Protocol of the Session on June 16, 2016

Wir befürworten daher die Diskussion der Ergebnisse, die die BIS und bremenports erzielt haben. Bewährt sich das Verfahren, dann begrüßen und fördern wir gern seine Verbreitung.

Es bleibt eine Frage offen: Warum ist in Bremen die Lohnlücke höher als im Bund? Es ist bekannt, dass

in Bremen ganz besonders viele Frauen eine Teilzeitbeschäftigung ausüben. Es arbeiten Männer überwiegend im tarifgebundenen produzierenden Gewerbe und im Technologiesektor. Frauen arbeiten hingegen vorwiegend in der Gastronomie, im Einzelhandel sowie in den Gesundheits- und Erziehungsberufen, und dort sind die Löhne eben niedriger. Logischerweise ergeben sich daraus auch bremenspezifische Handlungsfelder. Sie sind bekannt, allerdings möchte ich drei Handlungsfelder doch noch einmal betonen. Erstens: Wir brauchen in Bremen mehr assistierte Teilzeitangebote für die Ausbildung und Weiterbildung der vielen Alleinerziehenden, die in Bremen leben. Zweitens: Der Ausbau der Kindertagesstätten muss endlich den tatsächlichen Bedarf abdecken. Drittens: Die Wirtschaftsförderung – und das ist mir wichtig – muss neben den technisch und männerdominierten Clustern auch die Weiterentwicklung eines frauendominierten Kompetenzfeldes, wie zum Beispiel der Gesundheitswirtschaft, voranbringen.

(Glocke)

Hier liegt meines Erachtens auch ein strategisch entscheidender Stellhebel, um die Erwerbs- und Einkommenssituation der Frauen in Bremen signifikant zu verbessern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! An dieser Stelle zeichnet sich ja eine erfreuliche Einigkeit ab. Ich hoffe, dass wir den Antrag zum Schluss der Debatte gemeinsam beschließen können.

Das ist ein Antrag, zu dem ich sagen würde, Rot-Grün hat tatsächlich einen Antrag vorgelegt, mit dem ich zu über 100 Prozent einverstanden bin,

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

falls das möglich ist.

Ich finde, es ist leider ein Feld, das wir viel zu wenig debattieren, obwohl Handlungsbedarf besteht, der dringend überfällig ist. Ich habe auch erfreulicherweise festgestellt, dass Manuela Schwesig das Thema erneut aufnimmt und sich in der Koalition wahrscheinlich nicht nur Freunde und Freundinnen macht, aber trotzdem finde ich es wichtig, dass wir hier voranschreiten.

Es stellt sich ja nicht nur die Frage, warum ein vergleichbarer Job schlechter bezahlt wird, sondern aus welchen Gründen Frauen einen bestimmten Job bekommen, das ist ja der entscheidende Punkt. Das Feld stellt sich durchaus sehr viel komplexer dar, als man es gemeinhin annimmt.

Die Frage ist, warum es in Bremen schlechter ist, wenn man sich das anschaut, obwohl in Bremen der öffentliche Dienst einen relativ hohen Arbeitsplatzanteil hat, sollte man meinen, obwohl es immer noch den Unterschied von sieben bis acht Prozent gibt, aber gleichzeitig ist es noch einmal deutlich schlechter, wenn wir die private Wirtschaft betrachten. Frauen bekommen durchschnittlich circa vier Euro weniger als Männer. Diese vier Euro, wenn man es einmal so über den Daumen peilt, teilen sich auf die Lohndiskriminierung im engeren Sinne auf. Der zweite Euro bezieht sich auf die schlechtere Bezahlung der geschlechtsspezifischen Berufe. Das ist der zweite Punkt.

Der dritte Euro fällt auf ein Ursachenbündel, unter anderem zum Beispiel die typischen Frauenbiografien: Teilzeit, Mutterschaftsurlaub und so weiter. Der vierte Euro hängt dann an den berühmten Leitungstätigkeiten, von denen wir feststellen, es sind interessanterweise – und da können wir schauen, wohin wir wollen – in einem viel höheren Maße Männer als Frauen beschäftigt.

Nun lässt sich der erste Euro mit dem gesetzlichen Verbot der Lohndiskriminierung bekämpfen, aber die anderen drei Euro sind durchaus schwieriger zu packen. Es gibt jetzt das Instrument eg-check. Bisher, das muss ich sagen, reißen sich weder die Firmen und Unternehmen noch der öffentliche Dienst darum, dieses Verfahren durchzuführen. Sie sind sich merkwürdigerweise alle einig. Unter dem Strich, das wird man aus ihrer Sicht verstehen können, könnte es durchaus teurer werden, wenn sich herausstellt, dass Frauen nun einmal schlechter bezahlt werden.

Gleichzeitig haben wir einen weiteren Knackpunkt: Wir wollen ungern, dass es zu einer Gehaltstransparenz kommt, das ist selbst im öffentlichen Dienst manchmal erstaunlich zugedeckt, wenn ich daran denke, dass die Eingruppierungen in den Ressorts nicht so gern veröffentlicht werden, wie man es sich eigentlich vorstellt. Dies wollen wir selbstverständlich aufbrechen. Meines Wissens haben wir noch gar keine nähere Transparenz über die Ergebnisse bei bremenports. Der Bericht würde mich interessieren, damit ich sehe, wie es wirklich genau aussieht. Zum anderen haben wir leider zu wenige, die das bislang machen.

Ich möchte noch einen wichtigen Punkt nennen, den Frau Bergmann in ihrer Rede aufgegriffen hat, nämlich den Bereich der Wirtschaftsförderung. Ich sehe es auch so, wir haben es schon häufiger diskutiert, dass wir immer die Cluster fördern, in denen Männerbranchen sind, das ist hier, glaube ich, allgemein angeprangert worden.

Ich finde, wir müssen hier auch erwähnen, dass es die Initiative Entgeltgerechtigkeit der ver.di-Frauen gegeben hat, die darauf abzielt, dass wir eigentlich eine entsprechende Regelung in das Tariftreue- und Vergabegesetz aufnehmen. Das heißt, wenn es zur Wirtschaftsförderung kommt, dann ist festzustellen,

dass wir sie in Bereichen brauchen, in denen Frauen eine Rolle spielen. Wir können Frauen nicht nach dem Motto „Werdet doch alle einmal Ingenieurinnen!“ in die MINT-Berufe drängen, das halte ich, ehrlich gesagt, durchweg für nicht so besonders förderlich. Selbstverständlich müssen die Zusammenhänge und die Bedingungen so sein, dass das attraktiv wird, aber es ist doch nicht nachvollziehbar – und da sind wir an dem uralten Punkt –, warum Sorge- und Pflegearbeiten so viel schlechter als beispielsweise die Arbeit im Automobilbereich bezahlt werden. Es hat wirklich einen langen Bart, aber es ist nicht gerechtfertigt. Diese Wertigkeit muss aufgebrochen werden!

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ich fände es schön, wenn diese Idee weiterverfolgt und sich wirklich in handfeste Handlungsschritte umsetzen lassen würde. Ich finde immer noch richtig, dass wir sowas etwas in das Tariftreue- und Vergabegesetz aufzunehmen.

Es wäre schön, wenn wir an dem Punkt weiter an einem Strang ziehen können. Ich hoffe, dass die WFB diese Anforderung nicht wegstrukturiert,

(Heiterkeit Bündnis 90/Die Grünen)

sondern dass das auf der Tagesordnung bleibt. Es wäre jedenfalls misslich, wenn das hinten herunterfiele. Meiner Ansicht nach hat die WFB genau das verdient. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Viel Richtiges ist gesagt worden. Ich will deswegen meine Redezeit nutzen, um die Thematik grundsätzlicher zu erläutern.

Dass ich heute hier stehen muss, um das Thema zu diskutieren, berührt mich einerseits peinlich und macht mich andererseits wirklich ärgerlich. Warum das so ist, daran möchte ich Sie gerne teilhaben lassen.

Oft erwähnt wurde und unbestritten ist, dass es diese Ungerechtigkeit beim Entgelt gibt. Viele Gründe dafür sind schon genannt worden. Bisher kam weniger zur Sprache, dass es seit über 60 Jahren Rechtsgrundlagen gibt, die so etwas eigentlich verbieten.

Das fängt natürlich mit dem Grundgesetz an, da kann man immer wieder sagen, dass es auch andere Artikel im Grundgesetz gibt. Es geht weiter mit den Gründungsverträgen der Europäischen Gemeinschaft, in denen die Entgeltgerechtigkeit 1957 direkt aus einen wirtschaftspolitischen Gedanken heraus Ein

gang gefunden hat, nämlich: Die Näherinnen in Frankreich sollten nicht schlechter bezahlt werden als die in Deutschland, sondern in Europa sollten die gleichen Bedingungen gelten. Daran anschließend gab es unendlich viele Richtlinien, Antidiskriminierungsgesetze und so weiter.

2016 haben wir als europaweites Schlusslicht immer noch durchschnittlich 22 Prozent weniger Lohn trotz Gleichbehandlungsgeboten seit mehr als 60 Jahren.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist ein Skandal!)

Diese Ungleichbehandlung hat im Übrigen schon die Generation meiner Mutter und meiner Großmutter umgetrieben. Vertreterinnen dieser beiden Generationen haben bereits die Grundhaltung, auf die ich gern genauer eingehen möchte und die sich hinter dieser Lohndifferenz verbirgt, massiv kritisiert.

Was steckt nämlich hinter diesen Frauenlöhnen? Hinter ihnen steckt die Annahme, dass Frauen höchstens nebenbei arbeiten: als Erzieherin in Teilzeit, als Verkäuferin mit zehn Stunden pro Woche oder als Kassiererin vielleicht mit fünf Stunden pro Woche. Gesagt wird, sie arbeiteten höchstens nebenbei. Frauen verdienten dazu. Sie erwirtschafteten nicht ihren eigenen Lebensunterhalt, sondern sie verdienten dazu. Das alles ist eine Annahme.

Frauen seien abgesichert durch ihre Ehemänner. Frauen seien mitversichert bei ihren Ehemännern. Frauen erhielten die Arbeitskraft ihrer Ehemänner. Diese würden natürlich immer noch als Haupt- und Familienernährer gelten. Diese Annahmen, meine verehrten Damen und Herren, sind so antiquiert, dass sie weder mit meiner Mutter noch mit meiner Großmutter etwas zu tun hatten.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Mit mir, mit meiner Generation und – ich bin nicht mehr 20 Jahre alt – mit der nachfolgenden Generation haben sie schon gar nichts zu tun. Bei der nachfolgenden Generation soll das nicht wieder so werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Durch die Lohnpolitik wird weiterhin ein Familienund Frauenbild erhalten, das, wie ich finde, vielleicht nicht einmal mehr ins 19. Jahrhundert gehört. Es hat mit den aktuellen Lebensrealitäten von Frauen und von Männern nichts zu tun.

Nun debattieren wir das Thema also in mindestens dritter Generation weiter. Wir haben im letzten Monat anlässlich der Armutsdebatte Folgendes deutlich gehört und kontrovers diskutiert: Gerade in Bremen sehen wir die Auswirkungen dieser Lohnpolitik auf

Frauen jeglichen Alters, ganz besonders aber auf alte Frauen. Deswegen tun wir gut daran, was der Antrag der Koalitionsfraktionen zeigen soll, dass wir uns des Themas noch einmal grundlegend annehmen, dass wir über Lohnpolitik und Annahmen, die dahinter stehen, sowie über Frauenlöhne in angeblichen Frauenberufen sprechen. Ich bin unbedingt dafür, dass wir Männer stärker in Frauenberufe bekommen, anstatt es andersherum zu tun, um dort die Löhne zu erhöhen. Ich bin sicher: Wenn mehr Männer dort arbeiten, werden die Löhne dort auch höher.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Diese Debatte werden wir noch führen. Derweil aber, so thematisiert es der heutige Antrag, müssen wir die seit 60 Jahren, wie ich gern wiederhole, vorliegenden Rechtsnormen, die nicht eingehalten werden, um effektive Transparenz- und Kontrollmechanismen ergänzen. Hierfür liegen verschiedene Methoden und Instrumente vor. Wir haben vorgeschlagen, das egcheck-Verfahren, das sich bewährt hat, weiter anzuwenden, gerade auch in Bremer Unternehmen, denn mit diesem Verfahren können die Ursachen der Ungleichbehandlung und ihr finanzielles Ausmaß aufgedeckt werden.

Daran anschließend muss eine Überprüfung der Arbeitsbewertung erfolgen. Das darf nicht vergessen werden, und das wollen wir in Bremen stärker tun. Deshalb bitte ich Sie, im Sinne aller 60 Jahre lang vorhandenen Gebote zur Nichtdiskriminierung unserem Antrag zuzustimmen! – Danke schön!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeiten haben sich geändert. Frau Dr. Müller hat das gerade erwähnt. Die Gesellschaft geht immer noch davon aus, dass es in Familien einen Alleinverdiener gibt. Manchmal kommt noch jemand hinzu. Alles, was mehr verdient wird, ist schön.

Für uns wichtig, dass auch die Frau Alleinverdienerin sein kann, denn theoretisch können auch Männer zu Hause bleiben, auch wenn das noch nicht die Regel ist. Gerade deshalb ist wichtig zu gewährleisten, dass die Frau, wenn sie Alleinverdienerin ist, das Gleiche verdient. Deswegen sprechen auch wir uns für die Entgeltgleichheit aus.

(Beifall FDP, SPD)