Zuletzt noch zu den schwarzen Schafen, die anscheinend leider mehr werden – das finde ich auch bedenklich –, die überhaupt keine behinderte Person einstellen wollen und lieber die Ausgleichsabgabe zahlen. Wollen Sie dafür tatsächlich im Kollektiv alle bemühten Arbeitgeber mitbestrafen, selbst wenn sie für ihre Arbeitsplätze niemanden finden können?
Ich setze auf neue Ideen für positive Anreize, auf gute, weiter ausgebaute Begleitung und gern auch auf gezielte Lösungswege für die Betriebe, die sich tatsächlich komplett verweigern.
Ich komme gleich zum Schluss. Kollektive Bestrafung geht aber nicht. Wir brauchen passende Arbeitsplätze für behinderte Menschen, gute Begleitung dorthin, und vor allen Dingen brauchen wir auch gute Arbeitgeber oder wenigstens aufgeschlossene Kolleginnen und Kollegen. Daran sollte man arbeiten, und aus diesem Grund sind mir und meinen Kollegen und Kolleginnen deutlich höhere finanzielle Strafen als Druckmittel einfach viel zu wenig, deshalb lehnen wir Ihren Antrag, der inhaltlich zu 98 Prozent auf diese Strafe zielt, ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Thomas Pörschke, Sie haben viele wichtige Argumente benannt, warum man in diesem Bereich weitergehen muss. Um zu signalisieren, wie wir dazu stehen, und auch um zu sagen, dass wir diesen Weg zwar kritisch sehen, weil wir sagen, wenn man diese Mittel erhöht – und sie sind keine Strafe im strafrechtlichen Sinne, aber sie sind schon ein finanzieller Malus, den man als Unternehmen hat –, sind wir dabei zu sagen, ja, man muss da mehr tun. Diese Punkte kann man diskutieren.
Üblicherweise ist es ja nicht so, dass man hier mit einer Abstimmungsidee hineingeht und dann mit einer anderen herauskommt. Die Argumente haben uns dann aber doch soweit überzeugt, dass wir uns enthalten werden, um zu signalisieren: Wir
sind auf dem Weg unterwegs, mit dabei. Bei den Mitteln wollen wir dann aber doch noch weiter darüber diskutieren, ob das wirklich der richtige Weg ist, das so zu erhöhen, und ob diese Mittel, die hier angesprochen sind, die richtigen sind.
Was uns dabei aber am Herzen liegt ist, dass all die anderen Punkte, die angesprochen sind – und da beziehe ich einige Anregungen sogar von Frau Grönert mit ein –, auch angegangen werden müssen, weil es einfach wichtig ist, dass die Mittel der Ausgleichsabgabe nicht schlummern, sondern aktiv eingesetzt werden, weit aktiver als bisher, dass wir bei der Begleitung von Menschen mit Beeinträchtigungen in den Job, in die Arbeit, in den ersten Arbeitsmarkt, besser werden, dass wir das persönliche Budget dafür besser einsetzen, dort auch die Menschen dabei unterstützen – weil das ein durchaus gutes, aber kompliziertes Instrument für die Menschen ist –, und dass wir den Weg gehen, dort mehr Möglichkeiten zu schaffen. Denn es haben alle verdient, die ernsthaft dabei sind – und ich kenne ganz viele –, einen Job zu suchen und auch einen Job zu finden.
Dafür sich zu engagieren, da sind wir gern an der Seite und weiter die konstruktive Opposition, die wir sind. Insofern ist dann eine Parlamentsdebatte einmal nicht nur ein Zurschaustellen von vorgefassten Meinungen, sondern ein Eingehen und eine Auseinandersetzung mit Argumenten, weswegen ich es liebe, in einem Parlament zu sein. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Um hier die Arithmetik wieder herzustellen und da ich die letzte Verbliebene von der Koalition bin, die noch ein Rederecht hat, habe ich gedacht, ich ergreife noch einmal kurz das Wort, um mich zum einen zu bedanken für den Kurswechsel in Richtung Enthaltung, was wir sehr zu schätzen wissen, und zum anderen, um noch einmal meine Freude darüber zum Ausdruck zu bringen, dass wir in einem Haus, das zu dieser Stunde relativ gut gefüllt ist, hier sehr ernsthaft über die Frage der Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt diskutieren. Das, finde ich, ist ein wichtiges Signal, das vielleicht von heute ausgehen wird.
Ich mag noch einmal deutlich machen, dass dieser Antrag der Koalition an keinem Punkt sagt, dass alle anderen Bemühungen, die zu tätigen sind, um die Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verbessern, damit hinfällig wären und dass wir denken, es wäre tatsächlich der Schlüssel zum Glück. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall, sondern es ist ein Instrument. Ich habe es für mich „das Schwert etwas schärfen“ genannt. Selbstverständlich, ich hoffe, das ist aus den Redebeiträgen deutlich geworden, sehen wir, dass es auch andere Schrauben gibt, an denen zu drehen ist.
Ich will noch einmal betonen, dass wir in Bremen, was die Millionen Euro angehen, die dort noch aus der Ausgleichsabgabe herumliegen, dass wir in dieser Legislaturperiode angefangen haben, die ordentlich auszugeben. Die Senatorin wird das sicherlich gleich ausführen. Ich erinnere mich an ein finanziell sehr umfassendes Modellprojekt zum Budget für Arbeit, das Menschen, die in Werkstätten sind, unterstützen soll, ihren Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden. Ich erinnere an ein Modellprojekt der anderen Leistungsanbieter, es gibt eine ganze Reihe von Dingen, ein Digitalisierungsprojekt. Wir haben also, glaube ich, eine ganze Reihe von Dingen angeschoben, um dieses Geld auch einer sinnhaften Verwendung zuzuführen und einen Beitrag dazu zu leisten, dass mehr Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt kommen. Das vielleicht noch als Ergänzung, bevor Sie der Senatorin jetzt endlich, liebe Frau Präsidentin, gleich das Wort erteilen. – Danke!
Frau Präsidentin, liebe Damen und Herren! Ich fand das eine sehr spannende Debatte, weil sie so differenziert war und verschiedene Punkte eingebracht hat, bis hin zu Herrn Dr. Buhlerts Ausspruch mit der Liebe.
Ich hatte das Vergnügen – und das war etwas Besonderes – in der ersten Legislaturperiode mit Horst Frehe als Staatsrat zusammenzuarbeiten. Er hat als behinderter Mensch eine ganz andere Sicht in das Sozialressort mitgebracht. Vor dieser Sicht hatten viele Menschen dort Angst, weil Horst Frehe sich durchaus als Kämpfer und auch als vehementer Verfechter für eine inklusive Sozialpolitik auszeichnet.
In den vier Jahren haben wir nicht nur versucht, sondern wir haben das auch in die Tat umgesetzt, Grundpfeiler von inklusiver Sozialpolitik im Sozialressort zu verankern. Dabei ist der Bereich Arbeit ein ganz essentieller. Ich habe mich sehr mit meinem Staatsrat, mit Horst Frehe, darüber auseinandergesetzt und auch gestritten, welche Zukunft Werkstätten für behinderte Menschen haben. Das ist auch ein Teil des Antrags. Der Senat teilt die Debatte, dass sich alle Betriebe, wenn sie die ausreichende Größe haben und keine Menschen mit Behinderung beschäftigen, daran beteiligen müssen, eine Ausgleichsabgabe zu zahlen.
Gleichzeitig ist es eine Verpflichtung, auch für unser Ressort und für alle diejenigen, die am Arbeitsmarkt oder auch für die Werkstätten, für Inklusionsbetriebe tätig sind, positive Beispiele zu zeigen und dafür Werbung zu machen, wo uns Inklusion in den Arbeitsmarkt bereits sehr gut gelingt. Es gibt hervorragende Inklusionsbetriebe in der Bundesrepublik, von denen wir uns auch in Bremen stärker welche wünschen würden, aber es gibt auch sehr gute Werkstätten. Ich erinnere mich, dass ich in Nürnberg zusammen mit der bayerischen Sozialministerin Emilia Müller auf der Bühne saß und erzählte, was wir in Bremen mit unserer Werkstatt machen, dass wir die Menschen nicht einschließen, sondern die Türen für den sogenannten ersten Arbeitsmarkt weit öffnen.
Ich könnte jetzt eine halbe Stunde sehr gelungene Kooperationen mit der Schaffung von Außenarbeitsplätzen aufzählen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Weg, den wir mit der Werkstatt Bremen gegangen sind, den übrigens auch die Elbe-WeserWelten gGmbH (EWW) in Bremerhaven und auch die Lebenshilfe Bremerhaven e.V. gehen. In Bremerhaven kooperieren die EWW mit dem AlfredWegener-Institut und statten die Polarforscher und -forscherinnen aus. Da geht man hin und wird ganz selbstverständlich von einem behinderten Menschen bedient, man bekommt den Seesack für das Forschungsschiff. Das ist wirklich schön zu erleben.
Die waren mit uns auch auf der „Werkstätten:Messe“ in Nürnberg. Das war einfach unvorstellbar, dass die Werkstatt Bremen mit MercedesBenz, mit der Azul Kaffee GmbH & Co. KG kooperiert, dass wir Außenarbeitsplätze bei der International University in Bremen-Nord haben, dass wir dort die gesamte Gartengestaltung machen. Das war teilweise undenkbar.
in Bayern sehr viele hervorragende Inklusionsbetriebe und Ideen gab, die wir mit nach Bremen genommen haben, aber wir konnten bis heute leider noch kein Hotel umsetzen, auch das haben wir uns ganz stark gewünscht. Aber Herr Horn, der heute der Debatte lauscht: Ein Café, was wir gern umsetzen wollen, haben wir immer noch im Kopf und es gibt noch viele weitere Ideen, in Richtung Inklusion zu gehen.
Was man aber nicht machen darf, und da muss der Bundesgesetzgeber aus meiner Sicht aufpassen, ist, dass man Inklusionsbetriebe und Werkstätten bei der Finanzierung gleichbehandelt, denn die Werkstätten nehmen alle Menschen auf, und die Inklusionsbetriebe haben einen anderen Personalmix, nämlich fifty-fifty. Das ist ein Teil des Antrags, bei dem auch die Bundesregierung – das wurde schon diskutiert – eine sehr differenzierte Haltung eingenommen hat. Wir werden weiterhin die Werkstätten brauchen. So sehr ich mir eine komplett inklusive Arbeitswelt wünsche, so wie Horst Frehe auch, wir werden weiterhin auch Werkstätten brauchen, weil es behinderte Menschen gibt, die diese Werkstatt auch wollen.
Ich finde, diese Frage muss man mitdiskutieren. Die Menschen haben eben eine eigene Sichtweise und brauchen vielleicht auch ein eigenes Setting im Arbeitsmarkt. Ich möchte aber, dass der öffentliche Dienst in Bremen weiterhin so viele Arbeitsplätze schafft – und glaube, da geht auch noch mehr, so wie Frau Grönert gesagt hat – und dass wir das Geld aus der Ausgleichsabgabe sinnvoll einsetzen.
Wenn dann ein bisschen mehr Geld in der Ausgleichsabgabe wäre, würde das nicht schaden. Wir haben ein Interesse daran, behinderte Menschen mit einem Budget für Arbeit auszustatten, damit sie Tänzer:in werden können, Maler:in, damit sie auch in bestimmte gesellschaftliche Bereiche vordringen können. Gerade junge Leute, auch mit Down-Syndrom, haben vielfältige Möglichkeiten, auch andere Berufe zu ergreifen.
Ich habe mit Horst Frehe angefangen, ich ende jetzt auch mit einem Beispiel aus seinem Leben. Er ist als 15-Jähriger verunglückt und saß im Rollstuhl. Am Anfang hat man ihm erst einmal zugetraut, solche Tätigkeiten zu machen wie Tüten zukleben. Alle, die Horst Frehe kennen, wissen, dass er ein begnadeter Debattenredner ist. Er hat zwei Studienabschlüsse, er hat einen tollen Weg durchs Leben gemacht, und er hat die Idee der inklusiven Sozialpolitik in Deutschland vorangetrieben. Das
ist das, was wir weiterhin versuchen, und so habe ich auch die Debattenbeiträge wahrgenommen. Das ist der Bremer Gedanke, den wir versuchen in die Bundespolitik zu tragen. – Danke schön!
Menschen ohne Krankenversicherung im Land Bremen Große Anfrage der Fraktionen DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 1. Oktober 2021 (Drucksache 20/1120)
Ich gehe davon aus, dass der Senat die Antwort auf die Große Anfrage nicht mündlich wiederholen möchte, sodass wir direkt in die Aussprache eintreten können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Manchmal stellt man als Regierungskoalition eine Große Anfrage, um zu unterstreichen, wo der Senat schon sehr weit ist. Manchmal stellt man eine Große Anfrage, um ein bisschen Druck zu machen und noch weiter zu kommen, und manchmal stellt man eine Anfrage, weil man tatsächlich keine öffentlich zugänglichen Quellen findet und noch erheblichen Informationsbedarf hat.