Sie sollen ein Recht auf Entwicklung und Bildung haben. Sie sollen vor Gewalt geschützt werden. Sie sollen beteiligt werden, und zwar von Anfang an. In der Debatte haben wir es heute gerade gehört, dass bereits im Kindergarten, ich glaube, Frau Senatorin Dr. Bogedan hatte es angesprochen, selbstverständ lich Kinder auch verstehen, dass sie sich altersgemäß in Entscheidungen mit Ihren Wünschen einbringen können.
Das Kindeswohl soll bei allen Angelegenheiten be rücksichtigt werden, und eine kindgerechte Entwick lung und Chancengerechtigkeit soll festgeschrieben werden. Das sind die Ziele, für die es sich, wie ich
Ich möchte, da wir zeitlich eine sehr kurze Debatte führen, gleich auf zwei mögliche Gegenargumente eingehen. Das eine ist ein juristischer Streit, in dem es darum geht, ob die Schutzlücke überhaupt besteht. Es wird in etwa wie folgt argumentiert: Kinder sind auch Menschen, und deswegen sind sie von allen Rechten, die das Grundgesetz formuliert, automatisch erfasst. Es ist also gar keine Schutzlücke für Kinder vorhanden, und deswegen muss das Grundgesetz nicht ergänzt werden.
Das ist eine Position, die sehr merkwürdig ist. Wenn man sagt, Kinder haben in dieser Gesellschaft eine deutlich andere Position, eine schwächere Positi on als Erwachsene, dann sind sie zwar theoretisch durch viele Klauseln, die alle Menschen betreffen, abgedeckt, aber der Fokus darauf, dass Kinder einen besonderen Schutz, besondere Rechte genießen, ist damit natürlich nicht abgedeckt, und den wollen wir durch diesen Antrag erreichen.
Das zweite Argument ist: Aus welchem Grund der Vorstoß, Kinderrecht im Grundgesetz zu verankern, wenn man vor Ort in den Kommunen – und das ist ja nicht nur in Bremen so – Probleme hat, bestimmte Kinderrechte, wie zum Beispiel ein Recht auf einen Kindergartenplatz, konkret umzusetzen? Das Argu ment ist hier auch schon gefallen. Richtig daran ist, dass die Priorität darauf liegen muss, dass wir als Kommune, dass wir als Land unsere Hausaufgaben machen und diese ganz konkreten Rechte der Kinder und ihrer Eltern, zum Beispiel auf einen Kindergar tenplatz, umsetzen.
Das ist vollkommen klar, aber wenn man das Argument grundsätzlich verwenden und sagen würde, solange es auf kommunaler Ebene oder auf Landesebene noch Defizite gibt, kann man nicht darüber streiten, ob das Grundgesetz weiterentwickelt wird, dann wäre das Grundgesetz noch auf dem Stand von 1946 und würde nie weiterentwickelt worden sein, weil das eine oder andere Defizit an der einen oder anderen Stelle immer vorhanden gewesen wäre.
Trotzdem ist es eine der vornehmsten Aufgaben – ich komme zum Schluss! –, das Grundgesetz weiterzu entwickeln. Ich glaube, die Kinder sollten es uns wert sein, auch in unserer Verfassung, die für uns ein sehr, sehr hohes Gut ist, dass wir ihre Rechte in unserem
Grundgesetz verankern. Meine Fraktion, meine Partei vertritt diese Auffassung schon seit Längerem. Wir erhoffen uns noch einmal einen Schub, sodass es jetzt dazu kommt, dass dieser Schritt im Grundgesetz endlich gegangen wird. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Herbst haben die Justizminister von Bund und Ländern beschlossen, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, und wir gehen davon aus, dass die SPD-Bundestagsfraktion kurzfristig einen neuen Vorstoß zur Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz unternehmen wird. Noch in dieser Wahlperiode könnte die Ko alition eine entsprechende Verfassungsänderung beschließen, und dabei wird der Koalitionspartner aufgefordert werden, sich dem Kreis der Unterstützer anzuschließen und damit für eine breite Mehrheit für starke Kinderrechte zu sorgen.
Meine Damen und Herren, eine solche Grundgesetz änderung stärkt die Rechte von Kindern und Familien gegenüber dem Staat. Das Land Bremen hat sich auf der Bundesebene in der Vergangenheit bereits mehrfach für die verfassungsrechtliche Absicherung von Kinderrechten eingesetzt. Auch Eltern brauchen starke Kinderrechte, um die Interessen ihrer Kinder im Alltag wirksam durchsetzen zu können.
Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten mit beson deren Schutzbedürfnissen. Deshalb brauchen Kinder auch eigene, klar formulierte Rechte. Das gilt vor allem, wenn es um den Schutz vor Gewalt geht, aber auch bei wichtigen Fragen wie Chancengleichheit und Generationengerechtigkeit. Eine ausdrückliche Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung hat einen hohen Stellenwert. Die Regelungen im Grundgesetz werden von Gesetzgeber, Verwaltung und Gerichten regelmäßig herangezogen. Sie sind die Basis für unser gesamtes Rechtssystem.
Meine Damen und Herren, insgesamt würde der Staat stärker in die Pflicht genommen werden, wenn es um die Wahrnehmung seiner Verantwortung für kindgerechte Lebensverhältnisse und um gleiche Ent wicklungschancen für Kinder und Jugendliche geht. Angesichts der aktuellen Debatte über wachsende Kinderarmut, unterschiedliche Bildungschancen, ein Auseinanderdriften der Gesellschaft in Reich und Arm und häufige Fälle von Vernachlässigung wäre dies auch ein wichtiges Signal.
Die CDU im Bundestag hat einen solchen Schritt bisher als Symbolpolitik abgelehnt. Nach ihrer Auffassung – der Kollege Dr. Güldner hat es ausgeführt – reicht die gegenwärtige Gesetzeslage aus, weil der im Grundgesetz verankerte Schutz der Menschenrechte auch Kinder umfasse. Von Gegnern einer Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz wird auch zusätz lich immer wieder ins Feld geführt, auf diese Weise würden auch die Rechte der Eltern geschwächt wer den. Das ist aber unseres Erachtens nicht der Fall. Es geht nicht darum, Eltern und Kinder gegeneinander auszuspielen, vielmehr wollen alle Befürworter, wie in der UN-Konvention auch verankert, die Kinder als eigenständige Subjekte verstehen und die Verant wortung der Eltern sowie des Staates im Hinblick auf das Kindeswohl deutlicher machen. Staat und Eltern haben gemäß der Kinderrechtskonvention dieselbe Verpflichtung: Die Verwirklichung der Kinderrechte im Sinne des Kindeswohls!
Das Bundesverfassungsgericht hat in vielen Ent scheidungen immer wieder ausgesprochen, dass das Elternrecht aus Artikel 6 kein Recht am Kind ist, sondern ein Pflichtrecht der Eltern zum Wohle des Kindes. Eine Verfassungsänderung wird von der Opposition, von Kinderschutzorganisationen und von Wohlfahrtsverbänden sowie dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF unterstützt, und vor einigen Wochen haben 110 Verbände im Hamburger Appell alle Kandidaten für die Bundestagswahl dazu aufgerufen, sich für diese Grundgesetzergänzung stark zu machen. Mit unserem Antrag möchten wir dieses Anliegen unter stützen und bitten Sie daher, meine lieben Damen und Herren, um Zustimmung! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Über das Ziel, dem die Verfassungsänderung dienen soll, besteht Einigkeit. Der Schutz der Kinder ist zu kräftigen, und Staat und Gesellschaft müssen ihr Handeln stärker als bisher auf das Wohl der Kinder ausrichten. Dennoch halten wir die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz für den falschen Weg und weiterhin für reine Symbolpolitik. Ich will Ihnen das auch erläutern.
Erstens, Kinder sind, wie alle Menschen, von der Wiege bis zur Bahre Träger von Grundrechten, und zwar der ersten 20 Artikel, auch für sie gilt, wie für alle anderen, das Recht auf Leben, Gesundheit, freie Entfaltung der Persönlichkeit. Damit verbunden sind auch Schutzpflichten des Staates. Das Wohl der Kinder ist zentrales Schutzgut aus Artikel 6 Grundgesetz,
es steht direkt darin, in Artikel 6 Absatz 2. Das ist auch durch das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf das Kindeswohl in seiner Rechtsprechung immer wieder betont worden. Eine explizite Nennung von Kinderrechten im Grundgesetz wäre daher laut Ver fassungsrechtlern rein symbolisch und würde nicht dazu beitragen, Kinder effektiv zu schützen.
In diesem Zusammenhang erinnere ich jetzt daran, dass wir im April 2003 gemeinsam genau die von Ihnen heute geforderten Klarstellungen – übrigens mit den Stimmen der CDU – in Artikel 25 unserer Bremischen Landesverfassung aufgenommen haben.
Geholfen hat das nicht! Schlimmer noch, mit dem kleinen Kevin kam in Bremen 2006 ein Kind zu Tode, das unter dem Schutz des Jugendamtes stand. Doch keine der vielen mit der Familie befassten Schutzin stitutionen schützte das Kind, und immer noch nicht sind in Bremen alle Schlussfolgerungen des Untersu chungsausschusses konsequent abgearbeitet worden, da sind wir uns doch als CDU mit der LINKEN sogar einig! Die Casemanager sind immer mit 30 Prozent unterbesetzt. Selbst wenn es denn jetzt einmal klappt, wird es weiterhin noch einen Notfallmodus geben. Die Amtsvormünder haben die gesetzliche Quote von maximal 50 Mündeln noch nie erreicht und werden sie wahrscheinlich auch zukünftig nicht einhalten können. Die Kinderschutzorganisationen, die soge nannten NGOs, Kinderschutzbund, Schattenriss und so weiter, sind mangelhaft ausgestattet und vieles mehr. Das sind die wirklichen Probleme in der Kinder- und Jugendhilfe, meine Damen und Herren!
Das ändert sich nicht, wenn wir ins Grundgesetz eine entsprechende Passage schreiben, das ändert sich, wenn Sie konkret hier die Voraussetzungen für eine bessere Ausstattung schaffen.
Zudem erlaube ich mir als Frau den Hinweis, dass Artikel 3 Grundgesetz, wonach Männer und Frauen gleichberechtigt sind, seit 1949 im Grundgesetz steht; an der vollständigen Umsetzung – siehe ZDF-Bericht gestern, die Debatte dürften Sie ja noch im Kopf haben – arbeiten wir heute noch.
(Abg. Güngör [SPD]: Das ist doch kein Argument dafür, das nicht in das Grundgesetz aufzunehmen! Was ist das denn für ein Rechtsverständnis?)
Kinderrechte ins Grundgesetz klarstellend ein zweites Mal hineinzuschreiben, hilft Kindern nicht. Es muss
gelebt werden, meine Damen und Herren, ebenso wie Gleichberechtigung! Der Schutz von Kindern vor Gewalt und Verwahrlosung muss vor Ort, hier in Bremen und in Bremerhaven, geschehen.
Wir haben mit der bundesweit herausragenden Höhe der Zahl der Inobhutnahmen und der seit Jahren an steigenden Kinderarmut auch noch mehr als genug hier im Lande Bremen zu tun.
Zweitens: Gemäß Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz tragen primär die Eltern die Verantwortung für das Wohl des Kindes. Das können Sie dort übrigens nach lesen, Herr Güngör. Ihnen werden treuhänderisch die Rechte der Kinder übertragen, weil der Staat davon auszugehen hat – Verfassungsgrundsatz –, dass Eltern grundsätzlich besser als der Staat wissen, was gut für ihr Kind ist. Verfassungsexperten sprechen in diesem Zusammenhang auch von der Erstverantwortung der Eltern und fordern, den freiheitlichen Schutz der Kinder durch die Eltern nicht infrage zu stellen, sondern zu bestätigen und zu stärken. Eine explizite Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz läuft dieser Forderung aber zuwider,
indem es die Kinder in rechtliche Distanz zu den El tern bringt. Das hat übrigens Herr Dr. Güldner eben auch schon so gesagt.
Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass das Kindes wohl bei Interessenkollisionen schon heute letztlich bestimmend ist, so auch explizit in den familien rechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetz buches. Statt eine Debatte über die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz zu führen, haben Politik und Gesellschaft die Aufgabe, die bestehen den verfassungsmäßigen Rechte der Kinder in den Gesetzen und der Praxis zu stärken. Auch das Bun desverfassungsgericht sägt nicht einfach Elternrecht und Kinderrecht ab, es hat zudem ein Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch die eigenen Eltern postuliert.
Zwei Punkte noch! Ich finde es schon sehr spannend, dass Sie im Vorwort von der Chancengerechtigkeit und kindgerechten Lebensbedingungen für alle Kinder sprechen, diese Punkte aber explizit nicht in Ihren Beschlusstext aufgenommen haben. Ihnen ist wohl noch selbst aufgefallen, dass wir das hier in Bremen nicht gewährleisten.
Ich komme zum Schluss. Die meisten Kita- und Krip penplätze fehlen in den soziokulturell benachteiligten Stadtteilen, da gibt es noch viel zu tun.
Der allerletzte Punkt: Auch die SPD will auf Bundes ebene in ihrem Entwurf keine Verschiebung zwischen Elternrecht und staatlichen Eingriffsmöglichkeiten.