Protocol of the Session on August 23, 2017

Wir fänden es nicht in Ordnung, wenn dieser Betrieb über die Maßen hinaus von Leiharbeit Gebrauch machte. Das unterstellt die Fraktion DIE LINKE. Dieses Unternehmen befindet sich in einer Gemengelage, die derzeit sehr schwierig ist. Wir können diesen Betrieb nicht deshalb herauspicken, weil wir glauben, aufgrund eines Anteils von 50,4 Prozent Zugriff auf den GLB zu haben, und ihm vorschreiben, wie er seine Beschäftigungspolitik zu gestalten hat.

Es gibt einen anderen Weg, von dem ich zudem glaube, dass er gerechter ist. Wenn ich vorhin gesagt habe, dass die SPD sich gegen Zeit- und Leiharbeit stellt, dann greifen wir, wie Sie wissen, ein bundesweites Problem auf. Das bedeutet, wir müssen diesem Problem auch bundesweit begegnen. Für Zeit- und Leiharbeit muss natürlich ab dem ersten Tag genau der gleiche Lohn gezahlt werden, den regulär Beschäftigte erhalten.

(Beifall SPD)

Das ist eine Forderung, die umgesetzt werden muss, und zwar nicht allein bei der BLG, sondern bei allen Unternehmen, die sich der Zeit- und Leiharbeit bedienen.

Zum Teil handelt es sich um einjährige Verträge. Auch darauf müssen wir schauen. Frau Bernhard ist schon kurz darauf eingegangen. Diese Menschen müssen in einem Beschäftigungsverhältnis arbeiten, das für andere

schwer vorstellbar ist. Wir kennen das noch aus dem Wissenschaftsbereich. Auch in diesem Zusammenhang haben wir lange darüber diskutiert. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das keine Perspektive für Menschen ist. Man muss sachgrundlose Befristungen intensiv bekämpfen. Auch das bedarf aber einer bundesgesetzlichen Regelung und kann nicht allein in Bremen und nicht allein für die BLG geregelt werden.

(Beifall SPD)

Die nächste Frage betrifft die Mitbestimmung. Wir haben Großunternehmen, die es schaffen, im Rahmen der Mitbestimmung, das heißt unter Beteiligung des Betriebsrates, zu definieren, welche Form der Leiharbeit der Betrieb benötigt. Geschäftsführung und Betriebsrat organisieren in großen Unternehmen gemeinsam den Einsatz. Sie vereinbaren, dass bei Arbeitsspitzen und in Urlaubszeiten ein Prozentsatz X über einen Zeitraum Y durch Leiharbeit abgedeckt wird. Die Bekämpfung der Auswüchse der Leiharbeit ist also eine Frage der Mitbestimmung. Diese wollen wir an dieser Stelle stärken. Auch in diesem Bundestagswahlkampf wird die Frage eine Rolle spielen, ob wir Betriebsräte so stärken, dass sie kraftvoll genug sind, um darüber zu sprechen, inwieweit Zeit- und Leiharbeit in ihren Betrieben eingesetzt wird.

(Beifall SPD)

Was bedeutet das zusammengefasst? Zum einen muss man die BLG dafür loben, dass sie im vergangenen Jahr 750 Beschäftigte übernommen, das heißt fest angestellt hat. In den Jahren davor wurden ebenfalls Beschäftigte übernommen. Schrittweise tut sich also etwas. Die BLG erkennt ihren Bedarf und stellt dann auch ein.

(Glocke)

Ich komme gleich zum Schluss! Die BLG aufgrund einer abstrakten Zugriffsmöglichkeit der Stadt Bremen auf deren Geschäftspolitik herauszupicken, halte ich weder für sinnhaft noch für gerecht. Wir sind der Auffassung, dass wir bundesgesetzliche Regelungen zur Eindämmung der Auswüchse von Leiharbeit benötigen.

Dabei will ich es zuerst einmal bewenden lassen. Ihren Antrag werden wir ablehnen. - Vielen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bergmann.

Stadtbürgerschaft 3596 47. Sitzung/23.08.17

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir von der CDU-Bürgerschaftsfraktion sehen es kritisch, dass Sie, die Fraktion DIE LINKE, ein erfolgreiches, sozial verantwortlich handelndes und für den bremischen Haushalt lukratives Unternehmen wie die BLG öffentlich an den Pranger stellen.

(Beifall CDU)

Sie tun damit der BLG, seinem Management und seinen Mitarbeitern Unrecht. Verstehen Sie mich nicht falsch! Natürlich haben Sie als Fraktion das Recht, die Entwicklung der Leiharbeit abzufragen und in Relation zu anderen Unternehmenszahlen und Unternehmensentwicklungen zu setzen.

Wir sehen Leiharbeit etwas anders, also nicht grundsätzlich negativ. Selbst wenn ich das einmal weglasse und mich auf Ihren Standpunkt stelle, muss ich sagen, dass die Antwort des Senats auf Ihre Große Anfrage eigentlich keine Munition für Ihren nachgeschobenen Dringlichkeitsantrag hergibt. Sie interpretieren die Zahlen und Zusammenhänge so kreativ, dass diese zwar die von Ihnen gewünschte politische Aussage unterstreichen, mit der Realität allerdings wenig zu tun haben.

Ich erläutere gern, was ich damit meine. Sie behaupten eingangs in Ihrem Antrag, die BLG Logistics habe im Jahr 2016 vor Ort im Geschäftsbereich Automobile eine Leiharbeitsquote von 37 Prozent und im Geschäftsbereich Contract von 79 Prozent erreicht. Um auf solche Quoten zu kommen, setzen Sie die Zahl der Leiharbeiter ins Verhältnis zu einer Teilzahl der Beschäftigten anstatt zur Gesamtzahl. Würde man, wie es korrekt wäre, die Beschäftigten aller inländischen Standorte zählen anstatt nur bremische Beschäftigte, so käme man auf deutliche niedrigere Quoten von 27 Prozent und 44 Prozent.

Selbst diese Zahlen muss man noch einmal kritisch betrachten, da Sie beim Gesamthafenbetrieb Beschäftigte als Leiharbeiter rechnen. Der Gesamthafenbetrieb ist aber kein Leiharbeitgeber im klassischen Sinn. Er ist eine Non-ProfitEinrichtung der Tarifvertragsparteien und arbeitet nicht auf Grundlage des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, sondern auf Grundlage eines eigens dafür geschaffenen Bundesgesetzes. Danach gilt derselbe Lohntarifvertrag wie für alle anderen Beschäftigten der BLG, nicht aber die niedrigeren Zeitarbeitstarife der privaten Leiharbeitsfirmen. Liebe Claudia Bernhard, die Rechnung, die du hier aufmachst, ist also etwas abenteuerlich.

Die BLG hat rund 750 ehemalige GHBMitarbeiter in die Bereiche Automobile und Contract übernommen, 262 davon übrigens aus der zwischenzeitlich geschlossenen Logistiksparte. Wir als CDU-Fraktion erkennen an, dass die BLG damit soziale Verantwortung übernommen hat. Für die betroffenen Beschäftigten war das eine große Entlastung.

Eine Zunahme privater Leiharbeit bei der BLG gab es nur im Bereich Contract. Dort fiel er allerdings mit einem Anstieg um das Zweieinhalbfache zwischen 2012 und 2016 doch ziemlich deutlich aus. Auch wir als CDU-Fraktion sagen, das ist über das Ziel hinausgeschossen!

Das langfristige Ziel ist auch für uns viel gute Arbeit, also tarifvertraglich geregelte Festanstellungsverhältnisse. Wir sehen die beschriebene krasse Entwicklung mit großem Missfallen. Daran wird noch einmal deutlich, wie weit Anspruch und Wirklichkeit des rot-grünen Senats auseinanderklaffen.

(Beifall CDU)

Wer Leiharbeit in der freien Wirtschaft kritisiert, aber in seinem eigenen Einflussbereich akzeptiert oder sogar fördert, der lebt nach einer gewissen Doppelmoral. Man kann zu Leiharbeit stehen, wie man will, aber man darf sie nicht mit zweierlei Maß messen.

Eine Begrenzung der Leiharbeit bei der BLG, wie Sie es gerade formuliert haben, begrüßen auch wir grundsätzlich. Den in dem Antrag geforderten kompletten Verzicht auf dieses Instrument bei einem Logistikdienstleister, dessen Geschäft nun einmal schwankt, halten wir nicht nur für nicht praktikabel, sondern sogar für ein bisschen weltfremd.

Der Antrag postuliert übrigens noch einen Zusammenhang zwischen dem gestiegenen Einsatz von Leiharbeit und der wirtschaftlichen Expansion der BLG. Das ist eine weitere Zahlenjongliererei, die sich nicht bestätigt, wenn man die Realität betrachtet. Die Zahl der weltweiten Standorte und Unternehmensbeteiligungen hat sich im abgefragten Zeitraum nicht erhöht. Auch das Betriebsergebnis in den Bereichen Automobile, Contract und Container ist im Wesentlichen konstant geblieben. Die Umsatzrendite ist in allen drei Bereichen sogar gesunken.

Wir werden den vorliegenden Antrag deshalb ablehnen.

Man merkt dem Antrag an, dass wieder Wahlkampf ist. Zu dieser Einschätzung kommt man, wenn man ehrlich ist. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Stadtbürgerschaft 3597 47. Sitzung/23.08.17

(Beifall CDU - Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Es ist immer Wahlkampf, Frau Bergmann!)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Ich möchte noch einmal auf das eingehen, was Frau Bergmann und Herr Tsartilidis deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Die Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE haben nämlich keinen Unterschied zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des GHB und Leiharbeitern gemacht. Die in Ihrem Antrag genannte Quote von 37 Prozent bezieht sich auf den Anteil der dort beschäftigten GHB-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Der tatsächliche Anteil der Leiharbeiter wurde wegen der geringen Anzahl in diesem Bereich überhaupt nicht ermittelt.

Meine Damen und Herren, den Antrag der LINKEN können auch wir Grünen nur ablehnen, nicht allerdings, weil wir das Motiv dahinter nicht teilen würden. Die LINKE möchte mit ihrem Antrag erreichen, dass der von Rot-Grün getragene Senat entsprechend seinen eigenen politischen Leitlinien dazu beiträgt, dass möglichst viele Menschen in ganz normalen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen zu einem angemessenen Lohn beschäftigt werden. Dieses Ziel verfolgen wir Grünen und auch andere hier in der Bürgerschaft selbstverständlich. Allerdings kann es nicht, wie die LINKE in ihrem Antrag fordert, darum gehen, sämtliche Leiharbeit in Bremen, vor allem in der BLG, zu beseitigen.

Die Möglichkeit, Menschen in Leiharbeit zu beschäftigen, hat wichtige und ernstzunehmende Gründe. Gerade auf das Geschäft der BLG treffen sie in besonderem Maße zu. Der Umfang von Arbeiten im Hafen ist schon immer großen und kurzfristigen Schwankungen unterworfen. Betriebe sind bei solchen, nicht planbaren Schwankungen nicht in der Lage, ihre Aufträge ordnungsgemäß abzuwickeln, wenn sie nicht die Möglichkeit haben, Menschen nur vorübergehend einzustellen. Insbesondere für kleine und mittlere Betriebe sind solche Flexibilitätsvorteile unverzichtbar, um Personalengpässe und Auftragsspitzen zu bewältigen. Auch das wissen wir.

Die BLG muss sich auch im internationalen Wettbewerb behaupten. Dafür ist eben zum Teil auch der Einsatz von Leiharbeitskräften notwendig. Der Antrag der LINKEN fordert aber den vollständigen Ausschluss der Beschäftigung von Leiharbeitskräften dort. Das hätte zur

Folge, dass sich die BLG nicht mehr international behaupten könnte. Aus diesem Grund ist dieser Antrag abzulehnen. Er würde dazu führen, dass wir im Land Bremen, vor allem in Bremerhaven, ganz viele Arbeitsplätze verlören.

Frau Bergmann und Herr Tsartilidis haben schon einige Zahlen genannt; ich möchte diese ergänzen. Aus der Antwort auf die Große Anfrage geht hervor, dass die BLG in den vergangenen Jahren fast 400 Menschen zusätzlich zu den schon im Bereich Autoverladung Beschäftigten eingestellt hat. Im Jahr 2016 hat die BLG sogar 750 GHB-Mitarbeiter in ihre Geschäftsbereiche Automobile und Contract übernommen. Herr Tsartilidis hat es gesagt. Ich finde, das ist außerordentlich erfreulich für dieses Bundesland.

Erfreulich finde ich auch, dass die Frauenquote bei der BLG erhöht wurde, wie aus der Antwort deutlich wird. Das ist mir und unserer gesamten Fraktion ein besonderes Anliegen. Ich glaube, diese Ansicht teilen die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen in diesem Haus.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Gerade noch die Kurve gekriegt!)

Ja, aber ich habe mich als Erste in einem Redebeitrag darauf bezogen. Ich gehe davon aus, dass wir alle gemeinsam diese Ansicht teilen.

Ich möchte auch auf etwas Problematisches hinweisen. Aus der Antwort ersehen wir, dass die BLG Beschäftigte von 30 Leiharbeitsfirmen einsetzt. Frau Bernhard ist darauf eingegangen. Ich betone, das sind keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des GHB, sondern solche von Leiharbeitsfirmen. Durch Stichproben wird ermittelt, ob die Firmen die Bestimmungen über die Tarife, die Arbeitssicherheit, den gesetzlichen Mindestlohn und die Bezahlung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden einhalten.

Das Folgende können die Kollegen aus dem Untersuchungsausschuss besonders gut nachvollziehen: Wir haben während vieler Beweisaufnahmen festgestellt, dass einige Leiharbeitsfirmen in Bremerhaven diese Bestimmungen nicht eingehalten haben. Im Aufsichtsrat sitzen auch drei Senatoren. Deswegen gebe ich die Anregung, dies im Aufsichtsrat noch einmal zum Thema zu machen. Dort sollten entsprechende Standards festgelegt werden, damit diese Bestimmungen nicht umgangen werden können. Das ist uns wichtig.

Uns Grünen ist es auf jeden Fall außerordentlich wichtig, dass so schnell wie möglich eine wirkungsvolle Reform der Leiharbeit erfolgt. Wir benötigen endlich wieder eine faire

Stadtbürgerschaft 3598 47. Sitzung/23.08.17

Balance zwischen den Flexibilitätsinteressen der Wirtschaft und dem berechtigten Schutzinteresse der Leiharbeitskräfte. Die notwendige Balance ist durch das im vergangenen Jahr auf Bundesebene geänderte Gesetz leider nicht hergestellt worden. Das Gegenteil ist der Fall.

Leiharbeit sollte nur vorübergehenden Charakter haben. Sie sollte dazu dienen, Auftragsspitzen abzufangen. Das Gesetz löst dies vermeintlich durch Festlegung einer Höchstüberlassungsdauer. Leiharbeitskräfte dürfen künftig maximal 18 Monate lang in einem Betrieb beschäftigt werden. Den Betrieben steht es aber frei, jederzeit eine neue Leiharbeitskraft auf den gleichen Arbeitsplatz zu setzen. Auf diese Weise wird ein Personalkarussell geschaffen, das sich endlos drehen kann.

Das auf Bundesebene im vergangenen Jahr geänderte Gesetz ist und bleibt eine Mogelpackung. Nicht nur wir, sondern, wie ich glaube, auch andere sehen es so. Soziale Sicherheit und gleiche Bezahlung in der Leiharbeit ist eine Frage der Gerechtigkeit. Diesem Anspruch wird das Gesetz in keiner Weise gerecht.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)