warum die Novellierung zu diesem Zeitpunkt erfolgt.

Eine massive Kritik kam aber auch vonseiten des Verbandes Deutscher Naturparke. Diese Kritik möchte ich vortragen. Der Verband Deutscher Naturparke teilt mit:

Nach den Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes und des Hessischen Naturschutzgesetzes müssen Naturparke überwiegend aus Landschaftsschutz- oder Naturschutzgebieten bestehen. Durch die geplante Aufhebung der LSG-Verordnung würden die meisten hessischen Naturparke dieser Vorgabe nicht mehr entsprechen. Der Anteil der Schutzgebiete

das sind die großen Schutzgebiete, die Sie jetzt streichen wollen –

ist die Voraussetzung dafür, dass Naturparke ihre Aufgabe erfüllen können, Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung zu integrieren.

Meine Damen und Herren, diese Stellungnahme ist ganz eindeutig; denn sie kommt zu folgendem Fazit:

Aus diesen Gründen sind wir zu dem Schluss gelangt, dass die Aufhebung der genannten LSG-Verordnung in Hessen für die weitere Entwicklung der Naturparke in Hessen und ganz Deutschland einen erheblichen Schaden bedeuten würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das ist die Aussage des Vertreters der Naturparke. Wenn ich mir Südhessen anschaue, stelle ich fest, dass dies dort ganz besonders prekär werden könnte. Dort gibt es den Geopark Odenwald-Bergstraße. Der Geopark hat ein Prädikat von der UNESCO erhalten. Dieser Geopark hat keine eigene Schutzverordnung. Er wird über das große Landschaftsschutzgebiet Bergstraße-Odenwald geschützt.

Sprechen Sie einmal mit den Menschen vor Ort. Sprechen Sie einmal mit dem Geschäftsführer des dortigen Geoparks.Er wird Ihnen sagen,dass sie die Gefahr sehen,dass es aufgrund des Wegfalls der LSG-Verordnung zu Eingriffen in Natur und Landschaft kommt und dass dadurch das UNESCO-Prädikat auf der Kippe stehen könnte. Das ist die Sachlage.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Judith Lannert (CDU): Das ist nicht wahr! – Norbert Schmitt (SPD): Was heißt „nicht wahr“? Was soll das heißen?)