Protocol of the Session on November 26, 2015

(Zuruf Abg. Bensch [CDU])

Auch in Bremen-Nord, Herr Bensch!

Das erwarten von uns rund 35 000 Studierende, die an unseren Hochschulen immatrikuliert sind. Das ist notwendig für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung in unserem Land, in Bremen und in Bremerhaven.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Erlauben Sie, das zu Beginn einer Legislaturperiode einfach einmal zu betonen, denn an dem bremischen Wissenschaftssystem hängen direkt und indirekt rund 21 000 Arbeitsplätze!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es geht direkt und indirekt um fast 5 Prozent der Bruttowertschöpfung hier in unserem Bundesland, nämlich um rund 1,2 Milliarden Euro. Es geht vor allem auch, wenn man den Blick auf die Zukunft gerichtet, um das Entwicklungspotenzial Bremens. Die höchsten Wachstumsraten und die größte Dynamik bei sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen – das belegt die Statistik sehr nachdrücklich – liegen bei wissensintensiven Produkten und bei wissensintensiven Dienstleistungen. Da muss Bremen dranbleiben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die Aufgaben, die damit verbunden sind und die Sie, dankenswerterweise, Frau Grobien, in Ihrer Großen Anfrage angesprochen haben, sind komplex, sind vielfältig. Wenn man in die Tiefe gehen will, muss man die Große Anfrage vielleicht doch etwas anders gewichten und sehr viel genauer nach einzelnen Sachen fragen, als gewissermaßen mit einer Schrotflinte Fragen abzuschießen, die sich dann im Rahmen einer lesbaren Antwort auf eine Große Anfrage nicht mehr beantworten lassen. Deshalb möchte ich in einem ersten Durchgang die Punkte betonen, die für uns wichtig sind. Bei aller Vielfalt und bei aller Komplexität sehen wir fünf große strategische Herausforderungen und Schwerpunkte für uns.

Die erste Herausforderung heißt – das haben Sie auch angesprochen – „exzellente Wissenschaft“. Das ist teilweise ein alltägliches, kontinuierliches Weiterentwickeln und Profilieren unserer Wissenschaftsstandorte. Dabei geht es um die überragende Aufgabe, eine erfolgreiche Anschlussphase für die jetzige Exzellenzinitiative zu bekommen.

Dazu muss man sagen – Frau Grobien, das wissen Sie sehr genau –, nach wie vor gibt es eine anhaltende und noch nicht abgeschlossene Diskussion darum, wie es genau weitergehen wird, ob sich Konzepte durchsetzen, bei denen in der Spitze nur noch drei Exzellenzuniversitäten vorhanden sind, oder ob es vielleicht fünf oder sechs oder vielleicht sogar mehr Exzellenzuniversitäten sind. Jede erfolgreiche Vorbereitung für einen Antrag hängt natürlich davon ab, auf welches Verfahren und für welche Fortsetzung dieser Initiative man sich vorbereitet. Die Diskussionen laufen, aber dazu im Moment Papiere zu produzieren, wäre sicherlich zu früh.

Die zweite Herausforderung – sie ist uns wichtig, wir haben das gerade noch einmal in unserem Koalitionsvertrag hervorgehoben – heißt „gute Lehre“. Wir wissen, dass eine gute Lehre für die fachliche, für die methodische und auch die soziale Ausbildung und Entwicklung von Studierenden entscheidend ist. Wir müssen außerdem noch zwei Dinge betonen: Gute Lehre wird nach meiner Einschätzung künftig zunehmend ein Wettbewerbsfaktor von Universitäts- und Hochschulstandorten werden,

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

denn es wird Studenten nicht alleine reichen, dass irgendwo eine sehr gute Wissenschaft, eine exzellente Wissenschaft betrieben wird, sondern sie werden natürlich nach dem Benefit für sie selbst, für eine gute Ausbildung fragen.

Ich denke, dass es für die andere Seite, für die Überführung in die Praxis, auch und gerade für Unternehmen und für Verwaltungen und nicht zuletzt auch für die Schulen, wichtig sein wird, wie qualitätsvoll die Lehre ist.

Die dritte Herausforderung, liebe Kolleginnen und Kollegen heißt „hohe Durchlässigkeit“. Wir haben eine anhaltende Tendenz zur Akademisierung, zur Internationalisierung, zur Requalifizierung und zur lebenslangen – man könnte fast sagen: lebensbegleitenden – Fortbildung. Wir sind damit konfrontiert, dass in diesem Bereich die formalen Qualifizierungsvoraussetzungen immer heterogener, immer unterschiedlicher werden. Wir müssen dazu kommen, dass in diesem Bereich stärker auf die Kompetenzen fokussiert wird, die tatsächlich mitgebracht werden. Wir stehen mehr denn je vor der Herausforderung, bestimmte Kompetenzen zielgerichtet nachzuschärfen.

Eine der größten Herausforderungen wird sich im Bereich der Flüchtlinge stellen. Da werden wir vor dem Problem stehen, dass formale Qualifikationen vielleicht nicht nachgewiesen werden können, vielleicht aber auch anders sind. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass nicht nur ein Zugang besteht, sondern auch wirkungsvoll studiert werden kann. Dafür brauchen wir Dinge im Bereich besserer Vorbereitung.

(Glocke)

Lassen Sie mich als letzte Bemerkung nur noch sagen, darauf werde ich in einem zweiten Teil noch näher eingehen, wir brauchen natürlich bessere Arbeitsbedingungen für die Lehrenden! Wir brauchen mehr Wohnraum, und wir brauchen vor allem – das ist wichtig für Bremen und Bremerhaven – einen effektiveren Wissenstransfer in die Praxis. Darum geht es letztendlich an unserem Standort. – Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Müller.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Immer wenn wir in den vergangenen Monaten und Jahren über den Wissenschaftsstandort Bremen und Bremerhaven gesprochen haben, haben wir über viele Problemlagen und Defizite gesprochen, die uns

der Wissenschaftsrat mitgegeben hat. Ich möchte deshalb voranschicken – mein Kollege Gottschalk hat das auch schon erwähnt –, dass der Wissenschaftsrat uns Folgendes bescheinigt hat:

„Das Wissenschaftssystem des Landes kann als funktionstüchtiges Gesamtgefüge gelten, das insgesamt leistungsstark und förderungswürdig ist.“ Bei all den Debatten, die wir geführt haben und die wir noch führen werden, ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir eben ein sehr gutes Hochschulangebot in Bremen und Bremerhaven haben mit international erfolgreichen und anerkannten Forschungsleistungen, mit einer europaweit anerkannt guten Ausbildung, heißt Lehre, und dafür gebührt gerade unter den gegebenen Umständen an den öffentlichen Hochschulen in Bremen den Kolleginnen und Kollegen an allen Hochschulen Dank und Anerkennung!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Der Senat hat in seiner ausführlichen Antwort die wichtigsten Schwerpunktsetzungen der Legislaturperiode für die nächsten Jahre dargelegt. Ich möchte für meine Fraktion nur einige wenige Punkte herausgreifen, um zu verdeutlichen, wo unserer Ansicht nach die Prioritäten liegen müssen, um den guten Bremer Hochschulstandort weiterhin als innovativen Teil des europäischen Hochschulraums und auch des internationalen Wissenschaftsraums aufzustellen. Wir wissen, sowohl der europäische Hochschulraum als auch die internationale Konkurrenz sind groß, und wir wollen natürlich, dass Bremen sich hier weiterhin sowohl in der Forschung als auch in der Lehre gut behaupten kann.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Der Wissenschaftsrat – ich habe es damals ja noch als Mitarbeiterin an der Universität interessiert begleitet, weil wir abgeprüft wurden und unsere Büros besucht wurden – hat in seinem Gutachten viele Problemlagen und Defizite an den Hochschulen in Bremen festgestellt, zum Beispiel die sehr hohe Diversifizierung des Lehrangebots, manche nennen es auch Fantasie- oder Exotenstudiengänge, mit denen wir es zu tun haben.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Das differiert aber von Hoch- schule zu Hochschule!)

Vor allem auch den schlechten Betreuungschlüssel für die Studierenden hat der Wissenschaftsrat angemahnt, zu hohe Prüfungsbelastung sowohl für die Studierenden als auch für die Lehrenden und vor allem auch die mangelnden Übergänge von einzelnen Programmen, also vom Bachelor in den Master, vom Master in die Promotion oder vom Master in die Arbeitswelt.

In den Wissenschaftsplan 2020 haben wir entsprechende Maßnahmen aufgenommen, die nun zügig umgesetzt werden, um schnell effektive Verbesserungen in den Bereichen herzustellen, die uns der Wissenschaftsrat genannt hat. Im Bereich der Lehre werden wir weiter die Studien- und Lehrbedingungen verbessern.

Wir haben noch immer mit den Konsequenzen aus der Umstellung des BA- und MA-Systems zu tun. Die an sich sinnvolle und wünschenswerte Bologna-Reform, die die Fraktion der Grünen immer unterstützt hat, hat leider eben auch zu einer unüberschaubaren Flut von unabgestimmten Lehrangeboten und zu extrem engen Stundenplänen für die Studierenden geführt. Studierende und Lehrende befinden sich am Ende eines jeden Wintersemesters in einem Prüfungsmarathon, der weder zur Sicherstellung einer guten Lehre noch zur Sicherstellung von Gelerntem beiträgt. Hier heißt es, in den Hochschulen weiter die Curricula zu entrümpeln, hier heißt es, Schwerpunkte zu setzen und Profile auszubilden, hier heißt es, hochschulübergreifend besser zu kooperieren, vor allem, wenn es Fächerdopplungen gibt – und die haben wir an Hochschulen in Bremen –, oder vor allem auch, indem wir gemeinsame Promotionsprogramme auflegen.

Zum Ziel der Verbesserung der Lehre gehört aber natürlich vor allem auch die Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse von Lehrenden. Wir sind uns schon relativ lang einig, dass die zunehmende Prekarisierung der Lehrtätigkeiten an unseren Hochschulen nicht in unserem Sinne ist.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Für eine exzellente Lehre brauchen wir die entsprechenden Arbeitsbedingungen. Hierzu finden die Gespräche mit den Hochschulleitungen, mit den Personalräten und mit dem Senat statt, um erstens zukünftig Arbeitsverträge mit anständigen Laufzeiten zur Regel zu machen – also keine Dreimonatsverträge, keine sechs Monate, sondern mindestens zwei Jahre – und um zweitens dem Mittelbau neben den Lehrtätigkeiten auch genügend Zeit zur Qualifizierung zu geben. Machen wir uns nichts vor, die Überbelastung der Lehre führt eben dazu, dass Promotionen zu lang dauern, dass die Postdoc-Phasen zu lang dauern! Hier müssen wir dafür sorgen, dass neben den Lehrtätigkeiten auch die eigene Qualifizierung des akademischen Nachwuchses gewährleistet wird.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Glocke)

Das erste Mal, dass ich mit meiner Zeit nicht auskomme!

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir hören dir aber gern zu!)

Drittens wollen wir dafür sorgen, dass wir zum Beispiel mit mehr Lektoraten Kontinuität und Verlässlichkeit in der Lehre schaffen, denn das nutzt dann vor allem Lehrenden und Lernenden.

Ich habe den Bereich Forschung – letzter Satz! – in meinem Beitrag jetzt bewusst außen vor gelassen, erstens weil Herr Gottschalk schon darauf eingegangen ist, zweitens weil es in der Antwort des Senats und im Wissenschaftsplan ausführlich beschrieben ist, drittens weil wir in den letzten Jahren festgestellt haben, dass der Forschungsbereich, die innovative Forschung und Wissenschaft in Bremen und Bremerhaven, sehr gut aufgestellt ist. Das beweist nicht nur die Drittmittelstärke, sondern eben die bisher erfolgreiche Exzellenzinitiative. Sollte die zweite Runde kommen, werden wir gemeinsam mit der Universität Bremen alles dafür tun, dass wir auch daran wieder erfolgreich teilnehmen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Im Bereich der Lehre, im Bereich der Studierendenorganisation und im Bereich der Verwaltung der Hochschulen müssen wir allerdings für das Prädikat „exzellent“ noch einiges tun. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als Nächste hat die Abgeordnete Frau Strunge das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute beschäftigen wir uns wieder mit dem Thema Wissenschaftspolitik, einem überaus wichtigen Thema, über das sich eigentlich nicht oft genug diskutieren und streiten lässt.

Sie, Frau Grobien, haben gerade die unkonkreten Antworten des Senats kritisiert. Ich muss aber so ähnlich wie Herr Gottschalk auch ein bisschen Ihre Anfrage kritisieren, denn leider ist das, was Sie in den wissenschaftspolitischen Leitlinien der 19. Legislaturperiode abfragen, so breit gefasst, dass sich darin eigentlich keine richtige politische Fragestellung feststellen lässt.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will deshalb auch wie meine Vorrednerinnen und Vorredner nur auf einige Punkte eingehen, die wir als Fraktion für besonders wichtig halten.

Wenig überraschend ist, dass der Senat seine Wissenschaftspolitik auf Grundlage des Wissenschaftsplans 2020 ausrichtet. Dieser Plan wurde von lautstarkem Protest begleitet, weil er keine Lösung für altbekannte Probleme bietet, sondern diese weiter verschärft.

(Beifall DIE LINKE)

Die Grundfinanzierung wird nicht angehoben, obwohl die Universität Bremen und die Hochschule Bremen seit Jahren unterfinanziert sind. Es gibt also kein Geld für mehr Personal, obwohl die Lehrenden Überstunden leisten und seit Jahren mit ihrem Engagement am Limit sind, kein Geld für eine bessere räumliche Ausstattung oder ein neues Lehrgebäude an der Universität, damit die Studierenden ein gutes Lernklima vorfinden und sich nicht in den Hörsälen stapeln müssen. Stattdessen hagelt es Kürzungsmaßnahmen, Prüfaufträge für Studiengänge, und trotz Widerstands der Studierenden werden an der Hochschule Bremen einmal eben die Studiengänge VWL und Journalistik geschlossen. An der Hochschule für Künste trifft es den Studiengang Kirchenmusik, und an der Universität kann der starke Protest der Studierenden die Schließung des Studiengangs Psychologie zwar gerade noch abwenden, aber an anderer Stelle müssen 5,7 Millionen Euro eingespart werden. So wird das Zentrum für Humangenetik mit einem Fingerschnipsen beseitigt, ohne dass es eine ernsthafte Begründung dafür gibt, warum gerade hier der Rotstift angesetzt wurde.