Da gibt es eine ganze Menge. Wir haben ausdrücklich gesagt, wir wollen das zunächst auf den Bereich der Bauwirtschaft – das ist ein sehr umfassender Bereich in der Region – beschränken. Wir wissen, Frau Steiner – nun ist sie gerade nicht da –, dass wir damit eine Reihe von bürokratischen Fragen klärbar machen müssen, zum Beispiel welche Tarifverträge in der Region relevant sind. Wir wissen, dass es Instrumentarien gibt, das zu tun. Das schränkt sozusagen den Vorwurf, wir schafften neue Bürokratien, deutlich ein. Das kann man handeln; das kann auch die Stelle, die über die Vergaben entscheidet, noch handeln, wenn man das vorher herausgearbeitet hat. Das kann Verwaltung auch gemeinsam mit den regionalen Tarifpartnern machen, mit den Handwerksinnungen, mit den Arbeitgeberverbänden im Handwerk, mit den Gewerkschaften. Das wird sehr gut möglich sein. Die sind sicherlich auch daran interessiert, das zu wollen.
Wir Sozialdemokraten wollen starke Tarifverträge. Das ist im Übrigen auch im Vertrag der Großen Koalition in Berlin gemeinsam so festgeschrieben. Mit dem, was wir jetzt tun, werden wir auch in der Region noch einmal für eine Stärkung der Tarifpartnerschaft sorgen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben die Initiativen zu den Wertgrenzen mit der Initiative zur Verbesserung der Tariftreue zusammengefasst. Das macht Sinn, weil es um ein Gesetz geht, und wir können nicht innerhalb einer Plenarsitzung zweimal an demselben Gesetz mit unterschiedlichen Inhalten herumbasteln. Bei der Tariftreue haben wir uns, wie gesagt, bei der ersten Beratung auf eine Konkretisierung hinsichtlich der Europarelevanz geeinigt, und wir bitten um Zustimmung für diesen Antrag, damit wir noch ein kleines Stückchen Realitätsveränderung in der Wirtschaft in Bremen hinbekommen. – Herzlichen Dank!
Als nächster Redner hat sich der Abgeordnete Kastendiek gemeldet. – Herr Kollege, Sie haben das Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Reinken ist ja zuletzt auf den Antrag eingegangen, nach dem die freihändigen Vergaben und beschränkten Vergaben nur mit Tarifbindung erfolgen. Ich fand das ein gelungenes Beispiel von Symbolpolitik – nicht mehr und nicht weniger ist es –, weil es für die Aufträge, die Sie mit dieser Gesetzesänderung meinen, für 80, 90 Prozent der Fälle allgemeinverbindliche Tarifverträge gibt, die auf Bundesebene durch entsprechende Verordnung – –.
Ich kann Ihnen die Liste gerne zeigen! Es sind die Maler, es sind die Steinmetze, es sind die Maurer, es sind die Handwerker A, B, C, es sind die Elektriker! Wir können gern noch einmal nachsehen!
Das macht eigentlich deutlich, dass Sie hier etwas regeln wollen, was zu 80 bis 90 Prozent geregelt ist. Das ist nichts anderes als Symbolpolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Diese Symbolpolitik können Sie sich gern ans Revers heften. Wir machen da nicht mit, weil es letztlich qualitativ und quantitativ nichts bringt. Es ist nämlich ein Beitrag – da hat die Kollegin Steiner von der FDP vollkommen recht – zum Bürokratieaufbau. Deswegen muss man immer aufpassen, wenn entsprechende Personen sagen, sie machen Bürokratieabbau. Das ist so, wie wenn ich Frösche frage: Soll der Teich ausgetrocknet werden? Dann werden die eher das Gegenteil sagen. Der Eindruck schwingt hier manchmal mit: Ich sage Bürokratieabbau, und das Ergebnis ist Bürokratieaufbau! Da machen wir nicht mit.
Sie haben aber in Ihrer Begründung – darauf habe ich eigentlich gewartet – die Prüfaufträge zwei, drei und vier völlig unter den Tisch fallen lassen. Ich vermute, das war ein wenig der Redezeit geschuldet. Da geht es nämlich darum – das ist auch der Grund, warum wir Ihren kompletten Antrag ablehnen werden –, dass Nebenanträge in angemessener Weise berücksichtigt werden.
Es liegt sowieso schon im Ermessen der Vergabestellen und der bauenden Stellen, dies entsprechend einzubeziehen. Aber da ist es natürlich auch ein bisschen davon abhängig, mit welchem Rückhalt die Ämter solche Wege gehen können. Nebenangebote können ein erhöhtes Risiko für alle Beteiligten beinhalten. Deswegen ist ihnen und den Unternehmen, die solche Nebenangebote einbringen, mehr damit gedient, dass die ernsthaft und seriös geprüft werden, wenn Sie den Ämtern einen entsprechenden politischen Rückhalt geben. Da fehlt es an der einen oder anderen Stelle.
Zum Thema Existenzgründerinnen und ‑gründer! Auch da könnte man die Worte aufgreifen, inwieweit das zusammenpasst, weil wir genau wissen, dass Existenzgründerinnen und ‑gründer manchmal unter den Tarifsätzen arbeiten. Wie das zusammenpasst, können Sie uns ja noch einmal ausführlich erklären. Wir halten aber nichts davon, dass wir das Vergaberecht mit zum Teil vergabefremden Aspekten völlig überfrachten. Dann wird man dem Sinn des Vergaberechts am Ende nicht mehr gerecht.
Sie haben dann noch einen Punkt, die Nachträge! Das ist eine Frage der Qualität des Personals und wie weit Sie die Ämter und die planenden Stellen
personell ausstatten, um eine Ausschreibung so sorgfältig und detailliert aufzubauen, dass keine Nachträge kommen. Auch das werden Sie mit einem solchen Antrag nicht beheben, wenn Sie an einer anderen Stelle nicht entsprechend nachsteuern. Dass Nachträge zu Recht gestellt werden können, wenn eine Leistung nicht angemessen beschrieben ist – dafür können Sie doch nicht die Unternehmen verantwortlich machen, wenn die von ihrem Recht Gebrauch machen! Das ist übrigens auch höchstrichterlich durchgefochten; es also nicht nur legal, es ist auch legitim.
Sie wollen einen Prüfauftrag nach dem Motto erteilen: die bösen Unternehmen, die einen Nachtrag stellen, weil die Ausschreibung falsch war oder weil sich die Leistung verändert hat! Sie wollen die Unternehmen dafür bestrafen, ihr Recht einzufordern, das Sie vorher durch eine schlechte Ausschreibung oder eine nicht vollständige oder nicht komplette Leistung oder durch geänderte Leistungen entsprechend auf den Weg bringen. Das ist schon ein bisschen paradox, was Sie hier auf den Weg bringen. Deswegen hätte ich eigentlich erwartet, dass Sie zu den Punkten zwei, drei und vier noch das eine oder andere Wort verlieren.
Lassen Sie mich zusammenfassen! Wir halten diesen Antrag, den Sie hier gerade eben begründet haben, Herr Reinken, für nicht tragfähig, für nicht angebracht, für nicht sinnvoll, und wir lehnen ihn ab. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss den Kollegen Reinken an einem Punkt korrigieren: Es stand auch schon im Koalitionsvertrag 2011, dass die Schwellenwerte angehoben werden sollen. Das fand ich ganz interessant; das ist ja schon ein Weilchen her.
Ich kann dem etwas abgewinnen – das habe ich auch in meinem ersten Beitrag schon gesagt –, die Schwellenwerte auf jeden Fall zu erhöhen, natürlich aus nicht ganz denselben Motiven wie die CDU. Wir wollen das Meiste von allem haben. Das ist ein wesentlicher Punkt.
Ich gebe zu, das ist mit Sicherheit eine Thematik, die nicht ganz einfach nachzuvollziehen ist; Vergaberecht ist nicht unkompliziert. Es hat schließlich Gründe, warum wir insbesondere bei der Abrechnung mit EU-Geldern genau an diesen Ecken und Enden immer Schwierigkeiten haben.
Da stimme ich dem letzten Beitrag vom Kollegen Kastendiek total zu: Wenn das personell nicht so ausgestattet ist, dass wir in der Lage sind, das ent
sprechend zu prüfen, wir also keine qualitative wie auch eine gewisse quantitative Ausstattung haben, nutzt das alles herzlich wenig. Das ist dann wie mit dem Bauaufsichtsgesetz: Das wollten wir auch alle gern haben, aber in der Bauverwaltung gibt es nicht entsprechend Personal, um praktisch umzusetzen, ob es eingehalten wird. Wenn wir so weit heruntergehen, dann ist es natürlich nur Symbolpolitik.
Ich hoffe allerdings, dass das in der Umsetzung nicht der Fall ist, sondern dass wir da herangehen und sagen- das ist ja mit der Vergabestelle wie auch mit der SOKOM so –, dass sie das, wenn es diesen Bedarf gibt, durchleuchten muss. Das kann man selbstverständlich nicht nur den Unternehmen anlasten, wobei man natürlich auch immer so ein bisschen schauen muss: Wo nutzen sie Schlupflöcher? Das ist die andere Seite.
Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen: Es gibt ja auch auf Ebene der EU eine gewisse Bewegung bezüglich der Neufassung der Entsendungsrichtlinie, die gerade im April im Europaausschuss Thema gewesen ist. Sie ist nicht ganz unumstritten, gerade von Rot-Grün her, weil es hier um die Losung „Gleicher Lohn, gleiche Arbeit, am gleichen Ort“ geht. Den Mitgliedsstaaten soll in stärkerem Maß als bisher die Möglichkeit gegeben werden, nationale Mindeststandards zu definieren, die auch für Mitbewerber in anderen EU-Staaten gelten sollen. Das ist die Linie, die dort angestrebt wird.
Bislang ist es so, dass dort viel zu viel Interpretationsspielraum ist und zu viele Fluchtmöglichkeiten sind. Da geht es auch um den Punkt Untervergabeketten. Das ist kein unbekanntes Problem. Das haben wir ja auch in Bremerhaven beim Stichwort Werften et cetera. Da gibt es, ehrlich gesagt, durchaus die Möglichkeiten, entsprechenden Dumpinglöhnen Tür und Tor zu öffnen.
Ich möchte zusammenfassen: Wir werden auf jeden Fall Ihrem Antrag bezüglich der Tarifbindung zustimmen. Wir hätten aber gern die höheren Schwellenwerte unterstützt und werden insofern den Schwellenwertantrag von Rot-Grün nicht unterstützen. – Vielen Dank!
Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kottisch. – Herr Kollege Kottisch, Sie haben das Wort!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Kastendiek, ich würde mich freuen, wenn Sie noch einmal kurz nach vorne kommen und erklären, wo Sie in unserem Antrag die Punkte zwei, drei, vier, irgendetwas mit Existenzgründungen und Nebenangeboten, lesen. Die stehen in dem Antrag, den wir eingebracht haben und jetzt beschließen werden, nicht drin.
Sie unterstellen uns, dass wir, selbst wenn es nur 10 bis 20 Prozent der Fälle sind, die von einer Tarifbindung betroffen sind, eine Symbolpolitik machen wollen! Mir fehlen die Worte. Selbst wenn wir nur zwei bis drei Prozent der Fälle darüber verbessern würden, wäre das doch ein Erfolg!
Ich habe in meinem ersten Redebeitrag durchaus Sympathie für Ihren Antrag geäußert. Ich wäre gern auch ein Stück weiter gegangen. Geben Sie doch zu, dass wir als Koalition hier einen richtigen, guten Schritt in die richtige Richtung machen, und versuchen Sie nicht, Nebelkerzen zu werfen!
Vielen Dank, Frau Bernhard, dass Sie das so bewertet haben, wie Sie es in Bezug auf die Wertgrenzen getan haben! Ich finde, das ist eine richtige Einstellung, und darüber freue ich mich sehr. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die richtige Höhe der Wertgrenzen, unterhalb derer die Vergabestellen auf öffentliche Ausschreibung verzichten dürfen, hat als Thema übrigens 2011 nicht nur im Koalitionsvertrag gestanden. 2012 – genaugenommen am 13. Dezember 2012 – ist der Senat von diesem Haus aufgefordert worden, sich für bundeseinheitliche und zwischen den Bundesländern abgestimmte Wertgrenzen einzusetzen.
Zu einem solchen Konsens ist es allerdings nicht gekommen. Stattdessen haben sich zwei Lager gebildet. Bremen nutzt zurzeit Wertgrenzen, die mit denen in sieben anderen Bundesländern und denen des Bundes vergleichbar, im Baubereich sogar identisch sind. Diese Wertgrenzen liegen im fünfstelligen Bereich; für beschränkte Ausschreibungen im Baubereich liegt die Grenze in der Regel bei 100 000 Euro. Ferner gibt es diejenigen Bundesländer, die sich sehr hohe Wertgrenzen gegeben haben, bis hin zu Hessen, das eine Vergabe ohne Bekanntmachung sogar für einzelne Lose mit einem Wert von bis zu 1 Million Euro zulässt.
Die Gründe, die für hohe Wertgrenzen sprechen, liegen im Bürokratieabbau aufseiten der Verwaltung einerseits und aufseiten der Wirtschaft andererseits. Außerdem – das lässt sich gar nicht bestreiten – ist die Konkurrenzsituation für bremische Unternehmen natürlich geringer, wenn ein Verfahren erst gar nicht eröffnet wird und nur bremische Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Es muss natürlich berücksichtigt werden, dass auch die öffentliche Ausschreibung durchaus ihre Daseinsberechtigung hat.
Der Rechnungshof sieht einen klaren Zusammenhang zwischen öffentlicher Ausschreibung und Kostenersparnis. Die öffentliche Hand erhalte bei öffentlichen Ausschreibungen unter dem Strich günstigere Angebote, so die Auffassung des Rechnungshofs. Die mit dem Verzicht auf eine öffentliche Ausschreibung einhergehende Wirkung auf den öffentlichen Haushalt spielt gerade in Bremen als Haushaltsnotlageland durchaus eine wichtige Rolle.
Der Antrag der Koalitionsfraktionen, dem zu folgen die Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen dem Parlament empfohlen hat, zielt darauf, dass sich Bremen sozusagen in die Mitte des bundesweiten Spektrums an Wertgrenzen bewegt. Ich halte dies für eine vernünftige Lösung. Wir sollten die Vorteile für die bremische Wirtschaft, die mit erhöhten Wertgrenzen einhergehen, nutzen, ohne das von der Wirtschaftlichkeit diktierte Maß zu verlieren. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Bevor wir zur Abstimmung kommen, habe ich noch eine Frage: Frau Bernhard, habe ich das richtig verstanden, dass Sie Ihren Änderungsantrag zurückgezogen haben?