Protocol of the Session on December 18, 2014

Ein Satz auch noch einmal zu den Schiedsgerichten! Sie sagen, diese Schiedsgerichte sollen Inves

toren vor Willkür schützen, und da frage ich mich wirklich, welche Meinung Sie eigentlich von Ihrer letzten schwarz-gelben Bundesregierung haben!

(Zurufe der Abg. Frau G r o b i e n [CDU] und des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Wir reden aber jetzt gerade über ein Abkommen zwischen den USA und der EU, und wenn es wirklich nur darum geht, Staaten vor Willkür zu schützen, dann brauchen wir das ja in einem Abkommen zwischen den USA und der EU nicht. Ich habe gerade gesagt, dass es selbst bei den schon bestehenden Abkommen – und deswegen, glaube ich, ist das kein Weg, den man weiter verfolgen sollte – tatsächlich um enorme Summen geht, und der von mir vorhin erwähnte Streitfall bezieht sich ja auf den Atomausstieg, den Ihre schwarz-gelbe Bundesregierung beschlossen hat. Das würde ich nicht als Akt der Willkür bezeichnen. Ich erinnere einmal daran, der jetzt gerade beschlossene Bundeshaushalt hat ein Volumen von 296 Milliarden Euro. Wenn man dann an der Stelle am Ende einen Streitwert von fast 6 Milliarden Euro hat, dann muss man einmal sagen, und das können Sie sich einmal überlegen, dass das, glaube ich, die staatliche Entscheidungsfindungen doch erheblich beeinflusst. Ich würde das deswegen jetzt nicht so verniedlichen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal ausdrücklich die grundsätzliche Auffassung zu dem, was die Kollegin Frau Ryglewski gesagt hat, unterstützen. Es geht nicht um ein Entweder-oder, um eine Frontstellung, auf deren einer Seite die staatliche Regulierung gegen Freihandel allgemein steht, sondern es geht um die Frage, ob wir Freihandel mit Regeln und nach Regeln organisieren, die erstens dem entsprechen, was wir uns auf europäischer Ebene und in Deutschland und anderen Ländern erkämpft haben – im Übrigen auch in den Vereinigten Staaten erkämpft haben –, und die zweitens um Regeln, die die demokratische Handlungsfähigkeit der Staaten bewahren und diese Schutzrechte nicht zur Disposition stellen. So ist die Fragestellung, danach wollen wir das prüfen, und nach einer Reihe solcher Kriterien haben wir auch unseren Beschluss dargelegt. Es geht auch wirklich nicht um eine Frontstellung, wir gegen die USA, da haben Sie auch völlig recht, Frau Grobien.

(Zuruf der Abg. Frau G r o b i e n [CDU])

Nein, ich sage ja, da gebe ich Ihnen recht! Darum geht es auch gar nicht in der Debatte, jedenfalls nicht von unserer Seite, sondern es geht vor allen Dingen im Bereich des Investorenschutzes um die Frage des Grundrechtschutzes gegen Sonderrechte großer Unternehmen, denn das ist die Fragestellung, und dabei ist es egal, ob es amerikanische, kanadische, deutsche oder französische Unternehmen sind, und daran müssen wir uns orientieren. Das hat nichts mit einer Frontstellung wir gegen sie zu tun.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich wundere mich schon ein bisschen, Frau Grobien, dass Sie sich gar nicht mehr daran erinnern, was Sie im Mai gemeinsam mit uns beschlossen haben. DIE LINKE hat – ich verstehe es bis heute nicht! – dem gar nicht zugestimmt, sie hat das abgelehnt, die CDU hat dem gesamten Antrag zugestimmt mit Ausnahme der anlasslosen Datenerhebung, die Sie nicht darin haben wollten. Allen anderen Punkten haben Sie zugestimmt, unter anderem, dass der Punkt der Investorenschutzvorschriften ganz aus dem Verhandlungsmandat zu streichen ist. „Spezielle Investorenschutzschriften sind in einem Abkommen zwischen der EU und den USA nicht nötig“, das haben wir hier mit Ihren Stimmen beschlossen, Frau Grobien.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es kann doch nicht sein, nur weil damals im Mai die Europawahl kurz bevorstand, dass Sie jetzt davon nichts mehr wissen wollen! Das finde ich nicht in Ordnung!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zu- ruf des Abg. S t r o h m a n n [CDU])

Moment! Ich freue mich auf Ihren Beitrag, Herr Strohmann,

(Zuruf des Abg. S t r o h m a n n [CDU])

aber auch Sie haben damals dafür gestimmt, und das ist auch richtig gewesen.

Worum geht es? Wir sagen doch nicht nur, dass die Sondergerichtsbarkeit überflüssig ist, sondern auch, dass sie gefährlich ist, denn sie ist nicht richtig unabhängig, denn die Personen, die da überhaupt entscheiden, werden aus einem extrem kleinen, elitären Kreis ausgesucht, nur Investoren können gegen die Staaten klagen, nicht umgekehrt, und auch NGOs können nicht klagen. Die Rechte ausländischer Investoren, egal, in welchem Land, erhalten exklusiven Schutz und können dann in einem außerordentlich teuren Verfahren und mit erheblichen Konsequenzen durchgesetzt werden, und aus dem Klagerisiko

erwächst natürlich ein Druck auf die Staaten, etwas zu tun oder nicht mehr zu tun.

(Zuruf der Abg. Frau G r o b i e n [CDU] – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: So ist es ja gemeint!)

Der Ressortleiter bei der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, Herr Hank, hat es kürzlich so schön formuliert – ich zitiere das einmal aus dem Kopf –: Es geht darum, dass Freihandel verhindern soll, dass Parlamente idiotische Dinge beschließen. Das ist relativ klar und einfach formuliert. Noch einmal, wie bei dem anderen Zitat: Der Freihandel und seine Mechanismen sollen genutzt werden, um bestimmte Entscheidungsfähigkeiten und Handlungsfähigkeiten von Staaten einzuschränken, das ist die Hoffnung.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Darum geht es!)

Wenn Sie von der Hoffnung sprechen, dass dadurch Arbeitsplätze in der Wirtschaft entstehen – diese Hoffnung gibt es ja, und die kann man ja auch teilen, und Herr Dr. Heseler wird gleich darauf hinweisen, das ist ja auch sein Job – und dass es diese Chancen gibt, auch wir sehen die Chancen, dann muss aber genauso über die begründet absehbaren Risiken und über die Gefahren geredet werden, die damit verbunden sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Darum geht es in der öffentlichen Debatte.

Das Argument, es gebe schon so viele Schiedsgerichte und Vereinbarungen, ist ja schön und gut. Ich bin eher dafür, dass wir diese Diskussion nicht nutzen, um diese Art von Schiedsgerichten zu zementieren, sondern um einmal zu einem anderen Verfahren zu kommen, zum Beispiel zu einem internationalen Schiedsgericht, das wirklich nach anderen, nach gemeinsamen Regeln arbeitet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das wäre ein Weg, der inzwischen auch von vielen Experten vorgeschlagen wird, dann müssten wir nicht noch zwei zusätzliche Wege machen, sondern 140 Mal nach und nach dahin überführen.

Zum Schluss zu der Strategie der Kommission und des Rates nicht gegenüber den USA, sondern gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in Europa! Ich finde sie nach wie vor leider nicht ausreichend vertrauenserweckend. Die Konsultation, die eingeleitet worden ist, war gut, dazu gab es Rückmeldungen im sechsstelligen Bereich – also sehr viele Rückmeldungen –, sie ist bis heute vielleicht ausgewertet, aber noch nicht veröffentlicht worden, aber trotzdem sagt

die Kommission, bei CETA das zu wollen, wozu sie die Bürger befragt hat. Das ist doch nicht glaubwürdig: Die Bürger werden gefragt, sie antworten, aber dann entscheidet man schon, bevor die Antworten überhaupt veröffentlicht werden. So kann das doch nicht gehen, und das ist wieder ein falscher Schritt!

Genauso falsch war es, die Bürgerinitiative nicht zuzulassen mit dem fadenscheinigen Argument, das Mandat wäre kein Rechtsakt, und deswegen könne es dazu keine Bürgerinitiative geben. Das ist falsch, es ist schade, dass das nicht zugelassen worden ist, wir unterstützen die unabhängige Bürgerbewegung und glauben, dass man erheblich mehr Druck machen muss. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Dr. Heseler.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es außerordentlich positiv, dass wir hier in Bremen so intensiv diese internationalen Freihandelsabkommen diskutieren, und positiv ist auch, dass sich in wichtigen Fragen in den letzten ein bis zwei Jahren deutlich etwas bewegt hat. Es ist richtig, Herr Rupp, dass das nicht von der EU-Kommission selbst ausgegangen ist. Durch die breite öffentliche Diskussion, insbesondere in Deutschland und einigen anderen Ländern auch, hat es viel mehr Transparenz gegeben. Es wird von der EU-Kommission viel mehr dargestellt, wir tragen unseren Teil auch dazu bei, ich glaube, es ist auch offenkundig, dass wir in den Gremien, insbesondere im Europaausschuss und in der Wirtschaftsdeputation, andere informieren.

Wir haben leider keine Abteilung „Internationalen Handel“, wir hätten sie gern, aber die finanziellen Mittel dafür stehen uns nicht zur Verfügung. Wir haben auch kein Forschungsinstitut mehr, früher hatten wir den Bremer Ausschuss für Wirtschaftsforschung. Die meisten hier werden nicht wollen, dass wir ihn wieder einrichten, sonst hätten wir ihm den Auftrag erteilt, die Auswirkungen von TTIP, CETA und TiSA auf Bremen zu untersuchen, aber es gibt eine Vielzahl von Gutachten und Untersuchungen, die wir zur Kenntnis nehmen, die wir diskutieren, und dann kann sich jeder seine Meinung dazu bilden.

Zu Bremen – vielleicht nicht dazu, wie sich das regional auswirkt – möchte ich gern Folgendes sagen: Wir haben in der Europäischen Union 28 Mitgliedsstaaten – einer davon ist sogar von der Einwohnerzahl her kleiner als Bremen –, wir haben aber, wie immer Sie das rechnen, 270 bis 1 300 Regionen, von denen viele erheblich größer sind als Bremen. Wenn wir also über regionale Auswirkungen eines international bedeutenden Freihandelsabkommen sprechen, dann sehen wir hier nur Bremen, das ist klar, so sehen es aber vielleicht 1 000 andere Regionen

auch, und die Europäische Union verhandelt, und man muss irgendwie zu einem Kompromiss kommen.

Bezüglich der Transparenz haben wir erhebliche Fortschritte erzielt. Der ganz große Streitpunkt ist das Investorenschutzabkommen. Ich glaube, dass wir hier zunächst einmal eine gute Diskussion dazu hatten, die Bürgerschaft hat ihre Position hier dazu bekräftigt, und wir werden auch versuchen, die bremischen Positionen in die Diskussion einzubringen.

In zwei Monaten, im Februar, tagt der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates. Wir sind derzeit in Diskussionen, welche Minister der Länder dort teilnehmen, wir haben natürlich angeboten, dass Herr Senator Günthner daran teilnimmt, das wird unter den Ländern abgestimmt. Wir werden uns in diese Diskussion sehr aktiv einbringen.

Ich möchte gern noch einen weiteren Aspekt darlegen! In den letzten Monaten kann man sehr gut beobachten, dass es zunehmend stärkere Diskussionen gibt über ein asiatisches Freihandelsabkommen, eine asiatische Freihandelszone, und es gibt ebenfalls sehr intensive Diskussionen über ein Abkommen zwischen den USA und China. Das sind alles Themen, die uns eigentlich auch mit interessieren müssten, denn natürlich ist das der Wachstumsmarkt, und viele Bremer Unternehmen sind in diesen Märkten tätig, nicht nur die großen, sondern auch die kleinen. Dies alles spielt eine Rolle bei Freihandelsabkommen.

(Glocke)

Herr Staatsrat, sind Sie bereit, eine letzte Zwischenfrage anzunehmen?

Ja!

Bitte, Herr Rupp!

Herr Staatsrat, können Sie mir sagen, wann Sie mit einer Entscheidung rechnen, also einer Ratifizierung hier in der Bundesrepublik, und ob diese Entscheidung in den Bundesrat kommt?

Das ist eine gute Frage! Meinen Sie jetzt CETA oder TTIP?

Ich meine CETA, denn das ist ja jetzt ausverhandelt und soll in irgendeiner Weise zum Abschluss kommen. Haben Sie eine Vorstellung, wann das so weit ist?

Nein, habe ich nicht, denn das wird die Bundesregierung uns ja dann auch irgendwann mittteilen. Es ist doch so: Das ist jetzt ausverhandelt, und wir werden sehen, wie dann der weitere Ablauf ist. Dann wird man sich die Frage stellen – und ich glaube, es wird in irgendeiner Weise in den Bundesrat kommen –, und anders als die meis

ten europäischen Regionen gehören wir zu denen, die direkt beteiligt sind. Wir werden uns nämlich an der Abstimmung im Bundesrat sehr aktiv beteiligen, und dann haben wir hier auch wieder eine breite Diskussion – das ist ja der Vorteil daran, dass wir ein Bundesland sind –, und dann wird zu bewerten sein, zunächst am Abkommen mit Kanada, viel bedeutender natürlich dann am Abkommen mit den USA, und da ist für mich die Frage, überwiegen die Chancen die Risiken. Da habe ich den Eindruck, hier im Hause gibt es natürlich einige, die sagen, die Risiken seien größer, ich persönlich würde sagen, letztlich kommen wir zu dem Ergebnis, dass die Chancen die noch bestehenden Risiken überwiegen.

(Zurufe von der CDU und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Das wird man aber diskutieren müssen, und dann wird man in den einzelnen Punkten sehen, wie wir uns dazu verhalten. Da ist dann auch zu berücksichtigen – und deswegen habe ich das hier einleitend gesagt –, dass wir 28 Länder sind, und die deutsche Position, das muss man auch im Moment sehen, eher in der Minderheit ist. Das alles wird man mit diskutieren müssen, und da wird sich dann der Senat, glaube ich, wie immer klug verhalten.