(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Abg. Patrick Öztürk [SPD, fraktionslos], Abg. Tassis [AfD] Abg. Timke [BIW])
Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 19/960 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, LKR, Abg. Patrick Öztürk [SPD, fraktionslos], Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Mittagspause eintreten, teile ich Ihnen mit, dass aufgrund einer interfraktionellen Vereinbarung die Behandlung des Tagesordnungspunktes 14 für die heutige Sitzung ausgesetzt ist.
Kein Fahrverbot bei allgemeiner Kriminalität! Antrag der Fraktion der FDP vom 2. Februar 2017 (Drucksache 19/929)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute sprechen wir zum Nachmittag einmal über etwas anderes. Kein Fahrverbot bei allgemeiner Kriminalität! Ich rufe in Erinnerung, die Koalition aus CDU und SPD auf Bundesebene
hat in ihrem Koalitionsvertrag und nach dem, was in den letzten Wochen verlautbart worden ist, darüber nachgedacht, ein Fahrverbot bei allgemeiner Kriminalität aussprechen zu können.
Wir kennen das Fahrverbot von ein bis drei Monaten im Strafgesetzbuch bisher nur dann, wenn es im Zusammenhang mit Verkehrsstraftaten steht. Bei Alkoholfahrten, Unfallflucht und Körperverletzung im Straßenverkehr kann ein Fahrverbot als zusätzliche Strafe neben einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe ausgesprochen werden.
Nun gibt es offenbar die Überlegung, dass man durch ein Fahrverbot besonders intensiv auf Täter einwirken kann, insbesondere auf solche, bei denen eine Geld- oder Freiheitsstrafe vielleicht keine ausreichende Wirkung zeigt. Wir halten dies für populistisch, weil unzulässigerweise geglaubt wird, dass Fahrverbote eine präventive Wirkung haben könnten. Empirisch ist das nicht nachgewiesen. Empirisch macht es in der Realität erhebliche Schwierigkeiten, Fahrverbote wirksam zu kontrollieren. Zum Teil hat man sogar den Eindruck, dass man das Fahrverbot als eigenständige Nebenstrafe oder Strafe konstruieren will, wenn man an das denkt, was Frau Schwesig geäußert hat. Bei ausbleibenden Unterhaltszahlungen soll man die Unterhaltsschuldner danach unter Umständen mit einem Fahrverbot bedenken.
Wir halten dies für einen Weg, der in die völlig falsche Richtung führt. Wir halten diesen Weg für sozial ungerecht. Wir sehen hierin auch eine Ungleichbehandlung. Wir sehen hierin die unsachgemäße Verknüpfung von Tat, Rechtsfolge und Sanktion. Wir haben ebenso wie einschlägige juristische Fachverbände erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Wir glauben auch, dass ein solches Fahrverbot bei allgemeiner Kriminalität in der Bevölkerung nicht die entsprechende Akzeptanz finden wird.
Was ist alles nicht beachtet bei diesem Gesetzesvorhaben? Es gibt auf der einen Seite Wenig- und auf der anderen Seite Vielfahrer. Es gibt in unserer Bevölkerung Menschen, die beruflich auf einen Führerschein angewiesen sind, und solche, die es eben nicht sind. Wir haben Personen, die im ländlichen Raum leben und auf ein Fahrzeug angewiesen sind, und solche, die in größeren Städten leben und öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch nehmen können. Es gibt unterschiedliche Einkommensverhältnisse. Wer mehr im Portemonnaie hat, hat die Möglichkeit, sich einen Fahrer einzustellen und sich so quasi vom Fahrverbot freizukaufen.
Wir haben Probleme in den Familien. Wenn der Vater oder die Mutter betroffen ist, muss der Fahrdienst für kleinere Kinder zum Sportverein, zum Musikunterricht oder wo man sonst noch involviert ist, von dem Ehepartner übernommen werden. Wir haben Personen, die überhaupt nicht über einen Führerschein verfügen. Man müsste quasi noch eine Umrechnungstabelle erfinden, um gleiche Lebenssachverhalte gleich bestrafen zu können.
Wenn Sie sich diese ganzen Argumente vor Augen führen, werden Sie alle zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Weg ein Irrweg ist und im Strafgesetzbuch nicht verankert werden kann. Es sollte unbedingt dabei bleiben, dass Fahrverbote im Zusammenhang mit entsprechenden Verkehrsdelikten stehen müssen und nicht auf andere juristisch strafrechtliche Tatbestände ausgeweitet werden. Dies alles steht auf mehr als tönernen Füßen und gehört in den Papierkorb. Wir empfehlen, diesem Antrag stattzugeben, damit die Bundesregierung von diesem Vorhaben Abstand nimmt. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Gerichte sollen künftig bei der Verurteilung aller Straftaten ein Fahrverbot verhängen können. Die Bundesregierung hat die entsprechenden Gesetzesänderungen dafür auf den Weg gebracht. Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze verabschiedet.
Wie alles andere auch, müssen unsere Gesetze – auch die Strafgesetze – hin und wieder der Zeit angepasst werden. Das wissen wir alle. Wertvorstellungen und teilweise auch die Mentalität der Menschen haben sich verändert. Wenn man von Strafe spricht, wird dies von vielen Straftätern heute mitunter leider belächelt. Die Richter haben zur Sanktion von Straftaten zwar eine bestimmte Palette an Möglichkeiten, das deutsche Strafrecht ist aber bislang etwas undifferenziert. Momentan wählen Richter je nach Möglichkeit und Rahmensetzung in der Regel zwischen den zwei Strafarten Geldstrafe und Freiheitsstrafe. Letztere wird gerade bei Ersttätern je nach Delikt häufig auf Bewährung ausgesetzt.
Eine Freiheitsstrafe scheint in den meisten Fällen jedoch zu hoch gegriffen, weil sie sogleich berufliche Existenzen der Täter bedroht oder aus anderen Gründen unangemessen sein kann. Doch wird sie zur Bewährung ausgesetzt, spürt der Delinquent wiederum kaum Konsequenzen.
Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Dabei findet die wirtschaftliche Lage des Angeklagten immer Berücksichtigung. Bei vielen Angeklagten ist es allerdings überaus schwierig, das tatsächliche reale Monatseinkommen nachzuweisen, zum Beispiel bei Selbstständigen, aber auch bei Intensivtätern, die ihren Lebensunterhalt aus undurchsichtigen Quellen beziehen. Es besteht die Gefahr, dass die Geldstrafe, die eigentlich empfindlich wirken soll, zur Farce wird. Sie ist in vielen Fällen schnell bezahlt, und eine Bewährungsstrafe ist schnell im Hinterkopf verschwunden und vergessen.
Ein Führerscheinentzug wirkt länger und präsenter. Gerichte können durch eine Neuerung im Strafrecht ein Fahrverbot als Hauptstrafe auch bei anderen Straftaten wie Raub oder Körperverletzung verhängen, also bei solchen Straftaten, die eigentlich keinen Bezug zum Fahren eines Fahrzeugs haben. Die Öffnung des Fahrverbots als Sanktion auf alle Straftaten erweitert die Möglichkeit strafrechtlicher Sanktionen. Dadurch geben wir den Strafgerichten ein zusätzliches Mittel an die Hand, um zielgenau, spürbar und schuldangemessen, aber auch erzieherisch auf den Täter einzuwirken.
Die Zahlung einer Geldstrafe ist für viele lediglich ein lästiges Übel. Mehr nicht! Auf das Auto verzichten möchte in unserer heutigen Zeit und in unserer heutigen Gesellschaft hingegen kaum jemand.
Bei der Vollstreckung von Haftbefehlen habe ich in beruflicher Hinsicht schon oft erlebt, dass verurteilte Mehrfachstraftäter – zum Beispiel aus dem Rotlichtmilieu –, die wir einfangen müssen, ohne große Mühen auch große Geldstrafen locker bezahlen können. Über eine Freiheitsstrafe, von der man sich freikaufen kann und die vielleicht sogar von Oma und Opa bezahlt wird, lächeln viele Verurteilte nur müde. Das gilt selbstverständlich nicht für alle. Pauschalisieren darf man hier ganz bestimmt nicht.
Ziel des Gesetzes soll es, wie bereits gesagt, sein, Gerichten die Möglichkeit zu geben, individuell auf Täter einzuwirken. Der sinnvolle Einsatz des Fahrverbots oder gar eines Entzugs der Fahrerlaubnis liegt damit beim Gericht. Seit Jahrzehnten wird diskutiert, ob die Entziehung der Fahrerlaubnis auch bei anderen Straftaten eingesetzt werden sollte. Das Fahrverbot soll jetzt als Ergänzung zu den übrigen Sanktionen in den Fällen zur Anwendung kommen, in denen eine Geldstrafe allein bei dem Verurteilten womöglich keinen hinreichenden Eindruck hinterlässt, das Verhängen einer Freiheitsstrafe aber eine zu einschneidende Sanktion ist.
Wir haben großes Vertrauen in unser Rechtssystem und in die Richterschaft. Es gibt überhaupt keinen Grund, durch Anträge, wie sie hier von der FDP eingebracht werden, Misstrauen gegen den Gesetzgeber oder die Gerichte aufzubauen.