Protocol of the Session on September 13, 2006

Alle wissen auch,dass wir dabei keine Zeit mehr verlieren dürfen. Überfällig ist nicht nur eine breit angelegte Mobilisierung der Technologien – nein, es gibt auch eine ordnungspolitische Herausforderung, den übergroßen Einfluss der Energiekonzerne zu brechen. Meine Damen und Herren, Lippenbekenntnisse gibt es viele. Daran mangelt es nicht.Aber wenn es an die praktische Umsetzung geht, verschanzen sich viele hinter Ausreden und Sachzwängen. Meistens aber geht es darum, dass man ein ganz anderes Ziel verfolgt, wie beispielsweise diese Landesregierung, die am Atomstrom festhalten will.

(Beifall bei der SPD)

In den sieben Jahren rot-grüner Koalition in Deutschland ist es uns gelungen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu verabschieden. Das hat uns beim Wechsel zu den erneuerbaren Energien weltweit an die Spitze gebracht.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben die meisten Produzenten, die besten Technologien, den größten Markt, und mittlerweile haben wir in diesem Bereich bereits 170.000 Arbeitsplätze geschaffen. Die Wachstumsrate beträgt dort 30 %. Das ist mehr als in jedem anderen Entwicklungsfeld.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Das heißt Hunderte, Tausende von neuen, nachhaltigen Arbeitsplätzen werden geschaffen. In Hessen sind wir mit dem ISET in Kassel, der Firma Wagner und der Firma SMA – die ich am letzten Freitag besucht habe – vorn.Das müssen wir beibehalten. Nur diese Landesregierung ist hinten.

(Beifall bei der SPD)

Seit Sie im Amt sind, wurde nicht nur die Landesförderung erneuerbarer Energien zusammengestrichen, während Herr Koch das eine oder andere Lob ausspricht. Bei der Einweihung eines großen Solardachs hat Herr Koch gesagt, keiner möchte die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Gang gebrachte positive Entwicklung stoppen.

(Lachen des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Herr Koch, im Bundesrat aber wurde dieses Gesetz von der CDU blockiert. Kein einziger hessischer CDU-Abgeordneter hat dem Erneuerbare-Energien-Gesetz im Bundestag zugestimmt.

(Beifall bei der SPD)

Den Stromkonzernen ist dieses Gesetz sowieso ein Dorn im Auge. Im Sommer 2005 haben sie bereits die Sektkorken knallen lassen, weil sie dachten: CDU/CSU und FDP gewinnen die Bundestagswahl, dann wird das Erneuerbare-Energien-Gesetz ad acta gelegt,und wir können weiter fröhlich Atompolitik machen.

(Widerspruch des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Natürlich. Die Wahlen sind anders ausgegangen. In der Koalition hat die SPD darauf bestanden, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz und der Atomausstieg bis zum Jahr 2020 bestehen bleiben.Das ist gut so,und dabei bleibt es auch.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dietzel, wenn man insbesondere Ihre Äußerungen zur Biomasse in der letzten Zeit gelesen hat, könnte man glauben, es gebe bei dieser Landesregierung einen Trend

hin zu erneuerbaren Energien.Aber ich traue dieser Landesregierung überhaupt nicht, sondern glaube eher, das war der Landwirtschaft geschuldet, die natürlich berechtigterweise hier neue Einnahmequellen vermutet. Unüberhörbar sind nämlich die Stimmen aus der CDU – und auch an uns wurde das schon herangetragen –, denn die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes steht im Jahre 2008 an. Die CDU spekuliert darauf, das zum Steinbruch zu machen.In Hessen gibt es auch immer noch bürokratische Schikanen bei der Umsetzung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Können Sie das einmal genauer sagen?)

Meine Damen und Herren, mit diesen erneuerbaren Energien können wenige Großkraftwerke durch viele kleine Kraftwerke ersetzt werden. Dafür aber braucht man Standorte. Über die Genehmigung dieser Standorte entscheidet die Landesregierung.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Was aber Hessen macht, das ist keine Genehmigungspraxis, sondern eine Verhinderungspraxis zulasten neuer Anlagen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit Ihrem regionalen Entwicklungsplan wollen Sie Windkraftanlagen verhindern. Meine Damen und Herren, Sie wollen Hessen zum Ausschlussgebiet für Windkraftanlagen machen. Offiziell machen Sie als Deckmantel Belange des Landschaftsschutzes geltend, aber darum geht es Ihnen überhaupt nicht. 2.000 neue Anlagen für erneuerbare Energien mit Wind, Wasser, Solarkraft und Biomasse könnten die Reaktoren in Biblis zukünftig ersetzen.

(Lachen des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Aber dafür braucht es Standorte. Meine Damen und Herren, das werden wir Ihnen beweisen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Jeder muss wissen:Wer das verhindert, macht uns zukünftig abhängig von fossiler und Atomenergie. Meine Damen und Herren, das ist genau das, was in Hessen passiert. Aber die Menschen wollen das eigentlich gar nicht mehr.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn es Ihnen ernsthaft um den Ausbau der erneuerbaren Energien ginge, dann hätten Sie eine Vorreiterrolle übernehmen können. Sie hätten die öffentlichen Gebäude und die Schulen mit Solardächern ausstatten können. Das hätten wir über das EEG finanzieren können. Aber das wollen Sie in Wahrheit nicht. Sie gestalten nicht die Zukunft der Energiepolitik in Hessen, sondern Sie blockieren sie.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiteres Argument, das die Atombefürworter immer wieder anführen, ist, die Atomenergie sei unverzichtbar, weil die erneuerbaren Energien nicht ausreichend seien und deren Leistung nicht rechtzeitig CO2-frei ersetzen könnte. Diese Behauptung wird notorisch immer wiederholt. Mittlerweile glauben das auch sehr viele Leute.

Meine Damen und Herren, dadurch aber wird diese Behauptung nicht wahr. Diese Landesregierung hat eben alles getan, um zu verhindern, dass es überhaupt zur Entfaltung erneuerbarer Energien kommt. Der bundesdeutsche Anteil an erneuerbaren Energien bei Strom ist in sechs Jahren von 4 auf 11 % gestiegen. In Hessen aber liegen wir immer noch bei 4 %, weil Sie das verhindern.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dietzel hat in einem Interview zugegeben, dass man die Laufzeitverlängerung von Biblis möchte, um über diese Hürde zu kommen und um nach der nächsten Bundestagswahl vielleicht in eine neue Atompolitik einsteigen zu können. Herr Koch hat schon für den Neubau von Atomkraftwerken plädiert.

Meine Damen und Herren, Sie benehmen sich bei erneuerbaren Energien technikfeindlich.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU)

Aber Sie sind nicht nur technikfeindlich, Sie sind auch mittelstandsfeindlich und kommunalfeindlich.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Ja. Sie verhindern, dass das kreative Potenzial und alles das, was es in dieser Technologie gibt, sich entfalten können, weil diese Landesregierung das nicht ermutigt oder fördert.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU):Vor allem sind wir SPD-feindlich!)

Die SPD will mit erneuerbaren Energien und mit KraftWärme-Kopplung die Chancen für eine risikolose Bereitstellung der Energieversorgung öffnen, und zwar aus heimischen Quellen, zur Belebung der Regionalwirtschaft und zur Wiederbelebung der Stadtwerke. Wir wollen für die Landwirtschaft neue Einkommen, und wir wissen, damit schaffen wir Tausende neue Arbeitsplätze. Meine Damen und Herren, das ist unser Weg.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Beim solaren Bauen warten Tausende von Ingenieure und Handwerksbetrieben auf die politischen Impulse einer solchen Baupolitik. Die Architekturfakultät in Darmstadt,die Professoren und Studenten können Ihnen sagen, wie man solar baut und dadurch massenweise Energie spart.

(Zurufe von der CDU:Ah!)

Ja, wenn Sie wirklich etwas für die Menschen tun wollten, dann würden Sie die Förderungen freigeben. Dann könnte endlich einmal die zweite Miete, unter der viele Menschen leiden, reduziert werden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein anderes Standardargument gegen die Energiewende sind die angeblich zu hohen Kosten. Das sagen uns gerade die, die uns täglich unter Beweis stellen, dass sie an der atomaren und fossilen Energie festhalten und uns damit Folgekosten in ungeahnter Höhe überlassen, und zwar unseren Kindern.Ich nenne nur einmal den Streit,den wir derzeit um das Atommüllendlager haben.

Eines aber steht fest. Die konventionellen Energiekosten werden immer weiter steigen. Das liegt in der Logik der Sache.Wenn sich die Ressourcen verknappen, steigen die Preise. Die Preise für erneuerbare Energien aber werden immer günstiger. Sonne kostet nichts, Wind kostet nichts, Wasser kostet nichts. Bei massenhafter Einführung werden die betreffenden Technologien immer billiger.

(Zurufe von der CDU)

Deshalb liegt die Zukunft auch unter dem Aspekt der Preise bei den erneuerbaren Energien, nicht bei der fossilen und atomaren Energie.