Protocol of the Session on February 22, 2018

Weil es vorhin hieß, wir in Bremen würden eine Insel werden, das wären wir nicht: Andere Bundesländer, zum Teil unter SPD-Führung, wie Berlin, Rheinland-Pfalz, aber auch Nordrhein-Westfalen und Thüringen, haben schon längst den Besitz von bis zu 10 Gramm Cannabis strafverfolgungsfrei gestellt und so viele Menschen entkriminalisiert.

(Zuruf Abg. Hinners [CDU])

Nein, 10 Gramm, Herr Hinners! Ich komme gleich noch einmal darauf, ich lese Ihnen das gleich vor.

Wir Grüne wollen dem Beispiel dieser vier Bundesländer folgen, es sind im Übrigen sehr große Bundesländer. Wir sorgen dafür, dass das Thema auf der Tagesordnung bleibt.

Eine von Vernunft getragene Drogenpolitik lässt sich auch hier in Bremen auf Dauer nicht verhindern, meine Damen und Herren! Herr Janßen hat es schon zitiert, das ist unser Ziel, in der Tat! Wir wollen einen Wechsel in der Drogenpolitik, weg von der Kriminalisierung und hin zu mehr Prävention und Aufklärung. Unser Ziel ist, dass der bloße Besitz von Cannabis zum Eigenverbrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird. Das ist nicht nur das grüne Ziel, das ist der Text aus dem Koalitionsvertrag, den auch die SPD, Frau Aulepp, unterschrieben hat. Für uns ist es nicht so verständlich, warum Sie sich jetzt davon verabschieden. Sie haben aber vorhin ja gesagt, Sie machen keine 180Grad-Wendung. Wir freuen uns, dass die Gespräche über diese Zielvereinbarung dann weitergehen. Wir sind optimistisch. Wenn allerdings das Bohren dicker Bretter nur ist, dass wir einen CDUAntrag, den wir inhaltlich überhaupt nicht teilen, ablehnen, dann kann ich sagen: Das reicht uns Grünen nicht! Das verstehen wir nicht darunter, dicke Bretter zu bohren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Am 20. April 2016 hat die Bürgerschaft hier den Senat aufgefordert, alle Möglichkeiten für eine liberale Handhabung des Cannabiskonsums von Erwachsenen auf Landesebene auszuschöpfen. Die Bundesratsinitiative war nicht erfolgreich, ja, aber man kann auch hier die Spielräume weiter ausschöpfen und nutzen. Der Antrag von uns Grünen, den aber andere jetzt hier eingebracht haben, forderte nun die Umsetzung mit konkreten Vorgaben. Die geringe Menge für den Besitz sollte von 6 Gramm auf 10 Gramm angehoben werden, für den privaten Anbau sollte eine Grenze von vier Pflanzen definiert werden. Ich finde, mit Ihrem Redebeitrag, Frau Aulepp, geben Sie schon das Ziel auf, dass der bloße Besitz von Cannabis zum Eigenverbrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird. Ich finde, das verstößt schon gegen die gemeinsame politische Vereinbarung aus dem Bürgerschaftsbeschluss vom April 2016, ohne dass sich die Umstände seitdem bundesweit oder auch hier in Bremen objektiv geändert hätten.

Wir sind auch keine Insel. Ich habe vorhin gesagt, es gibt andere Bundesländer - Berlin, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen -, die das

schon längst umgesetzt und einen höheren Grenzwert haben, nämlich 10 Gramm beziehungsweise Berlin 15 Gramm. Bremen würde sich also hier in guter Gesellschaft befinden und eher einem bundesweiten Trend folgen. Ich finde auch, dass wir hier ein Bundesland sind, das selbstbewusst auftreten kann. Wir haben das in der Vergangenheit auch gemacht und hier Maßnahmen verabschiedet, mit denen wir sozusagen Trendsetter waren. Da haben wir auch nicht geschaut, was Niedersachsen gemacht hat, ob es das Landesmindestlohngesetz war, ob es die Novelle des Bestattungsrecht war oder wenn hier, wie in der letzten Woche, freier ÖPNV für Kinder gefordert wurde -

(Glocke)

ich komme sofort zum Schluss, Herr Präsident! -, wo wir zusammen mit Niedersachsen in einem VBN sind, dann hat das auch nicht gestört.

Vielleicht darf ich das, Herr Präsident noch einmal sagen: Welche Grenzwerte galten früher in Bremen? Da gab es eben einen liberaleren Innensenator. Fakt ist, dass bis zum Jahr 2006 in Bremen eine noch großzügigere Regelung galt, als sie im aktuellen Antrag gefordert wird.

(Glocke)

Frau Kollegin!

Ich komme sofort zum Schluss, meine Stimme ist sowieso gleich weg! Dazu - das kann man nachlesen, die Quelle ist das Max-Planck-Institut, Drogenkonsum und Strafverfolgung - stellte die Staatsanwaltschaft bis zum Jahr 2006 Cannabisdelikte bis zu einer Menge von 15 Gramm oder vier Cannabispflanzen in der Regel ein.

Wir haben ja noch eine zweite Runde!

Wir haben noch eine zweite Runde, Herr Präsident, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und möchte nur sagen, andere Staaten machen längst vor, dass es funktioniert! Lassen Sie uns diesen Beispielen folgen!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen - Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Raffiniert!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Janßen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Frage, die wir uns nicht stellen müssen, ist: Wollen wir, dass die Leute Cannabis konsumieren oder nicht? Das ist eigentlich völlig irrelevant, denn die Leute konsumieren Cannabis. Jetzt stellt sich die Frage, wie wir als Bundesland und wie der Staat insgesamt damit umgehen sollte.

Die Einstiegsdroge Nummer 1 ist und bleibt Alkohol. Es gibt auch Studien aus Amerika mit 14 500 Studierenden, in denen danach gefragt wurde, was eigentlich die erste konsumierte Droge gewesen sei. In über 90 Prozent der Fälle ist das Alkohol.

Auch die University of Colorado hat Untersuchungen durchgeführt, Gehirne noch einmal in sehr großer Zahl gescannt und festgestellt, ich zitiere einen Satz aus der Studie: „Die möglicherweise vorhandenen negativen Folgen von Cannabis sind definitiv nicht einmal annähernd so ausgeprägt wie die negativen Konsequenzen von Alkohol.“

Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir hier schon immer die Wahrheit bemühen und glauben, dass wir hier davon sprechen können, was die schädlichen Wirkungen von Cannabis sind, dann muss man ehrlicherweise auch über Alkohol sprechen.

(Abg. Frau Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Danke!)

Da Alkohol völlig normal ist und zum 16. Geburtstag jeder doch einmal ein Sixpack Bier geschenkt bekommt, kann ich nicht nachvollziehen, wie hier die ganze Zeit mit dem Finger auf Cannabis als Einstiegsdroge gezeigt wird.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Ich verstehe das Argument der Insellösung nicht, und ich kann es, ehrlich gesagt, auch nicht mehr hören!

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich auch nicht!)

Was machen wir in einem Landesparlament, wenn wir uns immer wieder selbst entmündigen, sei es bei Feiertagen, sei es bei der Drogenpolitik, wenn wir nur darauf schauen, was die anderen machen?

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Genau deshalb haben wir im Bundesland Bremen ein eigenständiges Parlament, genau deshalb sieht das Grundgesetz vor, dass bestimmte Regelungsmöglichkeiten eben auf Landesebene bestehen, und genau diese Regelungsmöglichkeiten müssen dann auch landespolitisch abgewogen und selbstbewusst beschlossen werden. Deswegen sehe ich auch nicht ein, wie sehr die SPD sich davon verabschieden kann. Es ist eine 180-Grad-Wendung, es ist eine Veränderung der bestehenden Politik, Sie haben es in den Koalitionsvertrag aufgenommen! Sie setzen es nicht um, das wird von allen als Veränderung wahrgenommen. Wem wollen Sie hier eigentlich erzählen, dass das keine Veränderung ist? Es ist eine Veränderung, und es ist damit auch ein Abschied von dem, was eigentlich richtig und innovativ war.

Ich kann noch einmal wiederholen, der Antrag, den wir hier nur stellvertretend übernommen haben, ist mit Sicherheit nicht das Ende der Fahnenstange, das ist ein Einstieg, landespolitische Handlungsspielräume aktiv zu nutzen, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, würde uns als Landesparlament dann auch wirklich guttun. - Danke schön!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dertwinkel.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Yazici hat in der ersten Runde erörtert, wieso wir die Entkriminalisierung von Cannabis aus rechtlicher Sicht ablehnen. Ich werde unsere Ablehnung nun aus dem gesundheitspolitischen Blickwinkel begründen.

Wenn man schon meint, man müsse hier über die Drogenpolitik debattieren, dann sollte doch bitte die Drogenprävention im Fokus stehen. Es ist einfach nicht nachvollziehbar, wenn man in einem Antrag - egal ob man sich den der FDP anschaut oder den der LINKEN - auf der einen Seite zur Entkriminalisierung der illegalen Droge Cannabis und auf der anderen Seite zur Stärkung der Prävention aufruft. Prävention bedeutet nämlich nicht, die - ich zitiere - „geringe Menge für den Erwerb und Besitz von Cannabis zum Eigengebrauch“ oder wie die FDP es an einer anderen Stelle in ihrem Antrag nennt, die „Bagatellmenge“ anzuheben. Damit versuchen Sie den Konsum gesellschaftsfähig zu machen und durch die Legalisierungsdebatte zu verharmlosen. Cannabis ist und bleibt eine Einstiegsdroge, meine Damen und Herren,

(Beifall CDU)

zum einen in Bezug auf Erstanwender, also jene, die aufgrund des Verbots bislang auf den Konsum von Cannabis verzichtet haben, und zum anderen für jene, für die die weiche Droge Cannabis der Einstieg in die harten Drogen, wie zum Beispiel Heroin, ist. Die Mehrheit der Erstpatienten gibt nach wie vor in einer Suchttherapie Cannabis als ihr Hauptdrogenproblem an.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber nicht nach Alkoholgenuss!)

Drogen sind, egal ob nun als weich oder hart deklariert, gesundheitsgefährdend. Zahlreiche Langzeitstudien belegen den schädlichen Einfluss auf die Gesundheit. Gerade langfristiger Cannabiskonsum hat eine Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit zur Folge. Ebenso beschleunigt der Konsum das Auftreten von Depressionen, schizophrenen Psychosen, Herz- und Lungenkrankheiten sowie selbstverständlich auch das Risiko, in eine psychische und körperliche Abhängigkeit zu geraten.

Gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 14 und 21 Jahren führt der Konsum von Cannabis zu Antriebsschwäche, rapidem Leistungsabbau sowie neuropsychologischen Störungen, wie eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt. Folgt man dieser Studie, geht ein erhöhter Cannabiskonsum mit einer geringeren Ausbildungsquote, höherer Arbeitslosigkeit und niedriger Lebensqualität einher. Vor allem steigt in dieser Altersschicht auch ohne Legalisierung der Cannabiskonsum stetig an.

Wie die Studie ebenfalls angibt, haben schon circa 7 Prozent der 12- bis 17-Jährigen und 17,7 Prozent der 18- bis 25-Jährigen Erfahrungen mit Cannabis gemacht.

(Abg. Prof. Dr. Hilz [FDP]: Obwohl es verboten ist!)

Die Folgen für Kinder und Jugendliche bei Lockerung der bestehenden Drogenpolitik möchte ich mir daher nicht ausmalen. Es ist doch gerade unsere Aufgabe als Parlamentarier, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um eben diesen Auswirkungen präventiv zu begegnen und sie so gut wie möglich abzuwehren, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

In unserem Antrag fordern wir den Senat unter Punkt 4 zu der Erhöhung der finanziellen Mittel für eben diese Rauschmittel- und Drogenprävention auf.

Außerdem, Frau Wendland, ist auch die Mehrheit der Bevölkerung, nämlich nach einer forsa-Umfrage 63 Prozent, für die Beibehaltung des Verbots.

(Beifall CDU - Abg. Bensch [CDU]: Sogar 70 Pro- zent der Frauen!)

Ja, genau!

Ungeachtet dessen, was ich in den letzten Minuten hier vorgetragen habe, sind wir, die CDU Bremen, nach wie vor der Meinung, dass die Verwendung von Cannabis als Medikament ein richtiger und wichtiger Schritt ist. Krebspatienten und Schwerstkranken, die beispielsweise unter MS, Spastiken, Aids und anderen Schmerz- und Entzündungskrankheiten leiden, hilft Cannabis als Medikament unmittelbar.

Viele Mediziner sind dennoch unsicher bei der Verschreibung von Medizinalhanf. Die Aufklärung im und nach dem Studium fehlt so gut wie gänzlich. Des Weiteren ist der Zeitaufwand sehr hoch und die Gefahr, in Regress genommen zu werden, stellt für viele Mediziner dann doch ein zu hohes Risiko dar. Aus diesem Grund fordern wir den Senat, wie in Punkt 5 unseres Antrags aufgeführt, auf, sich in Form einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, eine einheitliche ärztliche Aufklärungs-, Beratungs- und Dokumentationspflicht zu erarbeiten.

(Beifall CDU)