Protocol of the Session on December 17, 2014

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Yazici.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren hier heute im Kern über eine mögliche Neuausrichtung in der Drogenpolitik. Frau Vogt hat gesagt: endlich! Ich erinnere daran, dass wir schon vor einigen Jahren eine solche Neuausrichtung gefordert haben, etwa mit dem Antrag zur Einsetzung einer Enquetekommission, weil wir der Meinung sind, dass es, wie es momentan läuft, nicht gut ist. Darüber scheinen wir uns einig zu sein. Wir werden uns aber sicherlich darüber streiten, wie eine solche Ausrichtung auszusehen hat. Wir verfolgen insbesondere einen substanzübergreifenden Ansatz und keine Konzentration auf populäre Drogen. Ich habe festgestellt, die hier gerade geführte Diskussion ist eine Verengung auf Cannabis und Marihuana.

Um die zentralen Probleme der gegenwärtigen Drogenpolitik hier in Bremen anzugehen, bedarf es keiner – das möchte ich an dieser Stelle erwähnen – Reform des Betäubungsmittelgesetzes, meine Damen und Herren. Darauf kommt es zum Beispiel bei der Verbes

serung der Kindeswohlsicherung von Kindern und Jugendlichen drogenabhängiger beziehungsweise substituierter Eltern nicht an. Das ist ein hausgemachtes bremisches Problem. Das lösen wir nicht, indem wir das Betäubungsmittelgesetz reformieren.

(Beifall bei der CDU)

Es ist nämlich für uns nach wie vor nicht hinnehmbar, dass in Bremen und Bremerhaven etwa 70 bis 80 Prozent aller Kinder, die in einem Drogenumfeld aufwachsen, direkten Kontakt zu Drogen haben. Das ist für uns absolut nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich gehören die Kinder in die Familien. Eine Inobhutnahme ist für uns das allerletzte Mittel. Aber wenn die Kinder bei den Eltern verbleiben, ist es eine Verpflichtung des Staates, diese Familien engmaschig zu begleiten, damit die Kinder eben nicht in Kontakt mit den Drogen kommen.

(Beifall bei der CDU)

Drogenrückstände haben in dem Körper eines Kindes nichts zu suchen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. W a l t e r [Bündnis 90/Die Grünen])

Wir reden hier über eine Neuausrichtung der bremischen Drogenpolitik. Wir finden, dass eine Verengung auf das Thema Cannabis und Marihuana nicht dienlich ist. Auch darauf werde ich selbstverständlich zu sprechen kommen.

Deshalb fordern wir auch eine obligatorische Haaruntersuchung bei allen Kindern, die in einem Drogenumfeld aufwachsen. Wir brauchen vor allem eine personell bessere Ausstattung bei Case Managern, die zum Teil völlig überlastet sind. Wir brauchen mehr Kontinuität in der Arbeit der Case Manager. Wir brauchen keine, die das Amt nach einigen Jahren verlassen – wir wissen, aus welchen Gründen. Insofern begrüßen wir in diesem Zusammenhang, dass die Ausweitung des EU-Projekts dazu geführt hat, dass 38,5 neue Case Manager eingestellt werden sollen. Das macht im Übrigen ein Viertel der Belegschaft aus, was deutlich macht, dass das Amt jahrelang auf Sparflamme gefahren ist.

Insgesamt gilt es für uns, das Problem in seiner Gesamtheit zu betrachten. In einem stringenten und klar strukturierten und fest ineinandergreifenden Prozess müssen alle Akteure, die hier beteiligt sind, an einen Tisch gebracht werden. Deswegen fordern wir auch seit Jahren ein Netzwerk, ein Netzwerk zwischen Jugendamt, Pädiatrie, gynäkologischen und sustitutionierenden Ärzten, um sie zu einem funktionsfähigen Netzwerk zusammenbringen.

Der Senat darf sich an dieser Stelle nicht weiter hinter dem Datenschutz verstecken. Notfalls muss bei der Datenschutzbeauftragten eine Verordnung erlassen werden, die einerseits dem Kindeswohl dient und andererseits den datenschutzrechtlichen Anforderungen Genüge tut.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiterer zentraler Baustein ist für uns natürlich eine Aufklärungs- und Präventionsarbeit, um vor den Gefahren des Suchtpotenzials jeder Droge zu warnen. Wir als CDU-Fraktion machen keinen Unterschied, ob es sich um illegale Drogen handelt oder etwa um Alkohol oder Tabak. Es muss darum gehen, die Bekämpfung des Nikotin- und Alkoholkonsums gleichermaßen anzugehen wie die Pönalisierung illegaler Drogen.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, da sind wir einer Meinung. Dass man Alkohol und Nikotin nicht so einfach verbieten kann, liegt auf der Hand.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wieso eigentlich?)

Wir sprechen hier von einer seit Jahrhunderten weit verankerten Tradition. Wenn Sie mich persönlich fragen, können wir das gern machen, Herr Kuhn. Dann müsste Herr Saxe sein Geschäft schließen. Ich weiß nicht, ob Sie das auch befürworten.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das befür- worten wir nicht!)

Wir auch nicht. – Deswegen geht es vielmehr darum, auch die legalen Substanzen durch eine vernünftige Präventions- und Aufklärungsarbeit schrittweise zurückzudrängen. Das gelingt uns in Deutschland auch sehr gut, was zum Beispiel den Tabakkonsum bei jungen Menschen angeht. Wir als CDU-Fraktion sagen: All die Erfolge in diesem Bereich würden zunichte gemacht, wenn wir jetzt ohne Not Cannabis oder Marihuana legalisierten. Das wäre ein falsches Signal.

(Beifall bei der CDU)

Jedenfalls ist für uns der Blick auf Tabak und Alkohol kein Argument, nun auch die Legalisierung von Cannabis und Marihuana zu fordern. Es muss vielmehr darum gehen, alle Drogen in unserer Gesellschaft zu bekämpfen,

(Glocke)

wobei je nach Substanz unterschiedliche Strategien gefahren werden müssen, um erfolgreich zu arbeiten. – Danke für das Zuhören!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat legt uns heute die Antwort auf eine Große Anfrage zum Thema Drogenpolitik in Bremen vor. Dazu behandeln wir einen Antrag der Fraktion DIE LINKE, der die kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten im Rahmen eines Modellprojekts fordert.

Die Antworten des Senats sind sehr aufschlussreich, denn sie zeigen deutlich, dass die Zahl der Suchtbehandlungen infolge von Abhängigkeiten mit Blick auf Cannabinoide in den letzten Jahren deutlich angestiegen sind – in Bremen von 27 Fällen in 2008 auf 78 Fälle in 2012, was einem Anstieg von 188 Prozent entspricht. In Bremerhaven betrug der Anstieg immerhin noch 142 Prozent. Im Vergleich dazu sind die Behandlungsfälle bei Opiatpatienten zurückgegangen. Der massive Anstieg der Behandlung bei Cannabiskonsumenten widerspricht damit der Behauptung, Cannabis sei eine harmlose, gesundheitlich unbedenkliche, weiche Droge, die nicht abhängig mache.

(Abg. Frau D r. K a p p e r t - G o n t h e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wer sagt das denn? Kein Mensch sagt das!)

Den Antrag der LINKEN, Cannabisprodukte kontrolliert abzugeben, werden wir BÜRGER IN WUT selbstverständlich ablehnen. Das Ziel einer verantwortungsvollen Drogenpolitik, meine Damen und Herren der Grünen, kann aus unserer Sicht nur in der Drogenabstinenz und nicht in der Tolerierung oder Förderung des Rauschgiftkonsums sein, wie es DIE LINKE will.

(Lachen der Abg. Frau Vo g t [DIE LINKE])

Zwar werden wir das Ziel einer Drogenabstinenz nie vollständig erreichen,

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Ich weiß nicht, welchen Antrag Sie gelesen haben! Aber es ist egal! Darauf einen Dujardin!)

aber dieses Vorhaben aufzugeben, würde das Problem für die Gesellschaft dramatisch verschärfen.

Auch die im Antrag geforderte Anhebung der straffreien Grenze bei Eigenkonsum von Cannabisprodukten von 6 auf 15 Gramm ist natürlich der völlig falsche Weg einer verantwortungsvollen Drogenpo

litik. Diese Anhebung würde Kleindealern das Geschäft erleichtern, weil sie dann nicht mehr mit Sanktionen rechnen müssten. Das würde das Geschäft der Dealer nur fördern. Das wollen wir BÜRGER IN WUT nicht.

Der von den LINKEN in ihrem Antrag erwähnte Appell von 122 Strafrechtsprofessoren argumentiert übrigens auch an der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes vorbei, Frau Vogt. Das müssten Sie aber eigentlich wissen.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Die Urteile sind schon sehr alt!)

Die linken Professoren behaupten im Kern, die Bestrafung von Cannabis sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheitsrechte des Einzelnen.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Eben!)

Genau dieser These hat Karlsruhe in seinem Grundsatzurteil von 1994 widersprochen und formuliert,

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Verfas- sungsgerichtliche Rechtsprechung ändert sich ständig!)

dass es kein Recht auf Rausch gibt. Dieser Richterspruch wird in seiner Konsequenz von den Unterzeichnern des Appells aber ignoriert. Das Bundesverfassungsgericht ist nun aber die maßgebliche Instanz für die Auslegung der Grundrechte, und nicht irgendwelche Rechtsgelehrte, Frau Vogt, die einmal wieder schlauer sein wollen als die höchsten deutschen Richter.

Auch die Behauptung der LINKEN, dass die aktuelle Verbotspolitik weder das Angebot noch die Nachfrage von strafbaren Substanzen einschränken könne, ist falsch.

Die Zahlen widerlegen diese Behauptung auch, denn in Deutschland sterben jedes Jahr etwa 40 000 Menschen an den Folgen des Alkoholmissbrauchs und 120 000 bis 140 000 Menschen an den Spätfolgen des Nikotinkonsums. Dagegen sind derzeit nur etwa – nur in Anführungsstrichen – 1 000 Rauschgiftopfer zu beklagen. Während Alkohol und Nikotin in unserer Gesellschaft frei verfügbar sind, wird der Handel mit Rauschgiften bestraft. Die freie Verfügbarkeit erhöht den Konsum und seine Intensität und führt im Ergebnis auch zu den hohen Sterbezahlen.

Vor dem Hintergrund der eben genannten Zahlen ist die Aussage der LINKEN, die repressive Drogenpolitik sei gescheitert, schlichtweg unsinnig. Erfreulicherweise, meine Damen und Herren, ist in den letzten Jahren ein sinkender Cannabisgebrauch in den Altersgruppen von 15 bis 24 Jahren sowohl in Deutschland als auch in Europa zu beobachten. Diese positive Entwicklung würden wir mit einer Legali

sierung konterkarieren. Schon aus diesem Grund sind wir BÜRGER IN WUT gegen die Freigabe weicher Drogen.

Auch der Hinweis der LINKEN in der Großen Anfrage, dass auf internationaler Ebene in den vergangenen Jahren ein Umdenken in der Drogenpolitik festzustellen ist, und dass hier unter anderem das Beispiel USA genannt wird, ist für uns keine stichhaltige Begründung für eine kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten, zudem man in den USA derzeit sehr schön sehen kann, was die Drogenliberalisierung anrichtet. Zum Beispiel in Colorado – in diesem Bundesstaat ist eine Cannabisfreigabe seit Januar dieses Jahres durchgeführt worden – kann man ganz genau feststellen, dass immer mehr Kinder nach dem Konsum von frei verkäuflichen Cannabisbonbons mit Vergiftungserscheinungen in die Krankenhäuser eingeliefert werden, und dass die Anzahl der durch Cannabisprodukte berauschten Fahrer, die von der Polizei aus dem Straßenverkehr gezogen werden, steigt.