Protocol of the Session on January 20, 2016

Ich möchte Sie, sehr geehrte Frau Dertwinkel, ganz herzlich beglückwünschen, Sie im Hause begrüßen und Ihnen für Ihre Arbeit hier im Parlament viel Erfolg und alles Gute wünschen! – Herzlich willkommen!

(Beifall)

Des Weiteren möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau Silvia Neumeyer anstelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Paul Bödeker zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt hat.

Auch von meiner Seite herzlichen Glückwunsch!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, normalerweise gratulieren wir nur Abgeordneten zum Geburtstag. Wir machen heute aber eine Ausnahme. Ich gratuliere ganz herzlich Herrn Staatsrat Fries zu seinem Geburtstag!

(Heiterkeit und Beifall)

Zu seinem 35. Geburtstag! Bei den Jungsozialisten wäre er jetzt ausgeschieden. Aber er gehört ja einer anderen Fraktion an. Ich wünsche Ihnen alles Gute für den heutigen Tag! Es ist schön, dass Sie bei uns sind.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde liegen zwei Themen vor, und zwar erstens auf Antrag der Abgeordneten Hinners, Dr. vom Bruch, Röwekamp und Fraktion der CDU, Schärfere Abschiebegesetze – Senat muss sich einigen und umsetzen!, zweitens, auf Antrag der Abgeordneten Frau Steiner und Fraktion der FDP, Nur noch Platz 8: Rückschritt statt Wachstum. Strukturwandel nicht geschafft und Industriestandort nicht ausgebaut.

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer und Herr Senator Günthner.

Hinsichtlich der Reihenfolge der Themen wird in der Regel nach der Reihenfolge des Eingangs der Themen verfahren. Heute wird aufgrund einer interfraktionellen Einigung die Reihenfolge der Themen getauscht; wir fangen also mit dem zweiten Thema an.

Nur noch Platz 8: Rückschritt statt Wachstum. Strukturwandel nicht geschafft und Industriestandort nicht ausgebaut.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben uns logischerweise wirklich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt. Bremen ist für uns ein Land voller Chancen. Uns zeichnet vor allem die Vielfalt in der Gesellschaft, in der Kultur, in den Wirtschaftszweigen, in den Branchen und in vielem mehr aus.

Die Entwicklung Bremens hingegen ist leider alles andere als rosig, wenn wir uns das einmal genauer anschauen. Sie ist nicht so dynamisch wie sie sein könnte und vor allem nicht so dynamisch, wie wir es von der Wirtschaft gewohnt sind. Die Meldung der Handelskammer, dass wir im Industrieranking auf Platz acht abgerutscht sind, ist nur eine weitere Negativzahl in der Fülle der Meldungen, die uns leider ereilt. Jetzt kann man sich natürlich darüber unterhalten, ob die Umsätze der Industrie als alleiniger Indikator ausschlaggebend genug sind. Sicherlich gibt es aber genügend weitere Faktoren, die uns Freie Demokraten hier wirklich in Sorge geraten lassen.

(Beifall FDP)

Lassen Sie uns einmal die Unternehmenslandschaft in Bremen ansehen. Leider gibt es hier nur noch wenige größere Konzerne und AGs, die sich für Bremen als Standort entscheiden. Es besteht nach wie vor die große Gefahr, dass Mondelez irgendwann seinen Standort komplett verlegen wird. Verkleinert haben sie sich jedenfalls massiv. Sie wissen selbst, dass Kellog bereits den Rückzug angetreten hat. Nach dem Verkauf an den dänischen Investor hat HACHEZ sicherlich auch nicht mehr die Standorttreue wie vorher, als das Unternehmen noch in Familienhand war.

Das sind Faktoren, die uns wirklich in Sorge geraten lassen. Gerade vor diesem Hintergrund ist es erschreckend, wie an diesem Standort mit Kühne + Nagel umgegangen wird.

(Beifall FDP)

In unseren Augen wäre es das einzig richtige, Kühne + Nagel dankbar dafür zu sein, dass sie sich erneut für Bremen und nicht für Hamburg entscheiden, anstatt ihnen das Leben beim Erwerb des Grundstücks oder beim Erweiterungsbau schwer zu machen.

Wenn wir an den Bau von KPS beziehungsweise von Eventim denken, so ist es im Nachgang für Bremen sicherlich ein Aushängeschild geworden. In erster Linie sind Neubauten auch immer eine Bereicherung für die Stadt.

(Beifall FDP)

Wenn wir noch einmal bei Kühne + Nagel als Beispiel bleiben wollen, und es ist wirklich nur ein Beispiel! Es ist immer eine Frage der Darstellung, wie mit Investoren, wie mit Neubauten im Land Bremen

umgegangen wird. Dieses Unternehmen ist ein positiver Botschafter für unsere Stadt und für unser Land Bremen, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch international.

Das Unternehmen sichert hier am Standort 750 Mitarbeitern die Existenz, bildet 120 junge Menschen aus und will am Standort 26 Millionen Euro in die Hand nehmen und investieren. Ganz zu schweigen von den positiven Nebeneffekten, die man sich auch anschauen sollte. Sie werden beispielsweise durch viele auswärtige Gäste, durch viele Besucher und Geschäftskunden erreicht, die das Unternehmen hier begrüßen kann, und es ist stolz auf Bremen und Bremerhaven.

(Beifall FDP)

Das ist sicherlich nur ein kleines Beispiel dafür, wie ein Bremer Unternehmenssitz das Image unserer Stadt und unseres Landes positiv verstärken kann. Es ist aber genau das, was vermehrt im Land Bremen notwendig ist, damit wir hier eine positive Wirtschaftsentwicklung langfristig abbilden können, und so wird auch ein Schuh daraus.

Umso trauriger stimmen uns die Schwächen Bremens, und zwar gerade in Bezug auf die Standortentscheidungen, die nicht erst seit dem letzten Jahr offensichtlich sind. Bei der Gewerbe- und bei der Grunderwerbssteuer liegt Bremen im Vergleich zu den umliegenden Gemeinden wirklich sehr hoch. Wir dürfen uns absolut nicht der Illusion hingeben, wie wir das häufig hier tun, uns mit Hamburg vergleichen zu können, denn für uns und die Unternehmen ist es kein großer Akt, von Huchting nach Stuhr oder von Kattenturm nach Brinkum zu ziehen.

Weiterhin bildet Bremen bundesweit das Schlusslicht bei der Statistik der Patentanmeldungen, und das weist auf mangelnde Innovationsunterstützung hin. Wenn wir bei den Zahlen bleiben, dann ist auch die Zahl der Firmeninsolvenzen in Bremen alarmierend. Die absoluten Zahlen sind zwar gering, wenn man sie sich anschaut, allerdings liegt Bremen prozentual gesehen auf Platz zwei.

Es geht noch weiter! Die Zahl der Erwerbstätigen ist rückläufig, und in Bremen gehen nur 47,6 Prozent der Frauen einer Erwerbstätigkeit nach. Gerade das ist eine Zahl, die ebenfalls erschreckend ist und auf mangelnde Unterstützung hinweist.

(Beifall FDP)

Jetzt kommt das Lieblingsthema der Freien Demokraten, und das darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, nämlich die mangelnde Bildung, die wirklich schlechte Bremer Schulbildung, die hohe Schulabbrecherquote sowie der seit Jahren letzte Platz bei PISA! Unser bekannt schlechtes Bremer Schulwesen führt dann auch dazu, dass sich der Fachkräftemangel

in Bremen deutlich höher als in anderen Bundesländern auswirkt, sodass der bremische Mittelstand mittlerweile massive Probleme hat, im Übrigen auch unter den Bremer Abiturienten, noch ausbildungsfähige Auszubildende zu finden. Die Leidtragenden sind nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Mitarbeiter, die diese Situation abfedern müssen.

(Beifall FDP)

Bevor uns jetzt vorgeworfen wird, dass wir hier etwas schlechtreden wollten – dazu komme ich gleich noch –, sage ich Ihnen, das Land Bremen weist auch viele Stärken auf, die ich bewusst an dieser Stelle betonen möchte.

Bremen verfügt über eine sehr hohe Präsenz bei den Forschungseinrichtungen, und darauf können wir wirklich stolz sein. Wir haben einen hohen Künstleranteil. Es sind überdurchschnittlich viele Gewerbeanmeldungen vorhanden und, wenn man sich das anschaut, eine relativ gute Produktivität. Besonders stolz können wir auch auf das überdurchschnittlich hohe Bruttoinlandsprodukt sein, das immer noch im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ein Plus von 29 Prozent aufweist. Leider ist aber auch hier ein kleiner Wermutstropfen vorhanden, denn seit Beginn der rotgrünen Regierung im Jahr 2007 ist Bremen von plus 34 auf plus 29 Prozent abgesunken.

Bei vielen Aspekten können wir der rot-grünen Koalition nur stets bemüht in das Arbeitszeugnis schreiben. In unseren Augen gibt es viele Dinge, in denen wir dringend besser werden müssen. Wir stehen in der Pflicht, die Unternehmen von überflüssiger Bürokratie zu befreien. Bremer Unternehmer klagen wirklich zu Recht immer wieder über hohe bürokratische Lasten. Dort, wo wir es können, sollten wir sie abbauen. Ein Bürokratie-Monitoring würde die Chance eröffnen, jährlich zu überprüfen, aus welchen Gründen und an welchen Stellen die Bürokratie für die Bürger und die Betriebe angestiegen ist, und wie man sie davon befreien kann.

(Beifall FDP)

Die Politik ist gefragt, in Bremen Investitionen zu erleichtern. Unser gemeinsames Ziel sollte es hier wirklich sein, langfristig Investoren willkommen zu heißen und Menschen dazu zu bewegen, in Bremen zu investieren und sich langfristig an den Standort zu binden. Hierbei hilft beispielsweise der Abbau von Investitionshemmnissen, zu nennen sind beispielsweise überzogene Bau- und Umweltschutzauflagen, und der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur am deutschen Logistikstandort. Das ist nach wie vor so Nummer zwei. Es ist doch ein Armutszeugnis, dass der Ausbau der A 281 immer noch nicht beendet ist.

(Beifall FDP)

Bremen sehnt sich auch nach weiteren Bauflächen. Neben zusätzlichen Flächen für den Wohnungsbau sind zusätzliche Flächen für die Unternehmen gefragt. Die Baugenehmigungen für Arbeitsplätze sollten in Bremen zukünftig schneller als im niedersächsischen Umland erteilt werden. Das wäre auch ein Ziel.

(Beifall FDP)

Der letzte Lösungsvorschlag zu diesem Komplex: Das beste Mittel gegen den stärker werdenden Fachkräftemangel in der Bremer Wirtschaft ist eine gute Bildung. Es ist richtig, die Ausbildungsreife als Ziel für jeden Bremer Schüler festzuschreiben. Der erste Schritt beginnt mit der frühkindlichen Bildung, das heißt, die frühkindliche Bildung so gut wie möglich zu gestalten. Insbesondere wegen des wachsenden Zustroms der Migranten ist es sehr wichtig, bereits im Kindergarten mit einer starken Sprachförderung anzusetzen.

Ich würde mir wirklich wünschen, dass im Land Bremen endlich erkannt wird, welche Chancen eine florierende Wirtschaft mit sich bringt. Bremen steht im Wettbewerb um Köpfe, um Unternehmen und um Ideen mit anderen großen Städten. In dieser Konkurrenz hält Bremen aktuell nicht besonders gut mit, und wir können bereits verpasste Chancen nur schwer wieder aufholen. Umso wichtiger ist es, jetzt zu handeln und Bremen wieder nach vorn zu bringen.

Herr Senator Günthner, damit keine Missverständnisse aufkommen, wir wollen Bremen wirklich nicht schlechtreden, ganz im Gegenteil! Wir Liberale – und besonders ich mit meinem auch nationalen Engagement – sind Botschafter für Bremen, und ich werbe immer für unser schönes Land Bremen.

Wir wollen, dass sich Bremen nachhaltig positiv wieder in die Top drei der Wirtschaftsstandorte katapultiert.

(Beifall FDP)

Unsere Probleme lösen wir sicherlich nicht mit einem Schweigen, Schönreden oder Aussitzen, sondern wir müssen darüber reden, und wir müssen gemeinsam Ziele im engen Dialog mit der Bremer Wirtschaft vereinbaren, auf welche Weise wir diesen Standort für Unternehmen wieder attraktiver machen können. Daher ist es uns ein besonderes Anliegen, heute mit Ihnen dieses Thema zu diskutieren, und deshalb haben wir die Aktuelle Stunde beantragt.