Protocol of the Session on September 21, 2017

Leider lassen sich über die anderen Programme, zu denen es in der Antwort des Senats

Landtag 3906 50. Sitzung/21.09.17

Ausführungen gibt, keine so genauen Aussagen treffen, wie erfolgreich sie verlaufen und welche Projekte oder Maßnahmen in Bezug auf die Arbeitsmarktintegration von jungen Geflüchteten wirklich sinnvoll sind. Deswegen sind wir der Meinung, dass hier einmal von der Agentur für Arbeit kritisch evaluiert werden müsste, welche Programme wirklich hilfreich für junge Menschen sind.

(Beifall DIE LINKE)

Damit komme ich zu den bestehenden strukturellen Problemen. Zuallererst ist da meiner Meinung nach das Problem zu nennen, dass es kein Recht auf Schule nach Vollendung des 18. Lebensjahres gibt. Dieses Problem hat zwei Facetten. Erstens, wer nach seinem 18. Geburtstag nach Bremen kommt und noch keinen Schulabschluss mitbringt, der hat kein Recht, diesen noch einmal hier erwerben zu können. Es gibt in der Antwort schlicht diesen dünnen Hinweis auf die Erwachsenenschule, aber das war es dann auch schon. Zweitens, wer vor seinem 18. Geburtstag nach Bremen kommt, der darf über das Vorkurssystem seinen Schulabschluss machen, bekommt aber dann unter Umständen, wenn er dann über 18 Jahre alt ist, keinen Platz im schulischen Übergangssystem.

Die jetzt debattierte Antwort des Senats schweigt sich zu diesem Thema gründlich aus, aber die anderen beiden Antworten, die wir haben, besagen ganz deutlich, dass der zitierte Bildungsanspruch nach dem Bremischen Schulgesetz in der Praxis nichts wert ist, denn Jugendliche unter 18 Jahren werden bevorzugt in das schulische Übergangssystem aufgenommen, aber geflüchtete Jugendliche über 18 haben hier das Nachsehen und keine Möglichkeiten, wenn die Plätze schon besetzt sind. Deswegen finden wir, hier müssen die Kapazitäten so ausgebaut werden, dass der Bedarf gedeckt werden kann und man nicht an der magischen Grenze von 18 Jahren festhält.

(Beifall DIE LINKE)

Wir, DIE LINKE, lehnen zwar die Ausweitung der Schulpflicht ab, halten es aber für angebracht, über ein klares Recht auf Schule auch nach dem 18. Geburtstag nachzudenken. Bayern scheint da laut Antwort des Senats deutlich weiter zu sein. Wir finden, es macht keinen Sinn, das Recht auf Schule von der Volljährigkeit abhängig zu machen, denn wie auch Herr Dr. Güldner gerade eben in seiner Rede gesagt hat: Rein theoretisch kann ich zwar ohne Schulabschluss in eine Ausbildung gehen, in der Praxis gibt es aber keine Möglichkeit, no way! Bei dieser Ausbildungsplatzlücke, die wir in Bremen

haben, hat ein geflüchteter Jugendlicher ohne Schulabschluss gar keine Chance.

Das zweite strukturelle Problem ist der Spracherwerb. Der Senat weist an vielen Stellen darauf hin, wie wichtig eine gute Kenntnis der deutschen Sprache ist, um eine Arbeit, eine Ausbildung oder ein Studium aufzunehmen.

In der heute diskutierten Antwort steht, dass B1 das sprachliche Mindestniveau zur Ausbildungsaufnahme sei, in der Fragestunde im August hat der Senat sich so geäußert, dass eigentlich B2 das angemessene Niveau sein müsste. Für das Studium braucht man B2 oder eigentlich C1. Das Problem besteht hier aber darin, dass die Integrationskurse der Agentur für Arbeit nur bis zu dem Niveau A2 führen und das angeblich zur Arbeitsaufnahme ausreichen soll. Weitere Sprachkurse für B1, für B2 und für C1, werden oft nicht angeboten oder nicht finanziert. Diese Lücke ist den Akteurinnen und Akteuren in der Praxis schon lange bekannt und wird auch bemängelt, aber es passiert da gerade nichts. Wir finden, hier muss man endlich nachsteuern. Man muss diese Lücke füllen, um den jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, eine Ausbildung oder auch ein Studium aufzunehmen. Für uns ist auch klar, wenn die Bundesagentur dies nicht aus den Fördermitteln nach SGB II oder SGB III zahlt, dann muss Bremen hier selbst die Lücke schließen, denn nur so erhalten die jungen Geflüchteten die Förderungen und die Grundvoraussetzung, um dann eben in das Studium, die Einstiegsqualifizierung oder die Ausbildung zu gehen.

(Beifall DIE LINKE - Glocke)

Letzter Punkt, ich komme sofort zum Schluss! Ich finde, die Antwort des Senats macht noch einmal deutlich, dass es ein absolutes Wirrwarr von Verantwortung zwischen Arbeitsagentur, Jobcenter und Jugendberufsagentur gibt. Je nach Herkunftsland, Aufenthaltsstatus oder Alter ist eine andere Stelle zuständig, und da frage ich mich, was diese Jugendberufsagentur eigentlich soll, wenn sie zu keiner Vereinheitlichung führt, sondern eher eine weitere dritte Stelle schafft. - Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, junge Menschen sind nach Deutschland geflüchtet. Neben der Flucht vor Krieg und Terror sind viele hier auch mit dem Ziel hergekommen, sich ein eigenes

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neues und erfülltes Leben aufzubauen. Zu einem Leben, das sinnstiftend und erfüllend ist, gehört natürlich auch vor allem eine Arbeit beziehungsweise zunächst eine gute Ausbildung.

(Beifall FDP)

Für mich waren die Antworten des Senats auf die Große Anfrage der Koalition in dem Fall ganz spannend, denn die Antworten zeigen, dass Bremen sehr bemüht ist, ein großes Angebot zu schaffen und, was mich auch freut, verschiedene Partner mit in das Boot zu holen. Es stellt sich das Gefühl ein, dass wir theoretisch zumindest ganz gut aufgestellt sind, denn für eine erfolgreiche Integration braucht es eben die Sprache und einen Job, aber genau da ist auch offensichtlich der Haken.

In vielen Teilen der Antworten bezieht sich der Senat immer wieder auf die Herausforderung des Deutschlernens, denn sofern die deutsche Sprache, sei es auf dem Level B1 oder auf einem höheren Level, von den Flüchtlingen nicht beherrscht werde, so bestehe auch nur wenig Chance auf Erfolg. Ich muss sagen, es ist natürlich logisch, denn insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen geht es ohne deutsche Sprache oft überhaupt nicht. Auch um zu lernen und zu verstehen, was in der Berufsschule unterrichtet wird, braucht man auf jeden Fall ein gutes Sprachniveau. Ich wünsche mir, dass dafür noch mehr Geld in die Hand genommen würde, denn zuerst brauchen wir kleinere Klassen, die auch vom Niveaus und den Eigenschaften der Schüler her homogener sind.

Was uns ebenfalls nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, dass offensichtlich unsere duale Ausbildung unter den Flüchtlingen nicht so bekannt ist, geschweige denn anerkannt. Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, dass sich das möglichst schnell ändert, denn es muss nicht auch noch jeder Flüchtling ein Studium absolvieren, sondern wir sollten endlich wieder für unseren Exportschlager und unseren Erfolgsgaranten und somit für die duale Ausbildung werben, nämlich für unsere geringe Jugendarbeitslosigkeit

(Beifall FDP)

In der Summe liest sich das Vorgehen, und was es für Anstrengungen gibt, um Geflüchtete in Bildungseinrichtungen beziehungsweise in Arbeit zu bekommen, aber recht gut. Meine Sorge ist nur, dass wir viele auf diesem Weg verlieren oder gar nicht erst erreichen, gerade auch, wenn ich daran denke, wie viele Frauen oft überhaupt keinen Zugang zur Sprache bekommen, weil das von Männern auch manchmal blockiert wird. Ich glaube, da sollten wir mehr

machen. Allein die Tatsache, dass beim Wirtschaftssenator nur zwei Mitarbeiter eingestellt wurden, um Flüchtlinge aufzusuchen, die sich nicht freiwillig melden, stimmt mich tatsächlich nachdenklich, denn das darf nicht passieren, und das darf auch nicht sein.

Es würde mich übrigens auch interessieren, wie es dann in der Praxis aussehen soll, diese Menschen zu motivieren, jetzt einmal etwas aufzunehmen. Das stelle ich mir, ehrlich gesagt, sehr, sehr schwer vor. Wir dürfen dieses junge Potenzial nicht verlieren, sondern sollten alles tun, um auch hier eine gute Ausbildung zu ermöglichen, denn nur dann gehören auch sie zu den Fachkräften von morgen, die wir so sehr brauchen. - Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Dr. Bogedan.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fange einmal mit einem persönlichen Erlebnis an, das ich in der vorletzten Woche hatte. Wir haben die neuen Stipendiaten der START-Stiftung begrüßt. Die START-Stiftung hat ihr Programm neu auf derzeit zugewanderte Jugendliche ausgerichtet, also diejenigen, um die es hier geht. Wir konnten hier in Bremen elf junge Leute begrüßen, die jetzt in dieses Stipendienprogramm aufgenommen werden, junge Menschen, die noch nicht länger als drei Jahre in Deutschland, hier in Bremen bei uns leben, und die in der Lage waren, sich nicht nur fließend zu präsentieren, sondern auch auf dem schulischen Niveau ganz oben mitzuhalten. Das heißt also, wir haben eine große Verantwortung mit den Jugendlichen übernommen.

Wir haben aber auch in den vergangenen Jahren schon eine ganze Menge geleistet, das möchte ich an der Stelle noch einmal betonen: Wir haben als Größenordnung in etwa eine neue große Berufsschule an Jugendlichen hier im Land Bremen aufgenommen und haben diese in Sprachförderklassen und im Anschluss daran in einem zweiten Jahr in Berufsorientierungsklassen, bei denen es weiter um zusätzliche Sprachförderungen geht, auf die Aufnahme vorbereitet. Wir haben es eben schon gehört: Am Ende des letzten Schuljahres gab es gute Nachrichten zu vermelden, von den 299 spät Zugewanderten, die sich zu dem einfachen, erweiterten oder mittleren Schulabschluss gemeldet haben, haben 265 die Prüfung bestanden, und das sind 88,62 Prozent.

(Beifall SPD)

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Das zeigt, es sind junge Menschen, die wollen etwas, die wollen weiterkommen. Mit diesem Pfund müssen wir weiterarbeiten. Die Große Anfrage macht deutlich, das ist keine banale Aufgabe. Sie haben es gesagt, gegen Ende des laufenden Schuljahres werden wir in etwa 900 spät zugewanderte junge Menschen haben, die wir in den Arbeitsmarkt integrieren wollen. Das ist eine große Herausforderung für das gesamte Berufsausbildungssystem, denn es ist richtig analysiert worden, dass Sprache der Schlüssel ist, aber Sprache ist im Moment auch noch das größte Hemmnis.

Auch noch einmal an Frau Grönert: Die Abschlüsse sind absolut gleichwertig. Die jungen Menschen verfügen allerdings über das Hemmnis, dass ihre Sprachkompetenzen eben tatsächlich noch nicht auf dem Niveau sind. Die meisten von diesen jungen Menschen erreichen aber das B1-Niveau. Ich war in der letzten Woche erst an den Schulen und habe mit den jungen Menschen diskutiert. Ich lade Sie auch gern noch einmal ein, dass wir uns das gemeinsam anschauen. Auf jeden Fall sehen wir, dass am Ende dieses zweiten Jahres eine nicht unerhebliche Gruppe dieses Sprachniveau erreicht. Ich glaube, das ist eine gute Ausgangsbasis, um mit diesen jungen Menschen weiterzuarbeiten, das wurde auch am Ende des letzten Schuljahres deutlich.

Die Instrumente, die wir geschaffen haben, gilt es jetzt quantitativ auszubauen, das, was sich bewährt hat, fortzusetzen, und dazu gehört die Bremer Vereinbarung. Wir haben als Instrument die Bremer Vereinbarung, in denen sich Wirtschaft, BA, Jobcenter und die senatorischen Behörden verpflichtet haben, gemeinsam dazu beizutragen, dass ausreichend Ausbildungsplätze geschaffen werden und wir uns zusammen engagieren, die Jugendlichen und diese Ausbildungsplätze zusammenzuführen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben eine Jugendberufsagentur, und diese ist nicht geschaffen worden, um ein einheitliches Arbeitsförderungsinstrument auf Landesebene zu etablieren - das wäre ja völliger Quatsch! -, sondern die Jugendberufsagentur ist dafür gedacht, die Instrumente an einer Stelle zusammenzuführen, und genau das tut sie. Sie wird diese Aufgaben bündeln.

Ich habe jetzt verstanden, dass wir bei den Pfaden transparenter sein müssen, denn den Jugendlichen steht eine ganze Reihe von Pfaden offen. Ich will es hier noch einmal gern wiederholen: Wir haben die Erwachsenenschule für Jugendliche, die über 18 Jahre alt sind und die Potenziale haben, sich über den erweiterten

Schulabschluss oder die einfache Berufsbildungsreife hinaus auf den Weg zu machen, den mittleren Schulabschluss zu erreichen. Diese jungen Menschen sollen ermuntert werden, in die Erwachsenenschule einzumünden.

Natürlich ist es klar, dass wir zusätzliche Plätze benötigen, aber das Instrument ist nicht für alle Jugendlichen geeignet. Wir werden nämlich auch eine Gruppe von Geringqualifizierten haben, die bislang wenig vorschulische Erfahrungen hatten und zum Teil als Analphabeten zu uns gekommen sind. Für diese wird auch ein drittes Schuljahr oder auch die Möglichkeit, auf der Erwachsenenschule einen MSA zu erreichen, nichts bringen, weil sie gar nicht die Potenziale haben, um daran anzuknüpfen. Für diese jungen Menschen werden wir Angebote im Sinne von Beschäftigungsförderungen schaffen müssen, die sie an dieser Stelle unterstützen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als dritte eben schon angesprochene Gruppe haben wir die ganz besonders gut Qualifizierten, die jetzt schon deutlich gemacht haben, welche Potenziale sie aufweisen. Für sie haben wir die Ordnungsmittel geschaffen, damit sie in die Gymnasiale Oberstufe weitergehen können und von da aus dann auch selbstverständlich ihren Weg an die Universitäten finden sollen. Es ist auch klar, dass wir junge Menschen haben werden, für die es wichtig sein wird, auch noch einmal im Anschluss an die zwei Jahre Berufsorientierung ein drittes Schuljahr zu durchlaufen, das ist eben auch eine Möglichkeit.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss! Das Premiumangebot, das möchte ich abschließend noch sagen dürfen, ist eine Begleitung über die Einstiegsqualifizierung und das Ausbildungs- und Fortbildungszentrum. Da haben sich der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, die Senatorin für Finanzen und meine Wenigkeit aufgemacht, und wir werden auch an dieser Stelle natürlich das Programm quantitativ ausweiten, um mehr Jugendlichen eine Chance zu geben, an diesem hochwertigen Angebot teilzunehmen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Landtag 3909 50. Sitzung/21.09.17

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Mitteilung des Senats, Drucksache 19/1140, auf die Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD Kenntnis.

Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Organisation eines gemeinsamen Akkreditierungssystems zur Qualitätssicherung in Studium und Lehre an deutschen Hochschulen Mitteilung des Senats vom 29. August 2017 (Drucksache 19/1212) 1. Lesung 2. Lesung

Wir kommen zur ersten Lesung.