Protocol of the Session on May 4, 2016

(Abg. Röwekamp [CDU]: Es ist nur nicht gemacht!)

Wir belegen, wofür dieses Geld am Ende benötigt wird, wenn es ausgegeben wird: für Sprachförderung, Kinderbetreuung, Bildung, Arbeit und Wohnungsbau. Das sind die zentralen Voraussetzungen für die gelingende Integration der Menschen, die vor Krieg und Verfolgung bei uns Schutz suchen und von denen viele dauerhaft hier bleiben. Wir dürfen den Fehler der Neunzigerjahre nicht wiederholen und glauben, dass die Menschen, die bei uns Zuflucht ge-funden haben, irgendwann einfach wieder zurückgehen. Wir wissen, dass ein Großteil hier bei uns bleiben wird, und das finden wir auch gut so!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Tschöpe ist schon darauf eingegangen, wie wichtig eine gute Integration zugewanderter Menschen ist. Das zeigen leider aktuell Negativbeispiele aus Frankreich und Belgien, wo sich offensichtlich über Jahre Parallelgesellschaften gebildet haben: Menschen, die sich nicht von der Gesellschaft aufgenommen und akzeptiert fühlen, mit Perspektivlosigkeit konfrontiert sind, die nirgendwo richtig zu Hause sind, die entwurzelt sind, sich dann eben auch leichter radikalisieren lassen und eine potenzielle Bedrohung darstellen. Das ist kein menschlicher Umgang. Das gilt es zu verhindern. Das gibt es eben nicht zum Nulltarif.

Die Ausgliederung der Flüchtlingskosten wird im Übrigen auch von der Kaufmannschaft und der Handelskammer unterstützt, siehe die Pressemitteilung vom 8. März 2016, in der steht:

„Aus Sicht der Handelskammer ist es vom Senat richtig, den Doppelhaushalt so zu kalkulieren, dass er bei der Neuverschuldung die Anforderungen der Schuldenbremse erfüllt, sofern die hohen Kosten für die Flüchtlingsthematik nicht berücksichtigt werden: ‚Die Flüchtlingspolitik des Bundes hat auf die Länder erheblichen Einfluss‘, sagte Präses Emigholz. ‚Daher ist der Bund jetzt auch gefordert, die Bundesländer angemessen finanziell zu unterstützen.‘“

Das ist richtig! Wir nehmen die im Sanierungsvertrag vorgesehene Regelung für eine Ausnahmesituation in Anspruch. Kein Bundesland und erst recht kein Haushaltsnotlageland wie Bremen kann diese Kosten allein stemmen. Der Bund übernimmt bei dieser nationalen Aufgabe – es ist eine nationale Aufgabe, die aber vor Ort, in den einzelnen Kommunen gemeistert werden muss – bisher gerade einmal zehn Prozent der Kosten, und wir erwarten wie alle anderen Länder im Übrigen auch, dass sich der Bund mindestens zu 50 Prozent an den Kosten beteiligt.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Herr Röwekamp, eine schwarze Null im Bundeshaushalt, die auf Kosten der Kommunen und der Länder erreicht wird, die aber eine solche Herausforderung nur durch einen immensen Kraftakt und keinesfalls ohne weitere Beteiligung des Bundes finanziell meistern können, ist in meinen Augen, ich sage es einmal so deutlich, zutiefst unsolidarisch. Das hat nichts damit zu tun, dass der Bund beschimpft würde. Nein, keiner beschimpft den Bund, aber Einfordern ist doch mehr als gerechtfertigt!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Um das Integrationskonzept des Senats umzusetzen, sind 50 Millionen Euro für die beiden Haushaltsjahre eingeplant. Der Großteil, 17 Millionen Euro, geht in die Bildung und Kinderbetreuung. In die Sprachförderung gehen 8 Millionen Euro, in Ausbildung und Integration in den Arbeitsmarkt 9 Millionen Euro. Ich habe vorhin angesprochen, wie wichtig es ist, die Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir stellen uns also der großen Herausforderung der Flüchtlingsaufnahme und der Integration, und wir halten die Vereinbarung mit dem Stabilitätsrat weiterhin ein.

Die zweite besondere Herausforderung der beiden Haushalte 2016 und 1917 ist, dass vor uns das letzte Stück auf der Marathonstrecke zur Konsolidierung des Haushalts liegt. Wie beim Marathon auch ist dieses letzte Stück besonders beschwerlich, ob man auf Asphalt läuft oder über Mauern klettern muss. Klar ist, es erfordert besondere Anstrengung.

(Abg. Kastendiek [CDU]: Da kann einem leicht die Luft ausgehen!)

Nein, Herr Kastendiek! Ich kann Ihnen sagen, uns geht nicht die Luft aus, auch nicht die Puste! Bremen hat 2015 zum fünften Mal in Folge die Sanierungsvereinbarungen eingehalten und sich damit die Hilfe in Höhe von 300 Millionen Euro gesichert.

Herr Röwekamp, auch wenn man ein eloquenter Redner wie Sie ist, finde ich es nicht redlich und auch nicht richtig, der Finanzsenatorin Zitate in den Mund zu legen, die sie überhaupt nicht geäußert hat.

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 20. (außerordentliche) Sitzung am 04.05.16 1482

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Hier hat keiner gesagt: Alles andere ist mir egal, Hauptsache, ich bekomme die 300 Millionen Euro. Ich habe das ganz eindeutig so nicht gehört. Natürlich gilt auch für die Haushalte 2016 und 2017, dass die Sanierungsvereinbarung eingehalten wird. Der Haushaltsplan zeigt, dass wir ohne die unvorhergesehene Ausnahmesituation der Flüchtlingsaufnahme unsere Konsolidierungsanstrengung fortführen und einhalten. Bremen bleibt also vertragsgetreu.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Röwekamp, in Ihrer Rede habe ich etwas vermisst. Neben Ihrer Kritik an dem gesondert ausgegliederten Flüchtlingshaushalt habe ich wenig Inhaltliches gehört. Soweit ich das mitbekommen habe, macht das Bremerhaven genauso,

(Abg. Crueger [SPD]: Da kennt er sich nicht so gut aus!)

mit einem CDU-Kämmerer und einer CDU in der Regierungsverantwortung. Deswegen möchte ich inhaltlich noch etwas zu einigen Kernpunkten sagen. Der Haushalt stellt sich den gesellschaftlichen Problemen und bietet Lösungen und vielfältige Wege für ein gelingendes Miteinander in Bremen. Wir wissen um die Situation in den Schulen. Deshalb stellen wir 120 neue Lehrerinnen und Lehrer ein und bringen weitere 80 durch Umorganisation ins Klassenzimmer, also insgesamt 200 Lehrerinnen und Lehrer.

Wir investieren in weitere Ganztagsgrundschulen und damit in die bessere Förderung der Kinder. Aufgrund erfreulicherweise gestiegener Kinderzahlen werden 16 zusätzliche Klassenverbände eingerichtet. Das Betreuungsangebot zur frühkindlichen Bildung und besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird auch 2016 mit 550 zusätzlichen Krippenplätzen und 700 weiteren Kita-Plätzen ausgeweitet.

Die Weichen für den Kauf von 67 neuen Straßenbahnen sind gestellt. Herr Tschöpe ist auch schon darauf eingegangen. Das leistet einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Mobilität der Bremerinnen und Bremer. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und da wir von Sturmfluten in Bremen besonders bedroht sind, ist es gut, dass wir in diesem Haushalt 34 Millionen Euro für notwendige Deicherhöhungen zum Schutz der Menschen vor Hochwasser bereitstellen.

Der Energiekonsens wird mit 1 Millionen Euro erhalten und soll die Unternehmen weiterhin bei der Umsetzung von effizienten Klimaschutzmaßnahmen beratend unterstützen. Das Budget des Umweltbetriebs Bremen wird um 3 Millionen Euro erhöht, um Bremens Bäume und Grünanlagen, die für die Lebensqualität, den Klimaschutz und die Naherholung wichtig sind, besser zu pflegen. Davon haben alle Bremerinnen und Bremer etwas.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Abg. Ravens [parteilos])

Ich möchte noch auf einige weitere inhaltliche Punkte eingehen. Beim Bäderkonzept werden ein neues Hallenbad in Horn sowie der Ersatzneubau am Westbad finanziert. Wir fördern den Wohnungsbau mit 40 Millionen Euro, um den Wohnungsmarkt zu entspannen und für erschwingliche Mieten zu sorgen.

Insgesamt 7 Millionen Euro stehen in beiden Jahren für ein Landesprogramm zur Förderung von Langzeitarbeitslosen zur Verfügung. Für die Umsetzung der Ausbildungsgarantie sind pro Jahr 4 Millionen Euro veranschlagt. Hier zu kritisieren, man wolle nichts gegen Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit machen, finde ich nicht richtig, Herr Röwekamp!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Erstmals in diesem Haushalt wird ein Stadtteilbudget für Beiräte mit 1 Millionen Euro pro Jahr für verkehrslenkende und verkehrsberuhigende Maßnahmen zur Verfügung stehen. Das stärkt die Beiräte in ihren Rechten.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Um die Personalstärke der Polizei zu verbessern, sind 135 Ausbildungsplätze pro Jahr vorgesehen. Wir investieren 32 Millionen Euro in die Ertüchtigung der Kaje im Kaiserhafen. 30 Millionen Euro gehen in den Ausbau der Hafenbahn, und wir stellen Geld für die Realisierung des OTB zur Verfügung.

Wenn man sich hier hinstellt und sagt, die rot-grüne Koalition investiere nichts, wir würden die Wirtschaft oder den Standort Bremen und Bremerhaven gefährden, dann sage ich, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU: Dann machen Sie sich doch auf Bundesebene stark dafür, dass das EEG so ausformuliert wird, dass sich Investitionen in effiziente Energievorhaben lohnen!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Denn die Deckelung der Investitionen in Windenergie im EEG, so wie es jetzt ist, macht Windkraftstandorten wie Bremerhaven das Leben schwer. Das macht übrigens auch Stahlwerken das Leben schwer, die nicht in effiziente Energievorhaben wie die Nutzung ihrer Gicht- und Konvertergase investieren können, oder auch der swb bei der Investition des Gaskraftwerks. Machen Sie sich für unseren Standort stark, indem auf Bundesebene ein ordentliches EEG ausformuliert wird!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 20. (außerordentliche) Sitzung am 04.05.16 1483

Bei allen wichtigen Positionen, die ich gerade aufgezählt habe, in die wir in den kommenden Haushalten Geld investieren, gehört zur Ehrlichkeit und Klarheit unserer Haushaltpolitik aber auch, dass wir gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern offen sagen: Die notwendige Konsolidierung des Haushalts bringt Zumutungen und Belastungen mit sich. Das merkt man auch in den Stadtteilen, in denen etwas weggespart werden muss.

Wir können leider nicht alle Wünsche berücksichtigen, aber wir konzentrieren uns auf die für uns wichtigsten Felder, damit wir im Land Bremen die Grundlagen für ein zukunftsfähiges und solidarisches Gemeinwesen erhalten. Dazu zählt der Ausbau der Kinderbetreuung, der eben auch Alleinerziehenden die Chance auf eine Arbeit eröffnet. Wenn wir uns den Armutsbericht ansehen, stellen wir fest, es sind gerade Alleinerziehende, die ein hohes Armutsrisiko haben.

Dazu zählt auch zusätzliches Personal für die Schulen und die Umsetzung der Inklusion, was allen Kindern die Chance auf eine erfolgreiche Zukunft eröffnen soll. Dazu zählt die verlässliche Finanzierung der Hochschulen, an denen junge Menschen die Fertigkeiten erwerben, die Bremen braucht. Dazu zählen die Qualifizierungsprogramme für Arbeitslose und auch die leicht steigenden Investitionen in den Wirtschaftsstandort. Dazu zählen Klimaschutz mit dem Ausbau des ÖPNV, Förderung des Radverkehrs und Erhöhung der Deiche.

Bremen investiert in frühkindliche Bildung. Ich habe den Kitaausbau und Bildung als einen wichtigen Beitrag zur Armutsprävention genannt. Diesen Schwerpunkt hat Rot-Grün sowohl bei den letzten Haushaltsverhandlungen gesetzt als auch aktuell. Damit führen wir den begonnenen Prozess fort, die Kindertagesbetreuung und die Angebote von Ganztagsschulen zu verbessern, insbesondere in Ortsteilen, die durch viele Menschen in materiellen Armutslagen geprägt sind.

Bremen ist bedingt durch die leeren Kassen beim Ausbau vielleicht nicht besonders schnell, aber dafür arbeiten wir kontinuierlich und hartnäckig am Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen, insbesondere dort, wo sie benötigt werden, und sehen uns den Sozialindikator dort in den Stadtteilen an. Das ist wichtiger denn je!

Aktuell steigt die Anzahl junger Menschen in der Stadt Bremen durch den Zuzug von Geflüchteten deutlich an. Laut Statistischem Landesamt ist der Anteil junger Menschen etwa um zwölf Prozent angestiegen. Für 2016 rechnen wir mit einer Zunahme um 16 Prozent und für 2017 mit 18,5 Prozent mehr jungen Bremerinnen und Bremern. Es ist erst einmal gut, dass sich die Stadt verjüngt.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Die quartiersbezogene offene Jugendarbeit ist von hoher Bedeutung für die Entwicklung der Jugendlichen. Es liegt auf der Hand und spiegelt sich ebenfalls in den Haushaltsentwürfen wider: Neben der Schule benötigen Jugendliche Freiräume, um Demokratie, Toleranz und Selbstwirksamkeit im Alltag mit Gleichaltrigen zu erproben. Gerade in der heutigen Zeit kann man das demokratische Wirken nicht hoch genug halten. Nach vielen Jahren, in denen dieser Bereich keine Zuwächse erfahren hat, wird es uns ge-lingen – da bin ich optimistisch –, hier eine deutliche Schwerpunktsetzung zugunsten der offenen Jugendarbeit vorzunehmen. Die Stärkung der offenen Jugendarbeit ist schließlich neben anderen Forderungen ein zentrales Ergebnis der 2. Bremer Armutskonferenz.

Abschließend ein Wort zur LINKEN! Ich bin gespannt auf den folgenden Redebeitrag. Wenn man sich die Äußerungen rund um den letzten Parteitag durchgelesen hat, kann man ahnen, was gleich kommen mag. DIE LINKE wird empfehlen, davon gehe ich aus, die Vereinbarung zur Schuldenbremse zu zerreißen, und wird den Menschen sagen wollen, dass alle Wünsche einmal eben zu erfüllen sind. Wenn man sich von der Schuldenbremse verabschiedet, ist das ein finanzpolitisches Roulette, bei dem nicht weniger als die Handlungsfähigkeit und die Selbstständigkeit Bremens auf dem Spiel stehen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Es wäre ein glatter Verfassungsbruch, den wir als Grüne gewiss nicht mitmachen. Was ist die soziale Folge ungezügelter Verschuldung? Die Zinsen würden den finanziellen Spielraum immer weiter einengen. Für Menschen, die auf staatliche Leistungen und Unterstützung angewiesen sind, bliebe am Ende nichts mehr. Das kann doch keiner wollen! Man kann immer auf die Reichensteuer und die Vermögensabgabe schielen, nur solange so etwas im Bund nicht annähernd diskutiert oder verabschiedet wird, kann man sich doch mit solchen Luftblasen nicht über den Tag helfen, ganz im Gegenteil! Wenn wir uns von der Schuldenbremse verabschiedeten, verlören wir die 300 Millionen Euro Unterstützung vom Bund und den Ländern. Das ist ungefähr die Summe, die wir jährlich zum Beispiel in die Universitäten und die Hochschulen geben. Ich glaube, wir können es uns nicht leisten, dass dort die Lichter ausgehen.

(Vizepräsident Imhoff übernimmt den Vorsitz.)

Kein Haushalt verlässt bekanntlich das Parlament, wie er eingebracht wurde. Der vom Senat eingebrachte Haushalt unterstreicht den Willen der rot-grünen Koalition, die Haushaltskonsolidierung erfolgreich fortzuführen. Er zeigt, dass der Senat richtige Schwerpunkte bei Bildung, Arbeit, Wohnen und Umweltschutz setzt. Wir werden bei den nun anstehenden

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 20. (außerordentliche) Sitzung am 04.05.16 1484