Protocol of the Session on September 13, 2006

Meine Damen und Herren, wir können das, was in der Vergangenheit war, nicht als Rechtfertigungsgrund dafür nehmen, weitere Versäumnisse in der Zukunft zu begehen.

(Zuruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD) – Andrea Ypsilanti (SPD): Das hat er gemacht! – FrankPeter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber man könnte etwas lernen, Herr Lenhart!)

Wir müssen uns den Realitäten stellen. Wir können uns schon irgendwann einmal darüber unterhalten, ob wir aus der Kernenergie aussteigen oder nicht – aber erst dann, wenn wir eine gesicherte und nachhaltige Energieversorgung haben. Die haben wir derzeit nicht. Deswegen sind Sie die einzigen Rufer in dieser Richtung. Es ist ein politisches Bekenntnis, aber es ist sachlich nicht gerechtfertigt. Sie stehen alleine, und Sie gehen hier einen falschen Weg.

Herr Grumbach, wenn Sie Nordrhein-Westfalen als Beispiel nehmen, dann haben Sie mir nicht zugehört. Die Küste gibt Wind, und dort sind Windparks. Die dortigen Plätze sind besetzt, und deshalb ist man ins Binnenland gewichen. Deshalb führen Sie nun nicht die Nummer mit Nordrhein-Westfalen an. In diesem Punkt ist es vorbei, kann ich nur sagen. Setzen Sie sich einmal sachlich damit auseinander, das sind wir alle unseren Wählern schuldig.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD):Wie bitte? Wissen Sie, wo Nordrhein-Westfalen liegt?)

Nächste Wortmeldung, Frau Kollegin Hamann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Norbert Schmitt (SPD): Jetzt verlegt er Nordrhein-Westfalen noch an die Küste, das ist unglaublich! Das wird ja immer doller!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lenhart, man müsse sich den Realitäten stellen, das haben Sie gerade gesagt. Dann stellen Sie sich doch bitte auch den Realitäten. Denn die Atomkraft hat keine Zukunft; Zukunft haben alleine die erneuerbaren Energien.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Fraktionsvorsitzender hat vorhin sehr deutlich gemacht, was es heißt, im Rahmen des Klimaschutzes zu

agieren. Da bringt die Atomkraft überhaupt nichts. Die einzige Rettung im Klimaschutz ist die drastische Reduktion der CO2-Emissionen. Das ist ein Teil der Energiepolitik; ein weiterer ist der gesamte politische Bereich, den wir in Deutschland begleiten müssen.

Meine Damen und Herren,die Vehemenz,mit der die hessische CDU unter Roland Koch für den Weiterbetrieb der alten Schrottreaktoren in Biblis A und B

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Axel Wintermeyer (CDU): Schrottreaktoren!)

und damit gegen den Atomausstieg kämpft, ist schon erstaunlich.Früher hatten Sie immer das Argument der Versorgungssicherheit, und heute kommt noch das Argument des Klimaschutzes hinzu. Aber damit verhindern Sie die Weiterentwicklung einer wirklich nachhaltigen Energieversorgung auch in Hessen.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie wiederholen gebetsmühlenhaft die angeblich nur mit der Atomkraft zu erreichenden Ziele Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit. Aber ich sage Ihnen: Das nutzen Sie ausschließlich als Staffage. Dahinter verbirgt sich keine aktive, zukunftsfähige Energiepolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nutznießer sind nicht die Bürgerinnen und Bürger in Hessen oder die Wirtschaft, Nutznießer ist allein RWE mit den beiden Kraftwerksblöcken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Norbert Schmitt und Andrea Ypsilanti (SPD))

Das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Das „Handelsblatt“ hat bereits im letzten Jahr, am 06.06.2005,einen Barwert von 3,4 Milliarden c nur für die Verlängerung der Laufzeit der beiden Kernkraftblöcke von RWE errechnet. Sie glauben doch nicht, dass im Falle einer Verlängerung auf 45 Jahre – die bitte jeder verhindern sollte – diese Gelder an die Bürgerinnen und Bürger weitergereicht würden. Nein, die Renditen für die Großversorgungsunternehmen würden sich erhöhen, aber es wäre kein Erfolg für die Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Norbert Schmitt und Andrea Ypsilanti (SPD) – Axel Wintermeyer (CDU): Das unterstellen Sie, ohne es zu wissen!)

Herr Wintermeyer, Sie sagten: „Das unterstellen Sie, ohne es zu wissen!“ Die Erfahrung zeigt uns doch, dass es trotz der hohen Gewinne von RWE nicht zu Preissenkungen kommt.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Meine Damen und Herren, das Problem ist doch auch, dass die Atomkraft an bestimmte Witterungsbedingungen gebunden ist. Ich habe eine Stellungnahme mitgebracht, in der es um die Preisentwicklung an der Leipziger Strombörse geht. Ich denke, Sie haben das genauso verfolgt wie wir. Da wurde festgestellt, dass im August der Spitzenlaststrom um die Mittagszeit – das war der Zeitraum von 11 bis 12 Uhr – an der Leipziger Strombörse mit bis zu 2 c – 2 c, nicht 2 Cent! – gehandelt wurde. Dieser Preis liegt weit über der Einspeisevergütung sowie bei den erneuerbaren Energien.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Norbert Schmitt und Andrea Ypsilanti (SPD))

Es heißt, dass die Atomkraftwerke und die Kohlekraftwerke in dieser Zeit Probleme hatten, genug Strom zu produzieren, weil es Probleme im Bereich der Kühlung gab: wenig Wasser, weniger Kühlmöglichkeiten.Wenn wir über Klimaschutz reden, dann müssen wir sehen, dass uns diese Entwicklung noch auf lange Zeit erhalten bleibt und dass auch darauf reagiert werden muss. Schon aus diesem Blickpunkt kann die Atomenergie keine Zukunft haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Norbert Schmitt und Andrea Ypsilanti (SPD))

Was ich besonders bedauerlich finde: Man erkennt offensichtlich in der CDU und auch in der FDP nicht die Potenziale der erneuerbaren Energien.Wir sind in Deutschland im Bereich der regenerativen Energien mittlerweile an der Weltspitze.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Norbert Schmitt und Andrea Ypsilanti (SPD))

Es wurden 170.000 zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen. Dies unterstreicht das Ganze massiv und eindrucksvoll. Meine Damen und Herren, allein in Hessen ist eine hohe Zahl von Arbeitsplätzen im Bereich der regenerativen Energien entstanden – gerade bei der Firma SMA, was Fotovoltaik –, die höher ist als die Zahl der Arbeitsplätze im AKW Biblis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Norbert Schmitt und Andrea Ypsilanti (SPD) – Axel Wintermeyer (CDU): Sagen Sie, ob Sie für Getreideverbrennung sind! Das würde mich interessieren!)

In Nordhessen wurden diese Chancen auch erkannt; da gibt es ein Regionalmanagement. Dort wurde das Cluster dezentrale und erneuerbare Energien gegründet. Allein in diesem Kernbereich sind mittlerweile 2.000 Menschen beschäftigt.Das ist Beschäftigungspolitik,die wirklich Bestand hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Norbert Schmitt und Andrea Ypsilanti (SPD))

Was die hessische CDU, auch Herr Ministerpräsident Koch, nicht wahrhaben will: In Deutschland boomt doch die Solarenergie.

(Axel Wintermeyer (CDU): Aber nur, weil sie so subventioniert wird!)

Wer die Medien aufmerksam verfolgt, sieht, dass wir hier an der Weltspitze sind. Nach Angaben des Bundesverbandes Solarwirtschaft produzierten die deutschen Solarzellenhersteller im ersten Halbjahr 2006 73 % mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Das heißt, das Wachstum der Solarzellenproduktion in Deutschland ist doppelt so hoch wie bei den ausländischen Mitbewerbern.Wir stellen hier innerhalb von drei Jahren eine Versechsfachung der Produktion fest.

Aber Deutschland ist nicht nur weltweit führender Exporteur dieser Technik, sondern zugleich auch der weltweit wichtigste Markt. Wenn wir nicht weiter auf diesen Pfad setzen, heißt das, dass wir diesen Marktanteil dann

auch verlieren können. Das kann doch nicht in unser aller Interesse sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Norbert Schmitt und Andrea Ypsilanti (SPD))

Schauen wir einmal in die neuen Bundesländer, dort werden zehn neue Solarfabriken gebaut: in Brandenburg, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, und das alles mit einem hohen Investitionsvolumen. Als Grund wird genannt: Vorsprung unserer Technologien, also das, was wir schon auf den Weg gebracht haben; die noch stabilen politischen Rahmenbedingungen und die neuen Absatzmärkte in Südeuropa. – Aber wo gibt es denn in Hessen eine Solarfabrik?

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Bad Karlshafen!)

Wo sind die Aktivitäten der Hessischen Landesregierung in dieser innovativen Technik? Auf ganzer Linie Fehlanzeige. In Hessen setzt man weiter auf abgeschriebene Schrottreaktoren und fordert den Ausstieg aus dem Atomausstieg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Norbert Schmitt und Andrea Ypsilanti (SPD))

Ich sage Ihnen aber auch:Die Verhinderung oder auch die Verzögerung des Atomausstiegs ist ein Spiel mit unverantwortlich hohem Risiko, denn der Weiterbetrieb der Reaktoren steigert nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines atomaren Unfalls.

Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich alle noch: Vor kurzem hatten wir einen Störfall im Atomkraftwerk Forsmark in Schweden.Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass immer wieder Problemsituationen auftreten, mit denen noch niemand gerechnet hat und die deshalb auch in der Auslegung der Sicherheitstechnik nicht berücksichtigt wurden.

Eine Zeitung kommentierte diesen Forsmark-Störfall mit der Überschrift: „Ein Vertrauens-GAU“. Sie erinnern sich:Vattenfall hatte ganz empört reagiert und gesagt, der Forsmark-Meiler sei mit Brunsbüttel in keiner Weise vergleichbar.Was aber war das Ende vom Lied? Es waren unrichtige Angaben. Am Ende gab Vattenfall ein Eingeständnis zu Sicherheitsmängeln ab. Bis heute ist das Ganze noch nicht geklärt. Ein Abschlussbericht fehlt immer noch.

Aber auch Biblis hat doch die Laufzeit hindurch gezeigt, wie viele Pannen und wie viele Probleme an diesem Standort immer wieder aufgetreten sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Biblis liegt in der Pannenstatistik weit oberhalb des Bundesdurchschnitts. Mit 223 Störfällen/Betriebsstörungen haben wir mehr als im Bundesdurchschnitt mit 88. Das ist Biblis. Das nennen Sie eine zukunftsfähige und sichere Energieversorgung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das nimmt Ihnen doch auch die Bevölkerung nicht mehr ab. Die Bevölkerung ist doch schon längst von der Atomkraft weg. Sie sieht die Probleme nicht nur im Hinblick auf den Betrieb, sondern genauso im Hinblick auf die Endlagerung.Wenn ich dann immer wieder von der CDU höre: „Sie haben es doch mit verhindert, dass es zu einem Endlager in Gorleben gekommen ist“, dann muss ich sagen: Unter Rot-Grün ist erst einmal der Versuch gemacht