Protocol of the Session on August 24, 2017

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Strunge.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Koalition hat eine Große Anfrage zum Thema Entwicklung der Bologna-Reform an den Hochschulen an den Senat gerichtet. 1999 wurde die Erklärung von damals 29 Staaten unterschrieben, die sich zu einer Vereinheitlichung der Studienabschlüsse verpflichteten.

In Deutschland, aber auch in anderen Ländern gab es damals durchaus Kritik. Studierende, Lehrende und auch Linke hatten und haben Kritik an der neuen Struktur der Studiengänge. Da wären zum einen die stärkere Verschulung der Lehrinhalte, zum anderen wesentlich mehr Prüfungen und teilweise unrealistische Annahmen bei der Arbeitsbelastung, dem sogenannten Workload, mit dem Studierende jetzt umgehen müssen, sowie eine Mär über die auf den Wettbewerb zwischen den Hochschulstandorten ausgerichtete Zielsetzung der Reform, das vorweg! Ganz konkret möchte ich heute aber auf zwei Punkte der Anfrage eingehen, die für die Studierenden besonders wichtig sind und bei denen wir auch konkreten Verbesserungsbedarf sehen.

Der erste Punkt bezieht sich auf das ERASMUSProgramm. Die Freude ist in der Regel erst einmal groß, wenn man einen Platz im ERASMUSProgramm hat. Vorher spricht man sich mit den Professoren ab, verabschiedet ein sogenanntes Learning Agreement, in dem genau festgelegt ist, welches Studienfach ich im Ausland belege und wie viele sogenannte Credit Points, also Anerkennungspunkte für meine Leistungen, ich dann im Ausland bekomme.

Dann bin ich im Ausland, und bei mir war es zum Beispiel so: Es gab teilweise die Fächer gar nicht, die vorher auf der Internetseite groß angekündigt waren. Dann wird es auf einmal schwierig, dann muss man nämlich, wenn man gerade im Ausland ist, eine Wohnung sucht, die neue Sprache lernt und versucht, sich in der neuen Hochschule zurechtzufinden, neue Studienfächer finden,

schauen, wie passgenau sie sind, und darauf hoffen, dass doch der Professor oder die Professorin so kulant ist und auch das als Studienleistung anerkennt. Wenn es zusätzlich noch dazu kommt, dass man an einer polnischen Universität ein anderes System mit fünf, zehn und 15 Credit Points hat und nicht mit drei, sechs und neun Credit Points, dann wird es richtig kompliziert.

Wir glauben, hier gibt es deutlichen Nachsteuerungsbedarf, hier kann man sich dafür einsetzen, dass die Anerkennungsverfahren deutlich verbessert werden, damit die Studierenden die Garantie haben, dass, wenn sie ins Ausland gehen und dort Prüfungsleistungen ablegen, diese dann am Ende auch anerkannt werden und nicht die Problematik entsteht, dass man in diesem engen System, wie es Frau Müller schon angesprochen hat, versuchen muss, noch nachträglich Studienleistungen zu erbringen, weil die im Ausland erbrachten Leistungen nicht anerkannt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Zum Thema Mobilität gibt es in der Antwort auf die Große Anfrage auch ganz interessante Daten. Frau Müller hat es bereits angesprochen, im Wintersemester 2015/2016 gab es an der Universität Bremen 345 Studierende, die ins Ausland gegangen sind. Wenn man sich dazu die Fächerkombinationen ansieht, dann sieht man eben, dass das deutlich in den Fächern der Fall ist, in denen Sprachen studiert werden, oder in den Gesellschaftswissenschaften. In anderen Fächern ist der Ausbaubedarf wahrscheinlich noch wesentlich größer.

Wir denken, hier kann man eigentlich mehr dafür tun, dass die internationale Mobilität dann eben auch von den Studierenden angenommen wird. Deswegen müssen wir uns hier schon die Frage stellen, wie sich das noch weiter aufbauen lässt, welche Hürden hier, zum Beispiel Finanzierungshürden, zum Beispiel Anerkennungshürden, abgebaut werden müssen, damit das ERASMUSSystem auch noch von mehr jungen Menschen erfolgreich genutzt werden kann.

(Beifall DIE LINKE)

Der zweite Punkt bei der Bologna-Reform bezieht sich auf die Umstellung der Studienabschlüsse, das Bachelor- und Mastersystem. Genau hier stellt sich die Frage, welcher Abschluss denn eigentlich der Regelabschluss sein sollte. DIE LINKE ist der Meinung, dass für die meisten Studierenden der Masterabschluss sinnvoll ist. Das kann aber nur funktionieren, wenn an den Universitäten dann auch die entsprechenden Masterplätze vorgehalten werden, damit ich, wenn ich mein Bachelorstudium beginne, auch weiß, dass ich, wenn ich mein Bachelorstudium abschließe,

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danach auch meinen Masterabschluss erwerben und so einen wirklich qualifizierten Abschluss machen kann.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben aber gerade das Problem, dass es ziemlich viele Zulassungshürden gibt, die die Möglichkeit, einen Masterstudienplatz dann auch anzunehmen, beschränken. Da sehen wir an der Universität Bremen, dass die Zulassungshürden wesentlich höher sind als im Bundesdurchschnitt. In der Antwort auf die Große Anfrage steht nämlich, dass über 50 Prozent der Masterstudiengänge an der Universität Bremen zulassungsbeschränkt sind. Im Bundesdurchschnitt sind es auch immerhin noch 23 Prozent, aber an der Universität Bremen sind es doppelt so viele.

Zusätzlich gibt es noch weitere Hürden, die in der Antwort auf die Anfrage so gar nicht aufgeführt sind, aber es gibt die Situation, dass bestimmte Masterstudiengänge ganz bestimmte Prüfungsleistungen im Bachelor voraussetzen. Wenn ich zum Beispiel 27 sogenannte Credit Points in Statistik nicht habe, kann ich einen bestimmten Masterstudiengang nicht belegen. Die Konsequenz ist hier, dass oft andere Studierende aus anderen Bundesländern große Schwierigkeiten haben, die Masterplätze in Bremen anzuwählen, weil sie eben nicht in dieses spezielle System hineinpassen und vielleicht nur 20 Punkte statt 27 Punkten in Statistik haben.

(Glocke)

Ist die Zeit schon vorbei? Das ist aber schade! Dann komme ich langsam zum Schluss.

(Zuruf: Nicht langsam!)

Sechs Minuten, sehr geehrte Frau Kollegin!

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident! Wir wollen die Mobilität ermöglichen, einerseits im europäischen Raum, aber andererseits auch im deutschen Raum von der einen Universität zur anderen und auch vom Bachelorsystem ins Mastersystem. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass die Zulassungsbeschränkungen und die Zugangshürden abgebaut werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie

mich noch ein paar kleine Aspekte zu den bisherigen Debattenbeiträgen hinzufügen. Ich glaube, die Debatten, die man mit einigen älteren Semestern, sprich emeritierten Professoren und so weiter, führt, sind Debatten der Vergangenheit. Ich glaube, das System ist so weit umgesetzt, dass es ein Zurück nicht mehr geben wird. Es ist auch nicht mehr sinnvoll, und wir sollten solche Diskussionen und Gedanken aufgeben.

(Beifall FDP)

Ich kenne sie auch aus meinem eigenen Bereich. Wie viele Menschen trauern dem Diplom-Ingenieur nach, der ein guter deutscher Titel und sehr anerkannt gewesen ist. Trotzdem hat sich die Umstellung bewährt. Es gibt viele gute Bachelors of Engineering und Masters of Engineering, die sich sehen lassen können und mittlerweile ihre Leistung an vielen Stellen in der Wirtschaft zeigen. Insofern hat sich das etwas gewandelt, auch wenn es schade ist, wenn ein Fachetikett aufgegeben wird.

Wenn wir das sehen, dann müssen wir doch überlegen: Was ist entstanden? Wir haben Hochschulen, die es vollständig umgesetzt haben. Sie sind dafür zu loben. Sie sind so weit, dass sie, wie die Universität, eine Systemakkreditierung erreichen konnten. Was heißt das? Sie müssen nicht mehr jeden einzelnen Studiengang akkreditieren lassen, sondern sie sind für wert befunden worden, selbst entscheiden zu dürfen, welchen Studiengang sie einrichten wollen. Ich finde es richtig, dass die Universität die Systemakkreditierung erreicht hat. Sie ist dazu eigentlich auch nur zu beglückwünschen, weil dies natürlich am Ende des Tages vieles vereinfacht.

Wer spricht sich nicht für mehr Internationalität bei den Studiengängen aus? Die Studenten machen dann so spannende Lebenserfahrungen wie Frau Strunge, andere machen andere Erfahrungen. Es ist doch allen zu wünschen, Erfahrungen im Ausland machen zu können. Wenn es dann nicht so ist, Frau Müller, wie Sie gesagt haben, dass sich der Senat freut, wenn die Studenten nach dem Bachelorstudium weggehen, sondern wenn wir uns alle freuen, wenn die Studenten nach ihrem Bachelorstudium von irgendwo aus Europa oder aus Deutschland nach Bremen kommen, um hier einen Arbeitsplatz zu finden und zu bleiben, dann haben wir doch das Beste aus dem System gemacht. - Herzlichen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

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Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Umstellung der alten Diplom- und Magisterstudiengänge auf das neue Bachelor- und Mastersystem ist eine große Herausforderung gewesen, das haben meine Vorrednerinnen und -redner betont. Wir können uns alle umso mehr freuen, dass die Umstellung den Bremer Hochschulen sehr erfolgreich gelungen ist. Dazu gehört, dass die Akkreditierung - wir haben es aus der Antwort des Senats erfahren - bei ausnahmslos allen Studiengängen, die umgestellt wurden, gelungen ist. Das ist sicherlich ein Detail, das noch einmal auf die gute Arbeit der Hochschulen hinweist. Herr Buhlert hat es angesprochen: Dass gerade die Bremer Hochschulen bei der Systemakkreditierung Vorreiter sind, zeigt, dass sie hier ihre Arbeit gut gemacht haben, und es ist gleichzeitig ein Qualitätsausweis. Das können wir hier nur anerkennen.

(Beifall SPD, FDP)

Es gibt weitere Details, die mich sehr freuen. Frau Grobien hat auf die Passgenauigkeit bei den Übergängen hingewiesen. Ich glaube, es ist uns hier in Bremen die Passgenauigkeit des Übergangs zum öffentlichen Dienst sehr gut gelungen. Es ist uns gelungen, die Verbindungen herzustellen. Damit haben wir bei der Umstellung auch der Abnehmerseite politisch die notwendige Flankierung gegeben.

Ich habe mich in der Tat - und das haben fast alle angesprochen - über die Mobilitätszahlen gewundert. Wenn man sich die Zahlen anschaut und sie auch einmal mit den bundesweiten Zahlen vergleicht, dann kann man feststellen, ja, die Mobilität liegt in Bremen über dem Durchschnitt. Der Durchschnitt liegt bundesweit bei 1,1 Prozent aller Studierenden, und in Bremen liegen wir bei der Universität bei 1,5 bis 1,8 Prozent aller Studierenden, die ein Semester im Ausland verbringen. Ich muss sagen, das ist aus meiner Sicht ein überraschend geringer Anteil.

Wenn ich mir dann noch vorstelle, dass darunter auch Studenten sind, die in einzelnen Fächern pflichtgemäß in das Ausland gehen müssen, dann scheint der Anreiz, freiwillig in das Ausland zu gehen, doch nicht so groß zu sein beziehungsweise scheinen umgekehrt die Hürden einfach zu hoch zu sein. Frau Grobien, ich sehe es anders als Sie, denn ich glaube nicht, dass wir nichts daran ändern können und das nur eine Mentalitätssache bei den Studentinnen und Studenten ist. Ich glaube, Frau Strunge liegt sehr viel näher an der Realität. Wir müssen uns wirklich bei den Auslandssemestern mit den Fragen der Passgenauigkeit und des Abbaus von Hemmnissen beschäftigen.

Wir müssen uns vor allen Dingen natürlich mit der finanziellen Seite beschäftigen.

Ich denke, wenn man sich die Zahlen anschaut - im vierten, fünften Semester wird das gemacht - und darüber hinaus die Nutzung in diesem Bereich, in dem es ja finanziell dann auch bedeutsam wird, dann scheint es dort zu mangeln. Ich nehme das hier auch einmal als Signal auf, dass wir uns vielleicht alle einmal zusammen genauer mit der Frage befassen, was eigentlich von der finanziellen Seite her unternommen werden müsste. Wenn man gerade für den europäischen Bereich einen Anspruch formuliert hat, dann kann es nicht das Ende der Fahnenstange sein, dass 1,5 Prozent der Studenten einmal ein Semester im Ausland verbringen. Das ist, glaube ich, immer noch eine Anfangsgrößenordnung, die wir toppen müssen.

(Beifall SPD)

Zuletzt noch der Hinweis - es ist bereits von Frau Müller angesprochen worden -, dass wir uns die Optionen des Übergangs vom Bachelor zum Master noch einmal eingehend anschauen müssen! Wir stehen in den nächsten Jahren vor der Herausforderung, die Finanzkraft Bremens stärken zu müssen. Wir haben es bereits gestern angesprochen: Eine der ganz wesentlichen Herausforderungen besteht darin, dass wir mehr Köpfe in die Stadt bekommen, dass wir sie anziehen und halten. Wenn die Masterstudiengänge bundesweit nur zu einem Viertel beschränkt sind, bei uns aber praktisch fast zur Hälfte, dann müssen wir schauen, ob wir es eigentlich so belassen können. Vielleicht sagen wir auch, wie es Herr Buhlert getan hat, na ja, dann sollen auch andere von außen kommen.

Ich denke, wir sollten gemeinsam hinschauen, denn es ist in unserer aller Interesse, dass wir hier Talente halten, denn Bremen braucht sie, kann sie gut gebrauchen, und dafür sollten wir auch etwas tun. - Danke!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Professor Dr. QuanteBrandt.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist doch schön, dass wir über unser Wissenschaftssystem gemeinsam in einer so großen Einigkeit diskutieren können und vor allem feststellen, wir haben im Land Bremen ein hervorragendes Wissenschaftssystem, auf das wir alle gleichermaßen sehr stolz sein kön

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nen. Ich glaube, alle haben sehr daran mitgewirkt, dass wir dieses Wissenschaftssystem so aufgestellt haben.

Wir diskutieren heute über den Bologna-Prozess, und eines einmal vorweg: Es ist ein Prozess, der nicht mehr umkehrbar ist. Ich glaube, es gibt auch kaum noch jemanden, der den Prozess wirklich umkehren möchte, außer dass man findet, dass früher mehr freie Zeit zum Denken gewesen ist. Das ist, finde ich, schon auch ein Aspekt, der jedenfalls sehr, sehr gewichtig ist. Mit diesem gewichtigen Aspekt muss man sich natürlich auseinandersetzen, wenn man darüber spricht, wie wir Studiengänge zu entrümpeln haben. Es ist ja nicht immer die Frage, ob man länger Zeit hat, sondern ob man in der komprimierteren Zeit, in der man studiert, auch freie Zeit zum Denken, für ein Projektstudium und so weiter hat. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt. In Bremen hat genau dieser Prozess der Entrümpelung begonnen, weil unsere Hochschulen dazu auch aufgefordert worden sind. Das heißt, es gibt weniger Prüfungen, weniger Klausuren und mehr Arbeit in Seminaren und Arbeitsgruppen. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt.

Sie haben auch schon die positiven Punkte angesprochen. Ja, die Universität Bremen gehört zu den 56 Hochschulen im Bundesgebiet, die anerkannt worden sind, eine Systemakkreditierung vorzunehmen. Das ist ein hervorragendes Ergebnis, das muss man erst einmal schaffen, und da können wir, ehrlich gesagt, auch wieder stolz auf die Universität sein.