Protocol of the Session on December 10, 2015

Deutschland ist zum Beispiel im Vergleich zu den USA oder asiatischen Ländern relativ moderat bei der Verwendung von Plastiktüten. Man geht davon aus, dass weltweit jährlich 600 Milliarden Plastiktüten produziert und verwendet werden. Wenn man das wiederum auf den Erdölverbrauch für die Herstellung umrechnet, dann kommt man auf eine Summe von 156 Milliarden Liter Erdöl pro Jahr nur für Plastiktüten. Ich finde, das ist Wahnsinn, meine Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Zusätzlich zu dem Erdölverbrauch kommt natürlich noch der CO2-Ausstoß. Auch dort fallen bei der Produktion Millionen Tonnen an. Hinzu kommt, dass wir eine Plastiktüte durchschnittlich nur 30 Minuten verwenden, der Abbau von Kunststoffen dieser Tüten in der Umwelt aber bis zu 500 Jahre dauert. Ich finde, Tüten sind Ressourcen- und Klimakiller!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU)

Man könnte die Plastiktüten auch recyceln. Das ist sehr energieintensiv. Von 100 Kilogramm Plastiktüten könnte man 85 Liter Öl zurückgewinnen, aber leider ist es so, dass der Großteil des Plastiks in die Umwelt gelangt. 6,4 Millionen Tonnen Kunststoff gelangen jährlich ins Meer. Das bedeutet, dass jährlich rund 100 000 Tiere – Meeressäuger, Seevögel – sterben. Sie ersticken entweder an den Kunststoffabfällen oder fressen sie und gehen elendig ein.

Das ist aber nicht nur ein Problem von ganz viel Kunststoff, der irgendwo weit weg im Pazifik ist, sondern das betrifft auch Bremen. Der BUND sammelt jährlich auf der Lankenauer Weserinsel Müll, vor al

lem Plastikmüll, an den Ufern ein. 2011 hat der BUND 85 große blaue Säcke eingesammelt. Davon waren über 300 Kilogramm Plastikmüll. Ich finde, dass das eine gute Initiative des BUND ist. Sie zeigt, dass wir ein lokales Problem haben.

Wir Grüne finden, dass wir nicht mehr tatenlos zusehen sollten. Es wird Zeit, dass wir etwas tun. Wir können nicht weiterhin auf die Selbstverpflichtung des Handels setzen, das haben wir jahrelang getan. Wir finden, jetzt muss konkret gehandelt werden. Was wir in Deutschland brauchen, ist eine rechtliche Grundlage, die die Umsonstabgabe von Plastiktüten verbietet.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Die EU hat Anfang dieses Jahres den Weg dafür geebnet. Jetzt ist es möglich, Plastiktüten entweder zu besteuern oder die Umsonstabgabe zu verbieten. Wir in Deutschland hinken dieser Entwicklung ein ganzes Stück hinterher. Andere Länder, vor allen Dingen europäische Länder, sind in der Hinsicht sehr viel vorbildlicher. Ich nenne zum Beispiel Irland. Dort lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Tüten bei 328 Stück pro Jahr. Nach dem Verbot der Umsonstabgabe ist der Verbrauch auf 18 gesunken. Das zeigt, dass dieses System funktioniert.

Wir haben ein weiteres Problem mit Kunststoffabfällen in der Umwelt. Das zeigte sich bei einer Anhörung, die wir hier zum EU-Grünbuch zum Meeresschutz durchgeführt haben. Ich meine das Thema Mikroplastik. Mikroplastik befindet sich in Kosmetika, Duschgels, Peelingcremes und so weiter. Das Problem ist, dass dieses Mikroplastik mit dem Abwasser in die Kläranlagen gelangt, dort nicht herausgefiltert werden kann und dann weiter in die Flüsse und ins Meer, also die Umwelt, gelangt. Dort lagert sich Mikroplastik, an das sich besonders gut Schadstoffe, auch giftige Schadstoffe, heften können, in dem Fettgewebe von Lebewesen ab und gelangt somit in die Nahrungskette. Marine Tiere vergiften sich langsam, sie sind aber auch ein Teil der Nahrungskette. Das heißt, irgendwann landet das Mikroplastik auch wieder auf unseren Tellern. Deswegen fordern wir, dass sich Bremen auch auf Bundesebene für ein Verbot von Mikroplastik ausspricht.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Antrag der LINKEN möchte ich Folgendes sagen: Klar, auch wir finden, dass Gespräche mit den Handeltreibenden geführt werden sollen. An die Marktmacht des öffentlichen Bereiches, was Plastiktüten und Mikroplastik angeht, glauben wir allerdings nicht. Gefragt ist in der Hinsicht jeder Konsument. Jeder kann etwas dafür tun, weniger Erdöl oder CO2 zu verbrauchen,

(Abg. Rupp [DIE LINKE]: Was meinen Sie damit?)

indem er Mehrwegtaschen verwendet. Es gibt Handelsketten, die das sehr vorbildlich handhaben, indem sie Baumwollbeutel als Pfandsystem anbieten. Insofern glauben wir, dass der Konsument und jeder Einzelne von uns einen Beitrag leisten kann, Kunststoffabfälle in der Umwelt zu verringern und den Erdölverbrauch für so etwas wie Plastiktüten zu verringern, aber wir brauchen dafür auch eine gesetzliche Grundlage. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Professor Dr. Hilz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, der uns hier vorliegt, ist einer der typischen Anträge, die aus den Reihen der Grünen in den letzten Jahren immer wieder gestellt worden sind.

(Zuruf Bündnis 90/Die Grünen: Oh nein!)

Sie wollen die Menschen erziehen, indem Sie entweder etwas verbieten oder etwas verteuern, meine Damen und Herren, und Sie von der SPD machen das auch noch mit.

(Beifall FDP – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/ Die Grünen]: Sie wollen einfach gar nichts machen, Herr Hilz!)

Wir haben das gemeinsame Ziel, dass in der Umwelt weniger Plastik vorkommt.

(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie ma- chen Sie das denn?)

Wir sind der Meinung, dass Sie hierbei mit einfachen Verboten oder Verteuern keinen Schritt weiterkommen. Wir müssen es stattdessen gemeinsam schaffen, dass die Folgen des Problems in den Köpfen der Menschen ankommen. Die Menschen sind eigenverantwortliche Bürgerinnen und Bürger in unserer Gesellschaft.

(Abg. Gottschalk [SPD] meldet sich zu einer Zwischen- frage.)

Nein, keine Zwischenfragen!

(Abg. Gottschalk [SPD]: Warum denn nicht? Sind Sie feige, oder was? – Unruhe – Glocke)

Liebe Kollegen, wir nähern uns dem Ende des Jahres. Es ist bald Weihnachten. Wir begehen bald den dritten Advent. Vielleicht können wir diese Parlamentsdebatte die letzten eineinhalb Stun

den friedlich und schiedlich über die Runden bringen!

(Beifall)

Herr Professor Dr. Hilz, bitte!

Wir setzen hierbei auf einen Dialog zwischen Verbrauchern, Herstellern und Händlern, um einen Schritt vorwärts zu schaffen, und wollen nicht von oben herab verordnen. Das ist schon beim Einwegpfand für Dosen schiefgegangen.

(Widerspruch Bündnis 90/Die Grünen)

Was das Mikroplastik angeht, so sind auch wir der Meinung, dass wir das Bundesumweltministerium, das bereits Gespräche mit den Herstellern der Kosmetika führt, unterstützen sollten, um das Mikroplastik insbesondere in Kosmetika zu minimieren. Wir müssen aber auch hier im Detail gucken, mit welchem Plastik wir es zu tun haben, wie lange die Haltbarkeitsdauern sind, wie lange der Abbauprozess dauert, in welchen Produkten es eingesetzt ist und welche Alternativen es gibt. Ein so undifferenziertes Verbot tragen wir nicht mit.

Im Übrigen ist dieser Eintrag aus den Kosmetika ein sehr geringer, wir sprechen von ungefähr 100 000 Tonnen pro Jahr. Im Vergleich dazu ist das sogenannte sekundäre Mikroplastik, das allein durch den Abrieb von Reifen in die Umwelt gelangt, 500 bis 1 000 Mal so hoch, also gibt es hier Dinge, wo wir eingreifen und im Dialog bessere Lösungen finden müssen.

(Abg. Gottschalk [SPD]: Wie denn? Wie denn?)

Wir wollen keine Verbote und keine Zwangserziehung, deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen. – Danke!

(Beifall FDP)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Crueger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Professor Dr. Hilz, ganz zum Schluss bin ich hellhörig geworden und freue mich darauf, dass wir im neuen Jahr dann eine Initiative der FDP gegen das Autofahren bekommen werden.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Mit dem ganzen Abrieb von den Gummireifen haben Sie ja recht, – wobei ich Herrn Saxe enttäuschen muss: Wahrscheinlich ist die Bilanz von den Fahrradreifen auch nicht so gut,

(Beifall CDU)

aber ich will das nicht ins Lächerliche ziehen! Ich glaube nur, wir müssen uns ein Stück weit damit konfrontieren, dass wir es bei dem Problem, über das wir diskutieren, mit Begleiterscheinungen einer modernen Konsumgesellschaft zu tun haben. Vieles, das in solch einer Konsumgesellschaft passiert, ist eigentlich nicht nötig. Also: Kein Mensch braucht eine Plastiktüte.

(Beifall SPD)

Genauso wenig braucht irgendjemand diese aus beschichteter Pappe hergestellten Einwegkaffeebecher für den Kaffee zum Mitnehmen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Trotzdem – und da möchte ich mich nicht ausnehmen – kommen wir alle wieder in die Versuchung, weil es einfach bequemer ist, sozusagen seine Einkäufe einmal eben schnell zu verstauen, wenn man keinen Jutebeutel dabei hat, oder man braucht zwei Jutebeutel und kauft so viel ein, dass man noch eine dritte Möglichkeit zum Transport benötigt. Machen wir uns also nichts vor, das alles wird passieren, und ich glaube, Sie, Herr Professor Dr. Hilz, irren, wenn Sie sagen, dass wir das hinbekommen ohne irgendeine Art von staatlicher Reglementierung oder Incentive – wie nennt man das auf Deutsch? – wenn man einem Menschen einen Anreiz gibt?

(Abg. Frau Böschen [SPD]: Intrinsische Motivation!)

So etwas brauchen wir einfach nur zu sagen, wir reden mit den Einzelhändlern, führen da einen Dialog.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Wird seit Jahren gemacht!)