Protocol of the Session on September 13, 2006

(Lebhafte Zurufe von der CDU)

Sie sprechen von den SchuB-Klassen. Ja, das war eine richtige Maßnahme. Das ist eindeutig. Das gestehe ich Ihnen zu. Aber was ich nicht verstehe, Frau Wolff: Wieso müssen Sie selbst bei diesem Projekt, das in diesem Hause nicht strittig ist – ich glaube, auch nicht bei den Kollegen der Sozialdemokratie –, mit Zahlen tricksen?

(Zuruf der Ministerin Karin Wolff)

Sie sagen, dieses Projekt hätten 206 Schülerinnen und Schüler durchlaufen. Frau Ministerin, die Wahrheit ist, es haben 250 Schüler angefangen, und 44 haben das abgebrochen.

(Ministerin Karin Wolff: Ich habe gesagt: „durch- laufen“, bis zum Ende!)

Es geht doch darum, wie viele von Anfang an in dem Programm waren. Dann ist die Erfolgsquote eben nicht mehr 90 %, sondern 75 %, was immer noch gut ist.Warum müssen Sie diese Zahlen hier zurechtbiegen? Es zeigt: Es geht Ihnen um die Statistik. Es geht Ihnen um die Abteilung Lyrik und weniger darum, was Ihre Politik tatsächlich verändert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dann sprechen Sie davon, dass Hessen bundesweiter Vorreiter in der Migrantenförderung sei. Frau Kultusministerin, das ist wirklich ein starkes Stück. Sind es nicht Sie, die in Ihrem eigenen Zuweisungserlass die Stellenzahl für Schulen mit besonders hohem Migrantenanteil in diesem Schuljahr von 189 Stellen auf 166 Stellen kürzt? Sind das nicht Sie, ist es nicht Ihre Fraktion, Frau Kultusministerin, die vor der Sommerpause den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur besseren Integration abgelehnt hat? Ich lese Ihnen zur Erinnerung noch einmal vor, was Sie vor der Sommerpause abgelehnt haben. Die CDUFraktion hat die flächendeckende Schaffung von Familienzentren als zusätzlichen Anlaufstellen für Bildung, Beratung und Betreuung für Zuwandererfamilien abgelehnt. Das haben Sie abgelehnt. Sie haben den Abschluss von Bildungsvereinbarungen mit Migranten, die Selbstorganisation zur Verbesserung der Bildungssituation von Zuwandererkindern abgelehnt. Das hat die CDU abgelehnt. Die Schaffung eines islamischen Religionsunter

richtes in deutscher Sprache, der von in Deutschland ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern gehalten wird – eine Forderung, die gerade Herr Schäuble aus Ihrer Partei erhoben hat –: Sie haben es abgelehnt. Es geht munter weiter. Die verstärkte Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern mit Migrationshintergrund: Sie haben all das vor der Sommerpause abgelehnt.

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Weil es das schon gibt!)

Wie kurz ist eigentlich Ihr Gedächtnis, wenn Sie sich heute hierhin stellen und sagen wollen, Sie seien bundesweiter Vorreiter beim Thema Migration?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Wagner, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Es gäbe noch vieles zu sagen. „Ganztagsangebote“ ist ein Etikettenschwindel.Aber das wissen Sie, Frau Ministerin.

(Ministerin Karin Wolff:Was?)

Natürlich. Sie fördern pädagogische Mittagsbetreuung. Da stimme ich Ihnen zu. Das ist besser als nichts. Das machen viele Schulen auch sehr gut. Insofern war Ihre Denunziation der Opposition wieder völlig unwahr und unnötig. Aber es hat doch mit dem pädagogischen Konzept einer Ganztagsschule nichts zu tun. Darauf wird völlig zu Recht hingewiesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Frau Kultusministerin, Sie haben am Ende Ihrer Rede gesagt: „Wir in Hessen lassen uns nicht beirren“ – mit Vollgas an die Wand. „Alle ernsthaften Studien zeigen, es geht aufwärts im hessischen Bildungswesen“. Meine Damen und Herren, ich glaube, nach dem, was der Kollege Walter gesagt hat, was sicher auch die Kollegin Henzler gleich sagen wird und was vielleicht ich deutlich gemacht habe, kann vom Bildungsland Nummer eins überhaupt keine Rede sein. Es gibt keine einzige Studie, in der Ihr Gerede vom Bildungsland Nummer eins unterlegt ist. Das ist sehr bedauerlich als Bilanz von sieben Jahren Amtszeit, Frau Ministerin.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wagner. – Zu einer Kurzintervention hat sich Kollege Boddenberg zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wagner, ich will nur einen Punkt aufgreifen, weil Sie meiner Zwischenfrage ausgewichen sind. Sie haben schon vor der Sommerpause begonnen, das

Thema Unterrichtsgarantie plus politisch zu begleiten,um es freundlich und vornehm zu formulieren,

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

indem Sie, wenn ich mich recht erinnere, schon im Mai die Eltern aufgerufen haben, sich für den Fall zu beschweren, dass es nicht funktioniert und das bitte gleich nach der Sommerpause. Ich meine, mich erinnern zu können, dass ich gelesen habe, dass Sie pro Tag sage und schreibe zehn Anrufe von Eltern haben, die Ihnen aufgetragen haben, hier so vorzutragen, wie Sie es heute getan haben.

Herr Wagner, wenn ich richtig rechne – das wollte ich Sie fragen; vielleicht können Sie das nachvollziehen und hier noch einmal in Prozent ausrechnen, weil Sie heute so vieles in Prozent vorgetragen haben –, haben wir ca. 240.000 Unterrichtsstunden, vielleicht auch 250.000 Unterrichtsstunden pro Tag in Hessen. Setzen Sie doch diese Zahl einmal in das Verhältnis zu den zehn Beschwerdeanrufen, die die GRÜNEN täglich erhalten, und zwar bitte in Prozent. Dann könnten Sie auf die Idee kommen – wenn Sie das gleich tun, Herr Wagner –, zu sagen: Na ja, es gibt jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder muss ich die Prozentzahl nennen. – Nach meiner Berechnung beträgt sie 0,004 % der gehaltenen Unterrichtsstunden. Diese haben Sie als Beschwerden über das Telefon für Ihre politische Argumentation gewonnen. Wenn Sie aus diesen Zahlen die alternative Schlussfolgerung ziehen,dass die Wahrnehmung der Hessen in der Bildungspolitik bei allen ist, nur nicht bei den GRÜNEN,und insofern Ihre Aktion ein Schuss in den Ofen war, dann wären wir einverstanden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Wagner, Sie haben Gelegenheit zur Antwort.

Herr Kollege Boddenberg, ich will Ihnen gerne antworten.

(Michael Boddenberg (CDU): In Prozent!)

Es waren Sie und Ihre Kultusministerin, die den hessischen Eltern das Versprechen gegeben haben: Zu Beginn des neuen Schuljahres fällt keine einzige Stunde mehr aus.

(Michael Boddenberg (CDU): In Prozent bitte! 0,004 %!)

Meine Beispiele zeigen: Dieses Versprechen ist erneut gebrochen worden. Die Unterrichtsgarantie – mit oder ohne plus – ist nicht erfüllt. Herr Kollege Boddenberg, das war der erste Punkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): In Prozent! – Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Das ist absolut Pillepalle!)

Herr Kollege Boddenberg, zweiter Punkt.Was wollen Sie damit eigentlich sagen?

(Michael Boddenberg (CDU):Damit will ich sagen, dass keiner Sie ernst nimmt und dass Sie hier Märchen vortragen!)

Wir nehmen jede Rückmeldung, die wir von Eltern, von Schülern oder von Lehrern über die Situation an unseren Schulen bekommen, ernst. Wir rechnen nicht in Prozent aus, wie viel das ist,

(Zurufe der Abg. Michael Boddenberg und Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

sondern wir nehmen die Anliegen der Menschen ernst. Herr Kollege Boddenberg, wenn Sie das nach sieben Jahren Regierung nicht mehr können, dann sagt das mehr über Sie als über uns.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Dritter Punkt. Herr Kollege Boddenberg, ja, wir haben Ihre Unterrichtsgarantie murks seit Monaten begleitet. Wir haben auch einen Alternativvorschlag gemacht. Wir haben gesagt, in den ersten zwei Tagen gibt es Betreuung an den Schulen. Dann ist es auch richtig, dass man bei den Kräften aus einem breiteren Pool wählt. Ab dem dritten Tag gibt es Fachunterricht, der dann aber auch von Fachleuten erteilt wird. Die Kultusministerin ist dafür zuständig, dass es von diesen Fachleuten eine ausreichende Anzahl gibt. – Herr Kollege Boddenberg, das war unser Vorschlag. Wenn Sie ehrlich sind, wäre es doch auch sinnvoll gewesen, das von Anfang an so zu machen.Vielleicht setzt es sich bei Ihnen auch noch durch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Als nächster Rednerin erteile ich Frau Kollegin Henzler für die FDP-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der FDP)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist ja schon sehr häufig nach Anhörungen vorgekommen, dass jede Fraktion entsprechend ihrer politischen Brille bei den Stellungnahmen der Anzuhörenden ganz andere Dinge gehört hat.

(Minister Jürgen Banzer: Das kommt vor!)

Das kommt vor. – Dass es aber auch bei einer Regierungserklärung vorkommt, die immerhin einen Blick auf die Situation der Schulen in Hessen darstellen soll, das wundert mich doch sehr.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben eine ganz andere Bewertung des Kurses. Ich darf Herrn Dinges zitieren:

Karin Wolff kann es nicht lassen. Unverdrossen wiederholt sie den Slogan vom „Bildungsland Hessen“.... Dann will die Kultusministerin... eine Regierungserklärung abgeben. „Hessen handelt: Klarer Kurs zum Bildungsland Nr. 1“. Ein nicht ganz gelungener Titel. Denn dass man auch in der Schifffahrt „Kurs auf“ etwas hält, ist den Experten im Ministerium offenbar nicht aufgefallen.

Diese Regierungserklärung ist also schon in ihrem Titel grammatikalisch falsch.

(Florian Rentsch (FDP):Aha!)