Protocol of the Session on January 25, 2017

Noch einmal, Herr Janßen: Ich verstehe, dass Sie sich so etwas wünschen wie einen Knopf, auf den man drückt und sagt: Damit ist die Armut beendet. – Diesen Knopf haben wir aber nicht. Die älteren Menschen, die im Augenblick Monat für Monat in unser Haus, das Amt für Soziale Dienste, kommen, die haben Erwerbsbiografien, die zum Teil so löcherig wie ein Schweizer Käse sind, und zwar nicht durch ihr Selbstverschulden. Es gibt viele ältere Menschen, die dieses Land nach dem Krieg wieder mitaufgebaut haben. Wir haben Frauen, denen in den Fünfziger- und Sechzigerjahren erzählt wurde: Es ist schöner, zu Hause zu sein, und lasst euch die Rentenbeiträge ausbezahlen! – Das haben viele Frauen damals auch getan. Es gibt Menschen, die von der Ölkrise in den Siebzigerjahren betroffen waren. Es gibt viele Men schen, die von der Stahlkrise betroffen waren und die eben nicht diese idealtypische Rentenerwerbsbiografie haben – über 40 Jahre als Alleinverdiener - und eine gute Rente nach Hause bringen.

Wir haben eine wachsende Anzahl älterer Menschen, die die Grundsicherung bekommen, und auch das wird nicht nur aus meiner Sicht zur Frage werden: Wie organisieren wir unsere Stadt? Wie organisieren wir die Quartiere rund um die Lebenslagen älterer Menschen? Wie schaffen wir Teilhabe? – Bremen hat vielfach Kreativität bewiesen. Wir haben wie Dortmund ein Stadtticket, wir haben WiN-Gebiete, wir haben Stadtteilcafés, wir haben Bewohnertreffs. Thomas Röwekamp sagte in einer Debatte: Man darf sich nicht ausruhen und sagen: Damit ist Ende der Debatte, wir machen alles richtig.

Ich halte das für wichtige Bausteine, aber wir werden das Ruder in der Bundesrepublik nur herumreißen können, wenn auch die Bundesregierung erkennt, dass Armutsbekämpfung ein wichtiges bundespoliti sches Thema ist. Im Augenblick unterhalten wir uns über viele wichtige Themen, über Energiegesetze, über den Euro, aber das Thema Armutsbekämp fung gehört aus meiner Sicht auf die Agenda. Die Rechtspopulisten, über die wir heute Morgen hier im Haus gesprochen haben, ernähren sich politisch auch von Ungerechtigkeitsgefühlen in der Gesell schaft. Sie benutzen die Flüchtlingspolitik, die unter Angela Merkel im letzten Jahr gestartet ist, indem man in einem humanitären Akt viele Flüchtlinge in

Deutschland aufgenommen hat. Es tut mir leid, ich schaue jetzt auch einmal nach – von mir aus gesehen – rechts hier im Haus.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Aber über uns hinweg hof fentlich!)

Nein, ich habe heute Morgen auch sehr genau zu gehört! Man darf dieses politische – Spielfeld ist das falsche Wort – Feld nicht liegenlassen. Es beschäftigt viele Menschen, und es muss uns alarmieren, wenn auf einer Podiumsdiskussion im Bremer Überseemu seum – in das 70 Normalbürger kommen, die nicht so aussehen, als ob sie oft in politische Diskussionen gehen – nicht eine Person, nicht zwei Personen, sondern sehr viele Personen sagen: Sie fühlen sich abgehängt, sie fühlen sich chancenlos, sie empfin den es so, dass die unterschiedlichen Redebeiträge, die von einem vielfältigen Podium kamen, sie nicht mehr erreichen, sie glauben nicht mehr an die Kraft von Politikern und auch nicht mehr an die Kraft des Parlaments, ihnen in ihrer Lebenslage zu helfen. Das muss uns allesamt alarmieren, und wir müssen gemeinsam dieses Thema weiter vorantreiben.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Weil Sie nicht erfolgreich sind!)

Wir sind vielleicht aus mancher Sicht nur kleine Schritte vorangekommen, aber ich glaube, dass das, was auf der Armutskonferenz als Forderung erhoben wurde – eine Forderung war, Bremen muss Präventionsketten entwickeln –, ein ganz wichtiger Ansatz ist. Nicht jeder Bereich soll alleine vor sich hinpuzzeln, sondern wir brauchen eine Strategie, die miteinander verwoben ist. Ich habe die Hoffnung, nach dem, was ich aus den anderen Häusern fach politisch wahrgenommen habe, dass wir dabei ein großes Stück weitergekommen sind; aber angesichts unserer großen Anzahl von Menschen, die sich im Transferleistungsbezug befinden, denke ich, dass ein großes Stück Arbeit noch vor uns liegt. Ich sage noch einmal: Eine Hartz-IV-Erhöhung um einen oder zwei Euro pro Person frustriert die Menschen und bringt sie gegen das System auf. Wir brauchen andere Ant worten, um den Menschen zu signalisieren, dass sie in der Gesellschaft gebraucht werden.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Dann geben Sie sie auch!)

Herr vom Bruch, ich bin froh, wenn Sie das sagen. Ich bin nicht Bundeskanzlerin. Dieses Thema habe ich in meinem Herzen noch nicht bewegt, aber es wäre hilfreich, wenn auch die CDU in Bremen ihre Stimme auf Bundesebene erheben würde

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Mahnen Sie nicht nur an! Sie schieben nur! Andere sind erfolgreicher als Sie!)

und beim Thema Vermögensteuer und Steuerge rechtigkeit auch einmal sagt: Das sind wichtige Ge staltungsspielräume, die man bei diesem Thema nützen müsste.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir werden Sie bei diesem Thema brauchen. Wenn Sie gehört hätten, wie die Menschen auf der Ver anstaltung über Angela Merkel geschimpft haben, dann würden Sie das als CDU-Abgeordneter nicht zulassen wollen. Auch Sie müssen sich in diese De batte einbringen.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das tun wir mehr als Sie!)

Sie beklagen sich ja oft darüber, dass die Sozialde mokraten hier 70 Jahre lang Verantwortung getragen haben. Die Menschen haben 70 Jahre lang in diesem Bundesland der SPD mit wechselnden Koalitions partnern zugetraut, dass man dieses Land regiert und auch gut regiert. Das müssen wir hier im Haus zur Kenntnis nehmen, auch wenn das die eine oder andere Fraktion schmerzt.

(Beifall SPD)

Aber dieses Vertrauen in die Politik schwindet, und ich sage: Armut bedroht Demokratie, deshalb sind wir alle gefordert, dieses Feld entschieden zu beackern. – Danke schön für die Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen lie gen nicht vor.

Die Aussprache ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 19/880, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür CDU, LKR)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktion DIE LIN KE abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 19/907, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, LKR)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt auch diesen Antrag ab.

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats, Drucksache 19/810, auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE und von der Mitteilung des Senats, Drucksache 19/734, Kenntnis.

Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt ab gearbeitet.

Bundeswehr im Innern: Aktionismus und Panik mache? Große Anfrage der Fraktion der FDP vom 23. September 2016 (Drucksache 19/752) Dazu Mitteilung des Senats vom 25. Oktober 2016 (Drucksache 19/793)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Gemäß Paragraf 29 unserer Gesellschaftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. – Der Senator schüttelt mit dem Kopf, das heißt, er möchte das nicht.

(Beifall – Abg. Frau Dr. Kappert-Gonther [Bündnis 90/ Die Grünen]: Schönen Dank für die Übersetzung!)

Ja, manche freuen sich. Damit treten wir in die Aus sprache ein. Als erster Redner hat das Wort Herr Welt.

(Unruhe – Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Die FDP hat den Antrag gestellt, und Herr Zenner hat sich gemeldet!)

Ja, dann muss Herr Zenner das hier auch deutlich artikulieren. Er war vielleicht etwas zaghaft. Inso fern lassen wir Herrn Zenner natürlich den Vortritt. Kommen Sie bitte nach vorn und halten Sie Ihren Debattenbeitrag. Herr Zenner, möchten Sie jetzt? Dann wäre es gut, wenn Sie kommen würden.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben eine Anfrage gestellt zum Thema „Einsatz der Bundeswehr im Innern“.

(Präsident Weber übernimmt wieder den Vorsitz.)

Zunächst vielen Dank für die Beantwortung! Der eine oder andere Punkt müsste vielleicht noch beantwortet werden. Ich werde ihn im Rahmen dieses kleinen Vortrags dann noch als Frage einbauen.

Erste Bemerkung: Dies ist kein Misstrauen gegen über der Bundeswehr, sondern wir stehen natürlich voll zur Landesverteidigung für die Bundesrepublik Deutschland. Die Bundeswehr muss sachlich und personell gut ausgestattet werden, sie soll auch in ternationale Aufgaben übernehmen und muss eine gute Rolle im Rahmen der NATO spielen.

(Beifall FDP)

Hier geht es nicht um die Frage der Bundeswehr als solche, sondern es geht darum –