Protocol of the Session on April 20, 2016

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Eine gute Gesundheitspolitik und eine vernünftige Drogenpolitik müssen die Selbstbestimmungsrechte der Menschen achten und die gesundheitlichen Risiken minimieren und nicht etwa erhöhen. Die aktuelle Prohibition erhöht die Gesundheitsrisiken!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Darum wollen wir nun alle Spielräume für neue Wege in der Cannabispolitik in Bremen nutzen.

Was schlagen wir vor? Wir wissen, Strafe schützt nicht vor Sucht. Wir wissen, auf dem Schwarzmarkt gibt es keinen Gesundheitsschutz und natürlich auch keinen Jugendschutz. Darum ist es notwendig, geeignete Maßnahmen zur Austrocknung des Schwarzmarktes anzustoßen. Von der Alkoholprohibition wissen wir, dass sie keinerlei positiven Effekt hatte, sondern den Schwarzmarkt blühen und gedeihen ließ, und doch hält Deutschland an der irrigen Annahme fest, dass es die Bevölkerung besser schütze, Cannabisnutzerinnen und ‑nutzer zu kriminalisieren, anstatt endlich zu einer vernünftigen Drogenpolitik überzugehen, die auf Aufklärung und Prävention setzt.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Das wollen wir ändern. Wir wollen in Bremen erreichen, dass Cannabis kontrolliert und legal von Erwachsenen erworben werden kann.

Als Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie behandele ich seit über zwei Jahrzehnten psychisch kranke Menschen, darunter auch viele Süchtige, viele psychotische Menschen. Eine Sucht oder auch ein missbräuchlicher Substanzkonsum entsteht immer aus verschiedenen Gründen, das wissen doch alle hier im Haus. Ein Grund ist der Wirkstoff, aber die entscheidenden Faktoren sind Isolation, Traumatisierung und eine eingeschränkte Fähigkeit, Konflikte zu lösen, sowie ein reduziertes Selbstwertgefühl.

Weil es so einen Vielklang für die schädigende Wirkung von Drogenkonsum gibt, macht es keinen Sinn, Konsumentinnen und Konsumenten zu kriminalisieren und damit zu isolieren. Insbesondere die Kriminalisierung und die damit verbundene Stigmatisierung führen gerade dazu, dass es Konsumentinnen und Konsumenten erschwert wird, geeignete Therapie- und Hilfemöglichkeiten in Anspruch zu nehmen und Betreuungsmöglichkeiten aufzusuchen. Das wollen wir ändern!

Wie ist das nun bei Kindern und Jugendlichen? Kinder und Jugendliche, das haben alle Rednerinnen

und Redner hier gesagt, sollen kein Cannabis konsumieren, denn Cannabis wirkt schädigend auf das unreife Gehirn, und je jünger ein Konsument ist, umso schädlicher ist es. Darum muss der Jugendschutz ganz vorne stehen, und auf dem Schwarzmarkt gibt es eben keinen Jugendschutz.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Wie sieht es nun mit der Gefahr aus, als Erwachsener aufgrund von Cannabiskonsum eine Psychose zu bekommen? Da kursieren immer sehr viele unterschiedliche Ideen. Sie können sich vorstellen, dass all das, was rund um das Nervensystem und die Psyche geschieht, nicht eindimensional ist. Im Hanf sind viele verschiedene Wirksubstanzen enthalten. Am bekanntesten ist das THC.

Einige von Ihnen haben sicherlich auch schon von Cannabidiol gehört. Ein hoher Gehalt von THC fördert das Auftreten von Psychosen, das stimmt. Es löst sie nicht aus, aber es kann sie fördern. Cannabidiol, ein weiterer Wirkstoffe, der in Hanf enthalten ist, wirkt hingegen angst- und spannungslösend und eben nicht halluzinogen, also gerade nicht psychosefördernd. Weil das so ist, ist es notwendig, dass erwachsene Verbraucherinnen und Verbraucher über die Konzentration und das Verhältnis der Wirkstoffe untereinander informiert werden. Das ist nur bei einer kontrollierten Abgabe möglich.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Auf dem Schwarzmarkt gibt es auch keinen Schutz vor gefährlichen Beimischungen – wir haben es schon gehört – aus geriebenem Glas oder Bleistaub.

Worauf zielt nun unser Antrag? Wir wollen Prävention statt Kriminalisierung. Es macht doch gesundheitspolitisch und sozialpolitisch überhaupt keinen Sinn, neunmal mehr Geld in die Strafverfolgung zu stecken als in die Maßnahmen zur Prävention.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Wir wollen die Ressourcen auf die Prävention konzentrieren. Wir wollen Kinder und Jugendliche starkmachen gegen Drogen und Sucht. Das geht durch Aufklärung und vor allem durch Projekte in Kitas und Schulen zur Selbstwertstärkung. Ganz wichtig hierfür ist die kulturelle Bildung. Ein wunderschönes Beispiel sehen Sie gerade in der Bremischen Bürgerschaft, eine Ausstellung von Kindern aus Gröpelingen, die Kunstwerke geschaffen haben. Solche Projekte machen Kinder stark und fördern ihre seelische Gesundheit.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Auch die Gesundheit von Erwachsenen muss geschützt werden. Das ist auf dem Schwarzmarkt, wie

ich ausgeführt habe, nicht möglich. Stellen Sie sich einmal vor, Sie gehen in einen Laden und sagen: Einmal Alkohol, bitte! Sie wüssten nicht, ob Sie Bier oder Wodka bekommen. So aber ist es auf dem Schwarzmarkt, wenn Sie Cannabis erwerben.

Dosis, Wirkstärke und Wirkstoffe können nur bei einer kontrollierten Abgabe deklariert werden. Das dient dem Gesundheitsschutz! Dafür wollen wir in Bremen die Möglichkeiten schaffen. Bitte unterstützen Sie unseren Antrag! – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil es eben den Vorwurf gab, wir kümmerten uns nicht um die wichtigen Themen kümmern, um die Fragen, ob es genügend Lehrer gebe, ob es genügend Polizei gebe, ob es ausreichend Kontaktbereichspolizisten gebe, ob wir genügend für die sozialen Probleme in der Stadt schaffen. Dazu möchte ich an die Adresse von Herrn Bensch von der CDU Folgendes sagen: Genau das tun wir mit unserem Antrag zur Entkriminalisierung! Wenn Polizisten nicht mehr Strafverfolgung von Haschischkonsumenten machen müssen, können wir mehr Kontaktbereichspolizisten haben!

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LIN- KE – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Schreien Sie doch nicht so!)

Wir können dann hingehen und uns um die wirklichen Probleme der Menschen kümmern, wenn wir nicht Leute, die sich nur selbst gefährden, verfolgen.

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich bin mir nicht sicher, wie viele Menschen das bei Polizei, Justiz und Gerichten bindet.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: 60!)

60, haben wir eben in der Rede gehört und ruft die Kollegin Vogt mir jetzt auch noch einmal zu! 60 Menschen, die wir anders und sinnvoller einsetzen könnten, sind etwas wert. Dann kümmern wir uns auch mit dieser Debatte um die Frage, wo der Staat Prioritäten bei seinen Aufgaben setzt und wo er es sein lässt, weil es einfach nicht notwendig ist. Wenn ich dann von Ihnen, Herr Schäfer von der Gruppe, deren Namen ich nicht nennen will,

(Abg. Schäfer [ALFA]: ALFA, lieber Herr Dr. Buhlert!)

höre, dass es darum geht, das mit Anschnallen oder Zu-schnell-Fahren zu vergleichen, muss ich sagen: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Fremdgefährdung beim Zu-schnell-Fahren ist etwas gänzlich anderes! Wer zu schnell fährt, gefährdet andere Menschen. Wer Haschisch nimmt, gefährdet nur sich selbst.

(Abg. Schäfer [ALFA]: Wer bekifft fährt, auch! – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Wir sind nicht schwerhörig!)

Wer Drogen nimmt, gefährdet auch nur sich selbst. Wer dealt, wer Stoff verkauft, der nicht rein ist, gefährdet andere. Da muss man genau hinschauen und sehen, dass man das weiter verfolgt. Das kann man aber auch nur, wenn man es entkriminalisiert und einen Zugang zu diesen Bereichen schafft, genauso, wie man dann auch nur wirklich Jugendschutz machen kann. Denn wenn man das nicht entkriminalisiert, werden wir diesen Bereich überhaupt nicht bearbeiten können, weil wir gar nicht in die Kontakte, in die Gespräche kommen. Insofern müssen wir ganz genau hingucken, was wir hier machen. Es geht nicht darum, etwas zu legalisieren. Es ist auch nicht so, dass ich irgendjemanden gehört habe, der gesagt hat: „Toll!“, sondern ich habe immer gehört: Jugendschutz ist das Wichtigste! Da werden wir uns natürlich mit der CDU weiter gemeinsam unterhalten, wo Jugendschutz gemacht werden kann.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Warum sollten wir uns mit Ihnen darüber unterhalten?)

Denn Jugendschutz ist ohne Frage etwas ganz Wichtiges und muss gemacht werden. Insofern bleiben wir dabei: Jugendschutz machen wir, aber wir machen auch eine Prioritätensetzung hinsichtlich dessen, was Polizei und Justiz machen sollen. – Herzlichen Dank!

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Dehne.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bensch, besonders Ihre Rede hat mich veranlasst, hier noch einige Sachen zu sagen. Ich war auch mit meiner Rede noch nicht ganz fertig. Sie haben gesagt: Was wir hier tun würden, wäre eine Politik des Drogeneinstiegs, und die Risikowahrnehmung würde zurückgehen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ein Verbot kann genau das sein, was junge Menschen dazu animiert, zu sagen: Oh, das finde ich ja interessant, das probiere ich einmal aus!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Sie haben auch gesagt: Wir haben andere Probleme! Ich sage Ihnen ganz klar: Natürlich haben wir in diesem Bundesland auch andere Probleme.

(Abg. Bensch [CDU]: Aber ganz viele!)

Das hat hier auch niemand in Abrede gestellt. Man kann sich aber wohl auch um etwas kümmern, das wichtig ist, ohne andere Dinge zu lassen.

(Beifall SPD)

Sie haben auch gesagt, Rot-Grün mache mit diesem Antrag deutlich, Cannabis sei harmlos, und genau das haben wir eben nicht getan. Das habe ich hier mehrfach betont; alle Rednerinnen und Redner der Fraktionen haben betont, dass Cannabis nicht harmlos ist. Dieses Signal wird von diesem Antrag auch nicht ausgehen, weil er sehr differenziert geschrieben ist, weil wir die Prävention darin betonen, weil wir mehrere Punkte dazu haben. Ich finde das wirklich eine Unterstellung, die ich so nicht stehenlassen möchte.

(Beifall SPD, DIE LINKE – Abg. Bensch [CDU]: Lesen Sie mal Punkt vier vor!)

Das können Sie ja gleich machen, Herr Bensch! Sie haben auch die UN mit der Drogenpolitik genannt, und ich habe gerade gestern einen Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ mit der Überschrift „Der Krieg ist verloren“ gelesen, den mir ein Mitarbeiter der SPD-Fraktion gegeben hat. Ich zitiere: