Dafür spricht auch, dass die Arbeitslosenquoten von Akademikern nach wie vor erheblich niedriger liegen als die von Menschen ohne Abitur und Studium. Das sind auch Tatsachen, an denen man nicht vorbeikommt. Das heißt, Ihre hier dargestellte Behauptung, Jugendliche würden sich in Bremen wegen der schlechten Qualität der berufsschulischen Bildung gegen eine duale Ausbildung entscheiden, finde ich völlig abwegig, und ich weiß nicht, woher Sie diese Behauptung nehmen.
Richtig ist natürlich, dass ein viel zu geringer Teil der Jugendlichen, die aus der Schule kommen und
einen Ausbildungsplatz suchen, auch einen Platz erhalten. Die Quote ist in der Tat schlecht, und das ist auch erschütternd, denn es fehlen im Land Bremen mindestens 2 000 Ausbildungsplätze, um das zu ändern. Ich fürchte, liebe Kollegen von der Koalition, daran wird auch die Jugendberufsagentur nicht viel ändern, denn sie schafft ja nicht mehr Ausbildungsplätze in den Bereichen Industrie oder Handwerk, das heißt, sie löst erst einmal nicht das Problem des Ausbildungsnotstands. Da müssen andere Wege beschritten werden.
Es ist bekannt, dass DIE LINKE vorschlägt, eine Ausbildungsplatzabgabe einzuführen. Ich bin da aber auch offen, wenn die Koalition zum Beispiel andere Vorschläge macht, diskutiere ich sie gern, aber solche Vorschläge fehlen total in der Anfrage der CDU.
Auch das muss man diskutieren, daher finde ich, dass Ihre Anfrage zum Teil schlicht das Thema nicht trifft. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Bemerkungen machen. Frau Vogt, wir haben nicht den Anspruch, mit unserer Großen Anfrage möglicherweise allumfassend alle Aspekte der beruflichen Bildung von Pontius zu Pilatus abzudecken. Ich habe jetzt nicht nachgezählt, aber es sind auf diese Art und Weise schon, glaube ich, circa 30 Fragen und Unterfragen zustande gekommen, und das ist sowieso schon an der Grenze dessen, was in einer Großen Anfrage eigentlich vertretbar ist. Uns dann vorzuwerfen, wir hätten das Thema nicht abschließend betrachtet, Frau Vogt, das ist schlicht lächerlich!
Es ist im Übrigen genauso lächerlich wie Ihre eben sinngemäß genannte These des Ausbildungsnotstands. Ich habe irgendwie das Gefühl, Sie sind möglicherweise auf einem Stand von vor etwa zehn Jahren. (Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: 2 000! Schauen Sie sich einmal die Veränderungen an!)
Es gibt schlicht und ergreifend keinen Ausbildungsnotstand. Es gibt im Saldo eine fast ausgeglichene Zahl von Ausbildungsplätzen und Bewerbern, aber es gibt innerhalb der Ausbildungsberufe unglaubliche Unterschiede. Es gibt Gewerke, die heutzutage kaum noch Nachwuchs finden, und es gibt in der Tat Ausbildungsberufe in Gewerken, die übermäßig angewählt werden. Es gibt Ausbildungsberufe, für die wir möglicherweise zu wenige Ausbildungsplätze ha
ben, aber im Saldo stimmt das nicht, und hier von einem Ausbildungsnotstand zu sprechen, ist schlicht Fantasterei.
Frau Schön, auch Ihnen gegenüber muss ich ein paar Bemerkungen machen! Ich will hier kein Wortspiel betreiben, aber ich habe das Gefühl, Sie haben die Situation ausschließlich schön geredet. Von einem Polemisieren gegen Berufsschulen kann unsererseits überhaupt nicht die Rede sein, das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen dafür sorgen und einen Impuls dafür setzen, dass die Berufsschulen auch morgen noch zeitgemäß ausbilden können, und das können sie eben nicht, wenn die Entwicklung sich weiter so gestaltet, wie sie derzeit auf dem Weg ist.
Ich möchte auch ganz gern einen wirklich exemplarischen Satz von Ihnen, Frau Vogt, erwähnen. Sie haben gesagt, ich habe es mir aufgeschrieben: „Jugendliche, die schlau sind, wählen ein Studium.“
Was für eine Aussage! Was für ein Unsinn, Frau Schön! Was für ein unglaublicher Unsinn, und das ist genau die Sichtweise, die wir nicht brauchen. Das ist genau die Geisteshaltung, die dazu geführt hat, dass die duale Ausbildung im Bewusstsein der Menschen da ist, wo sie ist und wo wir sie wieder herausführen müssen, Frau Schön.
Auch das, was Sie zu den Perspektiven, den Möglichkeiten des Verdienstes, der Möglichkeit, sich beruflich zu entwickeln, in Bezug auf die duale Ausbildung oder die Ausbildungsberufe gesagt haben, ist schlicht ein Stand, der möglicherweise 10, 15 oder 20 Jahre alt ist, der jedenfalls nicht dem Stand entspricht, der in der Gegenwart aktuell diskutiert wird. Ich würde Ihnen empfehlen, mit den Kammern und den Innungen einmal zu diskutieren und sich beraten zu lassen, dann würden Sie nämlich zu einer völlig anderen Sicht kommen.
Wenn ich Ihnen vielleicht noch eine neutrale Empfehlung geben darf, die für Sie möglicherweise auch in Bezug auf die Situation, die sich tatsächlich darstellt, etwas erhellend sein könnte! Es gibt eine sehr aktuelles, sehr erhellendes Buch von Julian Nida
Rümelin, der möglicherweise unverdächtig ist, ein Parteigänger der CDU zu sein, aber der die Situation der Ausbildungsberufe, ihre Möglichkeiten und Perspektiven sehr genau betrachtet, und er kommt zu einem etwas anderen Ergebnis. Ich würde mich an Ihrer Stelle diesbezüglich vielleicht einmal auf den aktuellen Stand bringen. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte hier eines noch einmal ganz deutlich machen: Eine Gesellschaft wie unsere, finde ich, muss ihren Jugendlichen vermitteln, dass jeder Jugendliche in dieser Gesellschaft gebraucht wird, und das kann nicht davon abhängen, welche Fähigkeiten die einzelnen Jugendlichen haben, sondern es muss für jeden einen Platz, eine existenzsichernde Beschäftigung und eine Weiterentwicklung geben.
Damit das funktioniert, braucht man natürlich ganz unterschiedliche Dinge. Wir brauchen auf der einen Seite ausreichende Ausbildungsplätze, weil es eben tatsächlich viele Jugendliche gibt, für die das der richtige Weg ist. Wir hatten in der Vergangenheit in Bremen und Bremerhaven keine ausreichende Ausbildungsplatzanzahl. Daran müssen wir arbeiten, wir müssen gemeinsam schauen, wie wir es schaffen, dass wir wirklich jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz, wenn er sich einen wünscht, anbieten können.
Wir müssen uns allerdings auch noch einmal mit der Qualität der Ausbildung auseinandersetzen und sie organisieren. Es gibt durchaus eine sehr unterschiedliche Ausbildungsbereitschaft. Das Handwerk ist vorbildlich. Im Handwerk finden 60 Prozent der Jugendlichen einen Ausbildungsplatz, allerdings finden nur zwölf Prozent der Ausgebildeten in diesem Bereich einen Arbeitsplatz. Im Bereich der Ausbildung steht das Handwerk gut da. Es hat auch sehr deutlich erkannt, dass es etwas tun muss, um die Nachfolge zu sichern. Es bemüht sich sehr stark, auch vermehrt Mädchen als Auszubildende zu gewinnen, und es stellt hier ganz attraktive Angebote zur Verfügung.
Dessen ungeachtet kommen wir aber doch nicht daran vorbei, auch zur Kenntnis zu nehmen, dass ein Drittel aller Ausbildungsabbrüche im Handwerk erfolgen. Wir müssen uns doch auch anschauen, wie die Ausbildungssituation in der Realität aussieht, und die Ausbildungsvergütung – Frau Vogt ist darauf eingegangen – ist ein Element. Darüber hinaus haben wir es aber auch zum Teil mit Ausbildungsbedingungen zu tun, die einfach nicht interessant und attraktiv für Jugendliche sind. Ich kann es doch jungen Men
schen nicht übel nehmen, wenn sie sich gegen eine Ausbildung im Handwerk entscheiden, weil sie die Bedingungen, die vielleicht immer noch im Hotel- und Gaststättengewerbe existieren, für sich selbst nicht als zielführend ansehen.
Wenn auf der anderen Seite festgestellt wird, dass Betriebe große Probleme mit der Ausbildung haben, weil sie vielleicht unter den Marktbedingungen selbst gar nicht mehr so in der Lage sind, entsprechendes Personal bereitzustellen – welcher Betrieb hat überhaupt noch Ausbilder, ihre Zahl ist in den letzten Jahren deutlich weniger geworden – , dann müssen wir natürlich darauf reagieren. Im Rahmen der Ausbildungsgarantie werden gerade Maßnahmen entwickelt, zum Beispiel ein Jahr schulisch zu organisieren oder in die Verantwortung der Schulen zu legen, um den Betrieben entgegenzukommen, sodass die Jugendlichen dann tatsächlich auch in der Lage sind, in diesen Betrieben ihre Ausbildung hoffentlich erfolgreich zu absolvieren. Das sind Dinge, über die man sprechen muss, das ist gut und richtig.
Wir müssen aber auch darüber sprechen, wenn Sie, Herr Dr. vom Bruch, sagen, dass die berufliche Bildung bei uns nicht im Fokus steht. Es tut es mir dann ehrlich gesagt auch um Herrn Ravens leid, den ich immer als einen Vertreter genau dessen verstanden habe, denn gerade er hat Verschiedenes initiiert.
(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Sie haben das verkehrt verstanden! Sie waren gemeint, nicht Herr Ravens!)
Wenn ich sehe, welche Protagonisten wir in dem Bereich in Bremen haben, verstehe ich überhaupt nicht, wie man auf die Idee kommt zu behaupten, dass wir darauf keinen Blick haben. Wir haben viele Möglichkeiten darüber hinaus, was ich gerade beschrieben habe, indem wir uns nämlich zum Beispiel noch einmal die Anregungen zum Reformprojekt zur beruflichen Bildung ansehen. Für eine Verbesserung der Übergangsmöglichkeiten von der beruflichen zur hochschulischen Bildung wurde vorgeschlagen, analog zur Schweiz die berufliche Ausbildung mit dem Hochschulzugang zu koppeln.
Wir haben eine Menge getan, um beruflich ausgebildeten Menschen den Hochschulzugang zu erleichtern, aber auch da gibt es ja noch Luft nach oben. Wir hätten also durchaus Möglichkeiten, diese Dinge zu tun. Sie haben eben entschuldigend in die Richtung von Frau Vogt, glaube ich, gesagt, dass Sie in Ihrer Großen Anfrage nicht alles behandeln konnten. Dafür hätte ich großes Verständnis. Ich finde, dass Sie schon sehr viel darin behandeln, in meinen Augen aber auch viel zusammengeworfen haben. Denn neben der Akademikerschwemme, auf die Sie ja immer wieder rekurrieren, versuchen Sie immer wieder zu unterstellen, dass das Bremer Abitur eigentlich
nichts mehr wert ist, beziehungsweise Sie stellen einfach in den Raum, dass das Abitur an Wert verlieren würde, je mehr Menschen Abitur machten. Ich finde, das ist ehrlich gesagt eine infame Feststellung, die sich aus meiner Sicht auch durch nichts belegen lässt. – Vielen Dank!
Liebe Kolleginnen, Ihre Meldungen sind hier oben nicht angekommen. Bitte machen Sie es deutlicher! Wir sitzen zu dritt hier oben, wir haben Ihre Meldungen nicht wahrgenommen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde keine fünf Minuten brauchen, ich möchte nur noch einmal zwei bis drei Dinge zur Anfrage an sich sagen und noch einmal betonen, dass es mir wichtig ist, dass die CDU in der Anfrage einige entscheidenden Punkte nicht gebracht hat. Herr Dr. vom Bruch, vielleicht kann man darüber reden, ob das Wort Ausbildungsnotstand berechtigt ist oder nicht, aber Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass auch die Bremer Vereinbarungen – an den Zahlen sind die Kammern beteiligt – feststellen, dass wir in Bremen 2 000 Ausbildungsplätze zu wenig haben. Das ist einfach Fakt.
Die Fragen, die ich eben gestellt habe, sind überhaupt nicht unerheblich, wenn man sich überlegen möchte, warum Menschen eine Berufsausbildung machen oder nicht. Ich habe dazu einiges gesagt und Frau Böschen auch. Es geht nicht nur um die Ausbildungsvergütung, sondern es geht zum Teil auch um die Arbeitsbedingungen. Wenn zum Beispiel das Gastgewerbe über fehlende Auszubildende klagt, dann muss man sich auch einmal fragen warum. Denn die haben in der Ausbildung schon ziemlich harte Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen und eine vergleichsweise so bescheidene Vergütung, dass ich mich nicht wundere, dass Menschen das nicht als Chance begreifen. Das ist auch Fakt und gehört dazu.
Damit möchte ich gar nicht sagen, dass sich Menschen immer nur nach der Bezahlung richten. Mein Sohn möchte auch Sozialarbeit studieren und war
tet auf einen Studienplatz, obwohl er weiß, dass man als Akademiker in dem Bereich nicht so viel Geld verdient. Er möchte es aus Berufung machen, und das ist auch völlig in Ordnung. Trotzdem muss man sich aber die Bedingungen auf dem Ausbildungsmarkt in der Industrie, in den Handwerken und im Gewerbe genauer anschauen. Dort gibt es einfach Probleme, und die muss man benennen. Das andere, was ich in Ihrer Anfrage vermisst habe – und das ist nämlich ein wirkliches Problem, Herr Dr. vom Bruch, aber das haben Sie gar nicht benannt –, bezieht sich auf die Berufsschulen. Hier ist nämlich die Frage, inwieweit die Stauchung, die die Berufsschulen erfahren haben, damit sie ihren Beitrag zur Schulreform und der Inklusion zahlen konnten, dazu führt, dass wir nur noch elf Stunden Berufsschulunterricht haben.
Ja, aber die Fragen waren eher ein wenig lapidar gestellt! Wenn man nun auf die Antwort eingeht: Die Antwort des Senats benennt zu Recht die besonders schwierige Lage, in der sich Jugendliche mit Migrationshintergrund auf dem Ausbildungsmarkt befinden. Hier gibt es immer noch Vorurteile, Vorbehalte und Diskriminierung bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen. Viel erreichen könnte man aber mit einem Programm, das zum Beispiel migrantisch geführte Betriebe dabei unterstützt, dass sie Ausbildungsbetriebe werden, oder das Betriebe dabei unterstützt, mehr Ausbilderinnen oder Ausbilder mit Migrationshintergrund einzustellen. Ich finde, hier besteht dringender Handlungsbedarf. Das sind konkrete Dinge, über die ich gern einmal reden würde. Auf diese Probleme zielt die Anfrage von Ihnen, Herr Dr. vom Bruch, aber gar nicht ab, sondern sie zielt, und das wird nämlich auf mehr als den zweiten Blick schon deutlich, eher auf die Schulpolitik. Eigentlich sollte es Konsens sein, dass die Schulpolitik den Aufbruch zu einem besseren Schulsystem schaffen muss, mit dem höhere Abiturquoten auch in benachteiligten Stadtteilen möglich werden, mit dem alle Bildungsgänge erworben werden könnten und mit dem ein längeres gemeinsames Lernen vorgesehen ist. Ich habe den Verdacht, wenn man sich die Anfrage von Ihnen ansieht, dass Sie sich von dem Konsens, den Sie hier mit den anderen Fraktionen geschlossen haben, allmählich absetzen. Denn Ihre Anfrage ist meines Erachtens ein Versuch, diesen schulpolitischen Aufbruch für überflüssig zu erklären und umzudrehen. Ich finde, das ist bildungspolitisch unzeitgemäß und verkennt die Dynamik in der Produktionsentwicklung.