9 000 Jugendlichen gesichert wird und sie nicht in die Hände irgendwelcher Menschenhändler gelangen. Deswegen bitte ich Sie: Gehen Sie in sich! Vielleicht können Sie unserem Antrag doch zustimmen. Dar über würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank bei den anderen Kollegen, die sich mit dieser Thematik inhaltlich sehr gut auseinandergesetzt haben. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eingangs möchte ich noch ein mal auf die Zahlen eingehen. Sie konnten heute bei Radio Bremen hören, dass aktuell 160 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vermisst werden. Es ist uns leider nicht gelungen, festzustellen, wie Radio Bremen auf diese Zahl gekommen ist. Sie ist nach Erkenntnissen der Polizei falsch.
Nach polizeilicher Erkenntnis haben zum gestrigen Tag 97 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als vermisst gegolten. Ein beliebter Fehler, der immer gemacht wird, ist, dass die Zahlen der Vergangenheit aufaddiert werden und man dabei vergisst, dass ein guter Anteil der Betroffenen gefunden wird. Das gehört einfach zu Redlichkeit dazu.
Ja, es gibt eine große Anzahl von Personen, die nicht wiedergefunden werden, aber eine große Gruppe von Personen wird wiedergefunden, und zwar sowohl in Bremen wie auch anderen Bundesländern. Im ersten halben Jahr dieses Jahres und ein bisschen darüber hinaus sind etwa 20 Personen, die hier als vermisst gegolten haben, selbstständig zurückgekehrt, haben sich also zurückgemeldet. 13 sind in anderen Bundes ländern angetroffen, neun in Bremen wiedergefunden worden. Vier wurden schon in anderen Bundesländern vermisst, waren also zunächst gar nicht Bremer Fälle. Auch im Ausland sind Personen wieder angetroffen worden. In vier Fällen ist von der Vermisstendatei in die Fahndungsdatei umgebucht worden, weil zwischenzeitlich Haftbefehle erstellt worden sind.
Das ändert nichts daran, dass 97 Jugendliche, um die sich die Behörden kümmern müssen, eine große Zahl sind. Ich möchte deutlich dem Eindruck entge gentreten, die Polizei tue nichts. Er ist nicht heute in der Debatte entstanden, begegnet mir aber draußen manchmal. Einzelne Redner haben darauf hingewie sen: Dem ist nicht so! Die Polizei widmet sich der Suche nach unbegleiteten minderjährigen Flüchtlin gen, die verlorengehen, mit gleicher Intensität wie jedem anderen vermissten Kind und Jugendlichen. Es gibt keine „Vermisstensuche light“ für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
Richtig ist allerdings auch, dass das Fahndungs‑, das Suchverhalten der Polizei davon abhängig ist, welche Ansatzpunkte sie für eine Suche hat. Es ist ein Unterschied, ob ein Jugendlicher vermisst gemel det wird, über den man viel weiß, oder einer, über den außer dem Namen nichts bekannt ist, zum Teil keine Fingerdrücke oder Fotos vorliegen, von dem man nicht genau weiß, wo er herkommt, wie alt er genau ist, wo er sich vorher aufgehalten hat und wo er vielleicht hin will. In diesen Fällen ist eine erfolg reiche Suche für die Polizei – da muss man ehrlich sein – weitgehend unmöglich.
Natürlich, das will ich auch sagen, gibt es bei der Polizei – beim BKA – bundesweite Stellen, in der Vermisstenmeldungen zusammengeführt werden. Es ist nicht so, dass die Bremer Polizei auf ihren Ver misstenmeldungen hockt und mit niemandem darüber redet. Natürlich findet ein bundesweiter Austausch statt. Wenn Menschen, die hier vermisst werden, in anderen Bundesländern von der Polizei angetroffen werden, dann bekommt die Polizei Bremen das mit.
Trotzdem glaube ich, dass in der Tat im Bereich der Jugendämter der Austausch noch intensiviert werden kann, denn bei Jugendlichen, die hier nur vorübergehend in Obhut genommen sind, erlischt die Zuständigkeit des Jugendamtes nach 48 Stunden. Wenn diese Jugendlichen anschließend von einem anderen Jugendamt in Obhut genommen werden, erfährt das Jugendamt in Bremen nichts davon. Für das Jugendamt in Bremen sind sie dann entweder immer noch vermisst oder fallen aus der Statistik, und man befasst sich nicht mehr damit. Beides ist sicherlich keine befriedigende Lösung. Sinnvoll wäre es, zumindest in einen vernünftigen Datenaustausch einzutreten.
Ich will auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Für die polizeiliche Suche ist es von hoher Bedeutung, dass wir möglichst schnell die ID-Behandlung, das heißt die Feststellung von Fingerabdrücken und Fotos der Betroffenen, durchführen. Es geht nicht darum, dass wir alle kriminalisieren wollen. Aber ich muss Anhaltspunkte haben, anhand derer ich feststellen kann, ob derjenige, den ich irgendwo in Deutschland antreffe, irgendwo anders in Deutschland vermisst wird. Das kann ich nur, wenn ich Identitätsmerkmale habe, die ich überprüfen kann. Die ID-Feststellung ist kein Instrument zur Schikane oder um Menschen zu kriminalisieren, sondern ein relevantes Element der polizeilichen Vermisstensuche.
Ich finde es vernünftig, dass wir ein bisschen Licht in das Dunkel bringen, den Austausch zwischen den verschiedenen betroffenen Behörden und den Jugendämtern intensivieren, damit wir auch bei den Zahlen größere Klarheit bekommen. Vielfach werden 9 000 genannt. Am Ende weiß kein Mensch, ob es 9 000 sind oder wie viele in anderen Bundesländern
zur gleichen Zeit gesucht werden. Es ist aber von hohem Interesse, das festzustellen. Insofern macht ein intensivierter Austausch Sinn, auch wenn er nicht Gegenstand des Antrages ist. Aber auch mich hat das herausgefordert, kurz auf den Umverteilungsprozess einzugehen.
Es ist richtig: Durch den Umverteilungsprozess un begleiteter minderjähriger Flüchtlinge hat die Zahl derer, die sich entziehen, zugenommen, weil es Ju gendliche gibt, die nicht umverteilt werden wollen und die Einrichtung verlassen. Wir wissen dann nicht mehr genau, wo sie sind. Darauf ist zu reagieren.
Zum Teil wird der Eindruck erweckt, es liege im Inte resse des Kindeswohls, dass einige wenige Städte in Deutschland weiterhin die große Masse unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbringen. Das kann ich nicht nachvollziehen.
Ich kann nicht erkennen, wie es im Interesse des Kindeswohls sein soll, wenn einige wenige Städ te große Gruppen von Jugendlichen in Turnhallen unterbringen müssen und nicht in der Lage sind, sie hinreichend zu beschulen, während in anderen Bundesländern und Städten Jugendamtskapazitäten zur Verfügung stünden. Deshalb meine ich: Es ist vernünftig und im Interesse des Kindeswohls, dass wir Jugendliche dorthin bringen, wo man ihnen mit der notwendigen und richtigen Fürsorge entgegentreten kann und der Staat in der Lage ist, sich angemessen um sie zu kümmern. Dass das hier möglicherweise zu einem gewissen Anstieg der Zahlen führt, mag so sein. Darauf haben wir dann in den Systemen, die wir haben, zu reagieren. Wir haben die Daten vernünftig auszutauschen, die Polizei hat ihre Arbeit zu machen, aber ich glaube nicht, dass man die Verhältnisse jetzt umdrehen und in einer Maßnahme, die nach meiner festen Überzeugung auch im Interesse des Kindeswohls ist, den Grund für eine große Zahl von Vermisstenmeldungen sehen sollte. – Vielen Dank!
Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 19/649 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Altersvorsorge transparent gestalten – gebühren freies Vorsorgekonto einführen Antrag der Fraktion der FDP vom 16. Juni 2016 (Drucksache 19/651)
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! In der jüngsten Vergangenheit ist viel Dynamik in die Rentendebatte gekommen. In den Diskussionen vor allem auch nach der Aufkündi gung des Generationenvertrags ging es überwiegend um die Frage, wie eine zukunftsgerechte und eine zukunftssichere Alterssicherungspolitik auszusehen hat. Das begrüßen wir, weil es wichtig und richtig ist, insbesondere auch für die junge Generation, denn wir brauchen ein flexibles Rentensystem.
In unserem Antrag geht es allerdings um etwas ande res, einen anderen wichtigen Aspekt, der aus unserer Sicht in der Debatte bislang zu kurz gekommen ist. Wir brauchen eine transparente Altersvorsorge. Das ist in der Diskussion um das Rentenniveau oder auch die Herauf- oder Herabsetzung des Rentenalters bislang zu kurz gekommen. Zwar legen viele Men schen Geld für die Altersvorsorge, die Rente, zurück. Allerdings sind die meisten gar nicht in der Lage, ihr Einkommen im Alter richtig einzuschätzen.
Die Deutsche Rentenversicherung bietet einen Ser vice: Sie schickt jährlich allen Versicherten, die mindestens 27 Jahre alt sind und fünf Jahre mit Beitragszeiten vorzuweisen haben, eine Rentenin formation. Sie kennen sie bestimmt. Ich habe Ihnen die Renteninformation von Eva Musterfrau, wie die Dame so schön heißt, mitgebracht.
Ich weiß nicht, wer von Ihnen diesen Zettel schon gelesen hat. Ich möchte behaupten: Viele Menschen, auch solche mit Abitur, verstehen nicht, was uns diese Renteninformation sagen soll, weil sie schwierig und undurchsichtig geschrieben ist. Trotzdem springen drei Zahlen ins Auge: der aktuelle Rentenanspruch für den Fall der vollen Erwerbsminderung, der derzeit erworbene Anspruch ohne weitere Einzahlung sowie die zu erwartende, hochgerechnete Rente.
Allerdings, so heißt es im Schreiben der Deutschen Rentenversicherung, sei diese Entwicklung aufgrund zukünftiger Rentenanpassungen nicht vorhersehbar. Deshalb steht ganz unten in der Renteninformation:
„Da die Renten im Vergleich zu den Löhnen künftig geringer steigen werden und sich somit die spätere Lücke zwischen Rente und Erwerbseinkommen ver größert, wird eine zusätzliche Absicherung für das Alter wichtiger (‚Versorgungslücke‘).“
Die gesetzliche Rente wird auch in Zukunft für die Mehrzahl der Menschen ein wesentlicher Bestandteil des Alterseinkommens sein, für einige aber wahr scheinlich nicht ausreichen, um den Lebensstandard im Alter zu sichern. Für eine nachhaltige Alterssiche rung muss die gesetzliche Rentenversicherung daher zukunftsfest gemacht und jeweils durch private und/ oder betriebliche Vorsorge ergänzt werden.
Was macht nun Eva Musterfrau mit dieser Rentenin formation? Ich frage auch Sie: Was machen Sie damit? Im Zweifel erst einmal ordentlich abheften – und das war es. Denn der Wert der Renteninformation wird derzeit verkannt.
Gerade junge Menschen benötigen diese Planungs hilfe aber für später. Vielleicht hat Frau Musterfrau eine ergänzende Altersabsicherung, Lebensversi cherungen oder Ähnliches, und zahlt jeden Monat weitere Beiträge. Gerade dann ist es aber wichtig und sinnvoll, auf einen Blick über alle Ansprüche informiert zu sein.
Meine Damen und Herren, wenn wir zusätzliche Absicherung für das Alter erwarten und wollen, dass die Versicherten Versorgungslücken schließen, dann müssen wir ihnen Transparenz in der Altersvorsorge geben und sie in die Lage versetzen, ihr Einkommen im Alter richtig zu ermitteln. Das sollte möglichst einfach und transparent dargestellt werden. Deshalb schlagen wir vor, mit der Einrichtung eines freiwilligen, individuellen und gebührenfreien Vorsorgekontos eben das herzustellen und zu gewährleisten.
Ziel dieses Vorsorgekontos ist es, alle Elemente der individuellen Vorsorge – gesetzlich, betrieblich und privat – in einem Konto zusammenzuführen und die bisher erreichte Summe der Ansprüche abzubilden, und das so einfach, dass es wirklich jeder versteht.
Nur so kann es gelingen, dass gerade junge Menschen für das wichtige Thema Altersvorsorge sensibilisiert werden. So kann es gelingen, Versorgungslücken aufzudecken und den Aufbau einer ergänzenden Vorsorge für das Alter zu stärken. Selbst für das Alter vorzusorgen wird immer wichtiger. Wir sind in der Verantwortung, bestmögliche Bedingungen für die Versicherten zu schaffen. Die Information der Deut schen Rentenversicherung ist sinnvoll und wichtig,
aber in unseren Augen vor allem auch mit Blick auf die Veränderung der Lebens- und Arbeitswelt weder zeitgemäß noch ausreichend. Daher die Bitte: Unter stützen Sie unseren Antrag! – Danke!