Protocol of the Session on November 20, 2014

dere Werbemaßnahmen aus, sondern wird am Erfolg gemessen, nämlich die Zahl der Anträge auf Einbürgerung.

Ich befürworte den Antritt, die Einbürgerung zu fördern, Menschen zu ermutigen, Anträge zu stellen und dadurch staatsbürgerliche Rechte wie das umfassende Wahlrecht, die Freizügigkeit oder auch umfassende Berufswahlmöglichkeiten zu erlangen, sehr. Die Antwort auf Frage neun lautet: Die angekündigte Kampagne ist mittlerweile gestartet und im vollen Gange.

Deutscher zu sein, spielt für die meisten Menschen im Alltag keine exponierte Rolle. Gerade wenn man mit der deutschen Staatsangehörigkeit geboren und in Deutschland aufgewachsen ist, sind auch die Freiheiten, die sich daraus ergeben, normal. Manche Privilegien, wie etwa die Versammlungsfreiheit, sind dem einen oder anderen gar nicht als sogenanntes Deutschengrundrecht bewusst. Natürlich darf ich wählen. Selbstverständlich darf ich gewählt werden, Beamter sein, problemlos nach Italien, in die Schweiz fahren oder Urlaub auf Mallorca oder der Türkei machen. Genau das ist auch gut so.

Zum Problem werden diese Aspekte erst, wenn Mitglieder unserer Gesellschaft, Freunde, Verwandte oder der Kioskbesitzer von nebenan, alle, die seit Jahren hier leben, einige Dinge nicht in demselben Maße ausüben können. Dadurch entsteht das Gefühl des Eben-doch-nicht-ganz-Dazugehörens. Die Privilegien, die sich aus der Einbürgerung ergeben, sind ein wichtiger Teil der Integration.

Die Möglichkeiten, sich einzubringen, etwa kommunalpolitisch tätig zu sein, erweitern sich ungemein. Natürlich freuen wir uns über jeden, der diesen Schritt nicht wagen möchte und trotzdem als wertvolles Mitglied unserer Gemeinschaft unter uns lebt. Ich halte es aber für besonders wichtig, allen Menschen, die die Voraussetzung für die Einbürgerung erfüllen, wissen zu lassen: Ihr seid willkommen, auch als Deutsche und als Deutscher!

Doch solange das Grundgesetz die Definition Deutscher gleich alle Rechte und Nichtdeutscher mit eingeschränkten Rechten darstellt, sollten wir versuchen, allen Menschen die gleichen Teilhabemöglichkeiten zu ermöglichen – mit der deutschen Staatsbürgerschaft.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns auch nicht aufhören, unermüdlich gegen diese teilweise Ungerechtigkeit unserer Gesetzgebung anzugehen. Wir haben über diesen Punkt gestern lange und intensiv debattiert. Lassen Sie uns gemeinsam – das geht hier insbesondere in die Richtung der CDU-Fraktion – dafür kämpfen, Menschen die Teilhabe an unserem demokratischen Verfahren wie zum

Beispiel dem Wahlrecht zu ermöglichen, auch wenn sie keine deutsche Staatsbürgerschaft haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In diesem Sinne danke ich dem Senat für die Kampagne und Ihnen für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Kollege Tuncel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute die Große Anfrage „Mehr Einbürgerungen im Land Bremen“. Wir sehen gleich in der ersten Antwort, dass die Zahl der Menschen, die einen Antrag auf Einbürgerung stellen, leider eher stagniert. Die Zahl von hochgerechnet 1 630 Menschen, die 2014 im Land Bremen einen deutschen Pass beantragen, liegt auf dem Niveau des Jahres 2003.

1998 wurden in Bremen noch über 4 700 Menschen eingebürgert. Seitdem nimmt die Zahl der Einbürgerungen ab. Das ist ein großes Problem. Eine fehlende deutsche Staatsbürgerschaft nämlich blockiert letztlich formell gesellschaftliche Teilhabe.

Menschen ohne deutschen Pass werden institutionell auf verschiedenen Ebenen benachteiligt. Die politische Teilhabe in Form des Wahlrechts wird ihnen verweigert, solange es noch kein Wahlrecht für Drittstaatenangehörige in Deutschland gibt. Es gibt Benachteiligungen bei der Berufswahl zum Beispiel im öffentlichen Dienst. Richter oder sogar ehrenamtliche Schöffen müssen die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Auch die sozialen Rechte für Menschen ohne deutschen Pass sind eingeschränkt. Am besten wäre es natürlich, all diese Benachteiligungen abzuschaffen. Da es aber erhebliche Widerstände gibt, die zum Beispiel bei der CDU im Wahlrechtsausschuss deutlich wurden, muss es in der Zwischenzeit so einfach wie möglich sein, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen.

Nachdem jemand die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt hat, wird geprüft, ob die Person verschiedene Voraussetzungen erfüllt. Die Person muss in der Regel seit acht Jahren hier wohnen, ein bestimmtes Einkommen nachweisen und einen Sprachtest bestehen. Es dürfen nur geringe Vorstrafen vorliegen, und der umstrittene Einbürgerungstest muss abgelegt werden. Meistens muss die Person auch die alte Staatsbürgerschaft ablegen. Für viele ist das nach wie vor die größte Hürde, wenn sie über eine deutsche Staatsbürgerschaft nachdenken. Die sogenannte Optionspflicht, also die Entscheidung zwischen zwei Staatsbürgerschaften, wird von der Großen Koalition in Berlin leider nur zum Teil abgeschafft. DIE LINKE

sagt: Die Optionspflicht muss ersatzlos abgeschafft werden. (Beifall bei der LINKEN)

Die doppelte Staatsbürgerschaft ist nichts Schlimmes. Sie sollte für alle möglich gemacht werden, die es wollen. Wenn sich eine Person einbürgern lassen will, muss sie das beim Stadtamt beantragen. Nach Angaben des Senats werden dort gerade die Anträge aus Dezember 2013 abgearbeitet. Es gibt also einen Verfahrensstau von neun Monaten. Viele Verfahren dauern aber viel länger. Uns sind Zeiträume von über einem Jahr bekannt.

(Beifall bei der LINKEN)

Der krasse Personalmangel im Stadtamt führt so auch dazu, dass Menschen teilweise sehr lange auf ihre Einbürgerung warten müssen. Das ist unhaltbar. Wir sind der Meinung, dass die vier befristeten zusätzlichen Stellen nicht reichen, Herr Kollege Senkal. (Beifall bei der LINKEN)

Das Stadtamt muss vielmehr endlich aus dem Sparkurs herausgenommen werden. Grundsätzlich sollte das Stadtamt immer im Sinne der Antragsteller entscheiden und dabei alle Ermessenspielräume ausnutzen. Der Senat führt zurzeit eine Einbürgerungskampagne durch. Ziel ist es, noch mehr Menschen über die Möglichkeit einer Einbürgerung zu informieren. Wir finden eine solche Kampagne richtig und hoffen, dass sie breit getragen wird und effektiv sein kann.

(Beifall bei der LINKEN)

2009 wurde auch schon eine solche Kampagne durchgeführt. Schon damals haben wir das unterstützt. In der Auswertung wurde festgestellt, dass die Zahl der Einbürgerungen in diesem Zeitraum um 10 Prozent gestiegen ist. Allerdings haben bei Befragungen 68 Prozent angegeben, sich nicht wegen der Kampagne einbürgern lassen zu wollen. Die Effekte einer solchen Kampagne sind also beschränkt. Es ist auch allgemein bekannt, dass die Hürden dafür hoch sind. Zum einen wollen viele ihre alte Staatsbürgerschaft nicht aufgeben, weil sie Nachteile beim Erbe oder Ähnlichem befürchten. Die GroKo hat sich jetzt auf eine halbe Lösung geeinigt und will nur jungen Menschen den Doppelpass erlauben. Da wurde eine echte Chance verpasst, mehr Teilhaberechte einzuführen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass bei der Einbürgerung der Lebensunterhalt gesichert sein muss, ist eine weitere Hürde. Das läuft

nach dem Motto: Wer sich nicht nützlich macht, darf keinen deutschen Pass bekommen.

(Abg. Frau S a l o m o n [CDU]: Ja!)

Diese Auslese ist absolut inakzeptabel, wenn man bedenkt, welche Nachteile die Folgen sind, liebe Kollegen von der CDU.

Deswegen fordern wir, dass die finanziellen Hürden abgeschafft werden. Lebensunterhaltssicherung ist Bundesrecht. Da kann Bremen nicht viel machen. Die Gebühren aber liegen mit 255 Euro ziemlich hoch. Das Stadtamt kann bei der Erhebung der Gebühr sogar Ausnahmen zulassen. Aber selbst der Senat sagt, dass davon nur selten Gebrauch gemacht wird. Wer eine Einbürgerungskampagne macht, darf sich die Einbürgerung nicht teuer bezahlen lassen. Machen Sie die Einbürgerung daher kostenlos, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dann zeigen Sie, dass Sie es mit der Kampagne ernst meinen. – Danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Hinners.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Tuncel, Ihre Kritik an uns ist völlig unberechtigt, weil die Steigerung der Einbürgerungszahlen im Land Bremen in unser aller Interesse liegt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Röwekamp hat deshalb nicht umsonst als Innensenator die Einbürgerungsfeiern im Rathaus eingeführt. (Beifall bei der CDU)

Die Einbürgerung verbessern nämlich nicht nur die Rechte, darauf ist hier schon hingewiesen worden, beispielsweise das Wahlrecht der hier lebenden Ausländer und Eingebürgerten, sondern sie dient gerade auch der Integration und hilft unter anderem, die demografische Entwicklung in Deutschland positiv zu beeinflussen. Deshalb muss der Senat nach Ansicht der CDU-Fraktion gerade auch bei seinen Bemühungen, hier lebende und gut integrierte Ausländer zur Einbürgerung zu bewegen, deutlich „eine Schippe drauflegen“, um mit Bürgermeister Böhrnsen zu reden. Frau Kollegin Dr. Mohammadzadeh hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass dort noch eine ganze Menge zu tun ist.

Aus den Antworten auf die Große Anfrage geht hervor, dass die Einbürgerungszahlen seit dem Jahr 2010 praktisch konstant sind. Bremen hat nach Auskunft des Senats im Jahr 2013 nur den sechsten Platz aller Bundesländer bei der Einbürgerungsquote belegt.

Wenn Sie dabei berücksichtigen, dass die Ostländer aufgrund bestimmter Voraussetzungen sowieso permanent niedrigere Einbürgerungsquoten aufweisen, dann ergibt sich aus diesem Platz ein noch sehr viel schlechterer Hintergrund.

Auch die viel zu langen Bearbeitungszeiten in Bremen im Gegensatz zu Bremerhaven beispielsweise, wie aus der Großen Anfrage hervorgeht, wirken sicherlich abschreckend und sind damit ein Hemmnis für die Einbürgerung.

Meine Damen und Herren, wieso der Senator für Inneres die seit Langem vorhandenen Probleme des Ausländeramts – heute heißt diese Amt Aufenthalt und Einbürgerung – offensichtlich nicht in den Griff bekommt, ist für die CDU-Fraktion völlig unverständlich.

(Beifall bei der CDU – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Erst den Laden an die Wand fahren und dann meckern!)

Der Senator für Inneres mischt sich zwar permanent in die Aufgabenwahrnehmung des Amts ein, ist aber bei der Problemlösung nicht präsent und lässt das Amt allein.

Meine Damen und Herren, als Problem bei der Einbürgerung wird immer wieder – heute auch von Herrn Tuncel – angesprochen und behauptet, dass das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht grundsätzlich keine doppelte Staatsangehörigkeit zulässt und dass dieser Grundsatz viele davon abhält, einen Einbürgerungsantrag zu stellen.

(Abg. T u n c e l [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt, Herr Hinners!)

Aus den Antworten des Senats geht allerdings hervor, dass in zirka 40 Prozent aller Fälle die Mehrstaatigkeit hingenommen worden ist. Darunter sind im Übrigen nicht nur EU-Länder, sondern viele Länder wie die Türkei, Kosovo, Marokko, Iran, Irak, Syrien und weitere Länder. Allein anhand dieser Daten ist erkennbar, dass die Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung heute schon kein großes Hindernis mehr darstellt. Kollegin Häsler hat dazu passend deutlich gemacht, Herr Senkal, dass die Veränderung des Wahlrechts nicht zu einem integrationspolitischen Instrument degradiert werden darf.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion fordert den Senat auf, die Bemühungen zur Steigerung der Einbürgerungszahlen weiter zu verstärken, gerade auch aufgrund der Tatsache, dass wir gegenwärtig große Flüchtlingsströme nach Bremen zu verzeichnen haben. Dazu gehört unserer Ansicht nach die vom Senat angesprochene neue Kampagne ebenso wie das Einbinden dieses Themas in den Schulunterricht und natürlich auch die Beschleunigung und Vereinfachung der behördlichen Verfahren. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohammadzadeh.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielleicht vorab drei Anmerkungen zu den Reden von Herrn Tuncel und auch Herrn Hinners.

Herr Tuncel, wir wissen inzwischen aus Informationen der Innenbehörde, dass im Zuge der Personalaufstockung die Einbürgerungsverfahren sechs, aber nicht mehr neun Monate dauern. Ich finde, es ist uns eine Beschleunigung des Verfahrens gelungen, und zwar auch mit der Unterstützung der Finanzsenatorin mit vier neuen Kolleginnen und Kollegen. Ich freue mich darüber, dass die Anträge nun viel schneller bearbeitet werden können.

Zu Herrn Hinners möchte ich sagen: Wenn Sie wirklich ernsthaftes Interesse an Einbürgerungen haben, dann müssten endlich die Hindernisse, die teilweise von Herrn Tuncel benannt worden sind, beseitigt werden. Einige Hindernisse werde auch ich nennen. Es sind die Gebühren, die bundesrechtlich zu regeln sind. Es sind die Voraussetzungen, um eingebürgert werden zu können, der Einbürgerungstest, der Umfang der Sprachanforderungen, und es ist auch die vorhandene Einkommenshürde. Die sind alle bundesgesetzliche Regelungen. Wenn Sie ein ernsthaftes Interesse haben, dann müssen Sie sich dafür einsetzen, diese Hindernisse zu beseitigen, und das sage ich insbesondere in Richtung der CDU.