Protocol of the Session on February 15, 2017

Das Gleiche gilt für REFUGIO. REFUGIO leistet großartige Arbeit, aber auch dort kommt man an seine Grenzen und platzt aus allen Nähten. Im Moment schulen sie dort vor allem Dolmetscherinnen und Dolmetscher für bestimmte psychotherapeutische Situationen, das ist ganz toll. Sie haben dafür ein entsprechendes Curriculum erfunden und bieten das an, aber ich meine, auch da wird es in Zukunft mehr Unterstützung brauchen, damit REFUGIO diese gute Arbeit auch entsprechend weiter leisten kann.

Die ganze Idee des Videodolmetschens beginnt gerade erst, an Fahrt aufzunehmen, da gibt es gute Erfahrungen im Land Bremen. Bei Kindern ist das natürlich so eine Sache, sie müssen lernen, mit Videodolmetschern umzugehen. Ich meine, dass es für Kinder und Jugendliche eine nicht ganz ideale Methode ist und es darum gehen wird, auch und mehr muttersprachliche Therapeutinnen und Therapeuten zuzulassen. Das betrifft die gesamte Frage der Anerkennung von Berufsabschlüssen, die im Ausland erworben wurden. Sie werden in Bremen anerkannt, dafür gibt es ein geregeltes Verfahren.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident! Hier muss man aber wissen, dass man in Zukunft sehr gut darauf achten muss, dass diese Verfahren entsprechend zügig laufen, damit im Land Bremen auch zukünftig Kinder und Jugendliche gut und noch besser unterstützt werden können. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Koalition fragt, wie sich Kitas, Schulen, aber auch Angebote im Bereich der seelischen Gesundheit im Land Bremen der Her

ausforderung stellen, auf die besonderen Belange geflüchteter Mädchen und Jungen einzugehen, um sie angemessen, individuell und passgenau unterstützen und begleiten zu können, so steht es direkt in der Anfrage. Es ist eine wichtige und spannende Anfrage, denn viele dieser geflüchteten Kinder werden einmal die Geschicke unseres Landes mitbestimmen.

Gestern wurde hier bereits intensiv über die Unterstützung für Kinder und Jugendliche diskutiert. Da die allgemeinen Angebote immer auch für die Flüchtlingskinder gelten und es eigentlich gar keine Extras gibt, bräuchte man jetzt eigentlich nur eins und eins zusammenzuzählen, denn dann läge auf der Hand, dass es mit der Unterstützung für Flüchtlingskinder auch nicht besser oder schlechter aussehen kann als für alle anderen.

Dabei ist es ja nicht falsch, dass Kinder gemeinsam zur Kita oder zur Schule gehen und Maßnahmen der Jugendhilfe, Elternunterstützung, Familienhebammen und alles, was dort aufgelistet wird, allen gleichermaßen offenstehen. So wollen wir das Miteinander und die Integration fördern, und alle sollen mit- und voneinander lernen. Das ist eigentlich ein sehr guter Ansatz. Damit das gelingen kann – so der Senat –, stellen Kitas und Schulen einen geeigneten pädagogischen Rahmen her. Damit dieser geeignete pädagogische Rahmen gelingt, steht den Handelnden eine Vielzahl von Fortbildungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Da möchte ich aber doch anmerken, ich finde das ziemlich abstrakt, und das scheint mir auch zu wenig zu sein. Wie sieht es denn nach einer Fortbildung mit der Anwendung aus, sollten Lehrer überhaupt noch Zeit dafür finden? Wie finden Lehrer denn letztlich mehr Zeit, um sich Kindern regelmäßig auch einmal persönlich zuzuwenden? Von kleineren Klassen zum Beispiel ist hier überhaupt nichts zu lesen, aber es ist doch kein Geheimnis, dass man einfach nicht mehr – und schon gar nicht regelmäßig – auf spezielle Anliegen von Kindern, und gerade auch von Flüchtlingskindern, eingehen kann. Es fängt schon mit den zu kurzen Vorkursen an und geht mit der bitter nötigen, aber trotzdem fehlenden Unterstützung für die Verfestigung der deutschen Sprache weiter. Herr Dr. Güldner von den Grünen hat das gerade auch noch einmal öffentlich bekräftigt.

In der Antwort des Senats wird dennoch unmissverständlich deutlich, wie wichtig der Spracherwerb gerade auch für die Bewältigung von traumatischen Erlebnissen ist. Mangelhafte Sprachkenntnisse werden dann auch neben anderen Gründen deutlich als ein Grund für fehlende psychotherapeutische Behandlungen genannt. Dass sich in unseren Schulen viele Lehrerinnen und Lehrer weit über Gebühr für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen einsetzen, kann man nicht genug anerkennen,

(Beifall CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

doch dort, wo der Einsatz der persönlichen Kraft aufgezehrt ist, wird zu oft deutlich, dass man dem mit dem Beruf verknüpften Anspruch nicht mehr gerecht werden kann. Heraus kommen Hilferufe von Schulleitungen, die jeden Optimismus vermissen lassen.

Wenn wir weiter so mit geflüchteten Menschen umgehen, haben wir spätestens in fünf Jahren ein unglaubliches gesellschaftliches Problem, so klagte vor einigen Monaten eine Schulleiterin. Weiter sagte sie, sie habe das Gefühl von unterlassener Hilfe- und Bildungsleistung, und gestern konnten wir im „WeserKurier“ lesen, dass es in Bremen zum Beispiel auch weiterhin an Schulsozialarbeitern mangeln wird.

Doch auch bei allen anderen Angeboten für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern räumt der Senat Engpässe ein. Von diesen sogenannten Engpässen sind dann aber natürlich auch immer besonders die Flüchtlinge betroffen, denn sie sind es schließlich, die bereits an der Eingangstür, an der ungeklärten Dolmetscherfrage, scheitern. Da ist es dann auch kein Vorteil mehr, dass ihnen alle Angebote gleichermaßen offenstehen, wie es in der Antwort des Senats so schön heißt. Gerade auch psychische Erkrankungen werden ohne Sprachkenntnisse oder eben ohne Dolmetscher oft nicht erkannt, geschweige denn therapiert. Da klafft einfach noch eine große Lücke. In diesem Zusammenhang ist die Arbeit des Vereins REFUGIO ein wirklicher Lichtblick, leider kann ich aus Zeitgründen nicht intensiver darauf eingehen.

Auch auf der letzten Seite seiner Antwort gibt uns der Senat dann keine Antworten mehr auf die eingangs gestellte Frage nach angemessener individueller und passgenauer Unterstützung und Begleitung für Flüchtlingskinder, jedenfalls keine abschließende oder gar wirklich positive Antwort. Er kann es auch nicht, denn neben dem vielen Bemühen gibt es für alle Kinder in Bremen nach wie vor zu wenige Teilhabechancen, und besonders für benachteiligte Kinder, zu denen auch die geflüchteten gehören. Ich bin natürlich dankbar für jeden Engagierten in der Kita, in der Schule oder sonst wo, dem es trotz geringer Ressourcen gelingt, den Unterschied zu geben, aber man muss gerade auch politisch noch eine Menge tun. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man über diese Fragen diskutiert, muss man sich vergegenwärtigen, in welcher Situation wir am Anfang standen. Wir haben innerhalb kürzester Zeit über 2 000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Bremen aufnehmen müssen. Das Jugendhilfesystem war zumindest an der Grenze der Leistungsfähigkeit und in einigen Bereichen auch überfordert. Mittlerweile hat sich

das aber stabilisiert, und wir haben trotz neuer Zugänge ein System, das an vielen Punkten gute Arbeit leistet, da schließe ich mich ausdrücklich dem Dank an diejenigen an, die in diesem Bereich arbeiten.

Dass es immer noch Lücken und Schwierigkeiten in dem einen oder anderen Bereich gibt, gebe ich hier unumwunden zu, aber das ist beim Umfang dieser Aufgabe auch nicht besonders verwunderlich. Ich glaube, egal, wer in dieser Stadt regieren würde – ich sage es einmal ganz deutlich –, auch eine andere Regierung würde mit der Problematik, die auf uns zugekommen ist, nicht besser umgehen können. Deswegen ärgert mich an dieser Stelle immer wieder der Versuch, aus dieser Frage politisches Kapital zu schlagen und irgendeine Kritik an irgendeinem Bereich zu formulieren. Das ist Ihr gutes Recht, als Opposition sowieso, und das will ich auch niemandem nehmen, aber ich finde es nicht fair und nicht richtig, denn ich will Ihnen ganz deutlich sagen, ich finde, dass der Senat in Gänze in dieser Frage hervorragende Arbeit geleistet hat.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das können Sie auch nicht mit Ihrer Mäkelei unter den Tisch kehren. Natürlich gibt es Schnittstellen, wo auch ich mir die Frage stelle, ob wir das nicht besser können und nicht noch mehr leisten können, und das werden wir in einzelnen Fällen mit Sicherheit auch zu diskutieren haben.

Die grundsätzliche Frage, was ein jugendlicher Flüchtling eigentlich braucht, der hier nach Deutschland, nach Bremen kommt, unterscheidet sich von den Problemlagen heimischer problematischer Jugendlicher. Ich glaube, dass genau für diese Jugendlichen die Frage eines sicheren Aufenthaltsstatus, der Zugang zu Bildung und Arbeit und die Begleitung bei Übergängen und vor allem eine langfristige koordinierte Planung die entscheidenden Paradigmen sind, über die wir nachdenken müssen.

Was bedeutet das für das Jugendhilfeverfahren? Die Landesjugendämter empfehlen, dass bei der Planung der Hilfen neben dem Umgang mit traumatischen Erfahrungen und Organisationen ein stabilisierendes Wohnangebot bereitgestellt werden muss.

Der Erwerb der deutschen Sprachkenntnisse ist eine der zentralen Fragen überhaupt, das haben Sie, Frau Grönert, eben auch betont. Gleichzeitig erlebt man aber, dass einige Handwerksbetriebe sagen, sie würden gern Jugendliche ausbilden, aber sie können nicht rechnen. Ich formuliere es einmal so: Lesen, schreiben und rechnen zu können sind ganz entscheidende Grundvoraussetzungen, um den Schritt in die Arbeitswelt zu schaffen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Die berufliche Qualifikation gerade für Jugendliche ist eine große Chance, wenn es uns gelingt, die Wirt

schaft dafür zu gewinnen, auch mehr Flüchtlinge in Ausbildungsberufe aufzunehmen. Daran muss man mit Sicherheit auch weiterhin arbeiten.

Über ein paar Probleme möchte ich durchaus noch einmal reden, es geht dort um das Persönliche: Ich kenne einen, der einen kennt, und der hat mir etwas erzählt. Das möchte ich jetzt auch einmal probieren!

(Heiterkeit)

Ich kenne einen Ehrenamtlichen, der einen Jugendlichen kennt und versucht hat, ihm zu helfen. Er ist teilweise absolut gescheitert, weil er den Vormund nicht erreichen konnte, weil es ausgesprochen schwierig war, den Sozialarbeiter zu erreichen, und außerdem stellte sich durchaus die Frage, ob der Vormund tatsächlich in der Lage ist, diesen Jugendlichen so gut zu beraten, dass er beim BAMF auch bestehen kann. Ich glaube, manchmal muss man sich den konkreten Einzelfall vornehmen, um Schwachstellen im System zu erkennen, und ich denke, an dieser Stelle muss nachgebessert werden.

Das Jugendamt hat beim Casemanagement ohnehin sehr große Schwierigkeiten –

(Abg. Frau Ahrens [CDU]: 30 Prozent fehlen!)

das ist bekannt! –, allerdings verschärft das die Situation für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ganz besonders, weil sie außerordentlich auf die Hilfestellung der Ämter angewiesen sind.

(Abg. Frau Ahrens [CDU]: Na ja!)

Da müssen wir nachbessern.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Bei der Frage der Vormünder gilt das mindestens genauso. Sie sehen also, obwohl es hier eine sehr lange Liste von Projekten gibt, die ich hier jetzt im Einzelnen auch gar nicht alle aufführen will, und obwohl sehr viel passiert, wird es auch in den nächsten Jahren Aufgaben geben, bei denen wir darüber nachdenken müssen, wie wir sie vernünftig lösen.

Ich freue mich aber insgesamt darüber, dass das Thema hier noch einmal zusammenfassend diskutiert wird, weil es uns dabei hilft. Sie hatten auch schon gesagt, es sei eine sehr gute Zusammenfassung der Tätigkeiten und Aktivitäten, die in Bremen stattfinden, das sehe ich genauso. Man kann sich daran orientieren und schauen, dass man Verbesserungen in den Bereichen, in denen sie möglich sind, auch ins Auge fasst. – In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Leonidakis.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition hat nach pädagogischen und therapeutischen Unterstützungsangeboten gefragt. Die Antworten des Senats sind relativ umfangreich, jedenfalls wenn man sich die Seitenzahl anschaut. Nach Durchsicht der Antworten muss man allerdings sagen, dass – jedenfalls für mich – vieles im Bereich des Wünschenswerten und vage geblieben ist. Der tatsächliche Erkenntnisgehalt ist, sage ich einmal, relativ begrenzt und verweist an einigen Stellen auch noch auf Handlungsbedarfe.

Oft verweist der Senat in den Antworten auf die Zugänglichkeit für allgemeine Unterstützungsangebote in den Regelsystemen, das ist auch richtig. Wir teilen auch den inklusive Ansatz, dass die normalen Systeme der Schule, der Jugendarbeit, der Jugendhilfe et cetera natürlich für alle da sein müssen. Das Problem ist, dass diese Regelsysteme schon früher unterfinanziert waren und nicht bedarfsgerecht aufgestellt sind, Herr Möhle, das ist nicht erst seit 2015 ein Problem.

Wir haben schon seit Langem die Debatte darüber, dass zum Beispiel in den Kindertageseinrichtungen die Indexmittel für die Sozialindikatoren, gebundene Personalmehrausstattungen durch die Inklusion, durch die Schwerpunktmittel quasi aufgezehrt werden und somit nicht ankommen. Wir haben schon lange die Debatten über den Mangel an Lehrerinnen und Lehrern, wir haben jetzt die Debatte über die Schulsozialarbeit, bei der die GEW 35 Stellen für notwendig hält und jetzt 14, glaube ich, geschaffen werden und wir führen schon lange die Debatte über den Mangel an Casemanagerinnen und Casemanager im Jugendamt. Das alles ist durch mehr Kinder und Jugendliche natürlich nicht besser geworden, im Gegenteil, aber die Probleme waren schon in dem System angelegt.

Schauen wir zum Beispiel auf ein Regelsystem der Kitas! Wir hatten das Integrationskonzept des Senats, das im letzten Jahr vorgelegt wurde. Dort hat der Senat im pädagogischen Bereich für die Kindertagesbetreuung das sogenannte Drei-Drittel-Modell als quasi seinen Lösungsansatz vorgelegt. Ein Bestandteil dessen – der Kollege Pietrzok wird es wissen – war die Deckung eines Drittels durch die Schaffung von Dependancen von Kindertageseinrichtungen. Diese Dependancen sind bis heute quasi nicht geschaffen worden – also dieses eine Drittel ist tatsächlich nicht oder nur in sehr geringem Umfang umgesetzt worden –, weil die Träger auch berichten, dass die Zuschläge für die Dependancen noch nicht einmal die Kosten decken. Wenn sich der Senat also Ziele setzt und Maßnahmen plant und den Trägern dann nicht die entsprechenden Mittel dafür zur Verfügung stellt, dann ist auch nicht erreichbar, was man sich vornimmt, und wir haben im Unterausschuss „Frühkindliche Bildung“ von den Trägern gehört, dass die

Schaffung von Dependancen mit den Ressourcen, die sie dafür zur Verfügung gestellt bekommen, noch nicht einmal kostendeckend ist.

(Beifall DIE LINKE)

Schauen wir uns das Regelsystem der frühen Hilfen an – Frau Dr. Kappert-Gonther hat es eben schon erwähnt –, insbesondere das System der Familienhebammen! Alle Evaluationen bei den Familienhebammen besagen, dass es ein sehr erfolgreiches Modell ist. Es wird konzeptuell extrem gelobt, weil es eben eine Bringstruktur hat, die nahe an den Familien ist. Man geht in die Familien und ist nah an den Problemen. Es wirkt präventiv, weil man potenzielle Probleme relativ früh mitbekommt, relativ früh eingreifen und damit eine Verschlimmerung der Situation verhindern kann. Es ist wirkungsvoll, präventiv und aufsuchend, und das sind eigentlich genau die Charaktereigenschaften, die gute präventive Sozialarbeit und Gesundheitsprävention haben sollten.

Wir haben in unserer Anfrage zum Umsetzungsstand der Empfehlungen des Armutsausschusses – das war dort auch eine Empfehlung – nach dem Umsetzungsstand gefragt, und die Antwort lautete, es seien lediglich zwei Beschäftigungsvolumina hinzugekommen. Das ist deutlich zu wenig, wir wünschen uns deutlich mehr. Das wird auch in den Antworten gesagt.