Protocol of the Session on February 15, 2017

Wir haben in unserer Anfrage zum Umsetzungsstand der Empfehlungen des Armutsausschusses – das war dort auch eine Empfehlung – nach dem Umsetzungsstand gefragt, und die Antwort lautete, es seien lediglich zwei Beschäftigungsvolumina hinzugekommen. Das ist deutlich zu wenig, wir wünschen uns deutlich mehr. Das wird auch in den Antworten gesagt.

(Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt: Es steht ja darin!)

Ja, aber an der Umsetzung hapert es tatsächlich, sehr geehrte Frau Senatorin, denn wir wissen schon seit Jahren, dass es dort fehlt!

(Beifall DIE LINKE)

Wir wissen es seit Jahren, wir diskutieren es seit Jahren, und es passiert viel zu wenig!

Im dritten Sofortprogramm haben Sie für das Referat Familienhebammen schon im September 2015 die Verstärkung um eine halbe Stelle beschlossen. Als die Antworten auf unsere Anfrage kamen, war diese halbe Stelle immer noch nicht besetzt, man muss also über ein Jahr warten, bis die Besetzung einer halben Stelle erfolgt. Ich weiß nicht, ob sie mittlerweile besetzt ist, jedenfalls sind die Antworten noch relativ frisch. Das ist nicht das Tempo, das ich mir von tatsächlich bekanntermaßen erfolgreichen Maßnahmen wünsche, das muss etwas schneller gehen!

(Beifall DIE LINKE – Abg. Kastendiek [CDU]: Das ist das Mäurer-Phänomen!)

Ansonsten gibt es Ausbaubedarfe im therapeutischen Bedarf, bei REFUGIO gibt es Wartezeiten von über einem Jahr. Es gibt nur zwei Wochen im Jahr

Aufnahmegespräche, und das ist deutlich zu wenig. Der Senat kann und sollte es auch ermöglichen, dass dort mehr passiert, denn ich glaube, diese Arbeit ist dringend notwendig und wirkt auch präventiv, um zukünftige Probleme zu vermeiden. – Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege Möhle ist eben schon darauf eingegangen, dass wir die Notwendigkeit hatten, von einer Krisenorganisation in eine Regelorganisation überzugehen, und diese Herausforderung haben wir geschafft. Er hat aber auch gesagt, es sei irgendwie nicht so ganz gerechtfertigt, zu kritisieren. Ich glaube schon, dass es als Regierung, aber auch als Opposition unsere Aufgabe ist zu schauen, wo gute Arbeit geleistet wird, und hinzuschauen, wo noch bessere Arbeit geleistet und wo noch nachgelegt werden muss. Das sollten wir tun, und das ist auch gerade auch in anderen Reden getan worden, das ist unsere Aufgabe hier als Parlament.

(Beifall FDP)

Frau Grönert hat darauf hingewiesen, dass es sehr viele Stellen gibt, an denen es schon im Kinder- und Jugendbereich Mängel gibt, und diese schlagen dann natürlich auch durch. Wenn wir zu wenige Plätze in Kindergärten haben, dann trifft das alle Gruppen und natürlich auch diese Gruppe der Geflüchteten, die hier besonders gefragt ist, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Insofern müssen wir genau schauen, wo wir insgesamt im Kinder- und Jugendbereich besser werden müssen – da gibt es Mangelsituationen in den Bereichen des Personals und der Ausstattung –, und wir müssen hinschauen, bei welchen speziellen Punkten wir insbesondere für diese Gruppe tätig werden müssen. Da gibt es dann eben nicht nur Schnittmengen. Vorkurse besuchen eben nur Leute, die zu uns kommen und noch nicht über die nötigen Sprachkenntnisse verfügen.

Es ist richtig, lesen, schreiben und rechnen sollten sie am Ende alle können, übrigens nicht nur die Geflüchteten, die zu uns kommen. Außerdem ist die Frage, ob wir genügend Vorkurse haben und ob sie auch lange genug dauern. Ich habe immer wieder das Gefühl, dass aufgrund der hohen Belastungssituation nicht genügend auf den Einzelfall gesehen und geschaut wird, wer vielleicht noch länger im Fokus bleiben müsste, um auf den Stand zu kommen, um in die Regelklasse aufgenommen werden zu können. An der Stelle wünschte ich mir etwas mehr Flexibilität, etwas mehr Einfühlungsvermögen und ein etwas ge

naueres Schauen darauf, was den einzelnen Kindern nützt, anstatt zu sagen, wir haben keine Ressourcen mehr für einen weiteres halbes Jahr. Da brauchen wir endlich mehr Flexibilität.

(Beifall FDP – Frau Vogt [DIE LINKE]: Ich kenne das Problem!)

Das Casemanagement und die Vormünder sind angesprochen worden, und zu Recht auch die Situation der Familienhebammen. Alles das ist wichtig und notwendig und eine Frage der Ressourcen. Es mangelt aber, so muss ich das dann auch aus Sicht der Opposition sagen, nicht unbedingt an der Bereitstellung von Ressourcen, sondern an der Besetzung von Stellen. Dann stellt sich die Frage, warum das nicht gelingt und wie wir mehr tun können, damit diese Stellen ausgefüllt werden und diese wichtige Arbeit getan werden kann. Es kann uns nicht zufriedenstellen, dass wir, die Bürgerschaft, Mittel zur Verfügung stellen, aber hier nicht umgesetzt werden kann, was notwendig ist. Insofern wünsche ich mir, dass man dort noch weiter am Ball bleibt, um diese Stellen zu besetzen, damit diese wichtige Arbeit getan werden kann,

(Beifall FDP)

denn das macht gerade die Situation aus, dass Hilfeplanverfahren nicht so laufen, wie sie laufen müssten, indem die Unterstützung nicht da ist.

Der letzte Punkt, der angesprochen wurde, ist zu Recht, wie wir mit den Traumata und wie wir mit dem Dolmetschen und ausreichenden Kapazitäten in diesem Bereich umgehen. Auch hier muss ich sagen, dass es auch die Kapazitäten zu schaffen gilt, aber parallel dazu gilt es, den Spracherwerb so voranzutreiben, damit vielleicht weniger Dolmetscher nötig sind. Insofern kann man das dual angehen. Wenn das Ganze angegangen wird, wird es hoffentlich gelingen, dass die Jugendlichen dann integraler Bestandteil unserer Gesellschaft werden und nicht nur lesen, schreiben und rechnen können, sondern richtig etwas dazu beitragen können und Spaß daran haben, bei uns zu leben. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst einmal bedanke ich mich dafür, dass Sie anerkennen, dass wir Ihnen eine umfangreiche Antwort geliefert haben, auch es wenn vielleicht dem einen oder anderen nicht konkret genug geworden ist. Der Überblick, den wir mit dieser Anfrage –

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Mit der Antwort, nicht mit der Frage!)

also der Antwort auf die Frage! – gegeben haben, zeigt auf, dass die unterschiedlichen Ressorts auf eine sehr vernünftige Art und Weise sichtbar gemacht haben, dass es Angebote sind, die ineinandergreifen und füreinander da sind und nicht in einem Nebeneinander zu existieren haben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will jetzt nicht auf die einzelnen Schwerpunktbereiche wie Schule, Kita und so weiter eingehen, sondern gern eher auf die übergeordnete Fragestellung, nämlich aus der Perspektive der Gesundheit, das ist ja letztlich etwas Verbindendes.

Wir haben in den letzten zwei Jahren ungefähr 4 500 Kinder zusätzlich in unsere Systeme aufgenommen. Wenn wir davon ausgehen, dass wir im Jahr 2015 11 000 geflüchtete Menschen aufgenommen haben und Jahr 2016 noch einmal 3 200 dazu, sind davon ungefähr ein Drittel Kinder. Diese Anzahl von Kindern und Jugendlichen – Herr Möhle ist auch noch einmal auf die unbegleiteten Minderjährigen eingegangen –, diese jungen Menschen haben wir in unsere Systeme aufgenommen, ohne dass größere Verwerfungen aufgetreten sind.

(Beifall SPD)

Ich finde, das ist eine Leistung, die sich jede oder jeder ans Revers stecken kann. Es ist nicht nur eine Leistung des Senats oder der Institutionen oder des Parlaments. Ich glaube, die Zivilgesellschaft unseres Landes hat es geschafft, hier vernünftig Hand in Hand zu arbeiten, und jetzt geht es darum, dass wir für die Menschen, die wir aufgenommen haben, Pfade legen, auf denen sie ihren Weg der Integration auch eigenständig weitergehen können. Mit eigenständig meine ich nicht allein, sondern eigenständig laufen zu können bedeutet, dass der Staat Angebote vorzuhalten hat, damit das Laufen auch möglich ist.

Wenn wir uns den Gesundheitsbereich anschauen, sehen wir, dass es uns gelungen ist, Sprechstunden in den Gemeinschaftsunterkünften einzurichten. Alle Erstuntersuchungen, die gesetzlich verpflichtend sind, haben wir so durchgeführt, dass wir sagen können, dass die angekommenen geflüchteten Kinder und jungen Menschen mit einem gesundheitlichen Status versehen sind, von dem aus sie wunderbar in die Schule, die Kita und alle anderen Bereiche gehen können. Wir haben durch die AOK-Gesundheitskarte den Zugang zum Gesundheitssystem für alle gewährleistet.

Warum sage ich das jetzt? Ich sage es natürlich, weil es einerseits zeigt, dass das Gesundheitsamt hier

hervorragende Arbeit geleistet und alle Fragen, die auch noch mit zur Hygiene dazugehören, sauber und vernünftig abgearbeitet hat. Ich sage das aber auch, weil mir völlig klar ist, dass wir jetzt den Menschen, den Kindern und Jugendlichen, die hier sind, ein begleitendes Programm anbieten müssen, damit wir ihnen bei ihrer Traumatisierung helfen können, die sie vielleicht haben. Manchmal muss es nicht eine Traumatisierung sein, schon das Ankommen in einem anderen Land, das Verlassen des eigenen Heimatlandes allein ist genug, kommt vielleicht einmal hoch und muss bearbeitet werden. Dafür muss der Gesundheitsbereich, müssen Beratungsstellen wie KIPSY, die beim Gesundheitsamt angesiedelt ist, Schulen und Kitas unterstützen, damit die Kinder und auch die dazugehörigen Eltern dann mit dieser Situation umgehen können, dass der Pfad hier in unserem Bundesland auch gegangen werden kann, hier eigenständig Fuß fassen zu können und auch zu wollen.

Dafür steht das öffentliche Gesundheitswesen, und aus meiner Sicht hat es an dieser Stelle sehr viel Richtiges gemacht. Ich sehe aber auch, dass wir noch nicht alles ausreichend bedienen können, da hat Frau Leonidakis völlig recht. Wir müssen das Angebot bei den Familienhebammen ausbauen, das sehe ich genauso, die Auffassung teile ich.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es sind aber wirklich manchmal zweierlei Dinge, ob man Mittel bereitstellt und ob man jemanden findet, oder ob man keine Mittel bereitgestellt hat. An dieser Stelle muss man einfach sagen, dass es auch mir zu langsam geht.

(Zuruf Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE])

Ja, ich weiß das! Ich weiß, dass unser Tempo an der Stelle anders werden muss, und ich werde auch das angehen, damit wir das auch versuchen zu verbessern.

Ich sehe aber auch, dass wir neben den Kindern, die sich hier einfinden und hier zur Schule oder in die Kita gehen und keine Probleme haben, hier bei uns zu leben – die gibt es auch, das muss man fairerweise auch einmal anerkennen! –, aber natürlich auch Kinder und Jugendliche haben, für die wir in der jugendpsychiatrischen Versorgung und in der Notfallversorgung nur fünf Plätze vorhalten, und das ist eindeutig zu wenig, das ist so. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, weil ansonsten Probleme auf uns zukommen, die wir letzten Endes nicht wieder einfangen können. Wir müssen uns also schon sehr ernsthaft damit auseinandersetzen, wie wir diese Angebote für seelische Hilfen gerade bei akuter Not anders aufstellen oder sogar erweitern können. Es kann sein, dass wir zur Sicherstellung der seelischen Gesundheit der Kinder und Jugendlichen in einzelnen

Bereichen mehr finanzielle Ressourcen benötigen oder eine Umschichtung finanzieller Ressourcen vornehmen müssen.

(Beifall SPD)

Bei einem weiteren Thema, das Sie angesprochen haben, sehe auch ich, dass wir mehr machen müssen, nämlich im Bereich der Dolmetscherinnen und Dolmetscher und Sprachmittlerinnen und Sprachmittler. Wir haben bis jetzt ein Angebot aufgebaut. Frau Dr. Kappert-Gonther die Videoübersetzung angesprochen, das ist ein Element, das funktioniert auch gar nicht schlecht. Ein zweiter Punkt ist, dass wir über Performa absichern, dass Dolmetscherinnen und Dolmetscher auch mit eingeworben werden können.

Wir sind jetzt dabei, Lösungen zu finden, wie das am Ende abgerechnet wird, da haben wir jetzt einen Lösungsweg. Die Psychotherapeuten wollen das nicht selbst bezahlen, das sollen wir jetzt bezahlen. So ein bisschen kann man das verstehen, das wird noch geregelt. Ich glaube, dass wir uns auch noch einmal sehr ernsthaft damit auseinandersetzen müssen, wie Psychotherapie auch mit Dolmetschern funktionieren kann. Das ist auch eine nicht einfache Aufgabe, aber auch daran wird gearbeitet, es wird versucht, hier ein vernünftiges Setting zu entwickeln.

Als weiterer Punkt wurde die Frage der Berufsanerkennung angesprochen. Auch im Bereich der Berufsanerkennung findet die Arbeit sowohl auf der Ebene der Pflegekräfte als auch auf der der Ebene der Ärzte statt. Dort funktioniert es relativ gut, es ist noch nicht schnell genug. Wir haben dort aber das Problem, dass man für die Approbation eine bestimmte Sprachprüfung braucht, die auch erst einmal abgelegt werden muss, und dafür muss die Sprache erst einmal gelernt werden. Wenn wir dort mehr Ärztinnen und Ärzte haben, dann wird auch noch einmal das ganze Versorgungssystem entlastet, und wir haben es dann auch noch einmal auf eine breitere Basis gestellt.

Im Bereich der Psychotherapie haben wir gar keine Personen, die hier ihre Berufsanerkennung haben wollen. Wir haben hier das Problem, dass es zurzeit niemanden gibt, der vor der Tür steht und wo man feststellen könnte, dass wir vielleicht zu langsam arbeiten. Es gibt keinen, mit dem wir arbeiten könnten, und hier haben wir also ein reales Problem, auch in Bezug auf die personelle Versorgung.

Auch auf den letzten Punkt würde ich auch gern eingehen! Wir haben an den Hochschulen das Projekt IN-Touch. Wir haben das Hochschulbüro eingerichtet. Wir haben in diesem Bereich jetzt 600 Bewerbungen von Studierenden, die sich in das Vorstudium einbringen wollen. Wir haben 200 Studierende, die in den Sprachangeboten integriert sind, die dann auch in das Hochschulsystem einmünden können, wenn sie ein bestimmtes Sprachniveau erworben haben.

Ich kann Ihnen sagen, dass wir den Studierenden, die wir haben, noch ein wesentlich größeres Angebot machen könnten, wenn wir dafür mehr Geld aufbringen könnten. Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass die Studierenden, die in das Vorstudium einmünden wollen, sehr engagierte junge Leute sind. Deswegen bin ich so interessiert daran, auch an diesem Angebot festzuhalten, weil sie auch unsere Mittlerinnen und Mittler für die Kinder in der Kita und in der Schule sind, die dann noch zusätzliche Unterstützungsangebote brauchen, um sich hier auch zurechtzufinden. Insofern finde ich, und das drückt die Antwort des Senats auch aus, dass wir auf allen Ebenen viel erreicht haben und in einem guten Arbeitsprozess sind, aber – und das können Sie auch in jeder Zeile dieser Antwort lesen – wir loben uns nicht übertrieben, sondern wissen auch, dass noch ein etwas steiniger Weg vor uns liegt, um wirklich allen Menschen, die hier bei uns leben, gleiche Teilhabechancen zu ermöglichen. – Herzlichen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

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