Protocol of the Session on July 10, 2003

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Als nächste Rednerin spricht Frau Abg. Ravensburg für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,liebe Kolleginnen und Kollegen! Bildung beginnt nicht erst mit der Einschulung – nein, Bildung muss viel früher ansetzen. Darüber sind wir uns hier, glaube ich, alle einig. Nicht einig sind wir uns aber über die Art und Weise,wie wir Bildung bereits in die Kindergärten integrieren können.

Wir sind für ein Konzept, das die möglichst frühe Förderung von Kindern, die Eigenständigkeit von Schule und Kindergarten berücksichtigt, gleichzeitig aber einen gemeinsamen Erziehungs- und Bildungsauftrag präziser definiert und die Verantwortung der Eltern als Erziehungsbeauftragte berücksichtigt.

Kinder haben ein Recht auf frühe Bildung, die bereits vor dem Kindergarten mit der Geburt anfängt.Deshalb ist für uns auch die Familie die allererste Instanz, die Bildung vermittelt. Der Kindergarten baut darauf auf. Deshalb ist eine bessere Zusammenarbeit zwischen Eltern und Einrichtungen vorschulischer Bildung unerlässlich.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Ohne Bruch soll aber von der vorschulischen Bildung auch zur Schule übergeleitet werden, denn Bildung findet nicht erst im Jahr vor der Schule statt, sondern muss ein kontinuierlicher Prozess sein. Die Landesregierung hat deshalb begonnen, einen Erziehungs- und Bildungsplan für die Kinder im Alter von null bis zehn Jahren zu ent

wickeln. Wir setzen auf freiwillige Vereinbarungen mit den Kindergartenträgern.

Die kommunalen, kirchlichen und freien Träger von Kindertagesstätten sollen gemeinsame Standards zum Bildungsauftrag des Kindergartens vereinbaren. Deshalb können wir auch den beiden ersten Absätzen Ihres Antrages sofort zustimmen. Auch wir wollen die Kindergärten pädagogisch aufwerten.

Das Kind muss erfahren, Lernen ist schön, denn Lernen macht selbstständig. Wenn Kinder dies begreifen, dann werden sie sich auch in der Schule entsprechend verhalten. Das ist unser Ziel. Geschehen kann dies, indem die Neugier der Kinder, der Wissensdurst, durch ein spielerisches Lernen gestillt wird.

Darum sollten auch zum sozialen Lernen im Kindergarten weitere Bildungsinhalte kommen. Zu dem traditionellen Basteln, das übrigens natürlich auch für die Schulung der Motorik und Koordination als Vorstufe für das Schreiben-Lernen immer noch sehr wichtig ist, können Bildungsinhalte im musischen und künstlerischen Bereich genauso wie auch Anregungen im naturwissenschaftlichen Bereich kommen. Das beste Kinderfernsehen kann Erfahrungen nicht ersetzen, die Kinder durch eigenes Erleben machen.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann mich noch an die leuchtenden Augen meines Sohnes erinnern, als er im Kindergarten einmal ein kleines Experiment kennen gelernt hatte, wie man mit einem Luftballon und einer Brausetablette eine Rakete bauen kann, und dies freudestrahlend der ganzen Familie vorführte.

(Heiterkeit des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Das sind ganz einfache Ansätze, aber mit großem Erfolg, denn die kindliche Neugier, die Freude am Experimentieren und die Offenheit der Kinder gegenüber allem Neuen, gerade in diesem Alter, gilt es zu nutzen und nicht brachliegen zu lassen.

(Beifall bei der CDU)

Der Spracherwerb soll aber ebenfalls im Zentrum der Bildung im Kindergarten stehen. Darin stimmen wir mit der FDP überein. Bereits in den letzten Sitzungen des Kulturpolitischen und des Sozialpolitischen Ausschusses konnten wir über die Bedeutung der Sprachförderung bei der vorschulischen Bildung diskutieren.

Die Sprachförderung von Migrantenkindern ist eine Kernaufgabe für die Erzielung von Chancengleichheit und Integration im Kindergarten und in der Schule, denn auch PISA hat gezeigt, Sprachkompetenz ist für Migrantenkinder die entscheidende Hürde für ihre Bildungskarriere. Deshalb will ich an dieser Stelle noch einmal die Vorlaufkurse erwähnen, denn durch einen frühzeitigen Sprachtest bereits im September vor der Einschulung sind im vergangenen Herbst erstmals die einzuschulenden Kinder getestet worden.

Diese Vorlaufkurse bieten die Gelegenheit, noch rechtzeitig vor der Einschulung einen Sprachkurs zu besuchen. Dadurch kann die Zurückstellung der Kinder um ein Jahr verhindert werden. Das ist ein ganz wichtiger Baustein des Konzeptes zur Förderung des Spracherwerbs. Das zeigt sich auch daran, dass man die Zahl der Vorlaufkurse auf 350 geschätzt hat. Am Ende waren es 569. Von den etwa 5.000 Kindern, die im Test auffielen, haben 93,5 % einen solchen Vorlaufkurs besucht.

Den Erfolg dieser Vorlaufkurse werden wir bei der Einschulung feststellen können. Die Eltern der betroffenen Kinder haben nämlich erkannt, dass die Kenntnis der deutschen Sprache die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Bildungskarriere und die Integration ihrer Kinder ist. Selbst die „Frankfurter Rundschau“ erkennt diese Leistung an.Am 23. Mai 2003 meldete sie – –

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Hören Sie zu.– Es wurden Stichproben zur Wirksamkeit der Vorlaufkurse erhoben. Nur sehr wenigen Kindern wird demnach die Einschulung wegen Sprachdefiziten verwehrt werden.Die „Frankfurter Rundschau“ berichtet in einem Beispiel von einer Schule in Sachsenhausen. Auch dort gab es anfänglich Skepsis. Aber der Erfolg der Kurse hat dem ganzen Projekt Recht gegeben. Die Eltern und insbesondere die Mütter wurden ebenfalls animiert, die deutsche Sprache besser zu lernen.Wenn das kein Erfolg ist, was dann?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Eltern konnten aufgrund der Freiwilligkeit mit eingebunden werden. Denn auch die Elternarbeit ist ein Bestandteil jeglicher Integrationsarbeit. Eltern müssen den Spracherwerb und die Ausbildung ihrer Kinder unterstützen.

Unser Ziel ist es aber, diese Vorlaufkurse überflüssig zu machen. Denn die Hilfe beim Spracherwerb kann bereits viel früher einsetzen. Deshalb ist es für uns ganz wichtig, das Sprachprogramm in den Kindergarten zu integrieren, damit die Kinder bereits ab ihrem Eintritt in den Kindergarten in dessen Genuss kommen. Im Jahre 2002 standen 1,3 Millionen c zur Verfügung. Damit konnten 5.000 Kinder in Kindergärten gefördert werden. In diesem Jahr werden dafür 1,6 Millionen c zur Verfügung stehen.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Hört, hört!)

Damit werden 7.000 Kinder gefördert werden können. Jetzt werden Sie gleich wieder sagen, das sei zu wenig, das reiche nicht aus. Zunächst einmal zeigen diese Zahlen aber, dass diese Kurse ein riesiger Erfolg sind. Zweitens haben wir die Zusicherung, dass dieses Programm Priorität hat. Das Sozialministerium hat uns bestätigt, dass, wenn es möglich ist,Mittel umzuschichten,dieses auch geschehen werde.

(Norbert Schmitt (SPD):Wenn es möglich ist!)

Sie kennen die finanzielle Situation.

(Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Hinz, bereits in den von uns so genannten Bildungsgärten soll eine qualifizierte, systematische und am einzelnen Kind orientierte Sprachförderung stattfinden. Das Kultusministerium hat einen Sprachtest für Kinder im Alter von vier und fünf Jahren entwickelt. Einerseits soll mit ihm das Sprachvermögen der Kinder eingeschätzt werden. Andererseits soll er aber auch die Ansatzpunkte für eine pädagogische Intervention liefern. Es handelt sich dabei um einen Test, der von den Erzieherinnen und Erziehern der Kinder angewandt werden kann. Auf dessen Grundlage kann dann selbst entschieden werden, ob medizinische Dinge berücksichtigt werden müssen oder ein Sprachheilbeauftragter hinzugezogen werden muss.

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Bildung ist doch mehr als Sprache!)

Denn die Sprachprobleme fallen zunehmend auch in den medizinischen Sektor. Daneben gibt es auch zunehmend Sprachauffälligkeiten bei deutschen Kindern. Das sehe ich als ein Problem der Gesellschaft. Damit wird das aber auch zum Bildungsauftrag für den Kindergarten.

(Beifall des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Die Eltern reden mit ihren Kindern nicht mehr in ausreichendem Maß. Die Kinder nehmen die Sprache nur noch passiv beim Fernsehen oder am Computer wahr. Wir fordern, das Vorlesen insbesondere in den Kinderbetreuungseinrichtungen stärker zu verankern und dem Bildungsauftrag durch qualitativ verbesserte Angebote mehr Rechnung zu tragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Auf diese Art und Weise kann ein wichtiger Beitrag zur aktiven Sprachentwicklung geleistet werden. Zugleich kann damit der Kontakt zwischen den Eltern und dem Kindergarten gefördert werden. Denn die Eltern können gerade beim Vorlesen gut in den Kindergarten integriert werden. Aber sie sollen vom Kindergarten auch Anreize erhalten, das Vorlesen im Elternhaus wieder zu kultivieren.

Dementsprechend lehnen wir den Antrag auf Einrichtung einer verbindlichen Kinderschule für Mädchen und Jungen unter sechs Jahren ab. Unsere Kinder brauchen nicht mehr Verschulung oder Verpflichtungen im Kindergarten. Vielmehr ist es notwendig, für sie die Qualität in den Kinderbetreuungseinrichtungen deutlich zu erhöhen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und wie machen Sie das jetzt?)

Wir sind fest davon überzeugt,dass es der richtige Weg ist, mit den Trägern der Kinderbetreuungseinrichtungen Vereinbarungen für einen Bildungs- und Erziehungsplan zu treffen, in dem transparente und anspruchsvolle Qualitätsstandards festgelegt werden. Im Zusammenhang mit dieser Selbstverpflichtung sollen die Erzieherinnen und Erzieher natürlich auch eine entsprechende Ausbildung erhalten. Denn nur dann können sie diesem Bildungsauftrag gerecht werden. Dazu gehört natürlich auch die pädagogische Ausbildung. Wir glauben aber, dass in den Fachschulen bereits hervorragende Arbeit geleistet wird. Die Fachschulen werden auch dieser Anforderung gerecht werden können. Bei den weiter gehenden Leitungsaufgaben halten wir die Fortbildung in Berufsakademien für den geeigneten Weg.

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wer soll die denn finanzieren?)

Denn sie sind nahe am Geschehen, also der Praxis im Kindergarten.

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Wir streben die Einführung von Qualitätsstandards deshalb an, weil sie Orientierungshilfen und Leitlinien an die Hand geben. Deshalb möchten wir eine Vereinbarung mit den Kindergartenträgern abschließen.Die gemeinsam beschlossenen Qualitätsstandards würden den Kindergärten

eine Orientierung geben. Das würde auch die Verzahnung zum Übergang in die Grundschule herstellen.

Wir werden diese Worte in Taten umsetzen. Frau Hinz, wenn wir dabei dann auch mit Ihrer Auffassung übereinstimmen, ist es umso besser.

Wir beantragen getrennte Abstimmung über die drei Absätze des Entschließungsantrags der Fraktion der FDP. Den ersten beiden Absätzen werden wir zustimmen. Dem zweiten können wir nicht zustimmen.

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dem dritten!)

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Als nächste Rednerin hat Frau Abg. Hartmann für die SPD-Fraktion das Wort.