Protocol of the Session on March 14, 2018

(Unterbrechung der Sitzung 13.07 Uhr)

Vizepräsident Imhoff eröffnet die Sitzung wieder um 14.45 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Erhöhte Wachsamkeit: Sechster Bericht über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Lande Bremen Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 5. Dezember 2017 (Drucksache 19/1438)

Wir verbinden hiermit:

Regelmäßige Berichte über politischen und religiösen Extremismus vorlegen Antrag der Fraktion der FDP vom 13. März 2018 (Drucksache 19/1579)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer persönlich.

(Heiterkeit)

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal.

(Zurufe SPD, CDU: Persönlich! – Heiterkeit)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor es gleich wieder zu vielen Zwischenrufen zu der Frage des Linksextremismus kommt, vorab eine Klarstellung: Für die SPD-Bürgerschaftsfraktion ist jede Art von Gewalt, egal, ob von links oder von rechts, vollkommen irrelevant und abzulehnen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abgeordne- ter Timke [BIW]: In der Theorie!)

Die SPD-Fraktion verurteilt jede Gewalt und jeden Extremismus, egal, ob von rechts, von links oder von oben, also den religiös motivierten Extremismus. Ich hoffe, dass diese Aussage klar und deutlich gewesen ist!

Es ist genauso klar und deutlich, dass wir uns mit dem Rechtsextremismus und mit der Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft befassen müssen. In meinen weiteren Ausführungen werde ich mich heute explizit damit befassen, weil ich es für unumgänglich halte, und zwar mit besonderem Augenmerk. Auf den FDP-Antrag werde ich am Ende meiner Ausführungen kurz eingehen.

Es gab Jahre, da schien sie fast überwunden: Klar, es gab manchmal Übergriffe oder sogenanntes politisches unkorrektes Verhalten, aber die breite Masse schien wenigstens zu wissen, was richtig, was falsch oder was sogar strafbar ist. Mittlerweile sind wir davon wieder ganz, ganz weit entfernt, überhaupt nur in Erwägung zu ziehen, ob wir Fremdenfeindlichkeit im Wesentlichen überwunden hätten oder nicht.

Die Fremdenfeindlichkeit sitzt mittlerweile wieder im Bundestag, noch deutlicher in manchen Landesparlamenten. Aussagen von prominenten AfDGrößen möchte ich hier weiß Gott nicht wiederholen, das wäre dem Hause nicht würdig.

Leider ist es so, dass Fremdenfeindlichkeit wieder salonfähig geworden zu sein scheint. Vieles wird einfach mit dem Etikett der Meinungsfreiheit versehen, und es wird noch schnell ein Das-wird-manja-wohl-noch-sagen-dürfen hinterhergeschoben, und schon weiß jeder, wie es gemeint ist, und das ist okay oder auch nicht. Wie oft hört man den Satz: Ich bin ja nicht ausländerfeindlich, aber --. Alles, was danach kommt, kann eigentlich nichts Gutes bedeuten und zeugt von einer gewissen Grundeinstellung.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will gar nicht behaupten, dass das mit Rechtsextremen gleichzusetzen ist. Das, was vor einiger Zeit bei vielen schon nicht mehr die eigene Kontrolle auf dem Weg vom Gehirn zum Mund passieren durfte, bekommt nun ausgesprochen auch noch Zuspruch von anderen. Wir müssen uns diesem Phänomen widmen: Wann wird aus dieser Grundhaltung eine Ideologie? Was bedeutet eine der Fremdenfeindlichkeit zuhörenden Gesellschaft für die Entwicklung dieser Gesellschaft?

Meiner Ansicht nach haben wir es zunehmend mit inakzeptablen, offen antisemitischen, rechtsextremen und fremdenfeindlichen Äußerungen zu tun, die unsere demokratische und vielfältige Gesellschaft bedrohen. Deshalb ist es nach fünf Jahren für eine Neuauflage des Berichts über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Lande Bremen an der Zeit,

(Beifall SPD)

denn auch in unseren beiden Städten fassen zunehmend rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppierungen Fuß.

Antisemitismus ist wesentlicher Bestandteil einer rechtsextremen Ideologie. Der Antisemitismus ist es, der unbekannte Täter dazu gebracht hat, am Holocaustgedenktag ein Grab auf dem alten jüdischen Friedhof mit einem Hakenkreuz zu beschmieren.

Ähnliches gilt für antimuslimische Straftaten, Ich meine den Angriff mit geschmierten Hassbotschaften auf die Fatih-Moschee in der letzten Woche in Bremen-Gröpelingen. Diese Moschee ist damit schon zum zweiten Mal das Ziel einer Sachbeschädigung. Bürgermeister Dr. Carsten Sieling sagte es ganz richtig: Die Täter werden ihr Ziel, Unruhe und Zwietracht in unserer Gesellschaft zu säen, auch dieses Mal nicht erreichen. Genau das muss vermieden werden!

(Beifall SPD)

Sie sehen, meine Damen und Herren, dass dieser Antrag eine traurige Aktualität besitzt. Wir müssen solche Übergriffe leider in regelmäßigen Abständen beobachten. Es handelt sich nicht um Ausnahmeerscheinungen. Zahlreiche Studien haben mittlerweile die weite Verbreitung eines latenten oder gar offenen Antisemitismus und einer Fremdenfeindlichkeit nachgewiesen. Deshalb muss das Thema auf der Tagesordnung bleiben, und es verdient eine ständige Beobachtung, um angemessen, aber deutlich reagieren zu können.

Genau aus diesem Grund müssen wir uns dem Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit widmen. Wir müssen die Lage erfassen und Gegenmaßnahmen ergreifen.

Da sich meine erste Redezeit für meinen ersten Redebeitrag langsam dem Ende zuneigt, möchte ich gleich die Gelegenheit noch einmal ergreifen, und die politische Seite, insbesondere auf die Veränderungen auf diesem Gebiet, kurz eingehen. –Soweit mein erster Redebeitrag, vielen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen mit einem verbindenden Element anfangen: Die Fraktionen der Bürgerschaft eint über Parteigrenzen hinweg ein Grund

konsens. Rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Umtriebe werden von uns gemeinsam und entschieden abgelehnt.

Die Bürgerschaft hat eine lange Tradition – leider, muss man sagen – in der Präsenz rechter, rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien und Gruppierungen, zum Teil auch in Fraktionsstärke. SPD und Grüne schlagen Ihnen heute vor, die Berichterstattung über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit durch den Senat wieder aufzunehmen und uns den sechsten Bericht vorlegen zu lassen. Die Berichte waren in der Vergangenheit immer eine gute Zustandsbeschreibung und gleichsam auch ein Mutmacher. Auf ihren Seiten wurde eben nicht nur über die Verstrickungen und Entwicklungen dieser menschenverachtenden Ideologie berichtet, sondern eben auch über das überragende Engagement vieler Menschen in unserem Bundesland. Für diese Menschen ist „nie wieder“ keine hohle Phrase, sondern eine Lebensaufgabe. Meine Damen und Herren, das verdient Respekt und Anerkennung!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Der Rechtsextremismus hat sich verändert. Wir reden kaum noch über den geistig tief fliegenden und springerstiefeltragenden Neonazi,

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Aber auch!)

Aber trotzdem haben Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Fremdenhass Konjunktur. Die Anzahl der rechtsmotivierten Straftaten steigt, Flüchtlingsheime brennen, Moscheen werden besprüht, und Menschen werden auf offener Straße angegriffen, beschimpft oder bespuckt. Garanten der Demokratie, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk, sollen, bildlich gesprochen, sturmreif geschossen werden. Meine Damen und Herren, dagegen müssen wir uns weiterhin entschieden wehren.

Früher waren sich die rechten Gruppierungen untereinander spinnefeind, heute vernetzt sich dieses Spektrum. Es gibt beispielsweise personelle Bezüge zwischen der Identitären Bewegung, den Jungen Alternativen und der AfD.

Überhaupt die AfD: Früher einmal gestartet als Eurokritiker, hat sie sich mittlerweile fest am rechten Rand der Gesellschaft verortet. Sie übernimmt nun die Rolle der DVU und der NPD, und damit werden sie auch nicht mehr als rechtspopulistisch einge

stuft. Die AfD ist vielmehr eine rechtsextreme Partei, und sie ist damit aus meiner Sicht ein klarer Fall für den Verfassungsschutz:

(Beifall Bündnis/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

nicht, weil der Ton dieser Partei ruppig, prügelnden und vulgär ist, nicht, weil der Ton dieser Partei des Öfteren auch Menschen gegenüber unmöglich ist, nicht, weil konkrete Politikangebote in der parlamentarischen Arbeit dieser Gruppierung Mangelware sind, sondern weil sie die Grundwerte unseres Grundgesetzes missachten und die Grundstruktur unseres Staates infrage stellen! Stramme Rechtsextreme stehen außerhalb unseres demokratischen Politiksystems.

„Kameltreiber“ und „Kümmeltürken“ sind eben nicht die verbale Entgleisung eines einzelnen verwirrten AfD-Basismitglieds, sondern es ist die Ideologie dieser Partei, die durch diese Worte zum Ausdruck kommt. Meine Damen und Herren, haben Sie die johlenden Massen bei diesen Worten gesehen? Ich sage Ihnen dazu sehr deutlich: Nie wieder!

(Beifall Bündnis/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Für Grüne und Sozialdemokraten geht es hier nicht um Aktionismus, wenn einmal wieder irgendwo irgendetwas vorgefallen ist. Für uns ist die politische Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit eine fortwährende Aufgabe. Rechtsextreme Gewalt sucht immer Menschen als Opfer, die in unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden. Deswegen kann jede und jeder Einzelne dazu beitragen, dass die rechtsextreme Gewalt zurückgedrängt wird, in dem man eingreift, wenn Menschen bedroht werden, zumindest Hilfe holt, und rechte Gewalttäter bei der Polizei anzeigt. Nur dann, wenn Opfer oder Zeuginnen und Zeugen von Straftaten die Polizei informieren und Anzeige erstatten, merken rechtsextreme Straftäter, dass ihr Verhalten Konsequenzen hat und dass die Gesellschaft ihr Treiben eben nicht toleriert.

Meine Damen und Herren, stellen wir uns auch hinter all diejenigen, die diesem Land ein offenes und freundliches Gesicht gegeben haben, all jenen, die sich für Integration und Toleranz einsetzen, und all jenen, die die Werte unseres Grundgesetzes mit Leben füllen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Gutmensch eben kein Schimpfwort, sondern eine Auszeichnung ist. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns mit einem Antrag zum Rechtsextremismus, der von der Koalition eingebracht worden ist und der ebenfalls den Bereich Fremdenfeindlichkeit umfasst. Ich glaube, dass alle demokratischen Parteien, die in diesem Hause vertreten sind, gegen Rechtsextremismus und gegen Fremdenfeindlichkeit sind, und das gilt natürlich auch für die FDP.