Protocol of the Session on October 4, 2006

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, in kaum einem Land geht die Schere zwischen Ausbildungsplatzbewerbern und Lehrstellenangebot so weit auseinander wie in Hessen. Hier haben Jugendliche die geringste Chance auf einen Ausbildungsplatz und damit auf einen guten Start ins Berufsleben und auf gesellschaftliche Teilhabe. Das ist der eigentliche Skandal, und darauf haben Sie mit Ihrem Haushalt auch keine Antwort gegeben.

(Beifall bei der SPD)

Die Kultusministerin ist nicht da, aber sie hätte allen Anlass, bei einer Debatte um den Haushalt da zu sein; denn mit der Bildungspolitik geht es in Hessen abwärts. Vor drei oder vier Wochen hat das Institut der deutschen Wirtschaft den Bildungsmonitor 2006 veröffentlicht. Danach ist Hessen im Bundesvergleich bei den weiterführenden Schulen auf den vorletzten Platz und bei den Hochschulen auf den letzten Platz der Bundesländer abgerutscht. Und da gibt es das Bundesländerranking der „Wirtschaftswoche“: Hessen ist bei der Schüler-Lehrer-Relation das Schlusslicht. So sieht es aus.

(Beifall bei der SPD – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist die Realität!)

Meine Damen und Herren, der Finanzminister hat eben gesagt – ich wiederhole es –: „Nur ein gutes Bildungssystem garantiert Wachstum und Wohlstand.“ Das war eben die Aussage des Finanzministers. Er hat recht. Aber wir haben ein schlechtes Bildungssystem; das ist mit diesen Studien nachgewiesen worden. Deshalb kann einem um die Wirtschaft und das Wachstum in diesem Lande nur angst und bange werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wie sieht es in der Sozialpolitik aus? In der Sozialpolitik haben Sie bewährte Strukturen zerschlagen. Faktisch ist der Sozialhaushalt mittlerweile von den Einnahmen aus Toto- und Spielbankerlösen abhängig.Der Rest sind Zuweisungen aus Brüssel und Berlin.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Das zeigt den Zustand der Sozialpolitik in diesem Lande. Auch da kann man nur sagen: katastrophal.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Das ist ja nicht zum Aushalten!)

In der Umweltpolitik ist Ihre ökologische Verantwortungslosigkeit überall sichtbar: Das älteste und unsicherste Atomkraftwerk Biblis A wollen Sie länger laufen lassen, aber – wie es so Ihre Art ist – den Atommüll künftigen Generationen überlassen.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie haben doch über Arbeitsplätze gesprochen!)

Herr Boddenberg, Landschaftsschutzgebiete werden zerschlagen, ehrenamtlicher Naturschutz wird geschwächt. Eine Unterstützung erneuerbarer Energien – die in Hessen nämlich Arbeitsplätze schaffen würden –, der Energieeinsparung sowie der Steigerung von Energieeffizienz findet durch diese Landesregierung nicht statt. Das ist die Tatsache, mit der wir uns auseinandersetzen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Bei der inneren Sicherheit heißt Ihre Antwort doch immer nur: neue Gesetze, neue Gesetze. Meine Damen und Herren,kein Wunder,wird doch mit dem Stellenabbau bei der Polizei – 1.200 abgebaute Stellen – und der Justiz – 800 Stellen wurden abgebaut – dazu beigetragen, dass in Hessen die Bedingungen für die innere Sicherheit schlechter werden. Wer so verfährt, der handelt natürlich nach der Methode – um im Jargon zu bleiben –: „Haltet den Dieb“. Das ist Ihre Methode, und deshalb ergeht immer wieder der Ruf nach neuen Gesetzen. Es ist eine Tatsache, dass die Stellenentwicklung in diesen Bereichen negativ verlaufen ist.

Meine Damen und Herren, wer jetzt erwartet hätte, dass Ihr Haushalt 2007 bei ganz erheblichen Steuermehreinnahmen wenigstens an der einen oder anderen Stelle Impulse gesetzt hätte, um die erheblichen Defizite in Hessen zu lindern und neue Perspektiven zu eröffnen, der wird Fehlanzeige feststellen. Obwohl der Finanzminister Steuermehreinnahmen von 1,1 Milliarden c hat – Sie müssen einmal bedenken,wann das zuletzt in Hessen der Fall war; das ist überhaupt nicht mehr denkbar –, hat er keine Akzente gesetzt. Was er eben vorgetragen hat, war Gestoppel. Das war doch kein Konzept, wie die Probleme des Landes gelöst werden können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man den Finanzminister hier vorne stehen sieht, dann hat man wirklich den Eindruck:Dem Finanzminister regnet es Goldtaler in die Schürze, und trotzdem steht er da wie ein begossener Pudel.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Notwendig wären erhebliche Investitionen in die Infrastruktur unseres Landes und deutliche Akzente im Bildungsbereich. Notwendig wäre ein Programm „Umwelt

und Arbeit“, das bei dem erheblichen Nachholbedarf kommunaler und öffentlicher Investitionen in unserem Land ansetzt. Der Zustand von Schulen und Hochschulen, von Trinkwasser- und Abwasseranlagen ist wahrlich nicht gut. Kein Land steht im Übrigen bei erneuerbaren Energien so schlecht da wie Hessen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für Hessen – das ist nicht meine Berechnung, das ist die Berechnung der Kommunalen Spitzenverbände – wird der Bedarf bei Abwasseranlagen für die höchste Schadstoffklasse auf 500 bis 750 Millionen c geschätzt. In annähernd vergleichbarer Größenordnung liegt der Investitionsbedarf zur Vermeidung von Sickerverlusten bei Abwasseranlagen und zur Verbesserung der stehenden und fließenden Gewässer. Das ist nicht unsere Berechnung, das ist die Berechnung der Kommunalen Spitzenverbände.

Es gibt ein paar Dinge, die jetzt im Kommunalen Finanzausgleich gemacht worden sind, natürlich mit Geld der Kommunen. Aber da müsste viel mehr getan werden. Auch dies würde die Umwelt verbessern und Arbeitsplätze schaffen. Deswegen wäre ein Programm „Umwelt und Arbeit“ das Richtige für das Land Hessen.

(Beifall bei der SPD)

Notwendig wären eine Aufstockung des Altbausanierungsprogramms mit ökologischen Auflagen sowie ein kommunales Infrastrukturprogramm und ein Erneuerungsprogramm insgesamt,weil auch die kommunalen Gebäude in zum Teil erheblich schlechtem Zustand sind.

Notwendig wäre eine Förderung des regionalen Nahverkehrssystems. Sie haben gesagt, Sie hätten die Kürzungen teilweise zurückgenommen, die es von Bundesseite gegeben hat. Diese Kürzungen waren im Übrigen Ausdruck von Koch-Steinbrück. Der Ministerpräsident ist mit seiner eigenen Politik erwischt worden und will jetzt einen Teil rückgängig machen, aber mit Mitteln aus dem Kommunalen Finanzausgleich. Es ist wenig Landesgeld dabei. Aber auch hier wäre notwendig, dass deutlich mehr gemacht würde. Hier wäre ein Sonderprogramm für die Stärkung des regionalen Nahverkehrssystems notwendig. Auch das wäre ein Beitrag für Umwelt und für Arbeitsplätze in diesem Land.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Jetzt sind wir schon bei 800 Millionen c!)

Wir sollten auch fortsetzen, was auf Bundesebene erfolgreich angelaufen ist, nämlich ein Altbausanierungsprogramm. Auf Bundesebene wurde auf Betreiben der SPD dieses Investitionsprogramm aufgelegt, und es war schon nach wenigen Wochen abgerufen.Ich glaube,es wäre auch für Hessen gut. Wir haben es einmal gehabt, beispielsweise im Kreis Bergstraße. Mit diesem Programm haben wir seitens der rot-grünen Landesregierung Wärmeschutzmaßnahmen unterstützt. Dieses Programm ist vom Umweltminister der CDU abgebrochen worden. Aber es wäre ein sinnvolles Programm, um Arbeitsplätze zu schaffen, um Handwerk zu unterstützen und die mittelständischen und kleinen Unternehmen in Hessen zu schützen, aber auch um die Umwelt in Hessen zu verbessern. Auch dies wäre notwendig angesichts der Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Hessen.

(Beifall bei der SPD)

Wir benötigen außerdem dringend die Verstärkung des Programms zur Sanierung unseres Waldes. Ich weiß, wo

von ich rede. In meinem Wahlkreis gibt es eine sehr starke Engerlingplage.Aber auch an anderen Stellen des Landes Hessen gibt es erhebliche Probleme mit der Stressbelastung des Waldes. Sie, meine Damen und Herren, haben in den letzten Jahren die Stellen für Waldarbeiter gestrichen, dafür die Zahl der Stellen in der Staatskanzlei erhöht. Den Versuch der politischen Sanierung betreiben Sie auf Kosten anderer.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Notwendig wären nachhaltige Investitionen in unsere Infrastruktur. Hier gehört der Wald als wichtiger Bereich der Umwelt, Stichwort: Klimawandel, hinzu.

(Michael Boddenberg (CDU): Machen Sie einmal eine Zwischenrechnung auf, Herr Kollege!)

Ich komme gleich zu Ihnen, Herr Boddenberg. – An all diesen Stellen ist in Ihrem Haushaltsentwurf Fehlanzeige. Jetzt kommt der entscheidende Punkt. Herr Boddenberg, hier müssten Sie eigentlich aufstehen und rufen und Ihren Finanzminister zu Rede stellen: Die Investitionen im Lande Hessen werden im Haushalt 2007 im Vergleich zum Haushalt 2006 um 35 Millionen c zurückgeführt, und das angesichts der erheblichen Defizite, die es in der öffentlichen Infrastruktur gibt. Das ist der eigentliche Skandal in diesem Haushalt.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU – Mi- chael Boddenberg (CDU): Ein unglaublicher Vorgang!)

Natürlich. – Angesichts des Investitionsrückstands dieses Landes, wie ihn auch die Kommunalen Spitzenverbände beklagen, ist das ein harter Fehler.

Meine Damen und Herren, ein Blick auf den Finanzplan 2006 macht alles deutlich. Der Minister hat schon über den Haushaltsentwurf 2006 gesprochen. Schriftlich ist es in dem Finanzplan dargelegt. Da heißt es schon wieder, dass im Haushaltsvollzug 2006 die Investitionsausgaben – neben den Zinsausgaben – wieder hinter den ursprünglich vorgesehenen Ausgaben zurückbleiben.

Meine Damen und Herren, Sie haben vorhin davon gesprochen, dass bei der Haushaltsaufstellung Luftschlösser gebaut worden sind. – Das ist in diesem Jahr schon wieder der Fall. Das ist wiederum die Ankündigung, dass die Investitionen auch im Jahr 2006 zurückgehen werden und deutlich hinter dem Sollansatz zurückbleiben werden. Das ist Ihre Politik.

Im Haushalts-Ist 2005 – Sie sind so ruhig geworden, Herr Kollege Boddenberg – sind die Investitionen um 153 Millionen c hinter dem Haushaltsansatz zurückgeblieben. Das ist doch Ihre Haushaltssanierung auf Kosten der Investitionen. Das ist der eigentliche Skandal im Lande Hessen.

(Beifall bei der SPD)

Da reden Sie von Luftschlössern, ausgerechnet Sie an dieser Stelle.

Meine Damen und Herren, es ist fast schon eine Binsenweisheit, aber die Landesregierung scheint die Augen davor zu verschließen: Die meisten Arbeitsplätze und auch die meisten Ausbildungsplätze bringen kleine und mittlere Betriebe, und zwar in normalen Branchen. Der Landesregierung ist es bisher nicht gelungen, den Rückstand zu anderen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg in der Förderung des Mittelstands bei

Existenzgründungen und bei dessen Wachstum auszugleichen. Dabei haben wir noch zu unserer Regierungszeit mit der zukunftsweisenden Investitionsbank

(Michael Boddenberg (CDU): Lehrer eingestellt!)

Lehrer haben wir eingestellt: 3.000 – die richtigen Weichen gestellt.

(Beifall bei der SPD – Andrea Ypsilanti (SPD): Damit können sie aber nicht umgehen!)

Aber Sie haben nichts daraus gemacht. Warum sage ich das an dieser Stelle? Der Finanzminister hat über Wachstum gesprochen, darüber, dass auf Bundesebene die Rahmenbedingungen verändert werden müssten. Aber er hat nicht darüber gesprochen, wie Wachstumsimpulse in Hessen gesetzt werden können. Hier ist ein ganz entscheidender Punkt, und deswegen gehört genau dies zentral zur Haushaltsdebatte: Wie erreichen wir, auch durch einen Landeshaushalt, dass in diesem Bereich wieder mehr Wachstum, wieder mehr Investitionen stattfinden und auch die kleinen und mittleren Unternehmen in Hessen gestärkt werden können? Das ist der zentrale Ansatz, aber an dieser Stelle ist Fehlanzeige.

(Beifall bei der SPD)