Protocol of the Session on November 7, 2018

Die Bundesregierung hat nun im Rahmen des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes 13 000 zusätzliche Stellen beschlossen. Das ist angesichts des Bedarfs viel zu wenig, aber ein, wenn auch sehr kleiner, Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Hier muss gehandelt werden, meine Damen und Herren! Leider sehe ich aber keine Lösung durch das vorgelegte Gesetz, um die weitreichenden Probleme zu erfassen. Es greift an vielen Stellen zu kurz, um die Situation wirklich zu verbessern. Es ist sogar zu befürchten, dass es durch die im Gesetz vorgesehene Vereinfachung, statt Fachkräfte Pflegehilfskräfte einstellen zu können, zu einer weiteren Abwertung des Pflegeberufs kommt. Das, meine Damen und Herren, obwohl doch klar ist, dass der Personalnotstand in der Pflege durch eine Aufwertung des Berufes nachhaltig bekämpft und beseitigt werden kann.

Der Zustandsbeschreibung, wie sie im vorliegenden Dringlichkeitsantrag der Fraktion DIE LINKE vorgenommen wird, können wir vonseiten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen weitgehend folgen.Wären aber der im Antrag geforderte verbindliche Personalschlüssel und die damit massive Erhöhung geplanter Stellen, das möchte ich betonen, geplanter Stellen, zum derzeitigen Punkt ein richtiger Schritt? Ich bezweifle es.

Schon heute spricht der Abschlussbericht des Gesundheitsberufe-Monitorings eine deutliche Sprache. Viele, sehr viele Stellen sind unbesetzt. Bis 2035 fehlen in Bremen 3 800 Gesundheitsfachkräfte. Das liegt auch an den Rahmenbedingungen, da sind wir uns hier alle einig. Wie wir zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE stehen, werde ich in der zweiten Runde eingehen. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Frau Kollegin, wir haben keine zweite Runde. Aber Sie haben noch zweieinhalb Minuten. Vielleicht machen Sie das jetzt.

Okay, Entschuldigung. Das habe ich falsch gesehen. Bei mir stehen zweimal fünf Minuten.

Zwei plus fünf.

Dann habe ich das falsch gelesen, ich mache gern weiter. Entschuldigung, das war so irritierend für mich, Herr Erlanson. Dann mache ich das. Vielen Dank.

Wenn es um den Pflegenotstand geht, geht es auch immer um die Rahmenbedingungen. Wer ergreift diesen Berufszweig und bleibt dauerhaft dabei? Die Fraktion DIE LINKE macht in ihrem Antrag die Bezahlung als Gradmesser fest. Viele Menschen empfinden die Arbeitsbedingungen in der Pflege als sehr unattraktiv. Ja, über eine bessere Vergütung wird zu reden sein. Doch in einem Mindestlohn sehen wir keine nachhaltige Lösung.

Wir Grünen fordern einen Tarifvertrag Soziale Dienste, der allgemein verbindlich faire Löhne für alle bieten würde sowie verlässliche Arbeitszeiten, Gesundheitsförderung und weniger Bürokratie. Auch macht es meiner Meinung nach keinen Sinn, einen höheren verbindlichen Personalschlüssel zu fordern in dem Wissen, dass ich keine Leute finden werde, die den Schlüssel tatsächlich in das Schloss stecken, aufschließen, durch die Tür gehen und verbindlich anfangen zu arbeiten.

Aus unserer Sicht ist die Ausbildungssituation der entscheidende Faktor, der verbessert werden muss. Die Zahl der Ausbildungsplätze muss erhöht werden. Hierfür müssen die strukturellen Voraussetzungen geschaffen werden. Durch Maßnahmen, wie die Vereinheitlichung der akademischen Ausbildung, werden Anreize geschaffen, die die Aufnahme eines Studiums im Pflegebereich attraktiver machen.

Zudem können weitere gesellschaftliche Gruppen angesprochen werden, für die die Zugangsbedingungen für eine Ausbildung bislang unbefriedigend waren. Das 2018 in Bremen aufgelegte Programm zur Fachkräftesicherung in der Altenpflege, das sich gerade an Alleinerziehende und Geflüchtete richtet, weist in die richtige Richtung. Ich bin überzeugt, dass es gerade für viele Geflüchtete sehr attraktiv wäre, sich in der Pflege zu engagieren, wenn für sie damit eine gesicherte Bleibeperspektive verbunden wäre.

(Glocke)

Auch hier, das nur am Rande, wird die Notwendigkeit eines fortschrittlichen Einwanderungsgesetzes deutlich. Zusammengefasst, zwei Sätze noch, zusammengefasst heißt das, es werden deutlich mehr Stellen in der Pflege benötigt. Zunächst müssen aber die vorhandenen und unbesetzten Stellen besetzt werden, und zwar unter Beibehaltung der bestehenden Fachkräftequote. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Grönert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch, wenn wir mit der Fraktion DIE LINKE mit dem Wunsch nach ausreichend Personal und angemessener Bezahlung in der Altenpflege dasselbe Ziel haben, werden wir den von der Fraktion DIE LINKE aufgezeigten Weg nicht mitgehen. Seit Anfang 2015 werden vom Bund 1,2 Milliarden Euro jährlich in einem Pflegevorsorgefonds gespart, um für die Zeit vorzusorgen, in der die geburtenstarken Jahrgänge ins Pflegealter kommen. Diesen Fonds werden wir nicht antasten, aber genau das möchte die Fraktion DIE LINKE.

Sie wollen diesen Fonds auflösen und in einen Pflegepersonalfonds umwidmen, um Pflegekräfte dazuzugewinnen und ab sofort besser bezahlen zu können. Worauf wollen Sie dann aber in einigen Jahren zurückgreifen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge tatsächlich in großer Zahl ins Pflegealter kommen? Darauf geben Sie keine Antwort, ich dagegen finde nicht, dass uns die Zukunft egal sein sollte.

(Beifall CDU, FDP)

Die Fraktion DIE LINKE erhofft sich jedenfalls durch ein solches Vorgehen einen verstärkten Neueinstieg oder die Rückkehr von Pflegekräften in ihren Beruf. Darüber hinaus möchten sie den Pflegemindestlohn, der für Hilfs-, Assistenz- und Beschäftigungskräfte in der Pflege gezahlt wird, sofort auf 14,50 Euro heraufsetzen. Schon jetzt liegt dieser aber in stationären Einrichtungen und in der ambulanten Pflege mit 10,55 Euro deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro. Das sind immerhin stündlich 1,71 Euro mehr.

Ab dem 1. Januar 2019 wird dieser Pflegemindestlohn zudem von 10,55 Euro auf 11,05 Euro steigen, ein Jahr später auf 11,35 Euro. Natürlich ist es keiner Pflegeeinrichtung verboten, mehr zu zahlen,

um gute Pflegekräfte zu gewinnen und zu halten. Wir hatten vor kurzem hier auch eine Diskussion über die Rendite von Pflegeheimen, und auch ich schließe mich der Meinung an, dass diese nicht im zweistelligen Bereich liegen muss. Da haben einige Einrichtungen noch etwas Spielraum.

Ausgebildete Altenpflegefachkräfte wird man aber über den Pflegemindestlohn sowieso nicht einstellen können, weil diese ohnehin viel besser entlohnt werden. Trotzdem wird gerade mit Blick auf diese Gruppe der Fachkräfte heute viel über eine bessere Bezahlung diskutiert, damit ihr Beruf wieder an Attraktivität gewinnt. Denn der große Personalmangel besteht ja gerade nicht im Bereich der Hilfskräfte, sondern im Bereich der Fachkräfte.

Um zu einer besseren Bezahlung zu kommen, könnte man auch sicher noch viel mehr über Tarifverträge regeln, wenn man sich dann dort auch einigen könnte. In den letzten Jahren wurden auch durch die sich in der Umsetzung befindenden drei Pflegestärkungsgesetze bereits viele Verbesserungen erreicht, und jetzt werden mit dem 2019 wirksam werdenden Pflegepersonal-Stärkungsgesetz weitere Verbesserungen vom Bund auf den Weg geschickt.

Jede vollstationäre Einrichtung der Altenpflege soll zusätzliches Pflegepersonal erhalten, das von der Krankenversicherung pauschal voll finanziert werden muss. Da ist eben nicht von 8 000, sondern von 13 000 Kräften die Rede. Damit soll vor allem dem Aufwand im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege besser Rechnung getragen werden. Zur Entlastung des Pflegepersonals soll die Pflegeversicherung zudem auch durch einen Zuschuss die Digitalisierung in der ambulanten und auch der stationären Altenpflege fördern.

Für all diese Vorhaben wird die CDU den Pflegevorsorgefonds nicht antasten. Und auch die Forderung der Fraktion DIE LINKE nach der sofortigen Einführung eines Personalverhältnisses von eins zu zwanzig in der Nacht und eins zu zwei am Tage halten wir für überengagiert. Die seit Jahren gültige Personalquote muss unbestritten den heutigen Bedürfnissen angepasst werden. Aber wir als CDU wollen vor gesetzlichen Eingriffen noch auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung auf Bundesebene zur Personalbemessung warten, obwohl wir die Probleme auch am liebsten gleich lösen würden.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen leider erst 2020 vorgestellt werden. Dann wird es aber

hoffentlich tragfähige, wegweisende Aussagen auch über ein sinnvolles Verhältnis von Fachkräften zu Hilfskräften geben. Die Personalquote an sich ist ja nicht das einzige Problem, das uns beschäftigt. Auch das Verhältnis Fachkräfte zu Hilfskräften steht in der Diskussion. Wir halten es jedenfalls nicht für hilfreich, schon jetzt grundlegend an Stellschrauben zu drehen, die man dann kurze Zeit später wieder anfassen muss.

Kleinere Veränderungen wie eine Verbesserung der nächtlichen Betreuung haben wir ja auch in Bremen bereits auf den Weg gebracht, und es steht jeder Einrichtung frei, die Personalquote eigenständig zu erhöhen, auch um das Arbeitsklima dadurch zu verbessern –

(Glocke)

und Personal zu halten. Ich komme gleich zum Schluss. Auch wenn das kurzfristig höhere Kosten bedeuten würde, wird sich ein solches Handeln aber mit Sicherheit auf Dauer auch schnell wieder finanziell auszahlen.

Zum Schluss: Wir sind uns einig, dass unser Land mehr Pflegekräfte braucht, doch das vorgeschlagene Sofortprogramm der Fraktion DIE LINKE lehnen wir mit Verweis auf die Bundesaktivitäten und auf die noch laufende wissenschaftliche Untersuchung ab.

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist noch gar nicht so lange her, da haben der SoVD, die Seniorenvertretung und Der Paritätische Bremen eine gemeinsame Veranstaltung zur Pflege durchgeführt. Auf dieser Veranstaltung hat Herr Künzel, Bremer Heimstiftung, allgemein bekannt, sehr kompetent, fast wörtlich gesagt: „Wir haben im Grunde genommen seit 20 Jahren verschlafen, im Bereich der Pflege das Richtige zu tun, und zwar nicht nur die Politik, sondern auch die Anbieterseite“.

Insgesamt hat die Gesellschaft auf diese Frage schon vor 20 Jahren, als man erkennen konnte, dass der demografische Wandel unzweifelhaft dazu führt, dass der Pflegebedarf wachsen wird, nicht entsprechend reagiert. Das jetzt zu korrigie

ren ist in der Situation des Pflegenotstandes natürlich für alle Beteiligten außerordentlich schwer. So charmant sich der Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Überschrift – ich glaube, das war einmal ein Schlagertext – „Mehr Pflegekräfte braucht das Land“, anhört, so schwierig ist das konkret umsetzbar.

Für mich ist das Zentrale an der Frage: Können wir es schaffen, möglichst schnell, möglichst zügig, möglichst gründlich die Ausbildung zu organisieren? Derzeit gibt es auf dem Arbeitsmarkt eben jene Pflegekräfte, die die Fraktion DIE LINKE jetzt unmittelbar und sofort einstellen will, nicht. Das Personal ist knapp, und die Ressourcen sind im Übrigen auch nicht endlos vorhanden. In der Situation ist es aber so, dass das Sozialressort, meiner Auffassung nach, wenn ich das richtig beurteile, die Fragestellung sehr genau im Blick hat.

Es gibt Angebote, die Bremer Heimstiftung selbst macht auch Ausbildungsangebote, die zumindest mutmachend sind. Meiner Meinung nach muss man die Frage Pflege insgesamt in den Blick nehmen. Es geht nicht nur darum, dass eine bessere Bezahlung gewährleistet sein muss. Das ist selbstverständlich, davon bin ich überzeugt. Es geht auch um die Frage: Wie anerkannt ist das Berufsbild der Altenpflege eigentlich?

(Beifall SPD)

Es ist bis heute so, dass es als unattraktiv gilt. Das ist, wie gesagt, nicht nur eine Frage der Bezahlung. Wir müssen uns als Gesellschaft der Aufgabe stellen, dass die Zeiten der Pflege im Sinne von vielleicht vor 50 Jahren, als die Großfamilie Oma und Opa pflegte, vorbei sind. Es wird so sein, dass wir zunehmend Menschen in verschiedenen Pflegestufen haben, die Hilfebedarfe haben, und dem muss adäquat nachgekommen werden. Übrigens hat das auch etwas damit zu tun, wie die Situation in den Einrichtungen ist, wie hoch die Sicherheit ist.

Natürlich ist übermäßiger Stress nicht dazu angetan, gelassen mit den älteren Menschen, die durchaus auch einmal schwierig sein können, umzugehen. Da braucht man Gelassenheit, da braucht man eine Ausbildung, da braucht man Professionalität.

Letzter Punkt, den ich erwähnen will: Das Ressort hat eine Fachanhörung zum Thema Pflege gemacht, in deren Rahmen auch Professor Rothgang gesprochen hat, der auf Bundesebene die Untersuchung durchführen soll, wie viel Pflegepersonal notwendig ist. Das ist die Untersuchung, auf die

Frau Grönert schon hingewiesen hat, die 2020, glaube ich, abgeschlossen sein soll. Dann hat man eine wissenschaftlich fundierte Größenordnung.

Ich will auch nicht bis 2020 warten. Wir müssen jetzt die Aufgaben anpacken, aber es wäre schon hilfreich, wenn man genauer belegen könnte, was tatsächlich notwendig ist. Was mich bei der Anhörung erschreckt hat, ist, dass die freien Anbieter das Wunder- und Zauberwort Personalmix ins Gespräch bringen. Natürlich gibt es einen Personalmix in dem Bereich, damit habe ich auch kein Problem. Aber wenn der Personalmix ausschließlich dazu angedacht wird, Kosten zu senken und Qualifikation abzuqualifizieren, dann warne ich ausdrücklich davor. Diese Art von Personalmix ist jedenfalls nicht in meinem und auch nicht im Interesse der Fraktion der SPD. Übrigens glaube ich, das für die Fraktion DIE LINKE an der Stelle gleich mit sagen zu können.

Personalmix heißt im Grunde genommen, dass Hilfsfachkräfte, Fachkräfte und alles Mögliche an Personal gemixt wird, und damit soll man dann die Pflege sicherstellen. Das ist auch richtig, das ist auch nachvollziehbar, aber unterschwellig habe ich zumindest auf der Fachtagung herausgehört, dass es ein großes Interesse daran gibt, darüber auch Kosten einzusparen. Das finde ich unanständig.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich sage noch einmal, –

(Glocke)