Die gemeinsame Beratung ist eröffnet. - Wortmeldungen liegen nicht vor. - Die Beratung ist geschlossen.
Wer das Gesetz zur Änderung des Bremischen Landesstraßengesetzes, Drucksache 19/1377, in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, BIW, Abg. Patrick Öztürk [SPD, fraktionslos], Abg. Tassis [AfD], Abg. Frau Wendland [parteilos])
Abschiebestopp für die Wintermonate Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 21. November 2017 (Drucksache 19/1407)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag schlagen wir Ihnen vor, dass der Senat die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpft und Abschiebungen in den drei Wintermonaten für alle Gruppen von Schutzsuchenden aussetzt, in deren Herkunftsländern durch Witterungsverhältnisse erhöhte Risiken für die Betroffenen bestehen.
Die größte dieser Gruppen sind ethnische Minderheiten wie Roma oder Aschkali aus den Balkanstaaten. Für deren Schicksal hat Europa eine besondere Verantwortung, nicht nur wegen der langen Geschichte der Verfolgung von Roma und Sinti, sondern Deutschland trägt eine besondere Verantwortung aufgrund der Nazi-Vergangenheit. Angesichts der widerlichen Nazi-Schmierereien am Bunker Valentin gegen einen angeblichen Schuldkult kann man offenbar nicht genug auf die historische Verantwortung hinweisen.
Der Ausschwitz-Erlass, der die Deportation und Vernichtung von 500 000 Roma und Sinti zur Folge hatte, hat sich jüngst zum 75. Mal gejährt, und der Bürgermeister hat dem eine Gedenkveranstaltung gewidmet. Das begrüßen wir, und das finden wir richtig.
Aus der Geschichte lernen, heißt für die Gegenwart und für die Zukunft lernen, und da muss man klar benennen: Europa tut sich verdammt schwer mit diesem Lernprozess.
Im April räumten sogenannte Sicherheitskräfte in der Ukraine eine Roma-Siedlung. Sie wurde niedergebrannt und hinterließ 150 Menschen, davon 70 Kinder, obdachlos. In Bosnien-Herzegowina gibt es immer wieder Berichte über Misshandlungen und Folter durch Staatsorgane an den Roma. 67 Prozent der in Serbien lebenden Roma leiden an Unterernährung, und fast jeder zweite Rom lebt dort in Elendsvierteln ohne Sanitäreinrichtungen, Kanalisation, Stromversorgung oder Heizung. Es gibt viele weitere solcher Berichte, das würde jetzt die Redezeit von fünf Minuten sprengen.
Wir haben uns Anfang des Jahres im Europaausschuss mit der Situation der Roma in Europa und mit dem Erfolg oder Misserfolg der EU-Roma-De
kade beschäftigt. Im Ergebnis kann man zusammenfassen, die Situation hat sich nicht gebessert. Roma sind die größte Minderheit Europas, und sie bleiben leider zugleich die am meisten verfolgte. In keinem der Länder Südeuropas ist die Situation für Roma heute sicher. Das Einzige, was ihnen sicher ist, ist die vermutlich systematische Diskriminierung und Verfolgung.
Die Große Koalition hat mit ihren Asylrechtsverschärfungen dafür gesorgt, dass die ethnische Verfolgung von Roma als Asylgrund zu 99 Prozent nicht anerkannt wird. Bremen hat oder hatte eine durchaus solidarische Haltung gegenüber Roma. Noch im Jahr 2010 zeigte die Koalition mit dem Kosovo-Erlass ihren Willen, Kettenduldungen zu beenden und Bleiberechte zu erteilen. Was wir jetzt von Ihnen verlangen, ist weit weniger, liebe Koalitionäre, denn es ist lediglich, auf Abschiebung für die drei Wintermonate zu verzichten. Sagen Sie mir bitte nicht, dass das nicht nötig wäre!
Ich nehme begrüßend zur Kenntnis, dass Bremen vergleichsweise wenig abschiebt. Bremen hat in diesem Jahr bis zum August ohne diejenigen mit Ausweisung 40 Menschen abgeschoben, davon aber 21, das heißt mehr als die Hälfte, in den drei Wintermonaten, und die meisten Abschiebungen gehen als Folge der Asylrechtsverschärfung in die Balkanstaaten. Dabei wird nicht einmal geprüft, welche Wohnsituation die Abgeschobenen erwartet. Das hat eine Vertreterin des Innenressorts in einer Anhörung zu einer gleichlautenden Petition im Petitionsausschuss gesagt. Ich kann Ihnen sagen, was die Abgeschobenen erwartet, zumindest die Roma: Teilweise leben die Familien auch mit Kindern bei Minusgraden in Bauruinen, das ist, was sie erwartet, und das sollten wir gemeinsam verhindern und einen gemeinsamen Beschluss fällen!
Ich weiß und nehme Ihnen vermutlich vorweg, dass Sie mir sagen werden, kein anderes Bundesland nutze diese rechtlichen Möglichkeiten, die weiterhin bestehen. Sie sind eingeschränkt, aber sie existieren. Auch diejenigen Bundesländer, in denen DIE LINKE mitregiert, machen das nicht. Das weiß ich, und das kritisieren wir auch in der LINKEN. Wir fordern auch diese Länder auf, genau das Gleiche zu tun, so wie wir es hier tun!
Thüringen hat eine Art Härtefallregelung, eine Winterregelung. Das ist weniger als der Winterabschiebestopp. Das macht es aber nicht falsch, das hier zu tun. Ergreifen Sie die rechtlichen Möglichkeiten, nutzen Sie sie! Das ist eine kurzfristige Sicherheit für die Betroffenen, denn es gibt die weitverbreitete Angst, dass die Menschen in solche tatsächlich existenzielle Gefährdungssituationen geraten, und die sollte man ihnen nehmen. Das ist aus unserer Sicht ein absolutes humanitäres Mindestmaß.
Darüber hinaus braucht es eine wirkungsvolle Bleiberechtsregelung. Ich hoffe, dass dieses Haus zu seinen Beschlüssen des Jahres 2010 steht und weiterhin Bleiberecht für verfolgte Minderheiten erteilen möchte. Es braucht einen neuen Anlauf für eine wirkungsvolle Bleiberechtsregelung, um vermehrte Kettenduldungen, zu denen wir wieder kommen, zu vermeiden. Es gibt vermehrt Kettenduldungen, und es gibt mittlerweile sogar den Status darunter, nämlich die Ketten-GüBs, die Grenzübertrittsbescheinigungen. Das ist kein Dauerzustand, da müssen wir heraus, am besten mit einer Bleiberechtsregelung. Fangen wir an mit einem Winterabschiebestopp! - Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus grüner Sicht ist es ein Gebot der Humanität, zumindest keine Familien mit Kindern, Frauen und ältere Menschen in den Wintermonaten in bestimmte Länder abzuschieben.
Minderheiten wie Sinti und Roma werden in einigen Balkanländern bewusst und systematisch ausgegrenzt. Hüttensiedlungen am Stadtrand ohne Wasser oder Elektrizität sind keine Seltenheit. Kindern wird der Zugang zu Bildung verwehrt, den Erwachsenen der Zugang zum Arbeitsmarkt. Der Zugang zum Gesundheitssystem ist schwierig bis unmöglich. Sie leben dort teilweise auf dem Müll und auch von dem Müll.
Nicht staatliche Verfolgung aus rassistischen Gründen wird zu oft bei der Bemessung der Entscheidung ausgeblendet. Wenn Betroffene auf vielfältige Weise gesellschaftlich diskriminiert werden, ist dies eben in Deutschland kein Asylgrund, anders
als in anderen europäischen Ländern. Wir haben diese Debatte in der Vergangenheit hier häufiger geführt, insbesondere bei der Frage der Balkanstaaten.
Abschiebungen in den Wintermonaten sind aber grundsätzlich in vielen Ländern eine besondere Herausforderung. Die Frage, wie die Menschen im Aufnahmeland aufgenommen werden können, ist dabei sicherlich wichtig. Die Praxis in Bremen ist nach unserem Informationsstand so, dass das Migrationsamt sehr sensibel mit dieser Fragestellung umgeht. Auch aus der Rückkehrberatung haben wir eher positive Signale erhalten. Diejenigen, die freiwillig ausreisen, haben offensichtlich Anschluss in ihrem Heimatland.
Was ist aber mit denjenigen, die keinen geplanten Weg in die Heimat antreten, weil sie eben diese vorhin geschilderten Zustände selbst erlebt haben? Natürlich kann man darauf verweisen, dass das Migrationsamt die besondere Härte berücksichtigen würde. Angesichts der psychischen Belastung für die Betroffenen wäre aber eine deutlichere Regelung sinnvoller. Es bleibt eine gewisse Unsicherheit, und dieser könnte man mit einem Abschiebestopp entgegentreten. Aus dieser Sicht fänden wir Grünen diese klare Regelung auch sinnvoll.
Wir müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, dass dies in der Koalition nicht die einheitliche Meinung ist, und werden daher den Antrag ablehnen. Unsere Bitte an den Senator für Inneres und das Migrationsamt ist daher, weiterhin sehr sensibel mit der Situation der Betroffenen umzugehen
und Abschiebungen in den Wintermonaten in bestimmte Länder weitestgehend zu vermeiden. - Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, das ist ein menschliches Thema. Ja, es ist richtig, in Europa findet weiterhin Verfolgung von Schutzsuchenden statt, und das ist zu kritisieren. Es ist die Aufgabe aller und insbesondere auch der Bundesregierung, sich für die Menschenrechte in den EU-Mitgliedsstaaten und
Die Fraktion DIE LINKE fordert zum wiederholten Mal den Winterabschiebestopp für alle Gruppen von Schutzsuchenden und insbesondere aus den Balkanstaaten. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE vermittelt den Eindruck, dass Bremen kein humanitäres Mindestmaß in Bezug auf die Schutzsuchenden erfüllt. Dass Bremen und Bremerhaven die Menschen in die Kälte abschieben, weise ich zurück!