Protocol of the Session on August 24, 2016

(Glocke)

Ist meine Zeit schon vorbei? Dann gehe ich in der zweiten Runde auf diese Einrichtungen ein! – Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin eben nicht ganz bis zum Ende gekommen und möchte kurz etwas nachtragen. Ich möchte mich noch einmal auf das beziehen, was Sie als weitere Maßnahmen angekündigt hatten: Kooperationspool, mobiles Team und behördenüber greifende Fallkonferenzen. Hier muss mehr Butter bei die Fische gegeben werden.

(Beifall FDP)

Es muss deutlich gemacht werden, was Sie darunter verstehen. Wie viele Personen sind eingesetzt worden? Wann passiert was? Wie ist das finanziell abgedeckt? Das gleiche gilt für den zu schaffenden Wohnraum für die Personen, die in die Selbstständigkeit überführt werden sollen.

Wir erwarten heute auch ein klares Wort zur geschlos senen fakultativen Anstalt. Hier gibt es immerhin von einem ehemaligen Staatsrat, einem Stellvertreter des Senators, der vorher in die Diskussion eingebunden gewesen ist und der grünen Partei angehört, eine sehr deutliche Aussage – jetzt in eine Petition gekleidet

, nach der er dieses Projekt ablehnt. Es gibt auch aus den Reihen der SPD hier und da andere Ausfüh rungen. Sie sollten als Regierung heute klipp und klar im Parlament erklären, wie die Reise in diese Richtung endgültig weitergeht. Das Herumgeeiere über mehrere Monate oder Jahre wird nicht mehr zu ertragen sein.

(Beifall FDP)

Sie sind erheblich im Verzug. Die Bevölkerung und auch das Parlament haben Anspruch darauf, klaren Wein eingeschenkt zu bekommen.

(Beifall FDP)

In Bezug auf die unbegleiteten minderjährigen Aus länder wird in der Antwort eine ganze Reihe anderer Einrichtungen angesprochen: Rekumer Straße, „Sat telhof“, Effect gGmbH. Könnte nicht auch über diese Einrichtungen eine ähnliche Maßnahme möglich sein?

Weiter interessiert mich, ob Sie in die Planung einer geschlossenen Anstalt aufgenommen haben, wie sich diese zukünftig anders aufstellen kann. Gesell schaftliche Entwicklungen bleiben nicht auf dem Punkt stehen. Sie nehmen häufig unterschiedliche Entwicklungen mit unterschiedlichen Anforderungen. Insoweit muss im Voraus überlegt werden, wie eine solche Anstalt vielleicht auch für andere Zwecke ein gesetzt werden kann, wenn man erhebliche Gelder dort hineinsteckt. Also Flexibilität!

Im Ergebnis komme ich auf das zurück, was ich eingangs gesagt habe. Für Freie Demokraten ist Hilfestellung zur eigenen Lebensführung wichtiger und das einzig Mögliche im Gegensatz zu Bestrafung. Wir unterstützen intensivpädagogische Betreuung, Jugendarbeit, Sozialarbeit und Fallkonferenzen. Wir würden es begrüßen, wenn man zur Zusammenfüh rung in einem gesamten Maßnahmeplan ein Haus der Jugend schaffen würde, in dem Ansprechpartner zur Verfügung stehen und in dem auch der Kom munikationsprozess der beteiligten Akteure besser zusammengeführt werden kann. – Danke schön!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einen Teil der Kritik – wenn man sagt, das sei Herumgeeiere – kann ich nachvollziehen. Ich verstehe aber nicht, dass man so tut, als ob derjenige, der für diese Einrichtung ist, gut, und derjenige, der dagegen ist, böse ist. Das ist für mich persönlich eine der schwierigsten Diskussionen: Wie gehen wir mit diesen Jugendlichen um? Ich nenne sie hochaggressiv und hochkriminell.

Man kann sagen, das Volk möchte geschützt werden. Das ist aber nicht Aufgabe der Jugendhilfe. Jugend hilfe hat die Aufgabe, die Jugendlichen auch vor sich selbst zu schützen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist ein Bestandteil des Gesetzes in der Jugendhilfe. Deswegen habe ich große Schwierigkeiten zu sagen: Sperrt sie einfach weg! Das ist nicht meine Intention. Das ist nicht die Intention der SPD. Ich hoffe, dass das auch die CDU gar nicht so meint. Diese symbolhafte Debatte um diese Einrichtung verliert aber teilweise den Unterbau der sachlichen Argumentation.

Es gibt einen ganz bestimmten Kreis von Jugendli chen, den ich hier x-mal beschrieben habe. Es geht mir darum, eine sinnvolle Lösung für die Jugendli chen zu finden, die auch die Opfer schützt, bei der man also beides zusammen macht. Jetzt so zu tun, als könne man das mit einem Federstrich, ohne Dis kussion und ohne Schwierigkeiten angehen, halte ich für völlig verfehlt.

Frau Grönert, in der Antwort des Senats werden auf fünf eng beschriebenen Seiten all die Tätigkeiten dargestellt, die unternommen werden, um schwierigen Jugendlichen zu helfen. Wenn Sie das nicht einmal mit einem Wort als positive Arbeit würdigen können –

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

mit Verlaub! –, dann scheinen Sie die Mission zu haben, alles schlecht zu finden. Ich sage Ihnen: Das macht auf Dauer lebensmüde und unglücklich. Das ist nicht gesund.

Schauen Sie sich bitte die Antwort des Senats an und suchen Sie sich wenigstens fünf Punkte heraus, die Sie gut finden, kommen hierher und sagen: Diese fünf Punkte macht der Senat richtig! Ich glaube, es sind deutlich mehr als fünf Punkte. Ich billige der Opposition aber durchaus zu, dass sie weniger gut findet. Gar nichts Gutes daran zu finden, kann ich aber überhaupt nicht nachvollziehen.

Ich glaube, dass wir noch lange nicht am Ende der Diskussion angekommen sind. Man kann glauben, das sind jetzt weniger. Das hat vielleicht damit zu tun, dass diese Jugendlichen extrem gut vernetzt sind und mittlerweile mitbekommen, dass es in Bremen nicht mehr ganz so einfach ist wie noch vor zwei Jahren. Dann kommen vielleicht weniger. Das weiß ich gar nicht genau, aber ich glaube das. Eine Zeitlang hatten wir einen außerordentlich hohen Zulauf. Ein paar an dere Städte in Deutschland hatten das auch, während einige andere solche Fälle überhaupt nicht hatten.

So gesehen glaube ich, dass es immer eine neue Entwicklung gibt und wir immer am Ball bleiben müssen. Ich bin kein Pädagoge und möchte das auch nicht sein. Ich möchte eine politische Vorgabe ma chen, damit wir in der Lage sind, dem Jugendrecht

Geltung zu verschaffen und die Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu schützen. Diese doppelte Geschichte müssen wir diskutieren.

Gerade sind auch von den LINKEN ein paar Anstöße gekommen. Es ist nicht die Zeit, das hier in der Tiefe zu diskutieren. Meine fünf Minuten Redezeit sind gleich wieder um, dann geht das Gebimmel wieder los und ich bin mitten im Satz. Deswegen möchte ich nur davor warnen, dass wir diese Debatte so ideologisiert und symbolträchtig führen, wie das zeitweise der Fall war. Ich wäre froh, wenn wir davon herunterkämen.

Letzter Satz: Herr Dr. Güldner, ich habe nicht gemeint, dass die LAG als Organisation jetzt eine andere Auf fassung hat. Die sagen immer noch, sie wollen das gar nicht. Es gibt aber unterhalb der Ebene durchaus Träger, die sich Gedanken machen, um Lösungen für genau diesen Teil der Jugendlichen zu finden, über den wir hier reden.

Ich wünsche mir also von der CDU ein bisschen mehr Optimismus und auch mehr Würdigung der guten Arbeit. Das muss nicht sein, das wäre aber ganz schön. Ansonsten glaube ich, dass die Diskussion auch mit dieser Debatte hier im Haus noch lange nicht zu Ende ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Leonidakis.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann eigentlich nahtlos anschließen, Herr Möhle, denn einer dieser Träger hat jetzt dieses Konzept für eine Haftvermei dungseinrichtung entwickelt, in deren vier Phasen eindeutig Einschränkungen der Bewegungsfreiheit vorgesehen sind. Das steht auch im O-Ton des Kon zepts.

Sie haben gerade selbst erwähnt, die Einrichtung soll in der ersten Phase nur in Begleitung zu verlassen sein. Abgesehen davon, dass das überhaupt nicht praktisch machbar ist, wenn man sich die vorgese hene Personalausstattung anschaut, wirkt das wie eine Fußfessel und eine Einschränkung der Bewe gungsfreiheit. Insofern drängt sich doch die Frage auf, wie das eigentlich umgesetzt werden soll. Soll dann doch abgeschlossen werden, oder wie soll diese Einschränkung umgesetzt werden? Möchten Sie Ihre wohlfahrtspolizeiliche Ermächtigung in Kraft setzen, die Sie bei Anfragen schon ins Gespräch gebracht haben, wenn gerade kein Pädagoge zur Verfügung steht, um die Jugendlichen irgendwohin begleiten? All diese Fragen bleiben ungeklärt. Es drängt sich der Eindruck auf, dass unter der Ägide der Justiz durch die Hintertür eben doch eine Art teilgeschlossener Einrichtung auf den Weg gebracht werden soll.

Ich muss kein Geheimnis daraus machen, dass ich das nicht für zielführend halte. Das sind genau die

Pläne, von denen selbst Kannenberg sagt, dass sie gescheitert sind. Um sieben Uhr soll es Frühstück geben. Kannenberg hat schon vor einem Jahr gesagt, solche Pläne klappen überhaupt nicht. Selbst in der kritisierten Praxis in Bremen werden gescheiterte Konzepte wieder aufgewärmt.

Sie haben gesagt, Herr Möhle, Sie möchten nicht, dass die Jugendlichen in den Vollzug kommen. Es gibt nun einmal das Jugendgerichtsgesetz. Es gibt auch den Jugendvollzug. Er steht da. Er steht nicht umsonst da, sondern diese Vollzugsanstalt ist für schwere Delikte, für Wiederholungstäter gedacht. Wenn man das nicht möchte, kann man sie abschaffen.

Wenn man sich anschaut, welche Intensität und welche Arbeitskraft vonseiten der Justiz in dieses Konzept, in die Einrichtung der Haftvermeidung gesteckt werden, würde ich mir wünschen, dass mit einer solchen Intensität auch einmal in den Ju gendvollzug geschaut wird. Wir haben genau das abgefragt. Unsere Anfrage hat ergeben, dass im Jugendvollzug gerade einmal 1,2 Vollzeitstellen für Pädagoginnen und Pädagogen zur Verfügung stehen. Das ist für eine ganze Jugendvollzugsanstalt definitiv bei Weitem zu wenig.

(Beifall DIE LINKE)

Dann haben Sie gesagt, dass das die totale Ein schränkung der Bewegungsfreiheit ist. Da haben Sie natürlich Recht. Wir sind auch kein Fan davon. Trotzdem gibt es dort einen Sozialisierungsgedanken. Genau dieser wird durch Pädagogen sichergestellt.

Es gibt aber noch den Bereich des offenen Vollzugs, der immer außen vor gelassen wird. Die Leute, die dort arbeiten, sagen, dort ist gar niemand, weil der offene Vollzug überhaupt nicht in Anspruch genom men wird. Bevor Sie hier neue Konzepte, gescheiterte Konzepte, wegschließende Elemente in die Jugend hilfe bringen, schauen Sie zu, das Vorhandene zu nutzen und vernünftig auszustatten!

(Beifall DIE LINKE)

Das gleiche gilt für die Bereiche, bei denen ich im mer geworben habe, hinzuschauen, wenn es um die Ursachenanalyse geht, nämlich die Bereiche Trau ma und Entgiftung. Auch diese Bereiche haben wir abgefragt, denn sie sind eine häufig auch von den Praktikerinnen und Praktikern angeführte Ursache für normverletzendes und delinquentes Verhalten. Das haben wir abgefragt. Die Antwort hat ergeben, dass es bei Refugio in der ambulanten Psychotherapie gerade einmal 60 Therapieplätze für traumatisier te geflüchtete Jugendliche gibt. In der stationären Traumapädagogik gibt es jetzt immerhin – das gab es lange nicht – sieben Plätze.

Man kann sich an drei Fingern ausrechnen, dass dieses Angebot gut und wichtig ist, aber bei Wei

tem nur einen Bruchteil der Bedarfe abdeckt. Da muss noch viel mehr passieren. Da muss auch das Gesundheitsressort in die Pflicht genommen werden. – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Das gleiche gilt für Entgiftung. Herr Möhle, Sie ha ben gerade selbst den Bericht der Einrichtung von Kannenberg aus der Rekumer Straße im Jugendhilfe ausschuss erwähnt. Dort wurde auch von Medikamen tenmissbrauch berichtet. Eine Entgiftungseinrichtung gibt es in Bremen nach wie vor nicht, obwohl wir darauf schon vor mindestens einem Jahr – seit es diese Debatte gibt – hingewiesen haben, dass auch Entgiftungsangebote benötigt werden. Diese gibt es nach wie vor nicht.

(Zuruf Abg. Frau Ahrens [CDU])

Der Senat sagt ganz klar, dass dort nichts geplant ist. Wenn man sieht, mit welcher Intensität bestimmte Sachen vorangetrieben werden, fragt man sich, warum die bekannten und existierenden Lücken in diesem System nicht aufgefüllt und ausgeglichen werden. – Danke schön!