Protocol of the Session on May 26, 2016

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

und welche Vorstellungen von Gerechtigkeit sie dabei hat. Dabei die Überlegung anzustellen, ob bestimmte Prinzipien, die wir für Empfänger von SGB-II-Leistungen für richtig halten, in Fragen von Anrechnung von Vermögen und Einkommen richtig sind, ist eine berechtigte und aus unserer Sicht auch richtige Antwort. Auch da muss man sich klarmachen, dass es eher den geringeren Teil betreffen wird, der noch die Möglichkeit hat, in großem Maß dazuzuverdienen, oder der noch über Vermögen verfügt, das nicht zuerst aufgebraucht werden muss. Trotzdem ist es richtig.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die Reform des letzten Auffangnetzes – denn nichts anderes ist das SGB XII – ist aber sicher immer nur ein Teil, und deswegen ist es richtig, den Fokus auf die Reform des Rentenrechts zu legen. Es ist relativ klar, dass die Hoffnung, die mit der Riester-Reform in die private Vorsorge gesteckt wurde, in dem Maße insbesondere bei den unteren Einkünften nicht erfüllt worden ist. Das hat viele Gründe. Das Zinsniveau ist sicherlich einer davon, aber es wäre zu einfach, es allein darauf zurückzuführen. Deswegen wird der Senat das gern aufgreifen, wenn die Debatte und das Nachdenken der Bundesregierung beginnen und fortgesetzt werden, und ein paar Punkte benennen, in welche Richtung es gehen soll.

Die Frage, wie sich das Rentensystem nicht nur an dem männlichen Vollzeiterwerbstätigen orientiert, der 45 Jahre lang eingezahlt hat, sondern eine in den letzten Jahrzehnten geprägte, deutlich unterschiedlich gelebte Realität der Erwerbsbiografien berücksichtigt, die insbesondere Frauen betrifft, ist dabei eine zentrale Frage. – In dem Sinne vielen Dank für Ihren Antrag!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Gemäß § 51 Absatz 7 unserer Geschäftsordnung lasse ich zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 19/464, abstimmen.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 19/464, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, ALFA, Abg. Ravens [parteilos], Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Änderungsantrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.

Hier ist getrennte Abstimmung beantragt. Zuerst lasse ich über die Ziffern 1 und 3 des Antrages abstimmen.

Wer den Ziffern 1 und 3 des Antrages der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 19/336, unter Berücksichtigung der soeben vorgenom

menen Änderung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, Abg. Ravens [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, FDP, ALFA, Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt den Ziffern 1 und 3 des Antrages zu.

Jetzt lasse ich über die Ziffer 2 des Antrages abstimmen.

Wer der Ziffer 2 des Antrages der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der DrucksachenNummer 19/336 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, FDP, ALFA, Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt der Ziffer 2 des Antrages zu.

Sozialhilfeeinschränkungen für EU-Bürger unterstützen! Antrag (Entschließung) der Fraktion der CDU vom 18. Mai 2016 (Drucksache19/449) Wir verbinden hiermit: Rechtssicherheit im Rahmen der EU-Freizügigkeit schaffen Antrag (Entschließung) der Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen und der SPD vom 24. Mai 2016 (Drucksache 19/461)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Fries.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich nehme an, dass wir die Diskussion von heute Vormittag fortsetzen. Angesichts der Flüchtlingsthematik ist die Zuwanderung aus anderen EU-Staaten nach Deutschland im letzten Jahr bedauerlicherweise doch etwas aus dem Blick geraten. Aber diese Zuwanderer gibt es nach wie

vor. Viele von ihnen besetzen verwaiste Arbeitsplätze, arbeiten hart und genießen dafür aber auch fast durchgehend einen höheren Lebensstandard als in ihrem Heimatland. Von der Freizügigkeit in Europa profitiert Deutschland zwar unterm Strich ebenso wie die meisten Zuwanderer, doch gibt es auch durchaus bedenkliche Entwicklungen. Mehr als 420 000 EU-Bürger beziehen inzwischen Hartz IV in Deutschland, und davon stammen 110 000 allein aus Bulgarien.

Viele dieser Menschen verlassen ihre Heimat, weil es ihnen dort so schlecht geht, dass sie sich in Deutschland trotz fehlender Aussicht auf eine existenzsichernde Arbeit ein besseres Leben erhoffen. Leider werden sie dann oft auch noch ausgebeutet, wie wir schon heute Morgen diskutiert haben. Die Armutsprobleme von anderen EU-Staaten können aber beim besten Willen nicht in Deutschland gelöst werden. In Bulgarien und weiteren Ländern muss dringend vor Ort viel mehr für diese Menschen getan werden. Der Zugang zu Bildung und Arbeit muss auch für die ärmsten Bevölkerungsgruppen gesichert werden, und die Diskriminierung besonders der Roma muss aufhören.

Ein Weggang nach Deutschland vorrangig aus Armutsgründen, aber ohne Aussicht auf existenzsichernde Arbeit kann von uns nicht aufgefangen werden, indem wir diese Menschen frühzeitig in unsere sozialen Sicherungssysteme aufnehmen. Das würde nämlich am Ende niemandem nutzen, da diese meistens nicht nur bitterarmen, sondern auch bildungsfernen Menschen in Deutschland schon aufgrund fehlender Sprachkenntnisse hier auch nur selten den Sprung in ein existenzsicherndes Arbeitsleben sichern können. Eine wichtige Aufgabe Deutschlands sehe ich jedoch darin, weiterhin im Dialog mit diesen Ländern vehement für die Schaffung von guten Lebensbedingungen vor Ort einzutreten. Dafür stehen in der EU schon lange Gelder bereit, die aber bislang von Ländern wir Bulgarien und Rumänien kaum abgerufen werden. Dort liegt allerdings das Hauptproblem, meine Damen und Herren, und nicht bei uns in Deutschland.

Nachdem der Europäische Gerichtshof in den letzten Jahren immer wieder recht restriktiv urteilte, ließ ein Urteil des Bundessozialgerichts Ende letzten Jahres viele Menschen deutschlandweit aufschrecken. EU-Zuwanderer könnten Sozialhilfe erhalten, wenn sie sich wenigstens sechs Monate in Deutschland aufgehalten hätten. Begründet wurde das Urteil mit einem Vollzugsdefizit der Ausländerbehörden. Diese müssten eigentlich von arbeitslosen EU-Bürgern, die sich zwischen drei und sechs Monaten in Deutschland aufhalten, einen Nachweis über die Aussicht auf eine Arbeitsstelle verlangen. Mittellose – ich sage extra noch einmal: mittellose – EU-Bürger ohne einen solchen Nachweis sollten demnach grundsätzlich in ihre Heimat zurückkehren. Der Deutsche Landkreistag hat bereits Kosten von circa 1 Milliarde Euro ausgerechnet, die infolge des Urteils auf die Kommunen zukommen könnten.

Durch eine Gesetzesänderung kann das Urteil des Bundessozialgerichts wieder außer Kraft gesetzt werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf von Andrea Nahles, der Bundesarbeitsministerin von der SPD, lag dann auch nach nur drei Monaten recht schnell auf dem Tisch. Demnach sollen EU-Bürger, die sich in Deutschland noch kein Recht auf Sozialleistungen durch entsprechende Tätigkeiten erworben haben, in den ersten fünf Jahren ihres Aufenthaltes von diesen Leistungen ausgeschlossen werden. Es wird allerdings eine vierwöchige Überbrückungshilfe geben, die den unmittelbaren Bedarf für Essen, Unterkunft, Körperpflege und medizinische Versorgung abdecken muss. Spätestens am Ende dieser Zeit sollten die Betroffenen in ihre Heimat zurückkehren. Dort können sie dann Sozialhilfe beantragen. Wir hatten das Thema auch schon in der Debatte heute Morgen. Niemand muss mittellos in Deutschland bleiben.

Es macht mir aber etwas Sorgen, dass es immer noch EU-Länder wie Bulgarien und Rumänien gibt, in denen das manchmal leichter gesagt als getan ist. Auf diese Länder muss, wie ich vorhin schon gesagt habe, weiterhin Druck ausgeübt werden, damit sie sich für ihre Bevölkerung engagieren. Eine nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation wird es am besten geben, wenn den Menschen in ihrem bekannten Umfeld und in ihrer Heimatsprache geholfen wird.

Es ist somit absurd, wenn ein Vertreter der LINKEN im Bundestag den Zuhörern weismachen will, dass es eine Sortierung in gute und schlechte, so hat er gesagt, EU-Bürger geben wird. Es muss aber Regeln für ein gedeihliches Miteinander in der EU geben. Solidarisch finanzierte Sozialleistungssysteme sind in erster Linie für die eigene Bevölkerung vorgesehen und dann für Ausländer, die Ansprüche erworben oder zugesprochen bekommen haben wie zum Beispiel Asylbewerber. Freizügigkeit innerhalb der EU bedeutet eben nicht, dass man sich das Sozialsystem mit den vielversprechendsten Leistungen aussuchen kann. Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu! – Ich werde auch gleich noch etwas zum Antrag der Koalition sagen. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Müller.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich mein Bedauern ausdrücken. Wir haben hier gestern eine unfassbar gute Debatte zu Grundrechten und Grundwerten in Europa geführt, und dann hörte es auch schon irgendwie auf mit dieser Europafreundlichkeit. Wir haben heute den ganzen Tag über EU-Freizügigkeit und dem Label „Probleme“ gesprochen. Das bedauere ich sehr.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ich will versuchen, in meiner Redezeit sozusagen den Duktus wieder ein bisschen zu drehen, und das ist auch schon die Erklärung, warum die Koalition einen eigenen Antrag eingereicht hat. Der Grund war nicht, dass wir die Initiative aus dem Hause von Frau Nahles nicht richtig und gut finden würden. Wir haben aber an dem einen oder anderen Punkte Gesprächs- und Diskussionsbedarf. Man hat vielleicht auch noch ein bisschen Zeit, sich das genauer anzugucken. Was uns am CDU-Antrag gestört hat, ist der Duktus vor allem in der Prosa. Sie machen nämlich eine Gruppe von 110 000 Menschen in Deutschland zu einem Problem.

(Abg. Frau Grönert [CDU]: Das steht doch gar nicht im Antrag!)

Bürger aus Rumänien und Bulgarien in der Prosa so herauszustellen, als das Problem und als die Bevölkerungsgruppe, die uns europaweit solche Probleme macht, und das auch noch zu garnieren mit: „Tut uns so leid, dass sie so arm sind!“, ist wirklich zynisch, und deswegen haben wir einen eigenen Antrag eingebracht.