Protocol of the Session on February 16, 2017

Es soll erst einmal geschaut werden, was wir hier in Bremen tun können. Wenn wir das Kästchen der Ausbildungsinteressierten, die aber nicht in die Gruppe der Bewerber passt, schon einmal erfasst haben, dann ist immer noch nicht die vollständige Transparenz vorhanden. Deswegen ist die beabsichtigte Bundesratsinitiative der Grünen sicherlich sinnvoll, und wir sind in der Frage der Transparenz einen großen Schritt weiter. Ich möchte nicht, dass die Initiative zur Bundesratsinitiative dazu führt, dass sich der Senat zurücklehnt und sagt, gut, jetzt müssen wir gar nichts mehr tun.

(Beifall DIE LINKE)

Ich hoffe auch, dass sich die SPD an das Versprechen erinnert, dass Herr Tschöpe in Vertretung für die SPD gegenüber den Jugendlichen abgegeben hat, dass die SPD, wenn festgestellt wird, dass alle Bremer Wege ausgeschöpft sind und dass es auf Landesebene nicht mehr möglich ist, weitere Schritte zu gehen, eine Bundesratsinitiative mittragen wird.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal ausdrücklich den Schülern und auch dem Lehrer an der GSO danken, dass sie sich immer wieder intensiv in dieses Thema eingearbeitet haben. Wir wissen alle, dass

Statistiken eigentlich nicht super spannend sind, es ist kompliziert, die Fehler herauszufinden. Diese Aufgabe haben die Schüler wunderbar und vor allem mit einer Hartnäckigkeit gelöst, und deshalb möchte ich ihnen noch einmal ausdrücklich danken.

(Beifall DIE LINKE)

Natürlich stimme ich Frau Böschen zu – und dieser Punkt ist mir sehr wichtig –, dass wir gar nicht das eigentliche Problem beraten, wenn wir über die Transparenz der Zahlen reden, denn wenn irgendwann einmal transparente Zahlen vorliegen, dann hat sich immer noch nichts, rein gar nichts an der Ausbildungssituation im Land Bremen geändert. Meine große Sorge ist, wenn der erste Schritt für den Senat schon so schwierig ist, für Transparenz zu sorgen, was ist denn dann erst mit dem zweiten Schritt? Hier muss unbedingt nachgelegt werden.

Wir glauben auch, dass man dafür eine Ausbildungsumlage benötigt, damit man die Unternehmen in die Pflicht nimmt auszubilden.

(Zuruf Abg. Leidreiter [LKR])

Ja, ich weiß, das dieser Vorschlag nicht von allen hier im Plenum positiv aufgenommen wird, aber es ist trotzdem unsere Haltung. Wir glauben, dass das der richtige Weg ist, der zu gehen ist. – Herzlichen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bergmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die bremischen Jugendlichen gibt es in unserem Land unter dem Strich zu wenig Ausbildungsplatzangebote, also zu wenig Betriebe, die anbieten. Auch die Bremer Vereinbarung für Ausbildung und Fachkräftesicherung hat daran substanziell eigentlich nichts verändert.

Man muss allerdings auch bedenken, Frau Steiner hat es schon erwähnt, dass ein Drittel der dualen Aus bildungsplätze von Jugendlichen aus dem Umland besetzt wird und dass auf der anderen Seite aber noch 400 unbesetzte Ausbildungsplätze vorhanden sind, es kann sich also noch ein bisschen etwas zurechtrücken.

Natürlich gibt es auch viele vorbildliche Unternehmen – und das muss man auch sagen –, die ihre gesellschaftliche Verantwortung gern und auch von Herzen und mit Überzeugung wahrnehmen und teilweise auch über den Bedarf, über ihren eigenen Bedarf ausbilden. Das ist so! Trotzdem müssen wir alle, und da schließe ich insbesondere die Partner der Bremer Vereinbarung mit ein, uns noch einmal intensiv mit folgenden Fragen beschäftigen.

Erstens: Warum ist der Anteil der Betriebe, die überhaupt ausbilden, so gering und wie lässt er sich steigern? Das ist eine Frage, die wir beantworten müssen.

Zweitens: Wie groß ist das Problem der häufig beklagten mangelnden Ausbildungsreife wirklich, und durch welche Maßnahmen lässt sich das im System Schule oder auch ausbildungsbegleitend verbessern?

Die dritte Frage: Wie lässt sich die Berufsorientierung in den Schulen optimieren? Jugendliche müssen durch die Berufsorientierung ein realistisches Bild über mögliche Ausbildungsberufe und deren Anforderungen bekommen, im Übrigen auch einen erweiterten Blick über die geschlechtertypische Sichtweise hinaus. Sie müssen Klarheit über ihre eigenen Interessen und auch ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz im jeweiligen Wunschberuf sowie über mögliche Alternativen einfach informiert sein und Bescheid wissen. Mit anderen Worten: Auf welche Weise lässt sich das Matching zwischen Angebot und Nachfrage verbessern oder auch optimieren?

Viertens: Wie lässt sich die Zahl der Ausbildungsabbrüche weiter senken? Uns ist in einer Vielzahl von Gesprächen mit Kammern, Innungen und Betrieben immer wieder gesagt worden, dass es Bremer Betriebe schwer haben, ihr Unternehmen, ihre Branche und ihren Ausbildungsberuf in den Schulen vorzustellen. Das ist das nach wie vor häufig reservierte oder ablehnende Verhalten der Schulleitungen und der Behörden gegenüber Unternehmen. Dieses Verhalten können weder die Betriebe noch wir wirklich nachvollziehen. Dadurch gehen natürlich wertvolle Chancen für eine bessere Berufsorientierung ungenutzt vorbei, und das ist schade.

Eine weitere Verbesserung wäre, wenn die Jugendberufsagentur oder die Agentur für Arbeit direkt Bescheid sagen, wenn sie einen Kandidaten haben, der in ein bestimmtes Unternehmen passt, damit die Betriebe selbst on the Job punktgenau qualifizieren können, anstatt die Leute in irgendwelchen Qualifizierungsmaßnahmen zu parken. Dann gibt es noch Unternehmen, die bereit wären, Jugendliche auszubilden, sie scheuen aber vor dem Wirrwarr an Fragestellungen, Zuständigkeiten und rechtlichen Vorschriften zurück.

Für viele Azubis ist zum Beispiel für ihre Ausbildungszeit eine sozialpädagogische Begleitung wichtig. Mit ausbildungsbegleitenden Hilfen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Unternehmen auch einmal für einen unterstützungsbedürftigen Bewerber entscheiden. In vielen kleinen Betrieben ist es unbekannt, dass es diese Hilfen gib. Dass es einen zentralen Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit, also so eine Art Pfadfinder durch den Dschungel der Zuständigkeiten und Fördermöglichkeiten, gibt, das ist ebenfalls häufig nicht bekannt.

Weil es wichtig ist, die Dienstleistungen des Arbeitgeberservices ortsnah zur Verfügung zu stellen, ha

ben wir Ende 2016 den Aufbau einer solchen Stelle in Bremen-Nord gefordert. Der Umsetzung sehen wir entgegen, wir werden sie dann also bald haben.

Zusammengefasst: Die Ausbildungsplatzbewerber in Bremen, ihre Eltern und Lehrer sind ein bisschen müde, sie wollen Lösungen. Die Jugendberufsagentur produziert nach wie vor nicht die erwarteten Früchte. Zahlen, die eine angeblich heile Welt transportieren, bewirken Misstrauen und Frustration. Daher fordern wir den Senat auf, die im Mai 2016 beschlossene transparente Darstellung der Ausbildungszahlen dringend umzusetzen und noch mehr dafür zu tun, dass junge Menschen auf dem Weg zu Ausbildung und Beruf begleitet werden und ankommen. Dieses vom Senat selbst formulierte Ziel ist nach wie vor nicht erreicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Ich möchte auf das eingehen, was einige Kollegen und Kolleginnen hier gesagt haben. Frau Steiner, Sie haben gesagt, ganz viele Unternehmen bilden sehr viele junge Menschen aus, die aber nicht ausbildungsreif sind, und das hat etwas mit unserem Schulsystem zu tun.

Ich habe mich mit diesem Schulprojekt, das Herr Stein begleitet hat, ein bisschen näher beschäftigt und mir schon die Frage gestellt, wie es sein kann, dass eine junge Frau, die einen Zeugnisdurchschnitt von 1,9 hat, erweiterter mittlerer Bildungsabschluss, über 70 Bewerbungen schreiben muss und keine Lehrstelle bekommt. Frau Strunge ist darauf eingegangen und hat gefragt, was macht das mit den Menschen? Ich finde es sehr wichtig, neben den Ausbildungsplätzen, Frau Böschen, dass die Zahlen – –. Wenn nämlich jemand in der Zeitung liest, es gibt 200 Unversorgte, dann denken die Bürgerinnen und Bürger, es ist alles in Ordnung, es sind ja nur 200, die nicht versorgt sind.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind diese junge Frau, lesen das, was denken Sie? Ich gehöre mit 1,9 Notendurchschnitt zu diesem Personenkreis, der keine Ausbildungsstelle bekommt. Wie frustrierend ist das denn?

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

Wenn wirklich diese Transparenz hergestellt werden würde, könnte man feststellen, dass nämlich eigentlich sehr viele Unternehmen – –. Der Druck würde dann auf die Unternehmen gesellschaftlich auch wachsen, denn die tatsächliche Zahl wird ja dadurch verschleiert, dass viele Personen diesen Stempel „nicht ausbildungsreif“ bekommen.

Bis zu dem Jahr 2006/2007 war es nicht so. Die jungen Menschena sind hingegangen und erklärt, ich interessiere mich für eine Ausbildung, das wurde dann so aufgenommen. Seitdem wird immer geprüft, ob jemand geeignet ist oder nicht, und das, sage ich einmal, prüft irgendein Sachbearbeiter. Ich finde es nicht richtig. Die Zahlen sind sehr wichtig, denn nur wenn diese Zahlen offen dargestellt werden, dann wird auch gesellschaftlich klar, wie groß das Problem nicht nur im Bundesland Bremen, sondern bundesweit ist, meine Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Dann kann der Druck auf Unternehmen stattfinden und deswegen ist es wichtig.

Sie, Frau Böschen, haben zwar gesagt, wir brauchen Ausbildungsplätze, aber warum sollen Unternehmen Ausbildungsplätze schaffen, wenn auch bei ihnen so gedacht wird, na ja, es sind ja nur 200 unversorgte Menschen.

Umso wichtiger ist es, auch in Bremen, dass Angebote gemacht werden und die Zahlen transparent werden, das ist total wichtig! Bremen kann das aber nicht alleine, deswegen hatte ich eingangs gesagt, wir haben einen Antrag mit einem ersten Punkt, die Bundesratsinitiative.Im zweiten Punkt, den wir in unserem Antrag aufgenommen haben, geht es darum, dass auch der Senat umgehend Verhandlungen mit der Regionaldirektion führen sollte, mit dem Ziel, dass aussagekräftige Kriterien von Jugendlichen und jungen Menschen auf freiwilliger Basis erhoben werden. Denn das Problem, das Frau Böschen richtigerweise angesprochen hat, mit Daten, dass das alles nicht rechtssicher ist, das gibt es ja.

Aus der Antwort des Senats ergibt sich, ein paar kleine Schritte sind vom Senat tatsächlich umgesetzt worden. Das ist für uns alle nicht ausreichend, und deswegen ist dieser zweite Punkt umso wichtiger, da solch eine Bundesratsinitiative ein bisschen länger dauert, dass man das auf freiwilliger Basis noch einmal initiiert und den Senat nochmals dahingehend auffordert.

Mir ist sehr wichtig – ich finde die Debatte ganz gut, dass sie die Schüler initiiert haben –, dass wir hier im Parlament fraktionsübergreifend diese Problemlage auch so erkannt haben. Wichtig ist mir auch, dass wir dieses Thema noch viel stärker in die Öffentlichkeit tragen müssen, um den Druck, finde ich, auch auf die Unternehmen auszuüben, weil wir sehr viel mehr Ausbildungsplätze für diese jungen Menschen benötigen. Ansonsten wird das, was wir uns koalitionär vorgenommen haben, nicht in einem Erfolg einmünden. Daran sollten wir aus meiner Sicht alle gemeinsam arbeiten, denn ich möchte nicht in der Haut dieser jungen Menschen stecken, die so tolle Bildungsabschlüsse haben und frustriert sind, wenn sie 80 Bewerbungen schreiben und keinen Ausbildungsplatz bekommen.

Ich glaube, jeder von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, kennt solche Beispiele. Ich meine, mit diesem Notendurchschnitt ist man aus meiner Sicht geeignet, wenn man sich für eine Ausbildung interessiert. Sie haben es auch richtig gesagt, es gibt ganz viele Jugendliche, die entscheiden sich dann für ein Fachabitur. Man denkt, wie kann das sein, dieser Mensch findet keine Lehrstelle? Lassen Sie uns daran weiterarbeiten.

Wir haben jetzt den zweiten – –.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Ja, wir schauen uns den Antrag dann an, wenn er denn kommt!)

Ja, Herr Röwekamp!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Vielleicht sind es dann schon 100!)

Herr Röwekamp, den Antrag hat erst einmal die SPD, und wenn wir uns in der Koalition geeinigt haben, werden Sie ihn auch bekommen und können ihn sich anschauen.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Ja, würde mich auch freuen!)

Ich würde ich freuen, wenn wir das nächste Mal auf der Grundlage dieses Antrags gemeinsam einen einstimmigen Beschluss in der Bürgerschaft fassen, um ein Signal in unser Land zu senden, wie wichtig dieses Thema für uns ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Wo ist denn dieser Antrag? – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das scheint ja ein Ge- heimantrag zu sein!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kenne den Antrag noch nicht, er wird mich aber sicherlich in Kürze ereilen, gut Ding will ja bekanntlich Weile haben, das habe ich vorhin auch schon einmal gesagt, dafür lohnt es keine Aufregung.

Wir sind uns alle einig, ich glaube, da gibt es doch überhaupt keinen Dissens, dass die Transparenz in den Zahlen hergestellt werden muss. Wir alle wollen, dass alle Jugendlichen erfasst werden, damit hier ihre Perspektive zielführend organisiert wird.