Protocol of the Session on June 15, 2017

(Abg. Bensch [CDU]: Verhöhnung der Öffent- lichkeit, der nächste Teil! Was kommt als Nächstes?)

Meine Damen und Herren, ja, das Landgericht ist in einer schwierigen Situation.

(Zuruf Abg. Bensch [CDU])

Landtag 3479 46. Sitzung/15.06.17

Herr Bensch, beruhigen Sie sich einmal ein bisschen, ist ja auch nicht Ihr Bereich!

(Abg. Bensch [CDU]: Nein, ich kann mich nicht beruhigen! Was meinen Sie, was ich mir bei meinen Themen anhören muss, wenn ich da vorn bin, egal ob es Krankenhäuser oder Heb- ammen sind!)

Im Moment geht es nicht um Krankenhäuser und Hebammen,

(Zuruf Abg. Bensch [CDU])

sondern um Gerichte! Vielleicht sind Sie da an der Stelle dann auch entspannt und hören einfach einmal ein bisschen zu!

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das fällt aber ein bisschen schwer jetzt!)

Natürlich ist die Situation beim Landgericht eine Herausforderung. Aktuell sind sowohl die Eingangszahlen als auch die Haftzahlen gestiegen, und dies im Übrigen bundesweit. Da hat sich offensichtlich eine Kultur verändert. In dieser Situation müssen wir uns intensiv damit auseinandersetzen, welches die Ursachen sind. In meinem Bereich - auch das ist im Rechtsausschuss besprochen worden - ist Ursachenforschung deshalb schwierig, weil die richterliche Unabhängigkeit ein hohes Gut ist und wir eben nicht sagen können, ihr müsst beim Landgericht, beim Amtsgericht oder sonst wo eure Verfahren so oder so führen! Deswegen müssen wir uns, vielleicht sogar mehr als in anderen Bereichen, an Zahlen und Benchmarks orientieren. Sie wissen sehr gut, auch Herr Yazici, dass das Landgericht gemessen an den anderen Gerichten im Bundesvergleich, aber auch im Großstädtevergleich, gemessen an Eingangs- und Erledigungsquoten gar nicht so schlecht dasteht, sondern im Verhältnis eher gut ausgestattet ist. Das haben Sie hier schlicht falsch aus der Antwort auf die Große Anfrage zitiert, das geht auch nicht!

(Beifall SPD - Zurufe CDU)

Übrigens sieht es an den anderen bremischen Gerichten anders aus, da sind Eingangs- und Erledigungsquoten, also insgesamt die Belastung, auf einem Spitzenplatz, aber das heißt natürlich nicht, dass wir dieser schwierigen Situation am Landgericht nicht begegnen müssten. Zahlenvergleiche, das wissen wir alle, ändern nichts an Arbeitsbelastungen. Deswegen muss das Landgericht natürlich auch vorübergehend besser ausgestattet werden, im Übrigen trotz der bisherigen Verstärkung von knapp sechseinhalb Stellen, die Sie hier auch geflissentlich

verschwiegen haben. Da ist ja nicht nichts passiert, aber wir dürfen auch nicht zulassen, dass eine solche Verstärkung dann eben von zunehmenden Haftzahlen aufgefressen wird. Das muss im konstruktiven Gespräch mit dem Landgericht, mit dem Präsidium, auch mit dem Oberlandesgericht und der Behörde passieren.

(Glocke)

Sie wissen so gut wie ich, dass das auch passiert und das eben insgesamt eine Arbeit ist.

Ich möchte noch kurz sagen, wir tun uns schwer mit Ihrem Antrag, der erkennbar aktionistisch auf Pressemitteilungen reagiert. Die CDU sagt, wir brauchen in diesem Bereich mehr Geld, in jenem Bereich mehr Geld, so viele Stellen, so viele Stellen, und am Ende sagen Sie, wir müssen aber viel mehr sparen und stimmen dem Haushalt nicht zu. Das ist keine sachliche Auseinandersetzung!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Sie geben das ganze Geld doch sowieso aus, dann können Sie es doch auch vernünftig ausgeben! Sie geben je- des Jahr fünf Milliarden Euro aus, dann wird da- für noch Platz sein!)

Weil ich die Auseinandersetzung - die fachliche! - aber richtig und wichtig finde und das Grundansinnen ja nicht verkehrt ist, werden wir hier den Antrag an den fachlich zuständigen Rechtsausschuss und an den Haushalts- und Finanzausschuss überweisen,

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Um ihn da zu ver- senken!)

um dort die sachliche Debatte zu führen, auch wenn man für diese fachliche Auseinandersetzung den Antrag nicht gebraucht hätte. - Vielen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben hier eine Anfrage, die auf die Personalausstattung der Gerichte und der Staatsanwaltschaften abzielt. Aus der Anfrage ist nicht immer so ganz ersichtlich, welche Bezüge hergestellt werden sollen. Wir haben daneben noch die freiwillige Gerichtsbarkeit, viele Spezialgerichte, bei denen es auch Probleme gibt. Dennoch macht es Sinn, sich im Parlament noch einmal insbesondere über die Situation im Bereich der Strafjustiz am Landgericht zu unterhalten.

Landtag 3480 46. Sitzung/15.06.17

Wir hatten vor ein paar Monaten den dramatischen Fall, dass zwei U-Häftlinge entlassen werden mussten, weil es nach sechs Monaten U-Haft nicht zu einem Verfahren gekommen ist. Dies war ein Hilfeschrei aus der Justiz, so habe ich das ausgelegt, aber es ist auch ein Versagen der Justizpolitik.

(Beifall FDP, CDU, BIW)

Sechs Monate sind als Zeitraum vorhersehbar, sowohl politisch als auch innerorganisatorisch in einem Gericht, und da muss man eigentlich erwarten, dass die Justizpolitik reagiert. Das ist nicht erfolgt, und deswegen trägt hier auch der Justizsenator die Verantwortung.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Deswegen ist er wahr- scheinlich auch nicht hier!)

Er war ja dann bei dieser Anhörung im Rechtsausschuss anwesend und hat mehr Richterstellen zugesagt. Ich habe das tatsächlich bisher noch nicht wahrnehmen können.

Grundsätzlich ist es richtig, Frau Kollegin, dass wir im Rechtsausschuss sachliche Debatten führen über die Entwicklung in der Justiz und an den verschiedenen Gerichten. Dort wird vernünftig berichtet, das will ich nicht in Abrede stellen. Dennoch brauchen wir hier den Rechtsstaat, und zwar Rechtsstaat stringent. Wir dürfen Verfahren nicht auf die lange Bank schieben, sie müssen zügig vollständig abgearbeitet und erledigt werden, sonst gefährden wir den Rechtsfrieden in unserem Land und das Vertrauen in unseren Rechtsstaat. Das darf nicht passieren!

(Beifall FDP)

Aus der Anfrage kann man ersehen, dass vor einigen Jahren, drei Jahre zurückliegend, circa 6,4 Stellen dazugekommen sind, aber letztlich ist dies zu wenig, um die Gerichte hinreichend auszustatten.

Was mich in der Antwort des Senats auf die Große Anfrage ein bisschen missmutig stimmt, ist, dass Sie die Frage nicht richtig beantwortet haben, warum Richter Bremen verlassen. Es würde mich schon einmal interessieren, ob es nicht bereits bei einigen Richtern, die sich aus dem bremischen Justizdienst verabschieden, Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie mit der Situation in der bremischen Gerichtsbarkeit nicht zufrieden sind.

Auch Ihre Beantwortung zur Frage der Verfahrensdauer, wonach Sie das im Wesentlichen auf die aktuellen oder seit ein paar Jahren hervorgerufenen Haftfälle zurückführen, reicht

nicht aus. Die FDP hat den Begriff der Altfälle einmal durch eine Anfrage ein bisschen näher beleuchten lassen. Die Antwort, die wir dann bekommen haben, war, dass es 30, 35 Altfälle gibt, die zum Teil über zehn Jahre zurückliegen und schwere kriminelle Straftaten beinhalten. Dies geht absolut nicht!

(Beifall FDP, CDU, BIW)

Da haben wir, wenn Sie so wollen, Leichen aus dem Keller geholt, und dies ist eine Blamage für die Justizpolitik, würde ich sagen, und für einen Rechtsstaat absolut nicht hinnehmbar.

(Beifall FDP, CDU, BIW)

Deswegen haben wir bereits nach Beantwortung dieser Fragen gefordert, dass das Personal im Bereich der Richterschaft am Landgericht erhöht werden muss. Die FDP hatte schon lange sechs Richterstellen gefordert, und wir begrüßen es, dass die CDU jetzt auch auf diesen Zug mit aufgesprungen ist, darüber ist im „Weser-Kurier“ berichtet worden. Wir halten sechs Richterstellen, das heißt, zwei Strafkammern, für absolut erforderlich, damit die Altfälle abgearbeitet werden können, weil es durch die vielen neuen Haftfälle nicht dazu kommen wird, dass diese Altfälle bearbeitet werden, sondern weiterhin schmoren. Das geht nicht! Deswegen brauchen wir mindestens zwei Strafkammern, damit diese vielen unerledigten Verfahren endlich zum Abschluss gebracht werden.

(Beifall FDP)

Das ist auch personalwirtschaftlich im Hinblick auf die altersgemäße Entwicklung der Richterschaft durchaus legitim, und auch, wenn man bedenkt, dass man in anderen justiziellen Bereichen Abordnungen und Umsetzungen vornehmen kann. Deswegen unsere Unterstützung für diesen Antrag!

(Glocke)

Wir unterstützen auch die Forderung, mehr Referendare einzustellen, obwohl sie nicht begründet worden ist. Dazu hätte ich mir mehr Butter bei die Fische gewünscht, warum diese erfolgen soll. Zusätzliche Ausbildung kann man natürlich immer machen, und das Servicepersonal ausreichend auszustatten, ist auch grundsätzlich vernünftig, aber hier fehlt es an der Konkretisierung. - Danke schön!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Remkes.

Landtag 3481 46. Sitzung/15.06.17

Herr Präsident, liebe Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Heute geht es um Menschen, die sich aufopfernd um die Gerichtsbarkeit hier in Bremen kümmern, wie die Richter, Staatsanwälte, Justiz- und Servicebeamte, denn es kommt immer mehr Arbeit auf sie zu. Es wird viel zu wenig für die Personalausstattung getan, wir hatten das in den vorherigen Reden schon gehört. Eventuelle Ausfälle und hohe Krankenstände werden die Folge sein.

Die Bremer Justiz ist wegen Überlastung und chronischen Personalmangels schon seit Jahren nicht mehr in der Lage, Verfahren in einem zeitlich angemessen Rahmen abzuarbeiten. Das gilt zum Beispiel auch für spektakuläre Straftaten, die hohes öffentliches Aufsehen erregt und das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung erheblich beeinträchtigt haben. Beispiele sind der brutale Überfall von Angehörigen eines stadtbekannten Clans auf vier Bauarbeiter am Hohentorsplatz im August 2013 - der längst überfällige Prozess gegen die Schläger steht immer noch aus, und die mutmaßlichen Täter sind weiterhin auf freiem Fuß - sowie die Randale in Vegesack in der WM-Nacht 2014. Im zweiten Fall hat die Verhandlung Anfang März 2017, also fast drei Jahre danach, begonnen.

Es werden nur noch die schweren Haftfälle bearbeitet, die leichteren Fälle bleiben einfach liegen, zur Freude der Täter und zur Freude der Aktenregale. Die Aufklärungsquote in Bremen liegt bei insgesamt circa 48,4 Prozent und damit deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt von 56,2 Prozent. Die Zahl der Tatverdächtigen, die der bremischen Justiz zur Aburteilung zugeführt werden, ist also relativ gesehen geringer als in den meisten anderen Bundesländern. Trotzdem ist die Zahl der unerledigten Strafsachen im Land Bremen vergleichsweise hoch, und sie steigt weiter an, während sie im benachbarten Niedersachen zurückgeht.

Da hilft es wenig, wenn der Senat in seiner Antwort stolz vermeldet, dass die Personalzielzahlen im Richterdienst der einzelnen Gerichte für 2017 fast schon erreicht worden sind. Das eigentliche Problem ist doch, dass die Planzahlen zu niedrig angesetzt wurden. Deshalb können die Gerichte das wachsende Fallaufkommen auch nicht mehr bewältigen. Vergessen Sie bitte nicht, es kommen jedes Jahr Hunderte, vielleicht auch Tausende Fälle neu dazu! Bei dieser Personalstärke kann das auf Dauer nicht gut gehen.