Frau Bergmann, ich habe größtes Vertrauen zu den Beratungseinrichtungen und Beratungsstellen jeglicher Couleur des staatlichen Gesundheitsamtes, von kirchlichen Einrichtungen, dass dort eine sehr sachliche, sehr informative Beratung angeboten wird, die weder in die eine noch die andere Richtung drängt, die weder der Frau sagt, du musst das Kind bekommen, noch erklärt, dass Abtreibungen gar nicht so schlimm sind. Sie sind schlimm! Es sind schlimme Erfahrungen für die Frauen, die sich dafür entscheiden, und deswegen noch einmal, damit es überhaupt gar keinen Zweifel daran gibt: Niemand hat vor, Werbung mit Leuchtreklame für Schwangerschaftsunterbrechungen anzubieten, da bin ich absolut sicher.
Keine Frau denkt, morgen einmal so eine Schwangerschaftsunterbrechung, das wäre einmal etwas, das hatte ich noch nicht. Es ist eine hoch traumatisierende Erfahrung, und je einfacher wir den Weg dorthin und zur Überwindung dieser Erfahrung den Frauen gestalten können, desto besser. Deswegen wäre es zumindest auch schön, wenn es wieder mehr niedergelassene Ärztinnen und Ärzte gäbe, die diese medizinische Leistung anbieten, weil man dadurch jedenfalls die, wie ich finde, nicht so richtig schöne Tatsache vermeiden kann, dass Schwangerschaftsunterbrechungen auf einer Geburtsstation stattfinden, wo andere Frauen ihre Kinder gebären. Das ist noch traumatisierender für die Frauen, die sich für einen anderen Weg entschieden haben.
Letzter Punkt! Ich weiß gar nicht mehr, welcher Sender das war, jedenfalls konnte man es eindrücklich nachverfolgen: Wer versucht, einmal den Weg zu gehen, den eine Frau gehen muss, wenn sie auf der Suche nach Informationen für eine Schwangerschaftsunterbrechung ist, stellt fest, was das für eine abenteuerliche Veranstaltung ist.
(Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Was ist ei- gentlich eine Schwangerschaftsunterbrechung? Ich dachte, das wäre ein Abbruch!)
Nein, ich nenne es Unterbrechung, andere nennen es Abbruch. Ich finde, es ist eine Unterbrechung einer Schwangerschaft. Wer diesen Weg einmal geht, der sieht, obwohl wir nicht über illegale Abbrüche sprechen, wie abenteuerlich der Weg zur Information ist, bevor man überhaupt irgendeine Arztpraxis gefunden hat, wie halbseiden das alles behandelt wird. Die Frauen müssen sich fühlen, sie
gewinnen den Eindruck, als würden sie etwas Illegales tun. Diese Situation endlich anders zu gestalten, ich glaube, das ist dann doch der Auftrag derer, die mit ihrem Gewissen vereinbaren können, dass man Schwangerschaftsunterbrechungen vornehmen darf im Leben.
Sehr geehrte Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fühle mich doch noch einmal bemüßigt, ein paar Bemerkungen zu machen, weil ich mich auch an alte Auseinandersetzungen erinnert fühle, die durch die Bemerkungen von Frau Bergmann in mir ausgelöst wurden. Wenn man wie ich in einer intensiven Zeit Anfang der Achtzigerjahre in bayerischen Verhältnissen und gerade auch über die Auseinandersetzung mit § 218 sozialisiert worden ist, dann hat man da gewisse Empfindlichkeiten und Erfahrungen, von denen ich glaubte, dass wir zwar ein Stück darüber hinaus sind, aber wir sind es nicht immer.
Es stimmt, wir haben die Indikationslösung, wir haben nicht die Fristenlösung. Das heißt, die Unterbrechung einer Schwangerschaft steht der Frau unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung, und es ist richtig, keine Frau entscheidet das einfach so. Ich sage aber trotzdem, es ist die Entscheidung der Frau.
(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abgeordnete Böschen [SPD]: Ja! – Abgeordnete Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Allein!)
Dieser alte Slogan, dass der Bauch mir gehört, ist nicht überholt, das ist so. Wir hatten für wenige Monate nach der Wiedervereinigung eine Fristenlösung, die das Bundesverfassungsgericht dann wieder verworfen hat. Das finde ich bedauerlich, denn letztendlich hätte ich es für die bessere Variante gehalten. Ich erwarte aber von Beratungsstellen eine objektive, neutrale Aufklärung darüber, was es heißt, was es ist, wo ich hingehe, und keine Beeinflussung, und zwar weder in die eine noch in die andere Richtung.
Wir müssen uns klar darüber sein, wenn wir uns Frauenbewegung, Frauengeschichte ansehen, was es in diesem beständigen Patriarchat letztendlich
für eine jahrhundertealte Tradition gegeben hat, über den Körper der Frau zu bestimmen! Was wurde nicht alles hinein implementiert, das ist einfach Wahnsinn!
Des Weiteren bin ich froh, gerade, wenn man sich im Übrigen die Geschichte der Kirchen ansieht – diese Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen –, dass wir im Jahr 2018 auf einem anderen Niveau sind. Ich hoffe, dass auch nicht wieder durch irgendwelche Hintertüren –und wir haben hier nicht über § 218 zu befinden, sondern über § 219 a – Kompromisslösungen manifestiert werden, die uns in Zukunft wieder genau in diese Diskussion hineinführen. Das halte ich für wichtig.
Ich sage noch einmal, wir gehen hier einen ersten Schritt. Ich finde gut, dass wir uns darauf einigen konnten, uns weiter darüber auszutauschen, sodass genau das passiert, was ich vorhin skizziert habe: Dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass dieser Paragraf ein für allemal von der Bildfläche verschwindet! – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst einmal herzlichen Dank für diese Debatte! Es ist ja völlig klar, dass die Debatte über § 218 dann doch immer ein bisschen mit der Debatte über § 219 a vermischt wird. Ich kann Ihnen nur sagen, der § 219 a gehört abgeschafft!
Dieser Paragraf gehört deshalb abgeschafft, weil er eben einfach Ärztinnen und Ärzte wie auch schwangere Frauen kriminalisiert, und das darf nicht sein!
Zu dem Punkt, ob das jetzt Werbung ist oder nicht: Wenn man auf der Internetseite einen Button hat, auf dem steht „Ich führe Schwangerschaftsabbrüche durch“, dann ist das für mich keine Werbung, sondern eine Information.
Das muss möglich sein. Das muss so möglich sein, dass Ärztinnen und Ärzte das tun können, ohne gefährdet zu sein, und wenn wir das realisieren, dann wird es vermutlich auch wieder mehr Ärztinnen und Ärzte geben, die bereit sind, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, weil sie, ohne in einen Rechtsbruch zu geraten, dies dann auch ankündigen können und so auch wieder eine andere Offenheit entsteht, darüber zu sprechen. Insofern ist es gut, dass wir diese Debatte heute hier haben.
Wir haben über § 218 und darüber, dass der § 218 straffrei gestellt ist, geredet. ich glaube, die Diskussion hier hat jetzt gezeigt, dass es hier auch Konsens ist: Keine und keiner hier im Parlament will, dass Frauen, wenn sie sich nicht in der Lage sehen, ein Kind auszutragen, das tun müssen und damit im Grunde eine Entscheidung treffen, der sie emotional nicht folgen können.
Da möchte ich noch einmal eines sagen: Ich vertraue auf unsere Beratungseinrichtungen. Ich habe bis jetzt nur Gutes über das gehört, was unsere Beratungseinrichtungen gerade in diesem Konflikt, in dem sich Frauen befinden, leisten, ihnen gerade in diesem Konflikt auch helfen, für sich eine Entscheidung zu treffen, mit der sie am Ende dann auch leben können, denn mit dem Abbruch oder der Schwangerschaftsunterbrechung müssen sie leben, nicht die anderen, auch nicht die Ärzte. Die jeweilige Frau muss mit dieser Entscheidung, die sie getroffen hat, leben, und das ein Leben lang, denn den Abbruch hat sie vollzogen. Das ist, glaube ich, eine ganz große Verantwortung, die unsere Beratungseinrichtungen haben, Frauen genau in dieser Situation auch so stark zu machen, dass sie sich in der Lage sehen, auch diese Entscheidung zu treffen.
Dann sind wir wieder bei § 219 a. § 219 a führt ja Ärztinnen und Ärzte genau dahin, dass sie auch bereit für diesen Weg sind, denn auch sie führen nicht die Beratung durch, die ist vorher. Danach erfolgt aber der Gang zum Arzt. Der Arzt hat dann auch noch die Aufgabe zu beraten, sofern die Frau das möchte, und dann wird es immer noch ein zweites Gespräch über dieses Thema geben, nicht darüber, ob die Abtreibung durchgeführt wird oder nicht, aber darüber, ob die Frau sich in der Lage sieht. Insofern glaube ich, es ist gut und wichtig, dass wir uns noch einmal gemeinsam vergewissern, ja, § 218 ist das, was wir auch wollen, an diesem Konsens halten wir fest, und § 219 a muss in der Form, wie er jetzt ist, fallen.
In welcher Form er am Ende kommt, wie der Kompromiss am Ende aussehen wird, es kann sein, dass es auf Bundesebene einen geben wird, Frau Bernhard, das sage ich Ihnen gleich: Ob das alles so kommt, wie Sie sich das wünschen, das weiß ich nicht, aber jedenfalls ist klar, die Verhandlungen finden gegenwärtig mit der CDU auch statt, also zwischen Frau Barley und Herrn Spahn. Diese Gespräche finden alle statt, also kann man davon ausgehen, dass man irgendwann – hoffentlich noch bis zum Jahresende – eine Entscheidung bekommt.
Frau Böschen merkte in ihrem Debattenbeitrag zu Recht an, dass es in Bremerhaven an niedergelassen Ärzten fehlt. Können Sie sagen, ob da schon Maßnahmen geplant sind, um dem entgegenzuwirken?
(Abgeordnete Dertwinkel [CDU]: Ah, okay, alles klar, gut! Ich dachte, es hörte sich an, als ob Sie zum Ende kommen würden!)
Nein, nein! Ich wollte zu dem Punkt kommen, weil Frau Bergmann ja so ein bisschen kritisch angemerkt hat: Was hat denn eigentlich die Große Anfrage ergeben? Erstens finde ich es gut, dass wir als Ressort völlig offen und ehrlich geantwortet haben. Die offene, ehrliche Antwort ist genau die – –.
Ich will jetzt einmal sagen, wir hätten den Satz nicht hineinschreiben müssen! Den Satz hätten wir nicht hineinschreiben müssen, wir haben ihn aber hineingeschrieben. Man hätte es an der Stelle kürzen können. Wir haben das aber hineingeschrieben, weil wir genau diese Kenntnis hatten, dass so gearbeitet wird. Um uns in einem besseren Licht stehen zu lassen, hätten wir den Satz nicht hineingeschrieben. Haben wir aber! Wir haben es gemacht, und ich will Ihnen sagen, warum wir dann tätig geworden sind. Wir haben nämlich gedacht, das kann nicht sein! Es kann nicht sein! Wir hatten uns mit der ZGF auf ein Verfahren verständigt, dass sie der Ärzteschaft diese Fragen stellt. Dann haben wir uns aber sehr schnell mit der ZGF verständigt, dass das für sie eine schwierige Situation ist, weil sie, sagen wir einmal, nicht von Amts wegen die Fragen stellt. Daraufhin haben wir gesagt, dann machen wir die Abfrage.
Wir haben alle Ärztinnen und Ärzte, also alle Gynäkologinnen und Gynäkologen, angeschrieben und einen Rücklauf erhalten. Das haben wir Ihnen mitgeteilt, von 135 Angeschriebenen haben wir einen Rücklauf von 100, und aus diesen 100 Rückläufen wissen wir jetzt, welche Kliniken durchführen und welche Ärzte durchführen. Wir haben die Abfrage so gemacht, dass wir natürlich die Ärztinnen und Ärzten gefragt haben: Führen Sie Schwangerschaftsabbrüche durch? Zweitens, sind Sie bereit, dass wir Ihren Namen an eine Beratungsstelle weitergeben, und drittens, sind Sie bereit, auf die Homepage zu gehen?
Wir haben dabei die Antwort erhalten: Wir sind bereit, dass es an die Beratungsstellen weitergegeben wird, wir sind aber nicht bereit, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt – mit § 219 a – auf der Homepage veröffentlicht werden. Die Krankenhäuser, die darauf stehen und jetzt zu lesen sind, waren dazu bereit. Deswegen kann man sagen, wir haben vier Kliniken, die Abtreibungen durchführen. Wir haben niedergelassene Ärzte, das wissen wir jetzt, die aktuelle Liste haben jetzt die Beratungsstellen, und über die Beratungsstellen kommen die Frauen dann auch an die Adressen. Wir haben in Bremerhaven-Reinkenheide – –. Unser Rücklauf ist ein bisschen anders als das, was ich jetzt von Frau Böschen hier gehört habe, dem kann man noch einmal nachgehen. Danach gibt es noch Niedergelassene, die das durchführen.
Wir haben aber natürlich vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir selbst ja merken, dass es gegenüber der Abfrage, die ein paar Jahre vorher einmal stattgefunden hat, weniger geworden sind, jetzt einen Termin mit der KV, mit den Krankenhäusern und mit pro familia, um genau über diesen Sachverhalt zu sprechen: Wie stellt es sich in Bremerhaven dar, wie stellt es sich in Bremen dar, und was kann man tun, damit man einfach auch die Bereitschaft, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, in der Ärztinnen- und Ärzteschaft wieder ein Stück weit stärkt?