Protocol of the Session on November 19, 2014

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das war nicht die Pausenglocke!)

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Gut, dann danke ich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Piontkowski hat das Wort für eine Kurzintervention.

Ich hatte eigentlich eine Frage an Herrn Erlanson.

Nun ist seine Redezeit aber abgelaufen.

Dann mache ich eine Kurzintervention zu seinem Vortrag. Dass jemand, der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde – von dem reden wir ja, wenn es um die Zehnjahresfrist geht –, nach fünf Jahren schon wieder entlassen wird, halte ich für äußerst unrealistisch und mit dem gegenwärtigen Strafrecht überhaupt nicht zu vereinbaren. Insofern ist es nicht nachzuvollziehen, was Sie sagen.

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Peters-Rehwinkel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nur ganz kurz zu dem Opferschutz! Ich finde es sehr gut, dass Herr Hinners den Vorschlag gemacht hat, noch eine Stellungnahme einzuholen, völlig unbenommen! Herr Kau, Sie dürfen ihm über das Köpfchen streicheln. Wir haben uns jedenfalls im Rahmen des Rechtsausschusses inhaltlich auf der Grundlage der Stellungnahme damit befasst, und wir haben das aufgenommen. Das wollte ich damit sagen. Ich hoffe, es wurde jetzt verstanden und ist angekommen. Dann nur noch einmal ganz kurz zu Herrn Erlanson, zum Thema Arbeitspflicht und Vorbereitung auf Nichtarbeit! Was wollen Sie sonst mit den Menschen machen, die dort sitzen? Ich finde, irgendetwas sollten sie tun, und es ist auch meine Wahrnehmung, dass die Gefangenen dort gern etwas tun und nicht nur so sitzen möchten, und wenn es nur Qualifizierungsmaßnahmen sind, dann ist es auf jeden Fall auch sinnvoll. Dabei möchte ich es dann auch bewenden lassen. – Danke! interjection: (Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Mir ist zu dem letzten Beitrag noch eine Sache aus der Anhörung in Erinnerung geblieben. Wir hatten dort einen Referenten, der uns dargestellt hat, dass es in Nordrhein-Westfalen ein Modellprojekt gegeben hat, um zu entkräften, dass die Gefangenen eben nicht arbeiten sollen. Er hat noch einmal ganz deutlich gesagt, dass dieses Modellprojekt empirisch begleitet und festgestellt worden ist, dass die Gefangenen, denen in der Haftanstalt tatsächlich berufliche Qualifikationen und Arbeit ermöglicht worden sind, später viel seltener rückfällig geworden sind als Gefangene, die gar nichts gemacht haben. Ich möchte darauf noch einmal kurz eingehen, weil vorhin so der Eindruck entstanden ist, in der JVA würde kaum etwas für die Gefangenen getan. Ich habe mir dort die Schule angeschaut, in die Schüler wirklich regelmäßig gehen. interjection: (Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Was können die denn da machen? Hauptschul- abschluss?)

Frau Piontkowski, wir haben hier in der Bürgerschaft schon einmal eine Große Anfrage der Grünen zu dieser Thematik ausführlich diskutiert. Wir haben auch im Haushalt einen Betrag dafür beschlossen, damit das ausgeweitet wird. Wir können natürlich darüber diskutieren, und darüber haben wir auch in der letzten Woche im Rechtsausschuss diskutiert, wie man sich noch verbessern kann, aber sich hierhin zu stellen und so zu tun, als ob die JVA in vielen Bereichen nicht arbeitet, finde ich nicht fair. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Das habe ich nicht gesagt!)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Günthner.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als in der Föderalismuskommission I die Debatte aufkam, welche Kompetenzen vom Bund auf die Länder übergehen könnten, hat der Vorschlag, die Gesetzgebung über den Strafvollzug den Ländern zu überantworten, weder in der juristischen Fachwelt noch bei uns in der Bremer Politik allergrößte Begeisterung ausgelöst. Dennoch wurde so entschieden, und damit richtet sich an uns als Justizressort und an Sie als Gesetzgeber die Anforderung, sehr sorgfältig mit dieser Kompetenz umzugehen, denn der Vollzug der Freiheitsstrafe, die Regeln darüber, wie man Haft organisiert und wie die Bedingungen sind, wenn man Menschen aufgrund gerichtlicher Entscheidungen die persönliche Freiheit nimmt, berühren ganz ohne Frage den Kernbereich der Menschen- und Bürgerrechte der Betroffenen. Herausgekommen ist meines Erachtens ein gutes Gesamtpaket, das den Anforderungen an einen modernen Strafvollzug umfänglich gerecht wird.

Das Strafvollzugsgesetz des Bundes hat sich in vielen Bereichen bewährt, und deshalb ist das, was wir vorlegen, auch Ausdruck von viel Kontinuität, aber eben auch von Veränderungen dort, wo wir sie für nötig hielten. Wir waren und sind der Auffassung, dass wir bezüglich des Vollzugs keinen Flickenteppich in Deutschland haben wollen. Deshalb baut unser Gesetzentwurf auf einem Musterentwurf auf, den wir mit vielen anderen Ländern – übrigens Länder aller politischen Couleur – entwickelt haben.

Von diesem Entwurf weichen wir dort ab, wo wir dies aus fachlichen Erwägungen für sinnvoll oder wegen der besonderen Bremer Stadtstaatensituation für geboten halten. Unser Gesetz orientiert sich an der vollzuglichen Realität. Es schwebt nicht weit über der Praxis unserer Anstalt, sondern ist passgenau für die Arbeit in unserem Gefängnis entwickelt. Das Gesetzt ist ausgesprochen praxisnah, anders als manch ein Änderungsvorschlag. Aber darauf komme ich noch zurück.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Man muss es auch praxisnah umsetzen!)

Der Rechtsausschuss der Bremischen Bürgerschaft hat den Gesetzentwurf im Rahmen einer Anhörung intensiv beraten. Wir haben dem Gesetz eine sehr ausführliche Begründung beigefügt. Viele wichtige Aspekte sind von den Rednerinnen und Rednern in der vorangegangenen Debatte bereits beleuchtet worden. Darum will ich jetzt keinen vollständigen Ritt durch das Gesetz mehr unternehmen, aber ich will durchaus ein paar zentrale Punkte aufnehmen, die mir bei diesem Gesetz auch persönlich wichtig sind.

Die Resozialisierung ist das elementare Ziel des Strafvollzugs. Das ist kein sozialromantisches Bekenntnis und, Herr Erlanson, sollte auch nicht nur sozialromantisches Bekenntnis sein. Der Anspruch auf Resozialisierung ist ein verfassungsrechtlich gesicherter Anspruch der Insassen, eine gelungene Resozialisierung liegt aber auch im fundamentalen Sicherheitsinteresse der Gesamtgesellschaft. Straftäter werden irgendwann aus der Haft entlassen, und wenn es gelingt, sie in der Haft erfolgreich auf ein straffreies Leben vorzubereiten, dann verhindert das Straftaten in der Zukunft und schützt die Menschen, die mit den ehemaligen Insassen als Nachbarn und Kollegen zusammentreffen.

Strittig ist allerdings – das hat sich in der Debatte auch gezeigt – unser Festhalten an der Arbeitspflicht. Viele Länder haben diese Pflicht, die Bestandteil des derzeit noch gültigen Bundesgesetzes ist, aufgegeben. Bremen soll – so der Vorschlag des Senats – daran festhalten.

Ich halte Arbeit für einen wichtigen, wenn nicht den wichtigsten Schlüssel für eine gelungene Resozialisierung. Über Arbeit wird der Tag der Insassen strukturiert. Über Arbeit können Kompetenzen gestärkt und erweitert werden, und über Arbeit können den Insassen Erfolgserlebnisse vermittelt werden, wenn diese – zum Beispiel in der Schreinerei – Dinge herstellen, Gegenstände schaffen, Ergebnisse und Leistungen produzieren.

Weil ich der Überzeugung bin, dass Arbeit von so zentraler Bedeutung für die Resozialisierung ist, finde ich auch, dass man die Teilnahme daran nicht ins Belieben der Insassen stellen kann. Dass DIE LINKE statt der Arbeitspflicht ein Recht auf Arbeit für die Insassen der Haftanstalt fordert, mag ganz gut in die politische Rhetorik ihrer Partei passen; ich frage mich nur ernsthaft, ob sie nicht den Anwendungsbereich für diese Forderung verfehlt hat.

In unserer Justizvollzugsanstalt gibt es Leute, die noch nie gearbeitet haben. Das mag bei dem einen oder anderen durchaus der Grund dafür sein, dass er auf die schiefe Bahn geraten ist. Sollen wir ernsthaft fragen, ob diese Leute Lust haben, im Rahmen ihrer Haft an der Vorbereitung auf ein straffreies Leben mitzuwirken? Und wenn sie lieber 23 Stunden auf der

Zelle eingesperrt sein wollen, ist das für uns auch okay? Mir ist das zu wenig ambitioniert. Wir müssen uns schon mehr Mühe geben, auch die Menschen zu erreichen, die bei Haftantritt nur bedauern, erwischt worden zu sein, und noch keine Bereitschaft aufweisen, zukünftig auf Straftaten zu verzichten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ein Vollzug nur nach Lust und Laune der Insassen verkennt, dass damit immerhin auch eine Strafe vollstreckt wird, und ist nach meiner festen Überzeugung darüber hinaus nicht geeignet, eine erfolgreiche Resozialisierung zu ermöglichen.

Ein letzter Aspekt, dem ich mich widmen möchte, ist die Frage von Besuch und Außenkontakten, die ebenfalls kontrovers diskutiert worden ist. Streit gab es vor allem um zwei Punkte: um den Hafturlaub für Lebenslängliche und den Langzeitbesuch. Ich will zu beiden Punkten kurz Stellung beziehen.

Das geltende Recht lässt Hafturlaub, der Neudeutsch jetzt Langzeitausgang heißt, bei Insassen, die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, erst nach zehn Jahren zu. Wir wollen in der Regel daran festhalten. DIE LINKE möchte diese Frist auf fünf Jahre senken; die CDU besteht auf den zehn Jahren als starrer Frist ohne jede Ausnahme. Ich möchte Ihnen sagen, warum ich unseren Weg, dem sich auch die Mehrheit dieses Hauses anschließen wird, für den klügeren halte.

Eine Absenkung der Frist auf fünf Jahre halte ich ganz und gar für falsch. Zum einen bitte ich darum, nicht zu vergessen, dass jemand von einem ordentlichen deutschen Gericht in einem rechtsstaatlichen Verfahren – in der Regel wegen der Tötung eines anderen Menschen – zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Es ist daher nicht die Aufgabe des Strafvollzugs, dafür zu sorgen, dass ein solcher Mensch schnellstmöglich wieder in Freiheit gelangt. Das ist weder den Angehörigen der Opfer noch der Gesellschaft als ganzer zu vermitteln. Zum anderen wäre aber auch die Missbrauchs- und Fluchtgefahr viel zu groß. Da eine Entlassung aus lebenslanger Haft frühestens nach 15 Jahren in Betracht kommt, kann man regelmäßig davon ausgehen, dass die Versuchung für einen Insassen, der nach fünf Jahren Langzeitausgang bekäme, enorm wäre, sich der weiteren Haft durch Flucht zu entziehen.

Langzeit ist ja nicht zur Erholung von den Strapazen, eine Strafe absitzen zu müssen, gedacht, sondern soll der ganz konkreten Vorbereitung auf die Entlassung dienen und findet daher sinnvollerweise am Ende der Haft statt und nicht, wenn der größte Teil der Vollstreckung noch bevorsteht.

Bis hierhin bin ich mir vermutlich mit der CDU einig. Warum also unser Formulierungsvorschlag „in der Regel“? Eine starre Frist hat immer den Nachteil – darauf ist bereits hingewiesen worden –, dass sie bei

atypischen Fallkonstellationen keine größeren Spielräume zulässt. Deswegen die von uns vorgeschlagene Regelung.

Bezüglich des Langzeitbesuchs haben wir lange mit uns gerungen. Derzeit ermöglichen alle Bundesländer außer Bremen und Bayern diese mehrstündigen, zum Teil unbeobachteten Besuche. Der Wunsch der Vollzugspraktiker, auch in Bremen eine solche Möglichkeit zu schaffen, war sehr stark. Ich räume aber ein, dass ich persönlich sehr starke Vorbehalte gegen eine solche Regelung hatte. Wir haben uns letztendlich entschieden, nicht grundsätzlich nein zu sagen, aber einen solchen Besuch nur unter sehr engen Voraussetzungen zuzulassen. Unbeobachtete Besuche mit Kindern darf es nach unserem Vorschlag zum Schutz der Kinder nicht geben, und Gewalt- und Sexualstraftäter kommen regelmäßig für einen solchen Besuch nicht in Betracht.

Dies wurde von den Verbänden in der Anhörung zum Teil als zu streng kritisiert. Der Vorwurf lautete, es bleibe nur noch ein kleiner Anwendungsbereich. Das mag stimmen, aber ich meine, es bleibt eben der vertretbare Anwendungsbereich. Bei unbeobachteten Besuchen besteht immer ein Restrisiko – dieses lässt sich überhaupt nicht verhindern –, und bei Kindern bin ich zu keinem Kompromiss bezüglich deren Sicherheit bereit.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich finde, es lässt sich recht gut begründen, dass wir Vorbehalte haben, Mörder und Vergewaltiger über einen längeren Zeitraum unbeobachtet mit Besucherinnen in der JVA alleinzulassen. Wir würden hier Sicherheitsbedenken vorschieben, hat es von Kritikern geheißen. Das hat mich sehr geärgert, weil ich diese Bedenken nicht vorschiebe, sondern ernsthaft habe.

Im Jahr 2010 hat in Nordrhein-Westfalen ein Mann, der wegen Vergewaltigung und Mordes an einem Kind lebenslang in Haft saß, während eines Langzeitbesuchs seine damalige Partnerin umgebracht. War das ein trauriger Einzelfall? Bisher zum Glück ja. Dies ist aber ein unbestreitbarer Hinweis darauf, dass es extreme Gefahren bei solchen Besuchen gibt. Darum bin ich dafür, extrem vorsichtig zu sein.

Warum DIE LINKE das anders sieht, hat sich mir nicht so recht erschlossen. Der Terminus „langjährig Inhaftierte“ klingt mir denn doch ein bisschen zu freundlich und familiär und wird der Sachlage nicht gerecht. Die Insassen sind ja nicht so lange in der JVA, weil sie sich dort besonders bewährt haben, sondern weil sie wegen einer schweren Straftat zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden sind.

Meine Damen und Herren, es gäbe viele weitere Aspekte dieses Gesetzes, über die wir hier trefflich diskutieren könnten. Ich möchte zum Schluss nur noch eines sagen: Die Kolleginnen und Kollegen in der

Justizvollzugsanstalt haben einen schwierigen Job, den sie mit großem persönlichen Einsatz und hoher Kompetenz meistern. Dafür schulden wir ihnen als Gesellschaft insgesamt wie auch wir als politisch Verantwortliche in besonderer Weise Dank. Wir beschließen heute den gesetzlichen Rahmen für den Vollzug. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der JVA werden ihn – dessen bin ich mir sicher – engagiert mit Leben füllen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Gemäß Paragraf 51 Absatz 7 unserer Geschäftsordnung lasse ich zuerst über die Änderungsanträge abstimmen.

Als Erstes lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU abstimmen.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/1632 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! (Dafür CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)