Wir wollten die vom SGB VIII festgelegte Prämisse, vom Kinde aus zu denken, ganz bewusst in eine Ressortzuständigkeit legen, um die langjährigen Probleme bei den Schnittstellen endgültig zu lösen.
Enttäuscht müssen wir leider zur Kenntnis nehmen, dass Ihnen das politische Koalitions- und Machtgefüge wichtiger war als eine ganzheitliche Lösung.
Enttäuscht müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass Sie diesen Gesetzentwurf im Schweinsgalopp und unter völliger Missachtung der von Ihnen im Koalitionsvertrag selbst getroffenen Aussagen zur externen Begleitung und Beteiligung durchsetzen. Die Einbeziehung von Erfahrungen anderer Bundesländer, die Sie ebenfalls dort aufgeführt haben, suchen wir vergeblich. Die Synopse habe ich angefordert, diese liegt mir bis zum heutigen Zeitpunkt nicht vor, aber ich soll heute das entsprechende Gesetz beschließen.
Überhaupt gewinnt man bei dem gesamten Prozess den Eindruck – das haben auch meine Vorrednerinnen schon gesagt –, dass hier Avanti dilettanti anstatt sauberer Abarbeitung herrscht, das kann man gar nicht anders sagen.
Die in der ersten Lesung von Herrn Dr. Güldner, dem Vorsitzenden der Bildungsdeputation, zugesagte rechtliche Bewertung
zu den von Herrn Professor Dr. Münder vorgetragenen inhaltlichen und rechtlichen Bedenken bekamen wir von der Deputation überhaupt nicht mit übersandt. Wir als CDU-Fraktion mussten erst einen Antrag auf Aussetzung stellen und das Gutachten des Professors Dr. Münder, das nämlich nur den Fraktionen und nicht allen Bildungsdeputierten zugegangen war, selbst gleich mitversenden. Dann haben Sie sich netterweise herabgelassen, uns einmal schriftlich die Stellungnahme des Justizressorts zu schicken, vielen Dank!
(Abg. Güngör [SPD]: Haben Sie bei der ersten Le- sung nicht vom Gutachten des Professors Dr. Mün- der gesprochen?)
Lieber Herr Güngör, eine echte Beteiligung, so wie Sie das an der Stelle auch in Ihren eigenen Koalitionsvertrag geschrieben haben, sieht nun wirklich anders aus!
Avanti dilettanti ging gleich weiter! Sie waren auch danach nicht bereit, Ihr Verfahren in irgendeiner Weise zu verändern. Dem Landesjugendhilfeausschuss, der das fachlich zuständige Gremium ist, in dem die Fachleute vertreten sind, zu dessen Sitzungen viele Vertreter der freien Träger kommen, in dem der Bremer Jugendring Mitglied ist, haben Sie keine Unterlagen übersandt, das musste die LAG selbst übernehmen, weil die Verwaltung nicht bereit gewesen ist, das Münder-Gutachten oder die Stellungnahme des Justizressorts in irgendeiner Form zur Verfügung zu stellen. Das ist dann Ihre Beteiligung, und das ist absolut schlecht!
Das gewählte Verfahren repräsentiert keine inhaltlich saubere Gesetzesberatung, sondern es ist das Durchziehen eines Verfahrens, komme, was wolle, es ist egal, die Toten werden hinterher gezählt, und dann schauen wir einmal, wie wir die inhaltliche Ausgestaltung formulieren.
Sie haben sich inhaltlich dafür entschieden, die Kindertagespflege, die Krippen und die Kindergärten sowie den Hortbereich dem Bildungsressort zuzuordnen. Die Bereiche der Jugendhilfe sollen weiterhin im Jugendressort wahrgenommen werden. Damit werden Sie sich heute dafür entscheiden, weiterhin die Lebenswelten der Kinder zu fragmentieren und sie auseinanderzureißen. Die FDP nannte das eben die Unterteilung in ein Bildungskind und in ein soziales Kind.
Herr Güngör, es ist eben doch so, dass es dort zu einem Bruch kommt. Es trifft nicht zu, dass man in der Vergangenheit den Bruch zwischen dem Kindergarten und der Schule hatte und dass er heute einfach nur in die Krippenzeit vorverlegt worden ist. Das ist es nicht. Wir haben Kinder, die von einer Kindeswohlgefährdung und anderen Problemen betroffen sind. Auf diese Kinder und auf ihre Familien muss ganzheitlich eingewirkt werden, und zwar sowohl im familiären Kontext als auch im Kindergarten. Das ist bisher im Sozialressort koordiniert worden, und zukünftig wird die Koordination durch das Sozial- und das Bildungsressort wahrgenommen werden. Die Schnittstellenprobleme sind vorprogrammiert, herzlich willkommen im realen Leben!
Aus verfassungsrechtlicher Sicht mag die Gesetzvorlage sogar umsetzbar sein, sozialpolitisch, meine Damen und Herren, ist sie schlichtweg eine Katastrophe. Die CDU-Fraktion wird diesen Weg nicht mit Ihnen gehen. Alle Bremer Fachleute, egal, welche Träger auch immer, sagen unisono, dieses Gesetz führt zu vielen Schnittstellenproblemen. Es wird vielleicht die Schnittstellenproblematik zwischen dem Übergang vom Kindergarten zur Schule lösen, es wird vielleicht die Schnittstellenproblematik im Bereich der sprachlichen Förderung lösen, aber auf dem übrigen Weg entstehen weitere Baustellen.
Das wissen Sie selbst, und das haben Sie selbst auch schon zugegeben. Sie haben gesagt: Ja, wir wissen, dass es diese Schnittstellenproblematik geben wird, wir wollen die Probleme jedoch lösen, und ab morgen beginnen wir mit der Arbeit. Das ist aber an der Stelle der zweite vor dem ersten Schritt.
(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist doch Quatsch! – Abg. Güngör [SPD]: Machen Sie doch auch einmal einen Schritt! Bei Ihnen gibt es nur Rück- schritte!)
Meine Damen und Herren, wenn man ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren durchführen will, dann schaut man sich erst einmal die Auswirkungen des Gesetzesvorhabens an, um die Gesetzesvorlage anschließend entsprechend zu formulieren. Sie verlangen heute von uns, dass wir einen Blankoscheck unterschreiben, auf dem Sie im Nachhinein den Betrag eintragen, und zwar ganz nach Ihrem Belieben. Als CDU-Fraktion stellen wir Ihnen diesen Blankoscheck nicht aus.
Wir wollen, wie die evangelische Kirche, wie die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände und wie der Jugendhilfeausschuss, dass die fachlichen Fragen vor der Verabschiedung des Gesetzes geklärt werden, und wir legen Ihnen deshalb einen eigenen Antrag vor. Dieser Antrag beinhaltet den Fahrplan für einen vollständigen Übergang der Kinder- und Jugendhilfe in das Bildungsressort, die Durchführung eines breiten, aber effektiven und schnellen Beteiligungsverfahrens mit einer Klärung der inhaltlichen und eventuell der rechtlichen Fragen vor der Beschlussfassung.
Ich komme gleich zum Schluss! Die Verabschiedung des Gesetzes würde damit lediglich zwei Monate später erfolgen. Bis zur Beschlussfassung in zweiter Lesung würde die bereits zwischen der Sozialsenatorin und der Bildungssenatorin geschlossene schriftliche Vereinbarung, lieber Kollege, weiter gelten.
Ich sage Ihnen an der Stelle auch, liebe Frau Leonidakis, wenn Sie sich den dritten Punkt unseres Antrags anschauen, steht unter diesem Punkt genau das, was Sie eben vermisst haben. Wenn Sie sich den Antrag komplett durchgelesen hätten, dann hätten Sie wahrgenommen, dass er den Punkt Beteiligung enthält und dass wir das, was im November vorgelegt werden sollte, in den Gesetzentwurf einarbeiten wollen. Ich kann Ihren Vorwurf an der Stelle nicht ganz nachvollziehen, das Durchlesen hätte wirklich geholfen. – Danke schön!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt muss ich in Stakkato reden. Vieles ist schon gesagt worden, und deshalb will ich es auch gar nicht wiederholen, damit der Präsident die Sitzung pünktlich schließen kann. Ich möchte allerdings zu drei Punkten kurz Stellung beziehen.
Erstens: Ist der Gesetzentwurf verfassungsgemäß? Wie ist die Stellungnahme von Herrn Professor Dr. Münder einzuordnen? Ich kann dazu sagen, die LAG hat Herrn Professor Dr. Münder beauftragt, das Ressort ist kein Auftraggeber gewesen, insofern war es nicht unsere Party.
(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Aber das war Ihre Par- ty, und Sie sind ganz zufällig zu einem anderen Er- gebnis gekommen!)
In der Deputation war Herr Dr. Maierhöfer selbst anwesend. Er hat die Stellungnahme des Justizressorts vorgestellt und Fragen beantwortet. Darüber hinaus ist ein externes Gutachten angefordert worden, dessen Ergebnis in der Debatte beraten worden ist. Das externe Gutachten und die Stellungnahme des Justizressorts bekräftigen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs. Insofern stehen wir hier auf der sicheren Seite, und wir müssen uns hier nicht mehr über die Verfassungsmäßigkeit streiten.
Es ist richtig, dass wir mit dem Gesetz erst einmal die rechtliche Grundlage dafür schaffen, dass die Geschäftsverteilung des Senats, die eine politische Entscheidung abbildet, auf rechtlich sicherem Boden in politisches Arbeiten und Handeln umgesetzt werden kann.
Frau Leonidakis, in diesem Zusammenhang teile ich nicht Ihr Politikverständnis, denn es geht nicht darum, jahrelang Konzepte zu diskutieren. Ich bin schon sehr überrascht davon, dass Menschen, von denen ich weiß, dass sie sehr lange Zeit im Bereich Sozialarbeit, in der Kinder – und Jugendhilfe und im Bildungsbereich tätig sind, nicht die umfangreiche politische und pädagogische Literatur kennen, die es zur Förderung der frühkindlichen Bildung gibt.
Das Gesetz ist kein Selbstzweck. Auf der Basis des Wissens wollen wir mit dem Gesetz die engere Verzahnung der Elementar- und Primarpädagogik erreichen. Die Idee basiert auf dem Wissen, dass die frühe Förderung elementar dafür steht, Chancen- und Bildungsgerechtigkeit herzustellen. Mit der Zusammenführung des Kinder- und Bildungsbereichs wollen wir den frühen spielerischen Einstieg in die Bildungswelt zur normalen Biografie, aber nicht länger zu einem Privileg machen. Es geht uns nicht darum, dass ausschließlich Haushalte von Doppelverdienern an
Es ist für uns ein Beitrag, die Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche weiter zu schließen. Wir wissen aus der Resilienzforschung zudem, dass gerade für Kinder mit schwierigen Startbedingungen eine klare Bezugsperson und Unterstützer außerhalb der Familie wichtig sind.
Entschuldigung, Frau Senatorin! Gestatten Sie der Abgeordneten Frau Ahrens, eine Zwischenfrage zu stellen?
Angesichts der Tatsache, dass die Sitzung möglichst um 18.00 Uhr beendet sein soll, ist das jetzt ein bisschen unfair!
Frau Senatorin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass sämtliche Fachleute sagen, dass es bei den gut situierten Familien keine Schwierigkeit geben wird, aber dass es bei den Familien, zu denen Sie gerade kommen wollten, nämlich Familien mit soziokulturell schwierigen Verhältnissen, Familien mit Bildungsarmut, Familien, in denen im Hintergrund eine Kindeswohlgefährdung steht, Schwierigkeiten geben und dass es dort zu neuen Schnittstellenproblemen kommen wird? Genau das habe ich gemeint, und ich habe die Auffassung vertreten, dass wir uns noch einmal zwei Monate Zeit nehmen sollten.
Selbstverständlich bin ich bereit, das zur Kenntnis zu nehmen, denn es deckt sich genau mit unserem Vorhaben!
Es hat sich hier offensichtlich das Missverständnis breitgemacht, dass wir hopplahopp irgendwelche Verfah