Protocol of the Session on August 29, 2018

Würde man nun der FDP folgen, die auf ihrem Bundesparteitag eine Halbierung des Rundfunkbeitrags gefordert hat, dann würde wahrscheinlich Radio Bremen als kleinste Anstalt als erstes geschlossen. Das liegt für uns auf der Hand und deshalb ist diese Position unverantwortlich.

(Beifall DIE LINKE – Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Ist aber nicht Bestandteil unseres Antrages!)

Außerdem führt eine Halbierung des Rundfunkbeitrages unweigerlich zu einem massiven Qualitätsverlust und einem Verlust an regionaler und thematischer Vielfalt. Unserer Meinung nach muss die Finanzierung des Rundfunkbeitrags grundsätzlich aufgabengerecht sein. Was heißt das? Das heißt, dass zuerst der Auftrag von ARD, ZDF und

Deutschlandradio bestimmt werden muss und nicht zuerst die Höhe des Beitrages. Außerdem wollen wir eine soziale Komponente in den Beiträgen, wir schlagen dafür vor, dass die Befreiungstatbestände etwa für die SGB-II-Beziehenden gelten und von der Bundesagentur für Arbeit die entsprechende Summe übernommen und eingezahlt wird. Das entspricht rund 550 Millionen Euro im Jahr und damit könnte man den Rundfunkbeitrag aufkommensneutral sogar um rund einen Euro im Monat senken.

Den Antrag der Koalition unterstützen wir, auch wenn uns dazu noch ein paar weitere Punkte einfallen. Wir sehen zum Beispiel die Beschäftigungsverhältnisse der vielen so genannten festen Freien in den öffentlich-rechtlichen Anstalten kritisch. Diese große Personengruppe gilt formal als selbständig mit allen sozialversicherungsrechtlichen Nachteilen. Wir sind außerdem der Meinung, dass das Verbot der so genannten Presseähnlichkeiten bei den Webseiten von der ARD und dem ZDF aus der Zeit gefallen ist und ganz abgeschafft gehört. Der nun vorliegende neue Staatsvertrag will leider das Gegenteil, damit wird es den Öffentlich-Rechtlichen auch in Zukunft schwer gemacht, adäquat auf die Digitalisierung und verändertes Mediennutzungsverhalten zu reagieren. Sehr problematisch ist da die neue Schiedsstelle, die über Streitfälle bei der Presseähnlichkeit entscheiden soll. Darin vertreten sind die Verlage, aber nicht die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Das Gremium ist nicht demokratisch legitimiert, soll aber über die Ausgestaltung der Internetangebote von ARD und ZDF entscheiden. Wir lehnen genau deshalb den neuen Rundfunkstaatsvertrag ab, wir lehnen auch den Antrag der Fraktion der FDP ab, wir stimmen dem Antrag der Koalition zu. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Remkes.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Besucher! Die Jubelarie auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die die Fraktionen Bündnis90/Die Grünen und SPD in ihrem vorliegenden Antrag anstimmen, klingt für kritische Zeitgenossen wie blanker Hohn. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist heute keineswegs mehr Garant für zuverlässige und vollständige Berichterstattung, der sich der ganzen Gesellschaft verpflichtet fühlt, denn das

würde politische Ausgewogenheit und unvoreingenommenen Journalismus voraussetzen. Davon kann aber keine Rede sein, was auch immer mehr Bürger so wahrnehmen.

Die Öffentlich-Rechtlichen sind linkslastig, sie informieren politisch einseitig, selektiv und teilweise manipulativ. Das schließt Tatsachenverdrehung und schlichte Falschbehauptungen, neudeutsch Fake News, mit ein. Fernsehzuschauer und Radiohörer sollen nicht informiert, sondern zu einem politisch korrekten Weltbild hin erzogen werden. Dem verfassungsrechtlichen Gebot der Staatsferne genügen die Öffentlich-Rechtlichen in der Praxis leider kaum noch.

2014 sah sich das Bundesverfassungsgericht sogar genötigt, bei den Ländern eine personelle Neubesetzung der Gremien des Zweiten Deutschen Fernsehens, bekannt unter ZDF, anzumahnen und den Einfluss von Regierungsvertretern und Parteipolitikern zurückzudrängen. Trotz Änderung des ZDFStaatsvertrages ist dieses Ziel nach Meinung von Experten weitgehend verfehlt worden. Bei der ARD sieht es nicht viel besser aus. Kurzum, die Aufsichtsgremien der Öffentlich-Rechtlichen werden nach wie vor von den etablierten Parteien, nahestehende Organisationen und Interessengruppen besetzt, und das darf nicht sein.

Die von den Sendern gern bemühte Staatsferne bemisst sich zudem im journalistischen Selbstverständnis und der Bereitschaft unabhängig zu informieren und ausreichende Distanz zur Politik zu wahren. Der entscheidende Unterschied aber ist, dass die privaten Medienanbieter ihre Einnahmen am Markt erzielen. Während sich die ÖffentlichRechtlichen im Wesentlichen über den Rundfunkbeitrag finanzieren, der zwangsweise von jedem Wohnungsinhaber und Betrieb in Deutschland zu entrichten ist, und zwar auch dann, wenn der das Angebot von ARD und ZDF gar nicht benutzt oder benutzen will.

2017 beliefen sich die Beitragseinnahmen der Öffentlich-Rechtlichen auf knapp acht Milliarden Euro. 1995 waren es übrigens 4,7 Milliarden Euro. Das ist ein Anstieg von 70 Prozent in 22 Jahren. Im gleichen Zeitraum sind die Verbraucherpreise in Deutschland nur um 36 Prozent gestiegen.

Trotz dieser enormen Einnahmen reicht den Öffentlich-Rechtlichen das Geld immer noch nicht aus. Im Januar forderte der neue ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm für die Perioden 2021 bis 2024 einen Teuerungsausgleich von drei Milliarden Euro.

Das würde einen Anstieg des Zwangsbeitrages um 1,70 Euro auf dann 19,20 Euro im Monat für jeden Haushalt bedeuten. Das ist viel Geld für viele Haushalte.

Ginge es nach dem Willen der Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen und der SPD in der Bürgerschaft, dann soll dieser Forderung auch entsprochen werden. Nichts anderes verbirgt sich hinter den blumigen Phrasen vom zukunftssicheren Rundfunkfinanzierungsbeitrag. Warum haben die Öffentlich-Rechtlichen trotz Milliardeneinnahmen kein Geld? An der Qualität des Programmangebotes kann es nicht liegen, denn die nimmt für jeden Fernsehzuschauer erkennbar schon seit Jahren ab.

(Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Können Sie das einmal belegen?)

Nein, meine Damen und Herren, der wahre Grund sind die viel zu hohen Personalausgaben der Sender. In den laufenden Beitragsperioden wird über ein Drittel der Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag für Personalkosten verwendet. Bei der ARD beträgt die durchschnittliche Gesamtvergütung eines Mitarbeiters knapp 9 500 Euro, beim ZDF sind es sogar über 10 600 Euro im Monat. Schauen Sie sich bitte einmal die Gehälter unserer Intendanten im Jahr an. Zum Beispiel die Gesamtbezüge von unserem Intendanten Jan Metzger von Radio Bremen beliefen sich im Jahr 2014 auf 254 548 Euro. Spitzenverdiener unter den Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender ist WDR-Intendant Tom Buhrow, der erhielt 2014 Bezüge in Höhe von insgesamt 375 400 Euro, um nur zwei Intendanten zu nennen.

Daraus resultieren enorme Renten- und Pensionslasten für die Öffentlich-Rechtlichen. Die KEF hat also für die ARD bis 2024 eine Deckungslücke bei der betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 2,9 Milliarden Euro errechnet. Nun wissen Sie, warum ARD-Chef Wilhelm einen Teuerungsausglich in Höhe von drei Milliarden Euro fordert. Anstatt zu sparen, sollen die Zwangsgebührenzahler noch mehr bezahlen, damit die künftigen Ruheständler von ARD und ZDF ihre Luxuspensionen ungeschmälert beziehen können.

(Abgeordnete Sprehe [SPD]: Das ist ein Quatsch!)

Die Fraktionen der SPD und Bündnis90/Die Grünen wollen mit ihrem Antrag das überkommene System konservieren. Die Einflussnahme des politischen Establishments auf die Meinungsbildung über das öffentlich-rechtliche Staatsfernsehen soll

erhalten, die Macht der Parteien in den Aufsichtsgremien der Sender bewahrt und die Pfründe der überbezahlten Mitarbeiter von ARD und ZDF verteidigt werden. Einem derart rückwärts gewandten Antrag werden wir, die Gruppe BIW, nicht zustimmen.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss!

(Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Wo ist jetzt Ihr Antrag?)

Wir brauchen neue Eckpunkte für den öffentlichrechtlichen Rundfunk, aber zukunftsorientiert.

(Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist eine allgemeine Phrase!)

Ein so gestalteter öffentlich-rechtlicher Rundfunk stieße nicht nur auf eine sehr viel größere Akzeptanz bei den Bürgern, er käme mit einem deutlich geringeren Budget aus. Das würde sogar eine deutliche Absenkung des Rundfunkbeitrages ermöglichen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall BIW)

Als nächster Redner hat das Wort Bürgermeister Dr. Sieling.

Herr Präsident, verehrte Abgeordnete, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zielt darauf, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nur in seinem Bestand zu erhalten, sondern ihn fortzuentwickeln. Das ist das, was auch dem Willen und dem Ziel des Senats entspricht.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir setzen weiter auf eine pluralistische, ausgewogene Darstellung verschiedener Meinungen und das kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk am ehesten gewährleisten. Ich bedanke mich deshalb auch ganz ausdrücklich dafür, dass Sie in dieser großen Breite der rechten Randkritik hier entgegengetreten sind.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Die Stärken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestehen, und das wissen wir gerade in Bremen, auch darin, dass es nicht nur Hauptstadtfernsehen

und Hauptstadtrundfunk ist, wie in so vielen anderen Staaten Europas, die ein nicht so stabiles System haben und nicht in der Weise Vielfalt auch in der Struktur abbilden. Dieser Aufbau des Rundfunksystems macht gerade deutlich, dass eben auch die Interessen und die Informationen und die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort, aus Bremen und Bremerhaven, zu ihrem Recht und auch zum Ausdruck kommen. Das ist wichtig aus unserer Sicht, das zu unterstreichen. Darum ist es so gut, dass der Antrag und auch die Diskussion hier deutlich gemacht haben, dass Beitragsstabilität eben am Ende nicht das einzige medienpolitische Ziel sein darf, sondern dass es uns auf Qualität und Inhalt ankommt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will hier einmal zu dieser ständig vorgetragenen, vom Bundesverfassungsgericht widerlegten Kritik sagen, der Rundfunkbeitrag ist die beste Flatrate, die es in diesem Lande gibt, meine Damen und Herren!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

So etwas mit der Leistung haben wir ansonsten nicht. Die Staatsferne, auch das ist vom Abgeordneten Rohmeyer hier unterstrichen worden, ist eben etwas, was konstitutiv ist und auch dazu beiträgt, dass die gesellschaftliche Vielfalt abgesichert und unterstrichen wird.

(Zuruf BIW: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Trotzdem ist es natürlich so, dass wir neben den Qualitätsanforderungen immer auch darauf schauen müssen, ob es ineffiziente Strukturen gibt, nichts anderes. Dafür gibt es seit Jahren arbeitende Kommissionen, die mit ihren Empfehlungen sehr in die Rundfunkanstalten hineingreifen, viel Ärger dort auslösen, aber dieser Ärger ist an der Stelle auch berechtigt und richtig, weil eben Bewegung erbracht werden soll. Acht Milliarden Euro Beitragseinnahmen sind in der Tat eine beachtliche Summe und deshalb ist es richtig, dass im Interesse eines informativen und hochwertigen Programms natürlich auch auf mögliche Sparpotentiale geschaut werden muss, und das passiert auch. Sparsames Wirtschaften darf aber die Vielfalt nicht infrage stellen, denn die ist für uns nicht verhandelbar, meine Damen und Herren!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will an dieser Stelle kurz auf den Antrag der Fraktion der FDP eingehen, der ja dankenswerterweise im ersten Satz unterstreicht, dass der Grundversorgungsauftrag für Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk wahrgenommen wird. Ich kann rein logisch schon nicht verstehen, wie man dann, nach leider auch Aufschreiben diffuser Vorwürfe, darauf kommt, das Ganze nur auf Informationsangebote reduzieren zu wollen. Da ist ein Denkfehler. Außer man gewinnt den Eindruck – und Sie haben ja hier gesagt, Sie möchten sich da nicht mit den Falschen in eine Ecke stellen lassen –, aber man kann den Eindruck doch daraus gewinnen, dass Sie am Ende den populistisch vorgetragenen Bedenken Einzelner nachlaufen. Ich bitte Sie sehr, beschneiden Sie, kappen Sie nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, nehmen Sie von solchen Überlegungen Abstand. Stehen auch Sie in der Breite der demokratischen Parteien, die hier heute deutlich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stehen, meine Damen und Herren!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte zum Schluss das Thema Telemedien ansprechen, welches ja ebenfalls Eingang gefunden hat und eine wichtige Rolle spielt. Wir brauchen eine Ausweitung des Telemedienauftrages, wie er auch im Antrag der Koalition beschrieben worden ist – –. Das ist in der Tat ein Gebot der Stunde. Wir arbeiten als Senat in die Richtung und versuchen auch im Länderkreis dieses auf den Weg zu bringen und durchzusetzen. Im Prinzip hat man meistens 15 Landesregierungen auf seiner Seite. Aber irgendeine – –, und da bitte ich den Abgeordneten Rohmeyer, aber auch alle Abgeordneten der Fraktion der CDU in dem Sinne, auch wie Herr Rohmeyer hier gesprochen hat, wirklich darauf einzuwirken, die eine CDU-geführte Landesregierung, die uns da immer wieder den notwendigen 16-zu-0-Kompromiss und das 16-zu-0-Ergebnis so schwierig macht, noch einmal in Bewegung zu bringen; denn wir brauchen in der Tat einen starken Telemedienauftrag, meine Damen und Herren! Das ist dann auch moderner öffentlich-rechtlicher Rundfunk.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Dass all dieses nicht nur ein Thema ist, was wir hier richtig finden oder von dem behauptet wird, es gäbe so viele Bürgerinnen und Bürger, die unzufrieden seien und die sich in Wirklichkeit, das habe ich hier hören müssen, ins Internet flüchten und in andere Dinge. Ja, natürlich ist es die Freiheit, die

wir uns alle nehmen und die wir haben. Ich bin froh über jede Tageszeitung und jedes Journal, was weiter am Markt bestehen kann. Ich bin auch froh über viele Angebote, soweit sie solide sind, in den sozialen Netzwerken, aber die Unübersichtlichkeit und die Art und Weise, wie dort auch kontrolliert wird, ist etwas, was durchaus bei den Bürgerinnen und Bürgern eine Rolle spielt. Frau Strunge hat hier schon die Umfrage mit den 83 Prozent Unterstützung angesprochen. Es gibt darüber hinaus eine Langzeitstudie von der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität, die sich mit Medienvertrauen befasst, und danach erfahren die öffentlich-rechtlichen Medien bei 72 Prozent der Befragten Vertrauen, wohingegen das Internet nur bei zehn Prozent der Befragten Vertrauen hat. Das ist doch ein wichtiger Punkt, weshalb ich hier ganz gewiss bin, dass diese Einzelmeinungen, die immer wieder nach vorne zu kommen versuchen, in unserem Lande keine Mehrheiten bekommen werden. Ich bin außerordentlich froh, dass wir eine so starke und breite Mehrheit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben und bitte Sie, nicht nur dem richtigen Antrag der Koalition zuzustimmen, sondern bitte auch dem 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, denn auch er geht bei allem, was man sich vielleicht mehr wünschen könnte, in die richtige Richtung, denn dann werden endlich große Schritte gemacht werden, dass die Dinge länger im Netz geschaut werden können, und zwar auch über die Öffentlich-Rechtlichen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Für eine Kurzintervention gebe ich das Wort an den Abgeordneten Dr. Buhlert.