Protocol of the Session on March 17, 2016

Im letzten Jahr gab es dort etliche Bombenanschläge mit sehr vielen Toten, die auf das Konto des IS gehen.

In Algerien klagen Menschenrechtsinitiativen gegen ein faktisches Demonstrationsverbot im Land, gegen katastrophale Haftbedingungen, eine politisch motivierte Justiz und polizeiliche Repressionen. Auch hier warnt im Übrigen das Auswärtige Amt vor Terroranschlägen, vor Entführung und auch vor Reisen in bestimmte Regionen des Landes. Wenn das Auswärtige Amt seine Bundesbürger warnt, in bestimmte Regionen eines Landes zu reisen, können wir nicht sagen, es ist ein sicheres Herkunftsland für die Menschen dort.

Das gilt im Übrigen auch für Marokko. Wir haben hier nicht umsonst in der letzten Bürgerschaftswoche – Frau Leonidakis hat es auch schon erwähnt – einen Antrag, der sich mit dem Konflikt der Westsahara beschäftigt hat, beschlossen. Willkürliche Festnahmen, Repressionen zum Beispiel gegen Homosexuelle sind dort an der Tagesordnung. Ich finde, meine Damen und Herren, wir können Länder nicht einfach in eine bestimmte Kategorie einordnen, nur weil es uns hier und jetzt gerade entgegenkommt und in den Kram passt, wenn dies nicht im Entferntesten der Realität vor Ort entspricht. Aus dem Grund lehnen wir den Antrag der CDU ab! – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Aulepp das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen heute aktuell eine Debatte, die darauf beruht, dass die CDU einen im letzten Monat hier in diesem Hause beschlossenen Antrag der Regierungsfraktionen in den ersten beiden Punkten kopiert und einen alten, hier abgelehnten Antrag von sich selbst recycelt. Ich habe bei der Vorbereitung meines Debattenbeitrags der Versuchung widerstanden, ebenfalls Copy and Paste zu benutzen und will noch ein paar Worte mehr zu Ihrem Antrag sagen.

Ich will hier zu Ihrem Antrag reden und werde nicht noch einmal die Debatte zur geschlossenen Unterbringung wiederholen. Die haben wir hier im letzten Monat, vor drei Wochen, hier in der Bürgerschaft geführt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ausführlich!)

Ich denke, Sie alle können sich an meine Ausführungen dazu genauso gut erinnern, wie ich mich an die Ausführungen der CDU erinnern kann, auch wenn wir die hier jetzt in Kürze noch einmal gehört haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn ich mich nicht wörtlich wiederholen möchte, muss ich das angesichts des vorliegenden Antrags und insbesondere seiner Begründung zumindest in der Argumentation tun. In Ihrem Antrag werden erneut, und das insbesondere im wörtlich kopierten Anteil des Antrags, die Einreisegründe derjenigen, die nach Deutschland und nach Bremen kommen, polemisiert und diskreditiert. Das schürt brandgefährliche Ressentiments, anstatt solchen Ressentiments sachlich und lösungsorientiert zu begegnen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das wirkt sich auf die gesamte Gesellschaft aus.

Außerdem fordern Sie – auch das ist nicht neu – Ausweisung und Abschiebung pauschal und erwähnen mit keinem Wort, dass natürlich Ausweisungen und anschließende Abschiebungen nur nach Recht und Gesetz erfolgen dürfen und dass unser Innensenator das Selbstverständliche erklärt hat: Bei Vorliegen der Ausweisungsvoraussetzungen nach dem Aufenthaltsgesetz wird die Ausländerbehörde Ausweisungen verfügen und dann auch zügig vollziehen.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Wenn es mal so wäre!)

Diese Aussage entspricht auch keiner Not, wie es hier gerade behauptet wurde, sondern das ist die Arbeit der Ausländerbehörde. Auch dazu habe ich hier vor drei Wochen schon Ausführungen gemacht. Dabei hat unser Innensenator natürlich unsere vollste Unterstützung. Dazu bedarf es auch keines Antrags von Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion,

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Rö- wekamp [CDU]: Wie viele Ausweisungen sind denn vollzogen?)

zumal wir ihn in der letzten Bürgerschaftssitzung genau dazu aufgefordert haben. Gern sage ich es hier aber auch noch ein weiteres Mal: Wer unseren Schutz missbraucht und unbeirrt in erheblichem Maße Straftaten begeht, dem werden wir diesen Schutz nach Recht und Gesetz versagen!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Wie viele Ausweisungen sind denn erfolgt?)

Das richtet sich danach, wie viele Ausweisungen nach Recht und Gesetz erfolgen konnten. Das ist Verwaltungsvollzug. Wir gehen davon aus und erwar

ten das. Es ist auch so, dass das Innenressort das entsprechend tut.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Eine! Von 400 eine!)

Lassen Sie mich fortfahren! – Sie können sich ja gleich melden und noch etwas dazu sagen.

(Abg. Hinners [CDU]: Habe ich schon!)

Schön! Da freue ich mich! Vielleicht sagen Sie da etwas Neues.

(Heiterkeit, Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau Grotheer [SPD]: Bestimmt nicht! – Abg. Hinners [CDU]: Sagen Sie einmal etwas Neues!)

Soweit zum Lob! Es ist schwierig, wenn Sie immer den gleichen Antrag stellen. Aber ich will es versuchen. Der zweite Punkt fordert Lob für den Bundesinnen- und den Bundesaußenminister! Ja, es ist wunderbar, dass sich die Bundesregierung darum kümmert, die tatsächlich bestehenden Rückführungsprobleme mit den aus den Maghreb-Staaten zugewanderten Menschen zu lösen. Wir haben im Übrigen gefordert, dass wir uns auf Bundesebene dafür einsetzen.

Von Erfolg mögen aber sogar die beiden genannten Bundesminister erst dann sprechen, wenn die Vereinbarungen mit Leben erfüllt und umgesetzt werden. Das haben sie an alle Landesinnenminister und auch an unseren Innensenator geschrieben. Den Aussagen derjenigen, die diese Verhandlungen geführt und abgeschlossen haben, unserer beiden Bundesminister, mag und werde ich hier nicht widersprechen. Für Jubel ist es noch zu früh!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn Sie es sich so sehr wünschen, dass wir einem Ihrer Anträge zustimmen, dann müssen Sie es anders anfangen!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ablehnen werden wir auch Punkt drei Ihres Antrags. Mir und meiner Fraktion ist mehr an inhaltlicher Arbeit als an Symbolik gelegen.

(Zuruf Abg. Hinners [CDU])

Herr Hinners, ich möchte mich bei Ihnen gar nicht bewerben. Ich weiß nicht, wovon Sie reden!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das Gesetz über die Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten ist ein Symbol, eine Scheinlösung insbesondere angesichts der konkreten Zahlen, die wenig nutzt, aber

den konkret Betroffenen schaden kann und auch der gesellschaftlichen Stimmung schadet.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Schaden tut der Gesell- schaft die Stimmung Ihrer Untätigkeit!)

Ich habe es hier schon einmal gesagt: Es ist verfassungs- und völkerrechtlich mindestens bedenklich. Länder werden nicht sicher dadurch, dass man behauptet, sie seien es, nicht dadurch, dass sich von dort aus viele Menschen auf den Weg nach Europa machen, und auch nicht dadurch, dass Staatsangehörige dieser Länder Straftaten begehen. Sie werden auch nicht sicher dadurch, dass nur wenige Menschen aus diesen Ländern in Deutschland ein Aufenthaltsrecht bekommen. Das Recht auf Schutz vor Verfolgung und Lebensgefahr ist ein Individualrecht. Dass die drei genannten Maghreb-Staaten nicht frei von Verfolgung sind, wissen wir alle schon aufgrund der Berichte von Amnesty International.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Bedenklich ist das Gesetz auch vor dem Hintergrund der bereits beschlossenen Verfahrensänderungen, wenn durch gesetzliche Vermutungen und Fiktionen wie die Sicherheit eines Herkunftsstaats die Anerkennung eines Bleiberechts deutlich erschwert wird, zugleich aber das Verfahren, in dem diese Vermutungen und Fiktionen widerlegt werden können, drastisch beschleunigt und verkürzt wird.

Nicht zuletzt löst die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer nicht die realen Probleme, die aktuell mit Staatsangehörigen dieser Länder bestehen. Da ist nicht die Frage, ob diese Länder sicher sind, auch nicht die Frage, wie schnell die Verfahren abgeschlossen sind, sondern das ist, wie schon mehrfach gesagt, die tatsächliche Rückführung von ausreisepflichtigen Personen. Daran wird gearbeitet.

Deshalb hat unser Bürgermeister Dr. Carsten Sieling hierzu bereits früh eine klare Position eingenommen. Dabei hat er unsere vollste Unterstützung. Ich bin mir sicher, dass er sich weiterhin auf Bundesebene für sachgerechte und menschenrechtskonforme Lösungen und gegen aktionistische Scheinlösungen einsetzen wird.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Erlauben Sie mir am Ende erneut – auch wenn das nichts Neues ist – den Hinweis darauf, dass es notwendig ist, den bundespolitischen ebenso wie unseren Schwerpunkt auf die integrationsfördernden Maßnahmen, auf die Hilfe für die betroffenen Menschen und für die Länder und die Kommunen, die diese Menschen aufnehmen, zu legen, auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt gerade auch vor dem Hintergrund der Wahlergebnisse vom Sonntag – im Sinne

derjenigen, die zugewandert sind, im Sinne derjenigen, die schon länger oder schon immer in Bremen oder in Bremerhaven leben und nicht zuletzt auch im Sinne der inneren Sicherheit in unserem Land! – Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Zenner das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Straffällige Intensivtäter, insbesondere was die Jugendlichen anbelangt, beschäftigen uns seit einigen Monaten in Bremen. Der Antrag der CDU hat eine etwas neue Richtung, hat in der Begründung mit dem bisherigen Scheitern der Errichtung einer geschlossenen Einrichtung eine etwas andere Richtung vorgegeben. Das will ich nicht wiederholen. Wir hatten in unserer letzten Debatte gesagt: Eine geschlossene Anstalt mit intensivpädagogischer Betreuung muss geschaffen und verkürzte Jugendstrafverfahren mit entsprechenden Auflagen müssen zügiger auf den Weg gebracht werden. Was den Antrag anbelangt, Intensivtäter bei Volljährigkeit aus der Bundesrepublik Deutschland auszuweisen, kann dem aus der Sicht der Freien Demokraten unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gefolgt werden. Wir sind ein freies Land. Wir haben seit 1949 ein großzügiges und erfolgreich praktiziertes Asylrecht. Viele Verfolgte aus aller Welt steuern die Bundesrepublik Deutschland aus diesem Grunde an. Wir sind offen nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Wir nehmen Personen, Menschen auf, die durch Krieg oder durch Naturkatastrophen in ihrer Heimat nicht mehr leben können. Wir haben durch das Verhalten in den letzten Monaten Humanität gegenüber Flüchtlingen aus Afghanistan oder aus Syrien gezeigt. Wir sind eine freundliches und offenes Gastland. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite gibt es aus diesem Personenkreis Kriminalität in unserer Gesellschaft. Die Werte unserer Gesellschaft, die Rechtsordnung unserer Gesellschaft werden nicht anerkannt. Wer hiergegen massiv und nachhaltig verstößt, hat sein Gastrecht verwirkt. Da muss auch die Möglichkeit bestehen, aus der Bundesrepublik Deutschland auszuweisen. Dies hat sich in Bremen besonders durch 50, 70 hochkriminelle Intensivtäter aufgedrängt. Die Debatte hat sich durch die Ereignisse in Köln noch einmal verschärft. Die Ausweisungstatbestände nach dem Ausländergesetz sind herabgesetzt worden. Sie ermöglichen, kriminelle Intensivtäter oder auch Personen, die zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind, unter gewissen Voraussetzungen aus der Bundesrepublik Deutschland auszuweisen und abzuschieben. Dies ist grundsätzlich richtig und wird von uns unterstützt.

Es kommt aber auch darauf an, sich die Rechtslage genau anzusehen. Wir verstehen die Ankündigung

von Innensenator Mäurer, von der Abschiebe- und Ausweisungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, natürlich so, dass dies nur im Rahmen des Gesetzes möglich ist. Das ist das eine. Nichts weiter kann in dem Antrag zu Ziffer eins der CDU gemeint sein. Nur so kann er ausgelegt werden. Man kann sich darunter nicht vorstellen, dass jemand, der drei-, zwei- oder einmal intensiv und nachhaltig bestraft worden ist, quasi aus dem Gerichtssaal in den Flieger gesetzt und in sein Heimatland zurücktransportiert wird. Voraussetzung ist vielmehr, wenn entsprechende Verurteilungen vorliegen, die diesen Rahmen von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe überhaupt erreichen, noch zu prüfen, ob eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gegeben ist. Das muss zusätzlich geprüft werden.

Es gibt auch Abschiebungshindernisse. Nicht jeder, der verurteilt worden ist, kann abgeschoben werden. Niemand muss sein Leben oder seine Freiheit in dem Land riskieren, in das er abgeschoben werden soll. Nur wenn ganz schwerwiegende Gründe für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland vorliegen, ist dies überhaupt möglich.

Dies wird von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern nicht genügend bedacht. Sie versuchen immer, eine Debatte zu führen, die die Länder so beschreibt, dass es dort nicht die demokratische Ordnung gibt, wie wir sie in der Bundesrepublik Deutschland kennen. Da mag ich in dem einen oder anderen Punkt folgen.