Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich erst einmal für die heutige Debatte bedanken. Sie ist sehr sachorientiert und damit aus meiner Sicht der Sache sehr angemessen geführt worden. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunftschancen unserer Kinder. Ich freue mich deshalb sehr, dass die häufig reflexhafte, pauschale Debatte, die Bildung in Bremen sei schlecht, hier ausgeblieben ist und dass sehr genau hingeschaut wurde.
Ich kann zumindest sagen, dass ich die Sicht auf die Problemlagen, aber auch auf die Vorschläge teile. Ich denke, wir haben hier keinen Dissens, sondern in einem hohen Maße einen Konsens darüber, was zukünftig wichtig ist. Das ist eine wichtige Grundlage, um die notwendigen Verbesserungen tatsächlich in die Wege leiten zu können.
Bremen braucht ganz dringend eine Debatte in der Bildungspolitik, die nicht nur immer wieder „Höher, schneller und weiter!“ bei den Ressourcen fordert und alles immer wieder darauf zurückführt, dass wir finanziell nicht ausreichend ausgestattet sind. Nein, wir brauchen vielmehr eine ehrliche Debatte, die das Augenmerk darauf richtet, wo wir die Ressourcen effizienter einsetzen können, wo wir die eingesetzten Mittel durch strukturelle Verbesserungen passgenauer und zielgenauer zum Einsatz bringen können. Ich denke, dass die Anträge, die hier heute zur Qualitätsentwicklung, aber auch zur Personalentwicklung vorgelegt worden sind, in die richtige Richtung zielen.
Es ist auch schon angeklungen, dass wir vieles in den letzten Monaten und im vergangenen Jahr bereits in der Deputation diskutiert haben. Mein Ressort hat in den letzten Monaten nicht dagesessen und Däumchen gedreht, sondern hat genau auf der Basis unserer Debatten wichtige Maßnahmen und Schritte ergriffen, die in diese Richtung zeigen.
Richtig ist – insoweit möchte ich Ihnen, Herr Dr. vom Bruch, noch einmal herzlich danken –: Wirkungen können wir bei solchen Maßnahmen natürlich nicht von heute auf morgen erwarten. Aber ich glaube auch, es ist geboten, dass wir alle ungeduldig sind und die Dinge nicht auf die lange Bank schieben. Ich halte es für wichtig, dass wir heute diese sachorientierte Debatte geführt haben; denn sie ermöglicht es uns, die Dinge nachzuhalten und Verbindlichkeit und Struktur zu schaffen. Wir dürfen nicht schon Erfolge für morgen erwarten, müssen aber trotzdem dieses Thema mit der gebotenen Verbindlichkeit in der Deputation immer wieder aufrufen und nachhalten, damit es eben nicht bei Sonntagsreden oder Schaufensterreden bleibt.
Ich will keine Hochglanzbroschüren machen. Manchmal würde das auch guttun, um der Bildung in Bremen ein besseres Image zu verleihen; aber aus meiner Sicht stehen wir in Bremen nicht so schlecht da. Bremen ist – das möchte ich an dieser Stelle betonen – in vielen Bereichen im bundesweiten Vergleich für andere ein Benchmark. In unseren Kitas und Schulen wird an vielen Stellen exzellente Bildung gemacht, die für andere ein Beispiel ist. Das möchte ich an einem Thema, das mir besonders am Herzen liegt und das auch in dem Antrag zur Qualitätsoffensive deutlich wird, nämlich am Beispiel der Begabungsförderung, deutlich machen.
Begabungsförderung heißt, dass wir alle Talente in den Blick nehmen müssen. Das ist eine besondere Aufgabe für inklusive Schulen. In unserem Schulgesetz steht, dass es unser Auftrag ist, dafür Sorge zu tragen, dass wir alle Talente angemessen fördern können. Das ist explizit keine Defizitorientierung.
Der besondere bremische Ansatz besteht darin, nicht nur auf diejenigen zu schauen, die auf den ersten Blick die Begabten sind. Unser Verständnis von einer Begabungsförderung in inklusiven Schulen ist es, auch Talente in den Blick zu nehmen, die vielleicht erst auf den zweiten Blick ein Talent sind.
Ich möchte auf den Landesentscheid des Wettbewerbs „Jugend debattiert“ in der letzten Woche verweisen. An ihm haben auch die Jugendlichen aus den Vorkursen zu diesem Wettbewerb teilgenommen. Genau das sind die Talente, die ich mit „Talenten auf den zweiten Blick“ meine. Das sind junge Menschen, die zwar sprachlich noch nicht mit den Landessiegern mithalten konnten, die aber gezeigt haben, dass sie absolute Talente sind. Diese Talente gilt es zu fördern. Das sind nicht diejenigen, die heute schon in den Schulen die Bestnoten haben, aber jene, die wir so fördern müssen, dass auch sie ihr Talent entfalten können. Das verstehe ich unter dem Auftrag der Begabungsförderung in inklusiven Schulen.
Wir sind bundesweit insofern gut aufgestellt, als wir an einem Modellprojekt mit der Karg-Stiftung teilgenommen haben. Wir werden die Erfahrungen aus diesem Modellprojekt jetzt in die Fläche tragen. Ich glaube, das ist auch etwas ganz Wichtiges. Wenn wir Benchmarking betreiben und Projekte durchführen, dann müssen wir dafür Sorge tragen, dass wir unsere Stärken erkennen und aus den Erfahrungen lernen und dass wir diese Erfahrungen dann auch auf die anderen Schulen übertragen.
Frau Kohlrausch, Sie haben eben auf die Paula-Modersohn-Schule verwiesen. Genau das ist der Weg: Nicht nur zu schauen, was die anderen in anderen Bundesländern machen, sondern auch zu schauen, welche vorbildliche Arbeit an den Schulen hier vor Ort geleistet wird, wie wir das in die Fläche tragen
Ich habe es eben schon gesagt: Wir haben schon eine ganze Reihe von strukturellen Maßnahmen ergriffen, die in Richtung Qualitätsoffensive, aber vor allem auch in Richtung Personalentwicklung gehen. Die Fachkräftesicherung ist das oberste Gebot der Stunde; denn uns hilft alle Qualitätsentwicklung nicht, wenn wir in den Schulen nicht die notwendigen, gut ausgebildeten Fachkräfte haben, um diese dann auch umzusetzen.
Wir haben unsere Verwaltungspraxis an einigen Stellen erheblich umgestellt. Wir haben die gesamte Einstellungspraxis in den letzten Monaten geändert. Wir haben eine Zuweisungsrichtlinie geschaffen, die die Ressourcen anders auf die Schulen verteilt. Wir haben eine Arbeitsgruppe mit Bremerhaven und Bremen zur Lehrkräftegewinnung eingerichtet. Wir haben angefangen, die Schulaufsicht in Bremen umzustrukturieren. Das sind alles Dinge, die im Fluss sind. Sie sind sicherlich noch nicht abgeschlossen, aber diesen Prozess wollen wir weiter vertiefen. Dafür sind die Anträge ein guter Rückenwind.
Wir haben auch neue Technologien eingeführt, um die Schulen bei den notwendigen Verbesserungsprozessen mit Schulverwaltungssoftware digital zu unterstützen, um auch die Schulleitungen zu entlasten und um zu besseren Ergebnissen zu kommen.
Wir haben auch bereits einen Konsultationsprozess begonnen, wie er in dem Antrag gefordert wird. In dem Antrag wird nur der Benchmark im Hinblick auf Hamburg gefordert. Wir haben uns aber auch Schleswig-Holstein angeschaut, weil es dort ebenfalls erhebliche Leistungsverbesserungen im IQB-Bildungstrend gegeben hat. Wir haben uns angeschaut, was in diesen Ländern anders gemacht wurde. Gefunden haben wir vor allem das, was ich eben schon genannt habe: mehr Verbindlichkeit.
Wir brauchen mehr Verbindlichkeit. Herr Dr. Güldner hat es „Haltung und Werte“ genannt. Aber es geht, glaube ich, auch ein Stück weit darum, dass wir sehr viel tun, dass wir vieles aber nicht sehr fokussiert und nicht sehr konzentriert tun. Das ist etwas, was ich mit der eingangs erwähnten besseren Mittelsteuerung und dem effizienteren Ressourceneinsatz verbinde. Wir brauchen mehr Verbindlichkeit. Wir brauchen aus meiner Sicht etwas weniger „Projektitis“ und müssen etwas mehr Sorge dafür tragen, dass wir die Maßnahmen, von denen wir wissen, dass sie gut ankommen und zu guten Erfolgen führen, verstetigen und auf die Spur bringen. Ich glaube, das hilft uns mehr, als uns in vielen verschiedenen Einzelprojekten zu verrennen.
Wir brauchen auch – insoweit bin ich dankbar für den Antrag zur Personalentwicklung – eine demografische
Erhebung. Wir müssen uns einen Überblick verschaffen. Es ist die Aufgabe aller Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, zu wissen, welches die pensionsnahen Jahrgänge sind und welche Fachkräftebedarfe zukünftig bestehen.
Aber lassen Sie mich auch sagen, dass eine bundesweite Steuerung in diesem Themenfeld aus meiner Sicht nicht die Lösung ist. Ich bin mir sehr sicher, wir würden heute nicht anders dastehen, hätten wir in diesem Bereich eine bundesweite Steuerung gehabt. Bis vor Kurzem haben uns noch alle erzählt, dass wir eine aussterbende Nation sind, dass wir an zu wenigen Kindern leiden und dass Deutschland überaltert. Das hat sich in den letzten Jahren deutlich geändert. Eine Umkehr hat vor allem in den großen Städten stattgefunden. Es gibt aber tatsächlich immer noch Bundesländer, die es mit abnehmenden Kinderzahlen zu tun haben, die eher darüber diskutieren müssen, ob sie Schulstandorte schließen, und nicht, wie wir darüber diskutieren, ob sie neue Schulen brauchen.
Insofern ist es, glaube ich, manchmal auch gut, dass man eigene Regelungskompetenzen hat. Zumindest an dieser Stelle, würde ich sagen, sollten wir sie bitte auch behalten.
Die Attraktivität des Arbeitsplatzes Schule ist ein Themenfeld, das hier immer wieder einmal angeklungen ist. Ich glaube, es lohnt sich, dieses noch einmal ganz besonders gut anzuschauen. Wir müssen konstatieren, dass sich unsere Schulen in den letzten Jahren in der Hinsicht dramatisch verändert haben, dass sie heute nicht mehr der Ort sind, an dem allein die Bildung im Vordergrund steht, sondern dass dort auf ganz vielfältige Art und Weise sozialpolitische Problemlagen gelöst werden müssen. Das kann nicht allein auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer ausgetragen werden.
Wir haben das erkannt. Wir haben dafür Sorge getragen, dass wir mehr Schulsozialarbeiter haben und dass sich der Personalmix an den Schulen verändert hat. Aber es liegt noch ein gutes Stück Weg vor uns. Wir müssen diesen Prozess weiter unterstützen.
Neulich gab es in den sozialen Medien eine Debatte über eine Schule, an der die Lehrer ein Schild mit der Bitte an die Eltern aufgehängt haben, doch wieder ihren Erziehungsaufgaben gerecht zu werden. Ich glaube, wir alle nicken und sagen: Ja, das ist ganz wichtig. Eltern müssen uns in den Bildungsprozessen unterstützen. Das kann nicht alles allein in den Schulen laufen.
Trotzdem muss ich mich als Bildungsverantwortliche auch damit auseinandersetzen, dass es nicht ausreicht, mit dem Finger auf die Eltern zu zeigen und zu sagen: Eltern, nehmt eure Verantwortung wahr! An vielen Stellen – das wissen wir – schaffen es die Eltern heute
nicht mehr allein. Wir müssen in den Schulen darauf reagieren, denn sonst lassen wir die Kinder damit allein. Das, finde ich, ist auch keine Alternative.
Deshalb sind die angesprochenen Themen der Fachkräftesicherung und der Qualitätsentwicklung in unseren Schulen für mich eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Wir wissen heute: Wenn wir uns an diesen Stellen nicht weiter verbessern, wenn wir nicht dafür Sorge tragen, dass wir eine ausreichende Fachkräfteversorgung haben und dass die Qualität in allen Schulen hoch bleibt, werden sich die Folgen ungleich auswirken. Sie werden sich ungleich auswirken zwischen den Kindern, die Elternhäuser haben, die das mit ihrem privaten Portemonnaie ausgleichen können, und jenen Kindern, deren Eltern das eben nicht können. Deshalb dürfen wir dieses Thema nicht links liegen lassen und dürfen uns nicht nur mit den offensichtlichen Fragen von sozialer Armut befassen, sondern wir brauchen genau diese strukturellen Veränderungen in unseren Schulen, damit wir soziale Gerechtigkeit gewährleisten können.
Noch ein Aspekt zum Schluss. Ich glaube, dass mit den beiden Anträgen zum Personalentwicklungskonzept und zur Qualitätsoffensive auch eine andere wichtige Botschaft verbunden ist, mit der ich persönlich hier angetreten bin, dass wir nämlich Verlässlichkeit und Stabilität in unserem Bildungswesen brauchen. Wir müssen uns nicht über die großen Strukturen streiten, wie das in vielen anderen Bundesländern noch der Fall ist. Aber wir brauchen auch die Nachricht an die Eltern: Liebe Eltern, ihr müsst euch keine Sorgen machen, dass eure Kinder in diesem Bildungssystem untergehen und dass eure Kinder keine Chance auf eine faire Teilhabe, ein gutes Leben und eine gute Arbeit haben. Wir tun alles, um die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass alle Kinder eine Chance auf ein gutes Leben und eine gute Arbeit haben. Nicht mehr und nicht weniger sehe ich als meinen Auftrag an. – Vielen Dank!
Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 19/842 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, LKR, Abg. Patrick Öztürk [SPD, fraktionslos], Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])
Nun lasse ich über den Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen, da der Änderungsantrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachen-Nummer 19/934 durch die Drucksache 19/1010 erledigt ist.
Wer der Ziffer eins des Antrags der CDU, der SDP und Bündnis 90/Die Grünen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Abg. Patrick Öztürk [SPD, fraktionslos], Abg. Tassis [AfD] Abg. Timke [BIW])