Protocol of the Session on December 18, 2014

Das sind keine Kleinigkeiten, und meine Partei und ich stehen auch weiterhin dazu, dass so etwas in beiden Abkommen nicht stehen soll.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN – Glocke)

Ein Hinweis noch einmal zum Thema Sigmar Gabriel! Ich möchte mich nicht zur Gefühlslage oder dem möglichen Unwohlsein von Herrn Gabriel äußern, das kann ich auch nicht beurteilen. Wir sind eine demokratische Partei, wir haben Parteitagsbeschlüsse, wir sind eine Fraktion, die demokratisch organisiert ist. Wir haben uns hier klar gegen den Investorenschutz ausgesprochen, meine Partei hat das hier in Bremen und auch auf einem Parteikonvent getan, und ich bin mir sicher, dass es letztlich zu einer vernünftigen Entscheidungsfindung kommt. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grobien.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie schon gehört, das Freihandelsabkommen, kurz TTIP, haben wir bereits im Frühjahr und auch vor einem Jahr debattiert, es hat auch im Europawahlkampf eine nicht ganz unerhebliche Rolle gespielt. Nach den Sommerferien hat dann die Fraktion DIE LINKE eine Große Anfrage an den Senat gerichtet, sie liegt Ihnen auch vor, Herr Rupp hat mit 60 Fragen die Verwaltung beschäftigt. Damit hat er versucht, die Gefahren dieser Abkommen noch einmal durch den Senat bestätigen zu lassen, in unseren Augen ist ihm das aber nicht gelungen. Der Senat beantwortet die vielen Fragen teils einsilbig und nur mit den nötigsten Informationen, vielleicht auch deshalb, weil die Verhandlungen noch laufen, jedenfalls gewinnt man aus der Antwort des Senats vom 11. November keine wirklich neuen Erkenntnisse.

In der Großen Anfrage spielen neben dem TTIPAbkommen auch zwei weitere Abkommen – wir haben es schon gehört –, CETA und TiSA, eine Rolle. CETA ist das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, das ist bereits ausverhandelt, und es muss nun noch durch das Europäische Parlament legitimiert werden. Herr Dr. Kuhn hat es bereits erwähnt, CETA gilt quasi als der Testfall für TTIP. TiSA wiederum ist ein multilaterales völkerrechtliches Abkommen zwischen 23 Staaten und bezieht sich vor allem auf Dienstleistung, zu diesen 23 Staaten gehören auch die EU und die USA. In Bezug auf die möglichen Auswirkungen für das jeweilige Abkommen auf Bremen, bleibt die Antwort da sehr unverbindlich.

Fakt ist, in Deutschland hängt jeder vierte Arbeitsplatz am Export, und wir exportieren jährlich Güter im Wert von 87 Millionen Euro in die Vereinigten Staaten.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Auch Milli- arden!)

Gleichzeitig sichern USA-Investitionen fast 650 000 Arbeitsplätze in unserem Land. Gerade kleine und

mittlere Unternehmen benötigen einen klaren und stabilen Rechtsrahmen, um ihre Produkte und Dienstleistungen erfolgreich exportieren zu können. Sie profitieren in besonderer Weise vom Abbau von Zöllen sowie der Vereinfachung und gegenseitigen Anerkennung von Normen und Zulassungsverfahren. Fakt ist auch, Bremen ist der fünftgrößte deutsche Industriestandort, der zweitgrößte deutsche Hafen und der größte europäische Umschlagsplatz für Automobile und somit in besonderer Weise auf freien und fairen Welthandel angewiesen. Die USA sind für bremische Unternehmen der wichtigste Auslandsmarkt außerhalb Europas, und Bremerhaven ist der Amerikahafen schlechthin.

Freihandelsabkommen wirken also wie ein kostenloses Konjunkturprogramm, sie schaffen zusätzliche Arbeitsplätze und führen zu höheren Einkommen. Für TTIP liegen dazu auch exakte Berechnungen vor:

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ja!)

200 000 zusätzliche Arbeitsplätze, und allein ein durchschnittlicher Haushalt soll mit circa 550 Euro zusätzlichem Einkommen rechnen können. Dadurch – und das wird auch immer völlig anders dargestellt – besteht aber auch andersherum die Chance, durch diese Abkommen die hohen transatlantischen Standards für Unternehmen und Verbraucher auch international zu verankern.

Im krassen Gegensatz zu den Chancen, die aus Freihandelsabkommen resultieren, dreht sich die öffentliche Diskussion fast ausschließlich um mögliche Risiken. Eine breite Allianz verschiedener Parteien und Akteure hat sich auf das Freihandelsabkommen quasi eingeschossen – und zwar nicht immer basierend auf Fakten. Teilweise werden unberechtigte Ängste geschürt.

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Das Chlorhuhn ist zum Wappentier der TTIP-Gegner geworden. Bereits im Mai 2013 wurden vom EUParlament bei den Verhandlungen klare rote Linien beim Verbraucherschutz und der Lebensmittelsicherheit eingezogen. Diese wurden aufgrund eines Beschlusses des Europäischen Rates vom Oktober 2014 auch öffentlich. Trotzdem hat sich die Debatte weiterhin nicht beruhigt. In der Debatte wird oft verkannt, dass viele Vorschriften im Bereich Lebensmittel- und Produktsicherheit in den USA sogar deutlich strikter sind als bei uns. Da fehlt es an Aufklärung und Transparenz.

Noch einmal ein Beispiel: Spielzeuge für Kinder. Für Kinderspielwaren bestehen mit 90 mg pro kg im den USA deutlich strengere Grenzwerte für schädliches Blei als bei uns mit 160 mg. Genauso Biofleisch: US-Rinder dürfen eben nicht mit Antibiotika gefüt

tert werden, wenn das Fleisch ein Bio-Siegel tragen soll. EU-Landwirte dürfen kranke Rinder nach wie vor mit Antibiotika behandeln und das Fleisch dennoch als Bioprodukt verkaufen.

(Zuruf der Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/Die Grünen])

In Sachen Verbraucherschutz geht es also eben nicht um ein Race to the bottom. Das EU-Verhandlungsmandat sieht ausdrücklich vor, dass jede Seite weiterhin die Regeln anwenden kann, die es zur Sicherung des jeweiligen Schutzniveaus für nötig hält.

Dann dreht sich ein Großteil der Kritik – das hatten wir hier auch schon thematisiert – um die Regeln zum Investorenschutz. Die Kritiker sehen darin einen Angriff auf die Gesetzgebungskompetenzen der nationalen und regionalen Parlamente.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Da ist auch etwas dran!)

Sie befürchten, dass Staaten in ihren legitimen Regulierungsmöglichkeiten beschränkt werden. Dies darf auch aus unserer Sicht nicht passieren. Aber es bestehen ja schon 140 solcher Abkommen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das wird nicht besser!)

Sie sollen die Investitionen vor staatlicher Willkür schützen. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion ist der Auffassung, dass zwischen EU und USA beziehungsweise Kanada keine spezifischen Regelungen zum Investitionsschutz erforderlich sind,

(Glocke)

weil die nationalen Gerichte das bereits regeln. – Ich komme zum Schluss. – Deutschland und Bremen mit seiner mittelständisch geprägten, exportorientierten Wirtschaft profitieren in besonderer Weise von dem geplanten Abkommen. Die Sorgen, die viele Menschen haben, nehmen wir natürlich ernst und setzen uns damit auseinander – allerdings auf der Basis von Fakten und nicht nur von Spekulationen und Angstmacherei. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Nächster Redner ist der Kollege Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Grobien, wir stellen unsere Großen Anfragen aus denselben Gründen wie Sie: Manchmal wollen wir etwas herauskriegen, und manchmal wollen wir auch

beweisen, dass Regierung vielleicht an der einen oder anderen Stelle hätte anders handeln müssen. Das finde ich einfach banal, wenn Sie uns jetzt Dinge vorwerfen, die Sie selbst ständig machen.

In diesem konkreten Fall gibt es eine ziemlich große Mehrheit in diesem Saal, dass wir diese ganzen Abkommen kritisch sehen. Ich finde, wir – insbesondere, wenn es zur Unterzeichnung ansteht und Bremen möglicherweise im Bundesrat demnächst zustimmen oder ablehnen soll – müssen uns schon damit auseinandersetzen, was insbesondere in CETA drinsteht, weil das nicht mehr so lang hin ist.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ein halbes Jahr noch!)

Klar, es ist noch nicht ratifiziert, aber es steht spätestens am Anfang der nächsten Legislaturperiode – nach meiner Schätzung – irgendwie auf der Tagesordnung. Insofern finde ich es wichtig und notwendig, dass wir uns genau mit der Frage auseinandersetzen, was das zum Beispiel für unsere kommunalen Krankenhäuser bedeutet, wenn man bestimmte öffentliche Dienstleistungen liberalisieren will. Was bedeutet es für die GEWOBA, wenn man Dienstleistungen liberalisieren will? Was bedeutet es denn, wenn wir Dinge wieder rekommunalisieren wollen und irgendjemand kommen kann – ein Investor – und bei irgendeinem Schiedsgericht sagen kann: Nein, das behindert hier meine Investitionen, und wir dann eine Androhung von Schadenersatzforderungen bekommen. Ich kenne Debatten in anderen Kreisen, wenn die EU sozusagen mit dem Vorwurf von Rechtsbruch und Ähnlichem droht, in denen man schon einmal zurückzuckt. Ich möchte gern wissen: Wie konkret sind eigentlich diese Risiken auch für Bremen und für die Bremische Wirtschaft.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass nach meiner Erfahrung Deregulierung in aller Regel nicht dazu führt, dass sich dann bessere oder höhere Standards durchsetzen. Nach meiner Erfahrung setzt sich, wenn man dereguliert, ein niedrigerer Standard durch. Als wir hier in Deutschland die Regeln für Leiharbeit abgeschwächt und diese möglich gemacht haben, ist sie natürlich hochgepoppt. Als wir die Regeln für prekäre Beschäftigung für geringfügig Beschäftigte gesenkt haben, sind natürlich diese ganzen Beschäftigungsverhältnisse mehr geworden. Ich habe keine Idee, wenn man dereguliert, also Regeln abschafft, was dann mit Standards passieren soll und warum es nicht zu einem Erniedrigen der Standards kommen können sollte. Es kann ja sein, dass in den USA die Kühe weniger Antibiotika bekommen als hier. Da werden irgendwelche Leute hochziehen und sagen: Na ja, wir wollen unsere Kühe da aber auch verkaufen – unter Umständen zum Nachteil der amerikanischen Bevölkerung, die dann möglicherweise ihren Vorteil nicht mehr hat.

An diese Form des Mechanismus, dass sich automatisch der höhere Standard durchsetzt, glaube ich nicht. Meines Erachtens gibt es da so eine Form von wirtschaftlicher Entropie, dass also alles einen möglichst energieniedrigen oder einen möglichst kostengünstigen Zustand anstrebt. Regeln, was Mindestlöhne angeht, was Arbeitnehmerrechte angeht, was Verbraucherschutz angeht, die sind in der Regel teuer. Wenn man sie abschafft, wenn man Leute zu ganz widrigen Bedingungen beschäftigen kann, kann man mehr Profit machen. Man kann dann seine Waren billiger verkaufen. Nach meiner Erfahrung ist es so: Wenn wir Verträge und Eingriffsmöglichkeiten diskutieren, dann haben wir eher mit solchen Effekten zu rechnen als mit Effekten, dass die Wirtschaft aufblüht und es den Verbraucherinnen und Verbrauchern besser geht und die Kommunen eigenständiger sind. Diesen Effekt wird es mit diesen Verträgen meines Erachtens nicht geben.

Deswegen finde ich es richtig, wenn die Europäische Bürgerinitiative, und zwar die selbst organisierte, fordert, dass man erstens CETA nicht unterschreibt und zweitens gegen TTIP, also den Vertrag mit den USA, vorgeht. Die haben innerhalb kürzester Zeit eine Million Unterschriften gesammelt. Eine Sache möchte ich gern hier noch tun: Ich weise auf die Webseite dieser Bürgerinitiative hin. Alle, die finden, dass man CETA besser nicht unterschreibt und TTIP kritisch diskutieren und ablehnen muss, fordere ich auf, auch auf dieser Webseite zu unterschreiben, weil das etwas ist,

(Beifall bei der LINKEN und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

was wir erreicht haben. Wenn es in dieser ganzen Frage mehr Öffentlichkeit und Transparenz gibt, dann ist es nicht der EU-Kommission zu verdanken, sondern dann ist es denen zu verdanken, die – wie Frau Grobien immer sagt – einfach nur Angst machen wollen und die Vorteile nicht nennen wollen. Denen ist es zu verdanken, dass wir jetzt ein bisschen mehr über diese ganzen Dinge wissen. Deswegen finde ich insbesondere solche außerparlamentarischen Initiativen total wichtig. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Ryglewski.

Erst einmal vorweg: Ich und meine Fraktion sind jetzt nicht grundsätzlich gegen Freihandelsabkommen, um das einmal klarzustellen. Aber die Frage ist halt, welchen Preis man dafür zahlt und was die Konsequenzen des Ganzen sind. Das ist eine Sache – das habe ich hoffentlich in meinem Beitrag vorhin deutlich gemacht –, die man

sehr sorgsam abwägen muss. In der Tat ist die Datenlage, was die möglichen Auswirkungen angeht, ausgesprochen dürftig.

Frau Grobien, es ist mitnichten so, dass die möglichen wirtschaftlichen Effekte so klar zu prognostizieren sind, wie Sie das eben dargestellt haben. Ich möchte da einmal nur auf die beiden Studien, die jetzt veröffentlicht sind und denen man wirklich nicht unterstellen kann, dass sie TTIP- oder CETA-kritisch seien, verweisen. Da wird bei der Studie des Centre for Economic Policy Research wird von Auswirkungen von 0,05 Prozentpunkten auf das durchschnittliche Wachstum in der EU ausgegangen. Das sind Promillewerte. Da muss man einfach fragen, wie sich dieser Effekt tatsächlich niederschlägt und dann auch noch in Bremen. Das ist – das muss ich schon sagen – ein bisschen ein Blick in die Glaskugel.

Das Ifo-Institut, das die Bertelsmann-Studie herausgegeben hat, geht davon aus, dass das BIP pro Kopf preisbereinigt um 0,1 Prozentpunkte steigt. Auch das sind Effekte, von denen man sagen kann, dass sie ganz schnell verpuffen können. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass sich das alles auf Abkommen bezieht beziehungsweise wurden diese Studien erstellt, als bei CETA der Vertragstext noch überhaupt nicht klar war und TTIP noch im Vorstadium der Verhandlungen war. Dazu sagen: Wir haben hier konkrete Zahlen, die uns sagen, das wird uns hier richtig den wirtschaftlichen Schub geben, ist einfach falsch. Da können Sie auch nicht davon reden, dass Sie sich auf Fakten bezögen und wir mit Mythen argumentierten.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Ich glaube auch, dass Sie dem Ansinnen, Freihandel zu fördern, einen Bärendienst erweisen, wenn Sie das ständig ignorieren, weil ich glaube, dass man tatsächlich einen deutlich stärkeren Rückhalt für diese Abkommen gehabt hätte, wenn man diese Debatte von vornherein anders geführt hätte.

Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Ich bin nicht prinzipiell dagegen, ich glaube, dass wir in einer sich zunehmend globalisierenden Welt auch solche Abkommen brauchen, um noch eine regulatorische Komponente zu haben, denn sonst setzen sich am Ende auch nur noch die Starken auf dem Markt durch. Mit solchen Abkommen hat man durchaus auch die Möglichkeit, wenn man es denn anständig macht, regulatorische Grenzen zu ziehen, aber das funktioniert nicht, wenn man sich auf den Blick in die Glaskugel beschränkt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ein Satz auch noch einmal zu den Schiedsgerichten! Sie sagen, diese Schiedsgerichte sollen Inves