Protocol of the Session on October 5, 2006

Inzwischen besteht aber die Situation, dass auch die Naturschützer hinsichtlich der Offshoreparks zwei Herzen in ihrer Brust haben. Sie mussten nämlich feststellen, dass es noch keine gesicherten Erkenntnisse darüber gibt, welche ökologischen Auswirkungen es hätte, wenn diese Windparks in der Nordsee erstellt würden.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die ökologischen Auswirkungen von Atommüll kennen wir!)

Hinzugekommen sind auch fiskalische Probleme. Man musste immer wieder erkennen, dass die finanziellen Probleme immer unüberschaubarer werden.

Als Beispiel möchte ich ein Projekt in Dänemark anführen.Ich meine das Projekt Horns Rev.Dort wurde die Anlage im tiefen Wasser eingerichtet. Nach einem halben Jahr musste sie komplett ausgetauscht werden, weil die Kombination aus Salzwasser und Luft das Material viel härter angegriffen hat, als man es vom Land her gewohnt war.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Atommüll ist sicher und kostet nichts!)

Hier war die Rendite also im Eimer.

Herr Kaufmann, da gibt es also noch Kinderkrankheiten. Kinderkrankheiten lassen sich sicherlich heilen. Nur müssen wir dann auch sagen, dass das mehr kostet.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Ist der Atommüll eine Kinderkrankheit?)

Denn es müssen Materialien verwendet werden, die salzwasserbeständig sind. Die Wartungskosten 40 oder 50 m unter dem Meer sind auch hoch. Das schlägt sich auch auf die Rendite nieder.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie viel hat der Bau des Kernkraftwerks MülheimKärlich gekostet? Wie viele Kilowattstunden wurden dort produziert?)

Ich möchte noch auf ein anderes Thema zu sprechen kommen, das sicherlich auch für die GRÜNEN interessant ist. Die deutsche Bucht ist ein Überfluggebiet aller Zugvögel Nordeuropas.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Biblis ist ein Überfluggebiet für Flugzeuge, die den Flughafen Frankfurt am Main ansteuern!)

Zwischenzeitlich ist es so, dass die Naturschützer Bedenken geltend machen.Dem tragen die deutschen Behörden Rechnung. Die Windkraftanlagen werden nur genehmigt, wenn an den Tagen mit besonders hohem Überflug an Vögeln die Windräder stillstehen. Also auch hier gibt es wiederum zusätzlichen Stillstand,der auf die Ökologie zurückgeht.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alle Räder stehen still,wenn Roger Lenhart es will! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hauptsache wir strahlen weiter!)

In dem Zusammenhang bleibt noch etwas anderes zu erwähnen.Es ist völlig ungeklärt,wie die Elektrizität,würde der Nordseewindpark gebaut werden, nach Hessen käme.

(Norbert Schmitt (SPD): Wahrscheinlich über das Leitungsnetz! Das ist nicht unwahrscheinlich! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt ein europäisches Verbundnetz! – Weitere Zurufe)

Ich habe es immer wieder erwähnt: Derzeit sind keine ausreichenden Kapazitäten vorhanden. Sie müssten erst geschaffen werden. Unter dem ökologischen Gesichtspunkt streiten sich aber wieder zwei Seiten. Der Strom muss nicht nur nach Hessen, sondern erst einmal an Land geleitet werden. Dazu sagen die einen: Die deutsche Bucht ist ein Naturschutzgebiet, da wollen wir nicht, dass Kabel verlegt werden.

(Norbert Schmitt (SPD): Wollen Sie den Strom in der Tasche von der Nordsee hierhertragen? Ich traue Ihnen zu, dass Sie ihn in der Tasche hierhertragen wollen!)

Die anderen sagen: Es wird keine Genehmigung wegen der Gefährdung des Schiffverkehrs erfolgen.

Ich möchte das zusammenfassen: Lassen Sie uns den Antrag, den die RWE auf Verlängerung der Laufzeit des Kraftwerks gestellt hat, als Chance nutzen. Bei den regenerativen Energien kann dann die Weiterentwicklung vorangetrieben werden. Wir haben uns immer für den Energiemix ausgesprochen. Wir sind dafür, dass das gefördert wird.Aber das ist noch nicht in dem Umfang technisch machbar, wie es notwendig wäre. Ich möchte im Zusammenhang mit den Windkraftanlagen noch einmal an die Schattenkraftwerke erinnern. Frau Hammann, Sie haben die Bioanlagen angesprochen. Steht dem von unserer Seite etwas entgegen? Das Gegenteil ist der Fall. Wir unterstützen die Nutzung im Rahmen des Energiemix.

Vor diesem Hintergrund würden wir es aber begrüßen, wenn nach einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung ein positiver Bescheid zur Verlängerung der Laufzeit erfolgen würde, der mit drei Jahren wirklich moderat ausfallen würde. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort erhält Frau Kollegin Ypsilanti für die SPD-Fraktion.

Meine Damen und Herren! Ich werde hier nicht in ein juristisches Seminar mit Ihnen eintreten.

(Zuruf von der CDU: Das könnten Sie auch gar nicht!)

Ich finde, da sollten wir in der Tat die Entscheidung den Juristen überlassen.

Herr Hahn, das hätten auch Sie besser getan. Denn das, was Sie mit Ihrem juristischen Sachverstand hier vorgetragen haben, hat nun wirklich niemanden überzeugt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht hier auch nicht um Juristerei. In Wirklichkeit geht es um eine hochpolitische Entscheidung. Die politische Frage, über die wir heute streiten müssen, lautet:Wie wollen wir die Energieversorgung in den nächsten Jahren organisieren?

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Es ist an der Zeit, hier eine eindeutige Entscheidung zu treffen: Entweder gehen wir weiter in Richtung Atomstrom und fossile Energie, was Ihr Kollege Herr Töpfer – nicht Ihr Kollege, sondern der Kollege der CDU – als globales Selbstmordprogramm bezeichnet hat,

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

oder wir gehen endlich den Weg in eine effiziente Energieversorgung mit dem Schwerpunkt auf erneuerbare Energien. Dann müssen wir das aber auch mit aller Konsequenz tun.

(Beifall bei der SPD)

Eigentlich darf uns die Entscheidung darüber nicht schwerfallen.Aus Gründen des Klimas und der Energiesicherheit müssen wir weg von der fossilen Energieabhängigkeit, und wegen der umfassenden Risiken müssen wir weg von der Atomkraft. Sie sprengt alle Wertmaßstäbe. Eine Reaktorkatastrophe, zumal eines Atomkraftwerks wie z. B. in einer Großregion Biblis, wäre ein gesellschaftlicher Todesstoß.

(Zuruf von der CDU:Man kann das auch anders se- hen!)

Ich komme noch darauf zu sprechen. Es gibt eine Studie von Prognos,die einen Schaden in Höhe von 4,5 Billionen c errechnet hat – ohne das ganze menschliche Leid, das dazugehört. Es ist nicht plausibel und ich finde es ungeheuerlich, dass Sie die Debatte darüber, dass ein solcher Unfall auch bei uns passieren kann, immer wieder verniedlichen.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Selbst in Schweden, einem Land mit einem guten Ruf in der Atomenergie,konnte eine solche Katastrophe in Forsmark nur in allerletzter Minute verhindert werden.

Neben den Sicherheitsfragen gibt es noch andere schwerwiegende Argumente, z. B. das Argument, dass das Uranvorkommen in 50 Jahren verbraucht sein wird, und zwar selbst dann, wenn die Anzahl der Atomkraftwerke unverändert wie heute bliebe.

Ein zweites Argument ist ein ganz schwerwiegendes:Was machen wir mit dem Jahrtausende strahlenden Atommüll? Wir finden jetzt schon kein Endlager für den Atommüll, den wir jetzt zu entsorgen haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die SPD hat sich auf den Prozess des Ausstiegs aus der Atomenergie eingelassen. Sie, meine Damen und Herren, sind diesen Lernprozess noch schuldig. Offensichtlich passt es nicht in Ihr Weltbild, dass eine so hochkomplexe Technologie, der größte Subventionsfall in der Technikge

schichte, größeren Schaden als Nutzen stiften kann. Das passt nicht in Ihr Weltbild.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU: In Ihr Weltbild auch nicht!)

Statt für Alternativen zu sorgen, hängen Sie weiterhin an der Atomkraft und wollen dafür sorgen – auch heute –, dass der Atomausstieg gekippt wird.

Ich möchte einmal darauf zu sprechen kommen, dass Sie die Privilegien verschweigen, die die Atomkraft in den letzten Jahren genossen hat. Ich gebe zu, dass diese von Rot-Grün zunächst nicht angetastet wurden, aber wir wollten ja den Ausstieg aus der Atomkraft im Konsens mit der Stromwirtschaft erreichen.

Die deutschen Stromkonzerne haben in den vergangenen fünf Jahren nahezu 70 Milliarden c staatliche Subventionen für die Atomenergie in Deutschland eingestrichen. Das ist mehr, als jemals annähernd für erneuerbare Energien ausgegeben wurde.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört! Das ist siebenfach so viel, wie Herr Koch Schulden gemacht hat! Unglaublich!)

Lassen Sie uns doch einmal über den billigen Atomstrom reden. Lassen Sie uns einmal über die Dauersubvention des Atomstroms reden. Die erste Dauersubvention ist die Steuerbefreiung für den Atombrennstoff.

(Zurufe von der CDU)