Man kann vielleicht sagen, Deutschland wäre ja nicht so sehr betroffen, aber nein, die Spezialisten, die Experten gehen davon aus, dass Deutschland das am stärksten betroffene Land dieser Praktiken ist. Herr Dr. Kuhn hat es schon gesagt, die Geschädigten sind wir alle: Das sind die öffentlichen Körperschaften, der Staat, die privaten Steuerzahler, die Transferempfänger, die Kürzungen hinnehmen müssen, und das sind auch die kleinen und mittleren Unternehmer, die nämlich hier für die Nutzung zahlen müssen, während sich die Multinationalen aus dieser Verantwortung herausziehen können.
Solch eine Steuerflucht können wir nicht hinnehmen! Wir sprechen heute erste grundlegende Maßnahmen an, und das kann nur ein erster Schritt sein.
Von der LINKEN kommen Vorschläge, von denen ich sage würde, Herr Rupp, gern nehmen wir auch das mit auf, was von Attac gekommen ist. Wir werden es nur heute nicht mit aufnehmen, weil Sie natürlich wieder einige Punkte mit aufgenommen haben, von denen Sie eigentlich wussten, dass sie strittig sind. Sie haben zum Beispiel vorgeschlagen, einmal so eben nebenbei auch ein Unternehmensstrafrecht einzuführen. Dazu würde ich sagen: Ja, aber muss das jetzt in dieser Sache mit angeführt werden? Wir wären in dem sehr schwierigen Gebiet der Quellensteuer, wo ich sagen würde, bei den Diskussionen, die wir dort haben, würde ich die Strategie schon anders betreiben. Deshalb werden wir Ihren Antrag nicht mit aufnehmen, aber wir werden weiter an diesen Fragen diskutieren.
Die OECD wird in diesem Jahr ein umfangreiches Paket von Maßnahmen vorlegen, die EU-Kommission hat gestern ein neues Paket von Maßnahmen vorgelegt, das wir uns genauer anschauen müssen.
Für uns ist und bleibt auf jeden Fall klar, dass die Einkommen dort versteuert werden müssen, wo die Wertschöpfung erfolgt, und das heißt dort, wo die Infrastruktur genutzt wird, dort, wo das Bildungssystem genutzt wird, dort, wo das Rechtssystem genutzt wird und dort sollte – verdammt noch einmal – auch ein fairer Anteil von Steuern bezahlt werden. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir heute über etwas reden, was eigentlich formal kein Betrug ist, formal keine Straftat ist und formal nichts Illegales ist. Es ist die Ausnutzung von legalen Möglichkeiten, Steuern zu vermeiden.
Da der Antrag auf der Tagesordnung stand, musste ich mich intensiver damit befassen. Ich gebe zu, auch dabei habe ich wieder viel gelernt. Ich habe mir gedacht: Warum mache ich das nicht auch? Ich habe ein Ingenieurbüro und programmiere Steuerungen, ich erzeuge also Software. Ich könnte jetzt theoretisch Folgendes tun: Ich gründe eine Entwicklungsabteilung und verlagere den Firmensitz dieser Entwicklungsabteilung nach Luxemburg. Dann muss ich mit den in Bremen erzielten Einnahmen teure Lizenzgebühren auf die Produkte, die meine Entwicklungsabteilung in Luxemburg erzeugt, bezahlen. Dadurch verschiebe ich Gewinne aus Deutschland nach Luxemburg.
Das ist aber so. Der Trick ist nicht nur, dass dort unterschiedliche Steuern auf das Einkommen gezahlt werden, sondern auch auf Objekte. Die Steuern auf Einnahmen aus Lizenzeinnahmen sind in Luxemburg anders als in Deutschland. Wir haben diesbezüglich einen ziemlichen Dschungel von unterschiedlichen Vorschriften und Steuersätzen.
Nunmehr kommt sozusagen das eigentlich Fatale, was die Luxemburger gemacht haben: Sie haben ein Geschäftsmodell entwickelt nach dem Motto: „Komm mal her, wir zeigen dir, welche rechtliche Konstruktion du eigentlich wählen musst, damit der bundesdeutsche Fiskus dir nicht an den Karren fahren kann und alles legal abläuft.“ Sie machen dann ein Modell und dann kommt Herr Juncker und sagt: Mach da einen Haken drunter und sage: Weißt du, wenn du das Modell machst, zahlst du bei mir nur noch ein Prozent Einkommenssteuer oder Körperschaftssteuer oder Gewinnsteuer.
kann das nicht machen. Allein die Einrichtung einer Briefkastenadresse ist so teuer, dass das nur große Konzerne machen können, die eine große Zahl von Anwälten damit beschäftigen und diese Leute, die ihnen dann diese Unterschrift geben, entlohnen.
Ich habe es jetzt nicht gemacht, erstens, weil die materiellen Möglichkeiten meines kleinen Unternehmens sehr begrenzt sind
und zweitens – das will ich hier ganz deutlich sagen –, weil das für mich eine Form von organisierter Kriminalität ist, an der ich mich selbstverständlich nicht beteilige.
Diese Form von organisierter Kriminalität – das müssen wir uns bewusst machen – haben Politikerinnen und Politiker in Europa und in Deutschland möglich gemacht. Diese Gesetze sind nicht aus der Bibel entstanden, sondern sie sind von Politikerinnen und Politikern gemacht worden. Es ist jetzt die Aufgabe der Politik, diese Form von Gesetzen so zu verändern, dass diese Form von organisierter Kriminalität nicht weiter besteht. Wir sind dabei, und ich finde es gut, dass dieses Thema auf der Tagesordnung steht.
Ich finde es nur ein wenig schade, dass das Thema am Ende der Legislaturperiode und heute kurz vor halb sechs beraten wird. Ich unterstelle keine Absicht, sondern ich bitte einfach nur darum: Möglicherweise kann man ein paar Dinge mehr tun, und da können wir auch in Deutschland etwas tun. Die Einführung einer bundesweiten Steuerbehörde kann diese Dinge aufdecken und transparent machen helfen.
Es bringt meines Erachtens sehr viel, wenn in Bremen die Anzahl der Steuerprüferinnen und Steuerprüfer, der Außenprüferinnen und Außenprüfer erhöht wird, weil, es sind fast alles legale Machenschaften. Dieses Geflecht zu durchleuchten und diese Tricks aufzudecken, das kann man nicht mit einem einfachen Dreisatz. Dafür braucht man langjährige Erfahrung juristischer Art, steuerlicher Art und so weiter. Das können unsere Außenprüferinnen und Außenprüfer, das können die Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer. Es sind nur zu wenige. Deswegen haben wir beantragt, dort noch einmal hinzuschauen. Wir werden diese Form von Antrag wieder stellen und auch diese Debatte bei den nächsten Haushaltsverhandlungen wieder führen.
Noch eines vielleicht: Ich habe oft die Erfahrung gemacht, insbesondere dann, wenn wir hier Beschlüs
se fassen und dann sagen: Liebe EU oder liebe Bundesregierung, könnt ihr nicht dieses und jenes tun? – Wir müssen aufpassen, dass wir angesichts des Problems nicht die Illusion einer Lösung schaffen. Wenn man bei diesen Fragen zurückbleibt und das Übel nicht an der Wurzel packt, dann gaukelt man den Menschen vor, dass wir an der Lösung arbeiten und in Wirklichkeit nur das Problem verdeckt. Das finde ich nicht in Ordnung.
Deswegen müssen wir genau schauen – ich komme zum Schluss, Herr Präsident –, ob in den Dingen die Attac, die ich als NGO zurate gezogen habe, weitergehende Vorschläge machen kann und ob deren Vorschläge nicht noch besser sind als das, was wir heute hier verabschieden. Vielleicht können wir in der nächsten Legislaturperiode – so wir uns denn wiedersehen – diese Frage noch einmal aufwerfen. Dann schauen wir, ob wir diesbezüglich nicht noch ein bisschen Gas geben können. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Vorredner der Koalition, aber auch der LINKEN haben das in der Tat diskussionswürdige Thema bereits von vielen Seiten beleuchtet, und manches muss man auch, Herr Dr. Kuhn, zustimmend zur Kenntnis nehmen.
Ja, es ist richtig, es hat sich ein Wandel im Denken eingestellt, und das Kavaliersdelikt von früher ist heute ein Thema, das man als solches nicht mehr abtun kann. Es ist auch richtig, dass die kleinen mittelständischen Unternehmen und der Mittelstand, von dem wir in Deutschland leben, gegen Konzerne nicht ausgespielt, nicht pauschal verurteilt und als Bösewichte hingestellt werden dürfen. Die erzeugte Transparenz ist in der Tat ein Fortschritt.
Dass zu einer einheitlichen europäischen Währung und deren Erhalt und Stabilität derzeit intensiv gerungen, man kann sogar sagen: gekämpft wird, unter allmählicher Angleichung der Lebens- und Rechtsverhältnisse in ganz Europa letztlich auch ein vergleichbares Steuerrecht im Sinne einer Steuerharmonisierung gehört, ist meines Erachtens selbstredend. Nur bis dahin wird es nach meiner Wahrnehmung noch ein Stück Wegstrecke sein, und es ist ein dickes Brett zu bohren.
Herr Dr. Kuhn weist zu Recht auf die inakzeptable Steuerflucht und die systematische Steuervermeidung hin. Aggressiver Steuerwettbewerb, wie er beschrieben wurde, insbesondere europäischer Mit
gliedsländer, kann auf Dauer kein Modell zunehmend harmonisierter Zusammenarbeit in einem einheitlichen Wirtschaftsraum sein.
Daraus resultierende hochbezifferte Steuermindereinnahmen sind EU-Bürgern auch nicht mehr vermittelbar, zumal ihnen die horrenden Summen zur Rettung von Finanzsystemen, zur Vermeidung von Staatspleiten und zur Stabilisierung von maroden Haushalten, insbesondere in fremden Ländern, kaum darstellbar erscheinen. Wer hat schon als Normalbürger noch messbare Vorstellungen von Milliarden und Billionen. Wer weiß auf Anhieb, dass die Billion zwölf Nullen hat?
Die Billion, die Sie zitieren, Herr Dr. Kuhn, stammt meines Wissen – Herr Gottschalk wird es wissen – aus einer Auftragsstudie der Sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament. Der Großteil von 58 Milliarden war sowieso auf strafbare Steuerhinterziehungen zurückzuführen. Schätzungen bezüglich der sogenannten Schattenwirtschaft – nur der Rest von ungefähr 150 Milliarden – bezogen sich auf die hier in Rede stehende Steuergestaltung und dabei über alle Steuerarten neben all den Schätzunsicherheiten, die Herr Gottschalk eben beziffert hat.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE ist erklärtermaßen Attac-Gedankengut. Herr Gottschalk hat die Ablehnung schon begründet. Meines Erachtens belegt es erneut ihre schwarz-weiß-gezeichnete RobinHood-Methode. Man müsste nur grundsätzlich den bösen Reichen möglichst viel oder alles wegnehmen und an die guten Armen verteilen, dann wäre die Welt nachhaltig in Ordnung. So leicht, Herr Rupp, ist es nicht!
Staaten brauchen eine auskömmliche Finanzierungsgrundlage, und da ist Steuerdumping von Land zu Land auf Dauer keine sinnvolle Praxis und deshalb einzustellen. Wer Infrastruktur lokal, regional und international nutzt, muss seinen Beitrag überall dort leisten, wo er Wertschöpfung betreibt. Dabei stehen wir voll und ganz zu dem im Englischen genannten ability to pay principle, das heißt, dass an den Leistungsmaßstäben auch die Steuerpflicht anknüpft.
Gezielte Steuervermeidung oder gar kriminelle Steuerflucht lehnen wir natürlich auch ab, dabei ist nicht jede Art von steuerlicher Behandlung und Gestaltung, wie auch Bremen sie öffentlich-rechtlich betreibt, auch mit seinen Gesellschaften und privatrechtlichen Beteiligungen, von Anfang an gleich illegal, verwerflich oder gar zu kriminalisieren. Offensichtliche Briefkastenfirmen und Steueroasen müssen aber in einem künftig harmonisierten Europa der
Vergangenheit angehören, und geradezu unglaubliche Steuerprivilegien, wie sie zum Beispiel aus dem klammen Griechenland bekannt werden, kann man treu steuerzahlenden Europäern nicht länger erklären.
Zur geforderten Steuergerechtigkeit gehört aber – und nun kommt unser Einwand von der Union – vice versa natürlich auch die konsequente Eindämmung von Steuerverschwendung, die uns von sämtlichen Rechnungshöfen, dem Bund der Steuerzahler und anderen immer wieder mit erschreckenden Zahlen vor Augen geführt wird. Wer andere konsequent und solidarisch zur exakten Steuerbegleichung heranzieht, hat auch die Verpflichtung, verantwortungsbewusst mit Steuergeldern umzugehen und sein Tun gegebenenfalls durch klarere Staatshaftung seitens der Handelnden zu verantworten.
Ist es wirklich verantwortbar und vermittelbar, dass ein Gemeinwesen bei ständig ergiebigen, sprudelnden Steuerquellen nie mit den über Jahrzehnten wachsenden Einnahmen auskommt? Dazu gehört sinnvollweise auch und gerade in Bremen die dringend und immer wieder notwendige Aufgabenkritik, was der Staat wirklich besser und wirtschaftlicher erledigen darf, kann und muss als die Privatwirtschaft: Bankgeschäfte Straßenreinigung und Abfallbeseitigung? Energieerzeugung und Energieverteilung? Netzbetreibung und vieles mehr, was Ihnen in der Koalition noch alles als einflussreich vorschwebt?
Abschließend: Die von uns in Bremen forcierte, inzwischen verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse, die allgemeine Steuergerechtigkeit und die Verfolgung von Steuerverschwendung gehören meines Erachtens in ein und dasselbe Paket. Diese Forderungen werden zwar in ihrer Ausgestaltung durchaus schon lange in der internationalen Steuerliteratur von Sachverständigen und Politikern kontrovers diskutiert, sind aber grundsätzlich nicht mehr abzulehnen. Komplexes internationales Steuerrecht, meine Damen und Herren, wird jedoch noch nicht in Bremen entschieden und gestaltet, an politischen Initiativen auf europäischer Ebene mangelt es wahrlich nicht. Die Europäische Kommission ist durchaus aktiv und in Prüfungen, aber, Herr Gottschalk, verheimlichen darf man auch nicht, dass der deutsche Fiskus im Vergleich zu anderen Staaten eventuell der Verlierer einer gemeinsamen Besteuerungsgrundlage sein wird.
Ich komme zum Schluss! – Wir stellen fest, dass man das vom Antragsteller beschriebene Problem so, wie von mir ausgeführt,