Protocol of the Session on April 22, 2015

Wir können uns doch nichts vormachen. Wir können

doch den Flüchtlingen nicht heute sagen, nun wartet einmal schön dort ab, bis unsere Entwicklungspolitik in euren Ländern später zu anderen Verhältnissen geführt haben wird, und dann braucht ihr nicht mehr zu fliehen. So etwas ist ein Aufschieben von Hoff nung, die ja keine Garantie gibt. Wie lange sollen sie denn dort noch warten? Seit 50 Jahren macht Europa Entwicklungspolitik in den ehemaligen Kolonien. Wen hat sie reicher gemacht? Die Armen Afrikas leben immer noch in Hütten ohne fließendes Wasser.

Klimawandel und Naturkatastrophen werden

auch den Migrationsdruck weiter erhöhen. Bis zum Jahr 2050 werden weitere 200 Millionen Menschen auf der Flucht sein. Es ist an der Zeit, jetzt mit der Menschlichkeit Ernst zu machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Abschließend möchte ich sagen, wir Bremer und

Bremerinnen dürfen deshalb nicht nachlassen, So lidarität zu zeigen. Solidarität ist unteilbar, und sie gilt den Flüchtlingen auf der anderen Seite des Mittelmeers ebenso wie denen, die schon hier sind. Deshalb kämpfen wir weiter, ihnen hier ausreichende Unterkunft und Ernährung zu sichern. Wir kämpfen weiter um eine moderne Gesundheitsversorgung für sie und ringen darum, den besonderen Hilfebedarf unbegleiteter Jugendlicher zu erfüllen. Wir bemühen uns, Barrieren abzubauen, wir engagieren uns für ordentliche Bildung und Ausbildung, und wir treten für den ungehinderten Zugang zu Arbeit und gegen jede Form von Diskriminierung und Rassismus ein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

In den vergangenen Wochen dominierten Skepsis

und Hetze gegen Flüchtlinge bei den großen Mei nungsmachern. Doch wer meint, er müsse unbedingt Pegida die Stichworte liefern, ist schlecht beraten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass es in der

Gesellschaft auch eine sehr positive Entwicklung gibt. Viele Menschen heißen Flüchtlinge willkommen und helfen ehrenamtlich. Die Zahl der Menschen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, hat in den letzten drei Jahren um rund 70 Prozent zugenommen, und nicht wenige davon sind selbst Menschen mit

Flüchtlingshintergrund. Das sollte uns ermutigen, neue Wege in der Flüchtlingspolitik zu gehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich würde mich freuen, wenn alle in diesem Par

lament, in diesem Hohen Haus mithelfen, mitwirken würden, heute und noch mehr in den Jahren, die vor uns liegen. – Herzlichen Dank für die Aufmerk samkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das

Wort die Abgeordnete Frau Mahnke.

Sehr geehrter Herr

Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die unfassbaren Meldungen über Schiffstragödien im Mittelmehr reißen in den letzten Tagen nicht ab. Wir lesen darüber in der Zeitung und sind in den Fern sehnachrichten zum Teil live dabei. Wir schauen dabei fassungslos zu und veranstalten Schweigeminuten, aber es wird nicht wirklich etwas unternommen, damit so etwas nicht weiter passiert.

Mittlerweile sind mehrere Tausend Menschen im

Mittelmeer ertrunken. Wenn man unabhängigen Schätzungen Glauben schenken darf, dann sind etwa 1 Million Menschen zur Flucht bereit, doch wie vielen davon dürfte eine Flucht gelingen, die sie überleben?

Bereits vor eineinhalb Jahren hat uns die Katastro

phe vor Lampedusa mitgenommen und uns in diesem Haus beschäftigt. Die Situation hat sich seitdem nicht wirklich verbessert, sondern inzwischen hat sich die Lage eher verschärft.

Wir sind seit unserer letzten Debatte noch keinen

Schritt weiter. Was ist denn seitdem vonseiten der EU geschehen? Eigentlich nicht wirklich viel. Zwar konnte Italien mit seinem Programm Mare Nostrum sicherlich viele Menschen retten, aber als sich die anderen Mitgliedstaaten an den Kosten beteiligen sollten, lief das Programm aus. Stattdessen wurde das Programm Triton aufgelegt, das sicherlich besser ist als nichts, aber nicht so effektiv, denn es agiert in einem engen Raum vor der europäischen Küste und nicht wie Mare Nostrum vor der afrikanischen.

Auch unsere Bundesregierung, und hier vor allem

unter der Federführung des Innenministeriums, das bekanntlich von der CDU geführt wird, hat immer wieder ein Seenotrettungsprogramm abgelehnt und eher auf die Abschottung und Schließung der eu ropäischen Grenzen gesetzt. Erst jetzt, nach diesen Tragödien, fängt auch Herr de Maizière an umzu denken, leider viel zu spät!

Ich kann mich sehr gut an die Haltung der CDU

in unserem Haus und an die Zwischenrufe in der

Debatte, die seinerzeit zu Lampedusa geführt wurde, erinnern, deshalb bin ich gespannt, ob Sie heute Ihre starre Haltung aufgeben und mit uns gemeinsam eine andere Flüchtlingspolitik fordern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es muss wieder dringend ein Programm aufgelegt

werden, das auch abseits der nahen Küstengebiete agiert. Hierzu kann ich Herrn Gabriel nur beipflich ten, der sagte, dass es jetzt nicht um den Schutz der europäischen Außengrenzen geht, sondern um die Rettung von Menschenleben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dies ist die allererste Maßnahme, die jetzt gestartet werden muss, bevor wir andere Maßnahmen ange hen, denn zunächst müssen wir dafür Sorge tragen, dass es zu keinen weiteren Toten im Mittelmeer kommt. Ich hege Hoffnung, dass die Gespräche der Innen- und Außenminister am Montag und der mor gige Krisengipfel ein Umdenken und ein sofortiges Handeln bewirken.

Eine erste begrüßenswerte Aktion ist sicherlich –

das hat auch Frau Dr. Mohammadzadeh ausgeführt – der verabschiedete Zehn-Punkte-Plan, auch wenn er nicht so ganz ausgereift ist. Dieser Plan muss nun mit Leben gefüllt und umgesetzt werden. Er allein wird aber nicht ausreichen, um mit dem Flüchtlings drama umzugehen.

Sicherlich ist es notwendig – auch wenn ich mich

wiederhole –, sofort als erste Maßnahme ein wir kungsvolles Seenotrettungsprogramm zu starten, auch hierbei kann Deutschland seine Erfahrungen aus der Mission Atalanta einbringen.

Wie wir jedoch schon vor eineinhalb Jahren gefor

dert haben, müssen auch andere Dinge angegangen werden. Zum einen muss die legale Flucht nach Europa geregelt werden. In dem Zusammenhang haben wir damals bereits gefordert, häufig von der Möglichkeit des humanitären Visums Gebrauch zu machen, aber auch das ist leider nicht geschehen. Nur dann, wenn wir Möglichkeiten der legalen Einreise schaffen, kann man den skrupellosen Schlepper banden entgegenwirken, die an dem Leid dieser Menschen verdienen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie haben nur das schnelle Geld vor Augen, ihnen

ist aber das Schicksal der Betroffenen völlig egal. Es reicht eben nicht aus, nur einseitig gegen Schlepper vorzugehen, sondern man muss mehr tun.

Zum anderen müssen die Probleme in den Her

kunftsländern durch die EU angegangen werden,

denn nur dann, wenn man es schafft, die Situation in den Herkunftsländern zu verbessern, sodass die Menschen nicht mehr zur Flucht gezwungen werden, wird es eine dauerhafte Lösung geben. Als erster Schritt wäre es zum Beispiel notwendig, in Libyen für stabile Verhältnisse zu sorgen, damit dieses Land nicht mehr von Schleppern und Schlepperorganisa tionen genutzt werden kann. Dazu ist es aber auch unerlässlich, von allen Seiten mit den Herkunfts- und Transitländern zusammenzuarbeiten, das bedeutet sicherlich eine schwierige Aufgabe. Ebenfalls wäre es gewiss hilfreich, wenn man gerade in den Ländern, aus denen die Menschen flüchten, Auffanglager einrichten würde, aber selbstverständlich geht auch dies nur in Ländern mit staatlichen Strukturen.

Ich will ja nicht behaupten, dass Libyen und Syrien