Protocol of the Session on February 22, 2018

Förderlich für den Schwarzmarkt wäre auch der von den Antragstellern gewollte private Anbau von Hanfpflanzen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie eigentlich in Tausenden Privatwohnungen kontrolliert werden soll, ob die gesetzlich zulässige Anbaumenge nicht überschritten wird. Dass Minderjährige, die in diesen Wohnungen leben, nicht zu Konsumenten werden können, spätestens hier wird doch deutlich, dass der in den Anträgen von FDP und Linkspartei bemühte Jugendschutz zu einem rhetorischen Feigenblatt wird.

(Abg. Prof. Dr. Hilz [FDP]: Warum geht das nicht? - Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Wer kontrolliert, wenn man bei einer roten Ampel über die Straße geht?)

Meine Damen und Herren, die von den Antragstellern geforderte Entkriminalisierung von Cannabis wäre nur ein Zwischenschritt hin zur Legalisierung des Rauschgifts nach den fatalen Vorbildern diverser US-Bundesstaaten.

(Glocke)

Die Liberalen haben wahrscheinlich die möglichen Milliardenprofite einer neu entstehenden Cannabisindustrie im Auge. Für die Linkspartei ist die Rauschgiftfreigabe dagegen Teil ihrer antibürgerlichen Ideologie.

(Beifall BIW)

Genau darum geht es, den gesellschaftlichen Konsens zur Ächtung von Rauschgift systematisch auszuhöhlen, um die Pönalisierung ins Leere laufen zu lassen und den Boden für die Drogenfreigabe zu bereiten. In den USA scheint diese Strategie mit millionenschwerer Unterstützung interessierter Finanzkreise aufzugehen.

(Glocke)

Zum Schluss sei gesagt, dass heute auch im Bundestag eine ähnliche Debatte über Cannabis läuft mit der Erkenntnis einer ganz neuen Umfrage, dass zwei Drittel der Bürger in Deutschland die Entkriminalisierung ablehnen. - Ich bedanke mich, meine Damen und Herren!

(Beifall BIW)

Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, möchte ich auf der Besuchertribüne recht herzlich Studierende des dualen Studien

gangs Immobilienwirtschaft der Immobilien Bremen, AöR, und unsere ehemalige Abgeordnetenkollegin Frau Kummer begrüßen.

Herzlich willkommen hier im Haus!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Aulepp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Um Sie nicht lange auf die Folter zu spannen, ich möchte auch eingangs dieser Debatte noch einmal offen sagen, dass ich mich ziemlich geärgert habe, immer wieder auf einen angeblichen Kurswechsel der SPD in der Cannabispolitik angesprochen zu werden. Von 180-Grad-Schwenk und Kehrtwende ist hier auch schon die Rede gewesen. Herr Dr. Buhlert, Herr Janßen, dass man das zuspitzen kann, das ist das eine, aber es ist einfach nicht wahr! Um es ganz unmissverständlich zu sagen, die SPD in Bremen steht zu dem Ziel der Entkriminalisierung von Cannabis.

Auch mir ganz persönlich mit meinen Erfahrungen als Jugendrichterin ist natürlich völlig klar, dass das Strafrecht nicht das richtige Instrument ist, mit den Gefahren, die ohne Zweifel und gerade für Jugendliche und Heranwachsende vom Cannabiskonsum ausgehen, umzugehen. Im Übrigen - das ist ja gerade schon angeklungen - gehen diese Gefahren auch vom Alkoholkonsum aus, und natürlich müssen wir damit auch anders umgehen als mit einer Kriminalisierung. Das aber nur am Rande, das ist ja nicht Thema der heutigen Debatte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde an dieser Stelle sogar darüber hinausgehen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen von SPD-Oberbürgermeistern bis hin zu CDU-Oberbürgermeistern sind Modellprojekte nicht nur gefordert, sondern auch umgesetzt worden, auch die Weitergabe von Heroin an Schwerstabhängige zu ermöglichen, weil das der richtige Weg im Sinne der Betroffenen, im Sinne der Gesundheitsvorsorge ist. Dahin müssen wir.

Also, klipp und klar: Die SPD steht zur Legalisierung!

(Beifall SPD - Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Aha!)

Deswegen hat Bremen eine Bundesratsinitiative gestartet, weil das Betäubungsmittelgesetz auf Bundesebene geändert werden muss. Die traurige

Wahrheit ist, und das kann ich jetzt auch zu den Aha-Sagerinnen und -Sagern bei den Grünen sagen: Außer Thüringen, Berlin und Brandenburg haben wir keine Mitstreiter gefunden, auf den grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg ist auch gerade schon hingewiesen worden.

Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, manchmal dauert es länger, dicke Bretter zu durchbohren.

(Abg. Hinners [CDU]: Das gilt für beide Richtun- gen!)

Wir werden an dieser Stelle natürlich weiter bohren, und das ist auch nicht nichts. Deswegen werden wir selbstverständlich den Antrag der CDUFraktion ablehnen.

(Beifall SPD)

Wir werden das Thema auf Bundesebene weiter bewegen. Der Justizsenator, der hier auch schon einmal angesprochen worden ist, wird auf der nächsten Fachministerkonferenz die nächste Initiative starten, und wir hoffen an der Stelle auf eine sachliche Diskussion, die ja in dieser Frage nicht immer einfach ist.

Auch wieder für die Aha-Sagerinnen und -Sager beim Koalitionspartner: Für die Bremer SPD ist genauso klar, dass wir in Bremen keinen Sonderweg gehen werden. Bremen wird keine drogenpolitische Insel werden.

(Beifall SPD)

Für eine Anhebung der geringfügigen Menge konnte schon das rot-grün regierte Niedersachsen nicht gewonnen werden. Das ist die Wahrheit, und die Bedingungen - auch das gehört zur Wahrheit -, einen rationalen Umgang mit diesen Sachfragen zu erreichen, haben sich nicht verbessert.

Weil wir aber diesen bremischen Alleingang nicht wollen, werden wir die Anträge der FDP und der LINKEN ebenfalls ablehnen, zumal die dortigen Vorschläge in der Tat kein einziges Problem bei der Polizei und auch nicht bei den Gerichten lösen. Der Umgang mit geringen Mengen von Cannabis zum Eigengebrauch ist und bleibt strafbar, solange nicht das Betäubungsmittelgesetz geändert wird. Dann nutzt es auch nichts, wenn hier auf den Formulierungen des Koalitionsvertrags herumgeritten wird, zumal ja schon jetzt der geringe Besitz von Cannabis zum Eigengebrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird, nämlich bei bis zu 6

Gramm. Diejenigen, die sich in der Sache auskennen, wissen, wie viel 6 Gramm sind, und wer das auf einmal zum Eigengebrauch wegraucht, der hat möglicherweise tatsächlich ein Problem, dem man mit Prävention und Aufklärung intensiv beikommen müsste.

Weil es diese Probleme aber gibt, weil Polizei und Gerichte in die Strafverfolgung von Cannabis zum Eigengebrauch immense Kapazitäten stecken müssen, bin ich froh - und das sage ich an dieser Stelle noch einmal -, dass unser Justizsenator beharrlich an der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes weiterarbeiten will und auch die Gesundheit- und Innenministerkonferenz einbezogen werden soll. Die Entkriminalisierung von Cannabis gehört auf Bundesebene.

(Beifall SPD)

Nicht verkneifen kann ich mir anlässlich des Antrags der FDP-Fraktion die Frage an die Kolleginnen und Kollegen, ob sie tatsächlich behaupten wollen, nicht zu wissen, dass in Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende nicht ohnehin schon, nämlich durch das Jugendgerichtsgesetz vorgeschrieben, erzieherische Maßnahmen Vorrang haben. Das brauchen wir hier gar nicht zu beschließen, wir könnten auch nicht das Gegenteil beschließen. Natürlich ist das so, natürlich sind Jugendrichterinnen und Jugendrichter gesetzlich dazu verpflichtet, sich darum zu kümmern, und natürlich ist all meinen Kolleginnen und Kollegen klar, dass nicht das Strafrecht der richtige Weg ist, um mit den Gefahren des Cannabiskonsums umzugehen, sondern Drogenberatungsangebote, Präventionsprojekte und auch Hilfestellungen in anderen Lebensbereichen.

Ein Satz noch zur Frage des Autofahrens: Es ist nicht korrekt, wenn hier Nebelkerzen geworfen werden und so getan wird, als sei das, was bis jetzt in diesem Bereich passiert, völlig willkürlich. Natürlich basiert die höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesen Fragen auch auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und auf Forschung, und natürlich werden in diesen Verfahren auch Sachverständige einbezogen. Es kommt im Übrigen auch nicht darauf an, wann man etwas konsumiert hat, sondern es kommt darauf an, ob die psychoaktive Substanz noch wirksam ist oder nicht, und das lässt sich nun einmal nur wissenschaftlich feststellen und nicht danach, wann ich glaube, konsumiert zu haben.

Ich komme zum Schluss, noch ein Satz! Ich habe gesagt, Drogenpolitik muss vorrangig darauf ausgerichtet sein, die Gefahren zu verringern. Deswegen werden Prävention und Aufklärung vom rotgrünen Bremer Senat nach wie vor großgeschrieben, und liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und von der Linksfraktion: An dieser Stelle haben Sie sich mit Ihrem Antrag kraftvoll hinter den fahrenden Zug beziehungsweise hinter den fahrenden Schulbus geworfen. - Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einmal eingangs sagen, man wundert sich manchmal, welche Themen die Gemüter wirklich bewegen! Weil wir oft darauf angesprochen werden, möchte ich für uns Grüne feststellen, für uns ist sicherlich das Thema der Entkriminalisierung von Cannabis ein Thema, das wir auch weiterverfolgen werden, aber es ist sicherlich nicht das Thema, das auf unserer Schwerpunktliste ganz oben steht.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Da stehen ganz sicher die Verbesserung der Qualität der Bildung, die soziale Gerechtigkeit in Bremen und Klima- und Umweltschutz, aber dennoch ist es auch berechtigt, neben solchen Schwerpunkten auch andere Missstände zu bearbeiten und dafür Lösungen zu suchen. Dazu zählt natürlich auch das Thema Cannabis, und dabei steht auch bei uns ganz oben auf der Agenda: Erst einmal Jugendschutz und Prävention! Ja, es ist so, frühes Kiffen führt zu Schädigungen des Gehirns, das ist anerkannt, und das wollen wir auch verhindern. Deswegen noch einmal: Jugendschutz und Prävention stehen ganz oben auf der Agenda.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Es gibt heute in der Tat auch im Bundestag eine Debatte darüber, die Grünen im Bund fordern aus dem Grund ein Cannabiskontrollgesetz.

Herr Schäfer hat vorhin die Frage gestellt, ob wir wollen, dass Menschen Cannabis rauchen oder nicht. Wenn Sie mich persönlich fragen, dann sage ich Nein, ich möchte, dass Menschen nicht Cannabis rauchen. Ich möchte auch nicht, dass sie sonstige Drogen nehmen, aber bei unserem Anliegen

geht es ja nicht um die Frage, ob sie das wollen oder ob Sie das nicht wollen, sondern es geht um die Frage, ob dies bis zu einer bestimmten Menge als Straftat geahndet wird oder eben nicht, und das unterscheidet uns im Übrigen auch von der Position von Frau Wendland, die in ihrem Redebeitrag die Legalisierung in den Vordergrund gestellt hat, dass man legal, auch im Straßenverkehr, auf Festen und sonst wo kiffen kann. Uns geht es um die Entkriminalisierung, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Man muss aber auch einmal eines ganz klar feststellen, und zwar nüchtern feststellen: Das strikte Cannabisverbot ist gescheitert. Der Konsum steigt seit Jahren, und das Verbot hält die Menschen eben nicht vom Kiffen ab, es erschwert aber den Gesundheitsschutz und hält vor allem auch die Justiz von wichtigeren Aufgaben ab. Auf dem Schwarzmarkt gibt es keinen Jugendschutz,

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

und es ist allemal besser, den Eigenanbau von wenigen Cannabispflanzen zu erlauben, als die Menschen auf den Schwarzmarkt zu drängen, wo sie Cannabis mit viel zu hoher THC-Konzentration erhalten oder mit härteren Drogen in Kontakt kommen.

Die Verfolgung von Cannabis Konsumierenden bindet erhebliche Kräfte bei Polizei und Justiz, und deshalb ist zum Beispiel auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter dafür, die Verbotspolitik zu beenden. Das konnte man in der vorletzten Woche in der „Tagesschau“ sehen, es gibt eine sehr anschauliche Debatte dazu. Statt in die unsinnige Kriminalisierung sollten die Mittel besser in die verstärkte Prävention fließen.

Weil es vorhin hieß, wir in Bremen würden eine Insel werden, das wären wir nicht: Andere Bundesländer, zum Teil unter SPD-Führung, wie Berlin, Rheinland-Pfalz, aber auch Nordrhein-Westfalen und Thüringen, haben schon längst den Besitz von bis zu 10 Gramm Cannabis strafverfolgungsfrei gestellt und so viele Menschen entkriminalisiert.