Protocol of the Session on September 21, 2017

Wenn man hier hört, wie toll die Bundesregierung war, dass sie jetzt die Länder entlastet hat: Ja, das war toll, aber das war keine soziale Tat, das hat keinem Studenten geholfen, das hat die Länder entlastet und Geld für Bildung an anderer Stelle freigesetzt.

(Beifall FDP, BIW)

Insofern nichts Soziales, aber gut, im Rahmen des Länderfinanzausgleichs - tolle Nummer! - waren wir dabei.

Bürokratie abzubauen, das Ganze online zu machen, weniger Bürokratie, Frau Müller: Genau das Richtige, genau das, was wir uns als Freie Demokraten auch wünschen, weil es einfach so sein muss! Ich bleibe dabei, wir müssen schauen, wie wir das verbreitern, wie wir es auf einen wirklichen Bedarf anheben können, aber 1 050 Euro ohne einen Darlehensanteil, sei er auch zinslos, können wir uns nicht vorstellen. Das ist ungerecht gegenüber vielen anderen, die in ihrer Ausbildung dadurch weitaus weniger bekommen, dass sie auch für Ausbildungen - Logopäden, Ergotherapeuten habe ich genannt - noch Gebühren zahlen müssen. Das ist ungerecht, insofern hält es nicht Maß und Mitte, und das brauchen wir in unserer Gesellschaft auch!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Strunge das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal die Chance nutzen, um über die Grundprobleme des geltenden BAföG zu sprechen.

Der erste Punkt ist, das BAföG ist nicht bedarfsdeckend. Kollegin Müller hat davon gesprochen, dass auch sie sich für ein bedarfsgerechtes BAföG einsetzt. Sie hat uns dann aber leider verschwiegen, um welche Höhe es sich genau handelt. Das würde mich noch einmal interessieren.

(Abg. Frau Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: 800 Euro!)

Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist, dass es nicht an die Inflation angeglichen wird. Jahrelang findet keine Erhöhung statt, und dann wird eine Erhöhung vorgenommen, die allerdings nicht einmal die Inflationsrate ausgleicht. Das heißt, wir haben einen zu niedrigen Betrag. Dieser zu niedrige Betrag wird nicht oder nur unzureichend an die Inflationsrate angepasst.

Ein anderes großes Problem ist, dass die Steuerfreibeträge nicht an die Bruttoeinkommensentwicklung angepasst werden. Das klingt kompliziert, ist aber wichtig. Das bedeutet Folgendes: Wenn das Bruttoeinkommen meiner Eltern um 1,5 Prozent steigt und dadurch die Einkommensgrenze des BAföG überschritten wird, dann bekomme ich kein BAföG mehr. Das hat zwischen 2013 und 2015 90 000 Studierende betroffen. Sie haben keine BAföG-Förderung mehr erhalten. Das kann uns doch nicht kaltlassen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Regelstudienzeit ist selbstverständlich ein weiteres Problem. Wenn man sich anschaut, wie lange Studierende im Durchschnitt studieren, dann überschreiten sie die Regelstudienzeit um zwei Semester. Was bedeutet das in der Praxis? Das bedeutet in der Praxis, dass in der Studienendphase das BAföG wegfällt. Das bedeutet in der Praxis, dass ich in der Studienendphase meinen Lebensunterhalt komplett selbst bestreiten muss und sich dadurch das Studium noch weiter hinauszögert oder dass es im Zweifel auch nicht abgeschlossen wird. Das ist ein weiteres großes Problem.

Landtag 3886 50. Sitzung/21.09.17

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte noch einmal etwas zur FDP sagen! Wir haben darüber gesprochen, dass 40 Prozent der Studierenden, die BAföG beziehen, einen Vollzuschuss erhalten. Genau bei denen wollen Sie etwas wegnehmen.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Wir wollen ihnen nichts wegnehmen! Ich weiß nicht, wie Sie da- rauf kommen, dass wir ihnen etwas wegneh- men wollen!)

Sie wollen, dass sie nach dem Studium 4 000 Euro mehr Schulden haben als nach dem jetzigen Modell. Gerade bei Studierenden, die aus ärmeren Elternhäusern kommen, ist die Angst vor der Verschuldung viel größer als bei denjenigen, die Rückendeckung haben und wissen, im Zweifel zahlt es Papi. Deswegen ist genau das der Fehler. Das wollen wir nicht, und das lehnen wir ab.

(Beifall DIE LINKE)

Die augenblickliche Regelung, dass das BAföG-Darlehen - die Darlehensregelung finden wir falsch - zinslos gewährt wird, ist eine gute Sache. Ich verstehe nicht, dass Sie jetzt eine zinsgünstige Variante vorschlagen. Wo liegt der Vorteil für die Studierenden? Ich sehe ihn nicht! Ich sehe deswegen auch ganz klar, das ist ein Vorteil für die Banken, denn wenn die Studierenden, die jetzt alle - -.

(Zuruf Professor Dr. Hilz [FDP])

So interpretiert man aber Ihren Antrag, in dem nur „zinsgünstiges Darlehen“ steht. Ich frage mich doch, woher ich ein zinsgünstiges Darlehen bekomme, und die Antwort ist: Normalerweise bei der Bank meines Vertrauens!

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Hören Sie ein- mal zu, was Herr Dr. Buhlert gesagt hat!)

Deswegen wirkt dieser Antrag wie ein Wahlkampfgeschenk an die Banken und nicht an die Studierenden.

Damit kann ich, glaube ich, schließen. Ich sage Ihnen, Augen auf bei der FDP! Für soziale Gerechtigkeit sind wir verantwortlich.

(Lachen CDU)

Ich bitte Sie, stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall DIE LINKE - Unruhe)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

(Abg. Senkal [SPD]: Arno, erzähle jetzt einmal, was soziale Gerechtigkeit ist!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch etwas zu drei Punkten sagen.

Erster Punkt! Herr Buhlert, ja, ich glaube, dass es eine große Dunkelziffer jugendlicher Menschen gibt, die sich nicht zutrauen zu studieren, weil sie Angst davor haben, dass sie mit den Finanzen nicht auskommen oder dass sie sich verschulden müssen. Nimmt man das genau in den Blick, dann muss man erkennen, dass die jetzigen BAföG-Sätze zu niedrig sind. Sie sind deshalb abschreckend! Der eigentliche Ansatz kann nur sein, dass man erst einmal zu kosten- und ausgabendeckende BAföG-Sätzen kommt, wenn man dieses Hemmnis abbauen will.

Zweiter Punkt! Es ist vielleicht auch einmal ganz interessant, sich ein paar Zahlen anzuschauen. Im Moment ist es ja so, dass der Bund für BAföG für Studierende 2,1 Milliarden Euro ausgibt. Die Vorschläge der FDP summieren sich schon einmal auf 17 Milliarden Euro, die der LINKEN auf circa 36 Milliarden Euro. Das sind enorme Sprünge.

Jetzt muss man sich einmal fragen, welche Verteilungswirkung entsteht, wenn plötzlich eine ganze Menge Studierende zu berücksichtigen sind, die offensichtlich gar nicht in den Bedarf hineinfallen? Herr Dr. Buhlert, ich werde den Verdacht nicht los, dass Sie uns hier etwas verkaufen wollen, das ich einmal so zusammenfassend formulieren möchte: Wenn man mit den Steuerentlastungen für die Besserverdienenden nicht weiterkommt, dann entlastet man sie auf der Ausgabenseite. Man kommt dann zum gleichen Effekt. Das ist der Punkt, den ich bei Ihnen sehen würde.

Nun zu den Kollegen von der LINKEN! Wir haben gestern - Herr Rupp wird das bestätigen können - intensiv debattiert, wie wir Mehreinnahmen auch von den begüterten Teilen dieser Gesellschaft generieren können. Wir alle wissen, dass wir dort noch keinen Schritt vorangekommen sind. Jetzt stellen Sie einen Antrag, mit dem Sie einen erheblichen Teil der Begüterten auf der Ausgabenseite entlasten wollen. Ist das wirklich so schlau?

(Beifall SPD)

Müssen wir nicht darüber nachdenken, wenn wir schon bereit sind, 15 Milliarden oder 35 Milliarden Euro für Studierende auszugeben, um für mehr soziale Gerechtigkeit in diesem Lande zu sorgen, dass wir diese Gelder anders einsetzen, als einem großen Teil von Leuten, die nicht

Landtag 3887 50. Sitzung/21.09.17

bedürftig sind, auch noch zusätzliches Geld zur Verfügung zu stellen, damit das, was die Familien sparen, auf die hohe Kante gelegt werden kann? Das kann es doch bitte schön nicht sein!

(Beifall SPD)

Wir müssen dort vorankommen, und wir müssen es konzentrieren. Eines ist doch klar: Wir alle beklagen, dass im Moment der Anteil derjenigen, die aus den unteren Einkommensschichten studieren, immer noch viel zu niedrig ist. Wir beklagen, dass die Abhängigkeit vom Geldbeutel der Eltern viel zu groß ist. Viel zu spät sehen wir die soziale Ungerechtigkeit im Studium, wenn immer noch überwiegend die Kinder aus den oberen Schichten studieren, und die wollen Sie dann auch noch mit Geld zusätzlich bedienen? Nein, liebe Genossinnen und Genossen,

(Heiterkeit)

von den LINKEN, um das einmal zu sagen, so kann es auch nicht gehen! Ich würde einmal darüber nachdenken! - Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Müller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe gedacht, dass ich mit einer Rede auskomme. Ich bin vor allem ein bisschen darüber irritiert, dass offenbar hier im Raum fraglich ist, warum es ein elternunabhängiges BAföG geben sollte, vor allem, warum es wahrscheinlich notwendig sein könnte - und das haben ja zumindest drei Parteien eingesehen -, dass junge Menschen ein Anrecht auf BAföG haben, ohne die Situation ihrer Eltern offenlegen zu müssen.

Ich will es deswegen noch einmal darlegen. Ich bin nicht mehr ganz so nahe an den Studierenden. Ich habe auch nie BAföG bezogen, weil ich das Beibringen der umfangreichen Unterlagen immer als unfassbaren Aufwand angesehen habe. Ich habe deshalb lieber gearbeitet. Von den Studierenden weiß man doch, welche Leistungen sie erbringen müssen, und warum es deshalb so notwendig ist, die Bezugszielgruppe für BAföG zu erweitern. Nur 23 von 100 Studierenden kommen aus Elternhäusern - wenn ich es einmal so ausdrücken darf - die keine Bücherregale zu Hause haben, und sie haben schon gar kein Geld auf dem Konto, um das Studium für ihre Kinder zu finanzieren; 23 Studierende! Wir sollten uns doch eigentlich alle darin einig sein, dass wir diese Zahl erhöhen wollen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben viele Studierende, ja, sehr viel mehr als in den Siebzigerjahren, aber aus Arbeiterfamilien oder anderen bildungsferneren Elternhäusern sind es definitiv immer noch zu wenig. Wir haben in Bremen einen unglaublich tollen Verein, er heißt, ArbeiterKind.de.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)